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Betrug bei abredewidriger Abhebung von Geldbeträgen nach Überlassung der EC-Karte?

AG Villingen-Schwenningen – Az.: 6 Ds 31 Js 5757/18 – Beschluss vom 11.04.2019

Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit Anklageschrift vom 26.2.2019 wird der Angeschuldigten folgender Sachverhalt vorgeworfen:

Die Angeschuldigte war von Oktober 2015 bis Mitte Januar 2018 bei den Geschädigten F und B im Rahmen ihrer Tätigkeit für die St. als Haushaltshilfe tätig. Als der Geschädigte F pflegebedürftig wurde und in ein Pflegeheim kam wurde sie für diesen am 12.4.2016 auch zur Betreuerin bestellt. Die Angeschuldigte half in der Folge weiter der Geschädigten B. Von dieser wurde sie auch damit beauftragt, Bargeld von deren Girokonto abzuheben, wozu sie die Karte und PIN bekam. Weiter hatte sie dadurch Kenntnis davon, wo die Geschädigte ihre Bankdaten aufbewahrte. Wegen des Umzugs des Geschädigten F in ein Pflegeheim wurde das gemeinsame Konto der Geschädigten derart aufgelöst, dass für die Geschädigte B ein eigenes Girokonto errichtet wurde. Hierum kümmerte sich die Angeschuldigte. Für das Konto des Geschädigten F bei der Volksbank Kontonummer 1, hatte die Geschädigte B als Bevollmächtigte eine sog. Partnerkarte. Mit dieser Karte hob die Angeschuldigte ohne entsprechenden Auftrag folgende Beträge an Geldautomaten in St. und in V vom Konto des Geschädigten F ab, um diese in der Folge für sich zu behalten:

Tat-Ziff:

Tatzeit Betrag in EUR

  • 1 12.10.2015 300,00
  • 2 28.10.2015 300,00
  • 3 04.11.2015 200,00
  • 4 06.11.2015 200,00
  • 5 12.11.2015 200,00
  • 6 23.11.2015 1.000,00
  • 7 18.12.2015 500,00
  • 8 28.12.2015 500,00
  • 9 03.02.2016 100,00
  • 10 18.02.2016 100,00
  • 11 02.03.2016 1.000,00
  • 12 21.03.2016 150,00

Insgesamt erlangte die Angeschuldigte von diesem Konto einen Betrag von 4.550,00 EUR.

Weiter hob die Angeschuldigte vom Sparbuch der Geschädigten B bei der Volksbank Kontonummer 2, ohne entsprechenden Auftrag mit deren Bankkarte die folgenden Beträge an Geldautomaten in St. ab, um diese in der Folge für sich zu behalten:

Tat-Ziff:

Tatzeit Betrag in EUR

  • 13 16.11.2017 200,00
  • 14 20.11.2017 300,00
  • 15 22.11.2017 500,00
  • 16 29.11.2017 50,00
  • 17 30.11.2017 250,00
  • 18 07.12.2017 500,00
  • 19 12.12.2017 300,00
  • 20 20.12.2017 500,00
  • 21 02.01.2018 800,00

Insgesamt erlangte die Angeschuldigte von diesem Konto einen Betrag von 3400,00 EUR. die Angeschuldigte wollte sich mittels dieser Abhebungen eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang generieren.

Der Geschädigte F verstarb am 03.06.2016, die Geschädigte B am 22.05.2018

II.

Das Hauptverfahren war aus tatsächlichen Gründen § 205 StPO nicht zu eröffnen. Für einen strafbaren Sachverhalt fehlt ein hinreichender Tatverdacht.

Bereits aus den Einlassungen der verstorbenen Geschädigten B ergibt sich, dass die Angeschuldigte aufgrund eigenen Willensentschlusses der Geschädigten in die Verfügungsgewalt ihrer EC-Karte und der PIN Nummer für das Girokonto der Geschädigten mit der Kto.-Nr. 2 (AS 47) gekommen ist. In ihrer polizeilichen Vernehmung vom 15.1.2018 sagte sie:

„In diesen Jahren hat sie mein Vertrauen erschlichen bis dahin, dass ich ihr sogar mein Bankkärtchen und die dazugehörige PIN Nummer anvertraut habe. Ich habe sie jeden Monat mit der Karte zur Volksbank geschickt, damit sie mir 800 € abhebt. Das hat sie auch immer regelmäßig getan und mir die 800 € und die Karte gebracht.“ (AS 9)

Dies bestätigte auch der Zeuge T:

Betrug bei abredewidriger Abhebung von Geldbeträgen nach Überlassung der EC-Karte?
(Symbolfoto: Von HBRH/Shutterstock.com)

„Ich fiel fast vom Glauben ab, als ich von meiner Mutter Ende des letzten Jahres erfahren habe, dass sie der C. die Kontokarte und die dazugehörige PIN gegeben hat.“ (AS 14)

Die unter Z. 21 angeklagte Tat ist eine Abhebung von diesem Girokonto. Dies bestätigt der Zeuge M bei Zusendung der Lichtbilder (AS 68).

Mit derselben EC-Karte konnte die Angeschuldigte auf das in der Anklage bezeichnete Sparbuch zugreifen. Dies bestätigte ebenfalls der Zeuge M, der darauf verwies, dass die zur Abhebung genutzte Kontonummer durch die Kamera des Geldautomaten aufgezeichnet wird (AS 62). Die am 12.12.2017 erfolgte Abhebung, die durch den Zeugen M dem Sparbuch zugeordnet wird (AS 59), erfolgte mit der dem oben genannten Girokonto zugeordneten EC-Karte (AS 63).

