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Entschädigung für vorläufige Fahrerlaubnisentziehung

AG Tiergarten – Az.: 297 Ds 14/18, (297 Ds) 235 Js 567/18 (14/18) – Urteil vom 17.08.2018

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Eine Entschädigung für die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht dem Angeklagten nicht zu.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

Gründe

(abgekürzte Fassung gemäß § 267 Abs. 5 Satz 2 StPO)

I.

In der zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin vom 12.03.2018 wurden dem Angeklagten Vergehen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit unterlassener Hilfeleistung (§§ 142, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 315b Abs. 1 Nr. 3, 323c, 52, 53 StGB) vorgeworfen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anklageschrift verwiesen.

Durch Beschluss des Gerichts vom 08.03.2018, bestätigt durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Berlin vom 13.06.2018 (538 Qs 58/18), ist dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO vorläufig entzogen worden. Der Führerschein befand sich seit dem 16.04.2018 bis zur Hauptverhandlung in amtlicher Verwahrung.

II.

In der Hauptverhandlung ist durch die Beweisaufnahme Folgendes festgestellt worden:

Am 23.11.2017 gegen 9.45 Uhr fuhr der Führer des PKW Smart des Carsharing-Unternehmens … mit dem amtlichen Kennzeichen …, der unter dem Account des Angeklagten und unter Nutzung von dessen PIN das Fahrzeug nutzte, in südlicher Richtung auf der Andreasstraße in 10243 Berlin-Friedrichshain. In Höhe der Kreuzung versuchte er, das Kraftfahrzeug des Zeugen N. der Marke Opel mit dem amtlichen Kennzeichen … zu überholen. Für dieses Überholmanöver nutzte er den Fahrstreifen des Gegenverkehrs. Nachdem er seinen Überholvorgang aufgrund eines links abbiegenden Lkw abbrechen musste, reihte sich der Fahrer wieder hinter dem Kraftfahrzeugs des Zeugen ein. Nachdem er und der Zeuge verkehrsbedingt an einer Ampel zum Stehen kamen, stieg der Zeuge aus seinem Kraftfahrzeug aus und stellte sich beifahrerseitig schräg vor das von dem Fahrer geführte Kraftfahrzeug, um ihn auf den Überholvorgang anzusprechen. Daraufhin fuhr dieser auf den Zeugen zu und rammte diesen am linken Knie. Der Zeuge erlitt eine Prellung, stürzte aufgrund des Stoßes auf den Boden und war eine Woche krankgeschrieben. Der Fahrer entfernte sich mit dem Smart zunächst, kehrte jedoch nach kurzer Zeit zurück. Am Unfallort hielt er kurz an, sagte zu dem weiterhin auf dem Boden liegenden Zeugen sinngemäß „Du siehst mich zu Tränen gerührt“ und entfernte sich erneut vom Unfallort, ohne dem Zeugen seine Personalien mitzuteilen.

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat damit zwar das in der Anklageschrift beschriebene Tatgeschehen bestätigt, jedoch nicht zu der Feststellung geführt, dass der Angeklagte zur Tatzeit der Fahrer des Smart und damit der Täter war. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache gemacht. Aus den verlesenen Systemausdrucken von … (Bl. 22 und 23 d.A.) ergibt sich allerdings eindeutig, dass vom 23.11.2017 um 7.55 Uhr bis zum 23.11.2017 um 10.00 Uhr der Angeklagte unter seinem Account und Nickname „m.“ als Nutzer des Smart eingeloggt war. Die Zeugen N., S. und K., auf deren Bekundungen sich die Feststellungen stützen, haben übereinstimmend, aber unabhängig voneinander bekundet, sie hätten schon damals den Fahrer nicht wiedererkennen können und können auch heute nicht sagen, ob es der Angeklagte war. Zudem hat der Zeuge J. in nicht unglaubhafter Weise bekundet, der Angeklagte habe sich am Tattag von 9.00 Uhr bis 10.30 Uhr „+/- 10 Minuten“ durchgehend mit ihm und zwei weiteren Zeugen zusammen auf einer Objektbesprechung am …X Berlin befunden und diese nicht verlassen.

Danach war ein Tatnachweis gegen den Angeklagten nicht zu führen und dieser deshalb aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

III.

Eine Entschädigung für die Zeit der vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis steht dem Angeklagten gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG nicht zu, weil er diese Maßnahme grob fahrlässig verursacht hat. Denn nach den Feststellungen des Gerichts hat der unbekannte Täter unter Benutzung des Accounts des Angeklagten das fragliche Fahrzeug angemietet und damit die Tat begangen. Dies war jedoch bei lebensnaher Betrachtung nur möglich, weil der Angeklagte entweder seine sensiblen Nutzerdaten nicht sorgfältig genug unter Verschluss gehalten oder weil er diese bewusst einer anderen Person überlassen hat. Beides stellt einen Verstoß gegen die von jedem Kunden akzeptierten und (über das Internet) allgemeinkundigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von … dar, der bereits zur Tatzeit mit einer Vertragsstrafe von 250,00 Euro (jetzt: 1.000,00 Euro) bedroht war, wie der Zeuge H. von … bekundet hat. Durch die Verletzung dieser Vertragsbedingungen hat der Angeklagte in vorwerfbarer Weise selbst den Anschein gesetzt, das er zur Tatzeit der Fahrer des Smart war. Denn nach der Rechtsprechung des Kammergerichts kommt dem Umstand, unter welchem Account sich der Nutzer eingeloggt hat, nicht unerhebliche Bedeutung für die Frage der Täterschaft zu und begründet einen Tatverdacht gegen den Inhaber des Accounts (vgl. KG VRS 126, 26). Auf diesem Umstand beruhten die Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Angeklagten ganz maßgeblich. Der Angeklagte hat durch sein Verhalten daher die daraus resultierenden Fahrerlaubnismaßnahmen gegen sich grob fahrlässig verursacht (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall den Beschluss des LG Limburg vom 24.04.2018 – 1 Qs 65/18 -).

IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

 

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