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Diebstahl von Pfandleergut – Strafbarkeit

AG Tiergarten, Az.: (249 Ds) 3022 PLs 13289/11 (233/11), Beschluss vom 17.11.2011

In der Strafsache wegen besonders schweren Falls des Diebstahls pp. wird die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

Gründe

I.

Den Angeschuldigten wird mit der Anklageschrift der Amtsanwaltschaft Berlin (3022 PLs 13289/11) vom 12.10.2011 zur Last gelegt, am 25.04.2011 gegen 12:28 Uhr in 14167 Berlin gemeinschaftlich einen Diebstahl in einem besonders schweren Fall entweder versucht oder begangen zu haben, was eine Strafbarkeit nach §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1, (22), 25 StGB begründe. Konkret hat die Amtsanwaltschaft den Angeschuldigten Folgendes vorgeworfen:

Die Angeschuldigten sollen den Zaun zum Pfandlagerhof der Firma Getränke N. in der W. Straße in Berlin überstiegen haben. Dort sollen sie PET Pfandflaschen in zwei großen blauen Müllsäcken entwendet haben.

II.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage war nach § 204 StPO abzulehnen, da ein hinreichender Tatverdacht gegen die Angeschuldigten aus rechtlichen Gründen nicht besteht.

Diebstahl von Pfandleergut - Strafbarkeit
Symbolfoto: Surf-Skate-Ski/Bigstock

Eine Strafbarkeit wegen Diebstahls (§ 242 StGB) liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Die Angeschuldigten mögen zwar fremde bewegliche Sachen weggenommen oder es versucht haben, indem sie die PET-Pfandflaschen an sich nahmen. Hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse bei Pfandflaschen ist die Rechtslage jedoch nicht unproblematisch (vgl. hierzu etwa BGH, NJW 2007, 2912). Während bei sog. Einheitsflaschen das Eigentum am dem Behältnis mit dem Verkauf des Getränks übergeht, verbleibt selbiges bei Flaschen mit Individualmerkmalen regelmäßig beim Hersteller. Als Beispiel für Flaschen mit Individualmerkmalen sind etwa diejenigen von Coca-Cola zu nennen. Das hat zur Folge, dass auch der Getränkehändler – hier also die Fa. Getränke N. GmbH – kein Eigentum an solchen Flaschen erlangt. Vorliegend wurde ausweislich der Akten den in Müllsäcken vorgefundenen Pfandflaschen lediglich ein Pauschalpfandwert zugeordnet. Es ist schon unklar, um welche Flaschen und welchen Hersteller es sich handelte. Die Bezeichnung mit „PET“ gibt allein das Material (Polyethylenterephthalat) an, sagt indessen nichts über die Eigenheiten der Flaschen aus. Noch weniger ergibt sich, welche Flaschen im Einzelnen genau mitgenommen bzw. eingepackt wurden. Dass das entwendete Gut über sechs Monate nach der Tat noch zweifelsfrei zu identifizieren wäre, erscheint sehr unwahrscheinlich. Daher wäre in einer Hauptverhandlung wohl von dem für die Angeschuldigten günstigsten Fall der (versuchten) Mitnahme von Individualpfandflaschen auszugehen. Dann wäre indes nicht erkennbar, dass die Angeschuldigten in der Absicht rechtswidriger Zueignung handelten. Denn durch die Mitnahme der Flaschen hätte die tatsächliche Verfügungsmacht des Eigentümers, also des Herstellers, offenkundig nicht auf Dauer entzogen werden sollen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Angeschuldigten die Pfandflaschen – freilich unter Einstreichung des Pfandgeldes – wieder in das Mehrwegsystem zurückführen wollten. Ein anderer Sinn der Tat erscheint dem Gericht insoweit fernliegend. Damit hätten die Angeschuldigten aber ohne den erforderlichen Enteignungsvorsatz gehandelt, da sie weder die Sachsubstanz dem Eigentümer vorenthalten noch den Sachwert der Leergutflaschen in ihr Vermögen überführen wollten (vgl. BGH, NStZ-RR 1998, NSTZ-RR Jahr 1998 S. 235 m.w.N.). Nach dem sog. engen Sachwertbegriff fällt unter Zueignung i.S. d. 242 StGB nur die Enteignung und Aneignung des spezifischen Funktionswertes. Eine Ausweitung des Sachwertgedankens auf den Täuschungswert der Sache kann dabei nicht angenommen werden, da sonst das Eigentumsdelikt des Diebstahls den Charakter eines Bereicherungsdeliktes erhielte (vgl. zur Problematik insbes. AG Flensburg, Urteil vom 01.07.2005 – 47 Ds 107 Js 26871/04 (41/05), NStZ 2006, 101; Hellmann JuS 2001, 353 [354]; Seher, JuS 2002, 104; Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 242 Rn. 35 u.a.). Es wäre auch nicht so, dass sich die schon leeren Pfandflaschen bei der Rückgabe in den Getränkehandel lediglich als eine leere Hülle ohne Funktion darstellen würden. Ihr Sachwert bliebe erhalten. Sie könnten ferner unzweifelhaft ihrer Funktion wieder zugeführt werden, der sie als leere Pfandflaschen zu dienen bestimmt waren: der Wiederbefüllung. Dass die Angeschuldigten das fremde Eigentum – nämlich das des Herstellers – leugnen wollten, ist nach Ansicht des Gerichts ebenso nicht der Fall. Denn die Rückgabe in das vom Hersteller installierte Rücknahmesystem spräche gerade für die Anerkennung des fremden Eigentums. Die Leugnung des Eigentumsrechts ist nach Auffassung des Gerichts jedoch für eine Zueignung und damit für die Abgrenzung zu einer straflosen Gebrauchsanmaßung erforderlich.