Ungeachtet der konkreten Reichweite der Bevollmächtigung zur Abhebung von Geldbeträgen mit Hilfe der oben genannten EC-Karte ist der damit verbundene Sachverhalt (Taten Z. 13 bis 21) nicht strafbar.

Eine Strafbarkeit gemäß § 263a Abs. 1 Variante 3 StGB entfällt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Merkmal der Unbefugtheit betrugsspezifisch auszulegen. Hierbei ist insbesondere erforderlich, dass bei einem an Stelle der Maschine stehenden adressierten Menschen durch die Handlung des Täters ein Irrtum erregt wird. Dabei ist Voraussetzung, dass eine geäußerte unwahre Tatsache vom Prüfungsumfang der Maschine erfasst wird.

Die im Innenverhältnis bestehende Berechtigung des Täters zur Vornahme von spezifischen Abhebungen ist von diesem Prüfungsumfang nicht erfasst. Dementsprechend entfällt bei einer missbräuchlichen Verwendung einer konsensual verschafften EC-Karte mit PIN Nummer die Strafbarkeit gemäß § 263a Abs. 1 Variante 3 StGB (st. Rspr. OLG Köln, Urteil vom 09.07.1991 – Ss 624/90 = NJW 1992, 125; OLG Jena, Beschluss vom 20.09.2006 – 1 Ss 226/06 = BeckRS 2007, 05394 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.01.1998 – 2 Ss 437/97 – 123/97 II = NStZ-RR 1998, 137 OLG Dresden, Beschluss vom 13.04.2005 – 2 Ss 654/04 = BeckRS 2005, 6487).

Für eine Strafbarkeit der Tat als Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB fehlt es vorliegend an Anhaltspunkten. Für eine Vermögensbetreuungspflicht – insbesondere in Gestalt einer Hauptpflicht eines Vertragsverhältnisses – fehlt es hier an Anhaltspunkten. Die Angeschuldigte war Reinigungskraft und Haushaltshilfe (AS 11) der Geschädigten, so dass nicht davon auszugehen ist, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit zu Vermögenssorge verpflichtet gewesen wäre. Taten, die während der Phase der angeordneten Betreuung durch die Angeschuldigte begangen worden sein sollten, sind nicht Teil der Anklage.

Die vorliegende Strafbarkeitslücke ist hinlänglich bekannt, dennoch hat der Gesetzgeber diese noch immer nicht geschlossen.

Auch für die Taten Z. 1-12 fehlt es an einer hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit.

Zwar ist es nach der Anklage naheliegend, dass die Angeschuldigte die bezeichneten Abhebungen vorgenommen hat, doch kann nach Aktenlage nicht geklärt werden, ob die Angeschuldigte auch die für die vorliegenden Abhebungen genutzte EC-Karte und PIN Nummer mit Willen des Berechtigten F erhalten hat. Zwar ist es ausgeschlossen, dass die Angeschuldigte die Karte durch die Geschädigte B erhalten hätte (AS 178). Allerdings fehlen insoweit Erkenntnisse in Bezug auf den Geschädigten F.

Beide Geschädigten sind mittlerweile verstorben, so dass eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist. Für eine freiwillige Übergabe der EC-Karte spricht nicht nur, dass auch die oben genannte EC-Karte für das Konto mit der Kto.-Nr. 2 mit Zustimmung der Geschädigten B weitergegeben wurde, so dass jedenfalls diese bereits ein entsprechendes Vertrauen gegenüber der Angeschuldigten zum Ausdruck brachte. Darüber hinaus spricht auch das enge Verhältnis der Angeschuldigten mit den Geschädigten für eine solche Weitergabe.

Dieses enge Verhältnis wird insbesondere durch den Zeugen T eindrücklich beschrieben:

„Als es meinem Vater immer schlechter ging, das war so im Frühjahr 2016, hatte sich die Frau Z. schon das Vertrauen von meiner Mutter und meinem Vater erschlichen. Das ging sogar soweit, dass sie die Vormundschaft über meinen Vater notariell abgesichert hatte. Letztlich war es so, dass sie eigentlich alles in der Familie an sich gerissen hatte und über alles bestimmen wollte. Meine Eltern hatten blindes Vertrauen in diese Frau, beide waren ihr sozusagen hörig.“ (AS 14)

Schließlich fehlt es an Anhaltspunkten dafür, wie die Angeschuldigte ansonsten unbefugt in Besitz der EC-Karte und der PIN Nummer gekommen wäre. Zwar hätte die Angeschuldigte Zugang zur Geldkassette der Geschädigten B haben können (AS 11). Allerdings ist ungeklärt und kann vor dem Hinblick des Todes der Geschädigten nicht mehr aufgeklärt werden, ob die vorliegend genutzte Partnerkarte ebenfalls in dieser Geldkassette aufbewahrt worden ist – dies erscheint schon deshalb unwahrscheinlich, weil die Geschädigte vor ihrem Ableben zur Kenntnis gab, dass sie nicht (mehr) wisse, dass es diese Karte überhaupt gäbe und auch die PIN Nummer nicht kennen würde (AS 171).

III.

Die Kostenentscheidung erging gem. §§ 464, 467 StPO.

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