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Beweiswürdigung bei Überführung des Angeklagten aufgrund einzelner Zeugen

OLG Celle – Az.: 2 Ss 72/19 – Beschluss vom 13.06.2019

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 28.03.2019 aufgehoben:

a) im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch für die Tat 2 der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Die weitergehende Revision wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Landgericht Hannover (Az. 36 Ns 29/19) hat den Angeklagten in dem angefochtenen Urteil wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine, nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang.

II.

Die zulässige Revision hat in der Sache – vorläufig – teilweise Erfolg. Im Übrigen erweist sie sich als unbegründet.

1.

Hinsichtlich des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs bzgl. der abgeurteilten Taten 1 und 3 hat die revisionsrechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2.

Hingegen erweist sich der Schuldspruch hinsichtlich der abgeurteilten Tat 2 als nicht frei von Rechtsfehlern und unterliegt daher der Aufhebung.

Die zu dieser Tat vorgenommene Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ-RR 2019, 122 m.w.N.).Besondere Darlegungsanforderungen an den Tatrichter bestehen in schwierigen Beweislagen, zu denen auch Konstellationen zählen, in denen der Tatnachweis im Wesentlichen auf einem Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeugen beruht. Aufgrund der Komplexität und Fehlerträchtigkeit bei der Überführung eines Angeklagten aufgrund der Aussage und des Wiedererkennens einer einzelnen Beweisperson ist der Tatrichter grundsätzlich verpflichtet, die Bekundungen des Zeugen wiederzugeben, auf denen dessen Wertung beruht, dass er den Angeklagten als den Täter wiedererkenne. Der Tatrichter ist aus sachlich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben und diese Täterbeschreibung des Zeugen zum Äußeren und zum Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Beziehung zu setzen. Darüber hinaus sind in den Urteilsgründen auch diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, auf denen die Folgerung des Tatrichters beruht, dass insoweit tatsächlich Übereinstimmung besteht (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 90 m.w.N.).

Vorliegend hat das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bzgl. der Tat 2 der Urteilsgründe maßgeblich auf die Angaben der Zeuginnen S. und I. gestützt. Die insoweit in den Urteilsgründen niedergelegten Beweiserwägungen sind jedoch lückenhaft. Sie erschöpfen sich in der Mitteilung, dass die Zeuginnen den Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung „eindeutig wiedererkannt“ haben. Dies genügt den o.g. Darlegungsanforderungen nicht. Denn den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale die Zeuginnen den Angeklagten in der Berufungsverhandlung als Täter identifiziert haben. Nähere Ausführungen hierzu wären auch deshalb erforderlich gewesen, weil zwischen der Tat 2 und der Berufungsverhandlung ein Zeitraum von fast 3 Monaten vergangen war und nach einem solchen Zeitraum das Wiedererkennen einer Person naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Dem Urteil lässt sich auch nicht entnehmen, ob und ggf. in welcher Weise die Zeuginnen den Täter bereits im Ermittlungsverfahren und/oder in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung äußerlich beschrieben und den Angeklagten als Täter wiedererkannt haben.

Der Senat vermag ein Beruhen des angefochtenen Urteils bzgl. des Schuldspruchs für die Tat 2 der Urteilsgründe auf dem aufgezeigten Rechtsfehler trotz der in den Urteilsgründen zum äußeren Geschehensablauf bei der Tat 2 sowie zum unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu den abgeurteilten Taten 1 und 3 angeführten Umstände, die auf den Angeklagten als Täter hinweisen, nicht auszuschließen.

3.

Infolge der Aufhebung des Schuldspruchs bzgl. der abgeurteilten Tat 2 ist der vom Landgericht für diese Tat verhängten Einzelstrafe sowie der aus den Einzelstrafen für die Taten 1-3 gebildeten Gesamtstrafe die Grundlage entzogen. Dies führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs hinsichtlich der für die Tat 2 verhängten Einzelstrafe sowie der Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückzuverweisen.

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