Für eine Pfandkehr im Sinne des § 289 StGB ist erforderlich, dass der Täter „zu Gunsten des Eigentümers” handelt – er also gerade ihm einen Vorteil verschaffen will. Bei den offensichtlich allein zum eigenen Vorteil agierenden Angeschuldigten vermag das Gericht zureichende Anhaltspunkte für einen solchen Willen nicht zu erkennen.

Übrig bliebe in noch ein Hausfriedenbruch gem. § 123 StGB. Dieser setzt gem. § 123 Abs. 2 StGB einen wirksamen Strafantrag voraus. Dass ein fristgerechter und wirksamer Strafantrag i.S.d. §§ 77 ff StGB i.V.m. § 158 Abs. 2 StPO durch den Berechtigten vorliegt, vermag das Gericht den Akten allerdings nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht, wollte es dennoch zu einer Verurteilung gelangen, insbesondere klären müsste, ob es sich um individualisierte Pfandflaschen handelte, die im Eigentum des Herstellers verbleiben sollten und ggf. wie ein bestehendes Rücknahmesystem des Herstellers ausgestaltet ist. Diesbezüglich wurde der Sachverhalt im Ermittlungsverfahren in keiner Hinsicht ausgeforscht. Das Gericht kann zwar im Zwischenverfahren gemäß § 202 StPO einzelne, ergänzende Beweiserhebungen anordnen, eine Nachholung wesentlicher Teile des Ermittlungsverfahrens ist aber unzulässig (vgl. Schneider in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage 2008, § 202 Rn. 2, m.w.N.). So liegt es hier: Schon allein aufgrund des Umfangs, aber auch wegen der Bedeutung in der Sache für die Schuld wären die oben genannten Gesichtspunkte nach Ansicht des Gerichts wesentlich.

Zuletzt hegt das Gericht auch formelle Bedenken bezüglich der Zulassung der Anklage. So ist schon nicht klar, ob den Angeschuldigten letztlich der Versuch oder die Vollendung vorgeworfen wird. Während der abstrakte Anklagesatz keinerlei Hinweise auf einen (bloßen) Versuch enthält, kommt die Anklage zu folgender rechtlicher Würdigung: „Vergehen des versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall, strafbar nach §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1, 22, 25 Strafgesetzbuch“. Der konkrete Anklagesatz vermag insoweit nicht weiterzuhelfen, da das dort gebrauchte Verb „entwenden“ viel zu unkonkret ist, um damit die vorgeworfene Handlung so genau zu umgrenzen, dass die genannten Zweifel ausgeräumt würden (vgl. zur Informations- und Umgrenzungsfunktion der Anklage auch Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage 2011, § 200 Rn. 8.). Darüber hinaus erschließt sich dem Gericht nicht, inwieweit die Angeschuldigten in einen umschlossenen Raum eingebrochen sein sollen. Die Modalität des Einbrechens setzt die Aufwendung nicht unerheblicher Kraft voraus (vgl. Fischer, a.a.O., § 243 Rn. 5). Davon geht die Anklage aber wohl selbst nicht aus, da sie den Angeschuldigten im konkreten Anklagesatz das Übersteigen eines Zauns zur Last legt.

Nach alledem war die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen und die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

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