AG Rostock – Az.: 29 Ls 42/20 – Urteil vom 10.05.2021
1. Der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
angewendete Vorschriften: §§ 267 Abs. 4, 467 StPO
Gründe
I.
1.
Dem Angeklagten wurde mit Anklageschrift vom 04.08.2020 von der Staatsanwaltschaft Rostock mit unverändert zugelassener Anklageschrift zur Last gelegt, Betäubungsmittel in nicht geringer Menge besessen zu haben, ohne sie aufgrund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG erlangt zu haben. Er habe am 18.05.2017 über den eBay-Shop „h…“, welcher erkennbar betäubungsmittelhaltige Pflanzenmaterialien anbiete, insgesamt 1000 Gramm getrocknete Wurzelrinde Mimosa Hostilis für 145,98 € erworben, welche der Anlage I. zum BtMG unterstehen und in der Wirkungsweise LSD vergleichbaren Wirkstoff Dimethyltryptamin (DMT) enthalte. Die Bestellung ergebe sich aus den seitens eBay übermittelten Unterlagen. Zwar habe die Durchsuchung der aktuellen Wohnung des Angeklagten keine den Angeklagten belastenden Hinweise erbracht. Es handele sich hierbei aber lediglich um ein Gästezimmer, welches durch den Angeklagten nur unregelmäßig genutzt worden sei. Ausweislich des Befundberichtes der Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 09.10.2018 (Bl. 14 ff. der Akten) über die Untersuchung der am 09.02.2018 bei dem Betreiber des Shops „h…“ sichergestellten circa 11,5 kg Wurzelrinde habe die dort sichergestellte Wurzelrinde einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 3,01 % Dimethyltryptamin (DMT) aufgewiesen. Bezogen auf die vom Angeklagten erworbenen 1000 Gramm ergebe das einen Gesamtwirkstoffgehalt von 30,1 g DMT, was dem 3,86-fachen des Grenzwertes der nicht geringen Menge von 3,6 g DMT entspricht. Gehe man zugunsten des Angeklagten davon aus, dass die von ihm erworbene Menge nur einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 1 % aufwies, beliefe sich der Gesamtwirkstoffgehalt der 1000 Gramm Mimosa Hostilis auf 10 Gramm DMT und entspräche damit noch dem circa 2,7-fachen des Grenzwertes der nicht geringen Menge von 3,6 Gramm DMT. Dem Angeklagten sei hierbei bewusst gewesen, nicht über eine betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis zu verfügen.
2.
Das Gericht hat im Ergebnis der Hauptverhandlung festgestellt, dass der eBay-Shop „h…“ des zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen K. die Wurzelrinde Mimosa Hostilis ausschließlich als Färbemittel anbot, dahingehend über positive Bewertungen verfügte und keinerlei wirkstoffspezifische Hinweise enthielt. Weiterhin hat das Gericht festgestellt, dass der Angeklagte die Mimosa Hostilis ausschließlich in der Absicht erwarb, damit eine Vielzahl an T-Shirts für den Besuch von Festivals zu färben.
II.
Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Im Ergebnis der Hauptverhandlung war ein Tatnachweis mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nicht zu führen.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten und sich dahingehend eingelassen, dass der Shop „h…“ kein Shop im Bereich des Darknets, viel mehr ein regulärer Anbieter auf eBay gewesen sei. Dieser sei zum Kaufzeitpunkt im Mai 2017 bereits seit vielen Monaten aktiv gewesen und habe gute Bewertungen aufgewiesen. Die Pflanze Mimosa Hostilis sei, wie das Gericht als wahr unterstellte, zum Färben angeboten worden. Ausschließlich dafür habe er diese auch nutzen wollen. Er habe sich bereits seit geraumer Zeit mit Batik beschäftigt. Er fahre regelmäßig auf Festivals und habe dafür viele T-Shirts färben wollen. Als er bei einem anderen Studierenden in der Mensa ein gefärbtes T-Shirt gesehen habe, habe er das eingesetzte Färbemittel erfragt. Dieser habe ihm daraufhin die Mimosa Pflanze zum Färben empfohlen. Weil ihm der Farbton sehr gefallen habe, er auf Naturprodukte habe zurückgreifen wollen und die Wurzelrinde der Mimosa Hostilis sehr farbecht wirkte, habe er die mit Anklageschrift zur Last gelegte Gesamtmenge von 1000 Gramm Mimosa Hostilis gekauft. Er komme aus einer wohlhabenden Familie, insofern sei der Kaufpreis von 145,98 € für ihn auch keine Besonderheit gewesen. Von dem DMT-Gehalt habe er nichts gewusst. Angesichts des beabsichtigten Verwendungszwecks habe es für ihn keinen Anlass gegeben, von einem verbotenen Bestandteil in der Mimosa Hostilis Pflanze auszugehen.
Der Angeklagte hat dem Gericht einige mit Mimosa Hostilis gefärbte T-Shirts vorgelegt.
Der Durchsuchungsbericht der Polizeiinspektion O.-R.n, Polizeidirektion Nord (Bl. 64-71 d. Akte) sowie der Befundbericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes (Bl. 14-16 d. Akte) wurde jeweils zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.
Dem Durchsuchungsbericht ist hierbei zu entnehmen, dass bei dem Angeklagten an dessen Meldeanschrift keine Beweismittel aufgefunden wurden. Der Befundbericht bezieht sich deshalb auf die bei dem verstorbenen Zeugen K. sichergestellte Mimosa Hostilis. Das Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes untersuchte dabei eine 11.529 Gramm umfassende, auf 23 Griptüten aufgeteilte pulvrige Substanz. Der Untersuchungsgang erfolgte dabei derart, dass jeweils 10 % aus den Griptüten entnommen und gemischt wurden. Aus dieser Mischung wurden daraufhin wieder 10 % entnommen und einer Untersuchung unterzogen. Diese ergab einen Wirkstoffgehalt von circa 3,01 % Dimethyltryptamin (DMT), bezogen auf die Gesamtmenge mithin circa 347 Gramm DMT-Base.
Das Gericht konnte im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen, dass die von dem Angeklagten erworbenen 1000 Gramm Mimosa Hostilis einen die Grenze der nicht geringen Menge überschreitenden Gesamtwirkstoff beinhalteten.
Der toxikologische Befund ist hierbei bereits nicht geeignet, Aufschluss über den Wirkstoffgehalt der von dem Angeklagten erworbenen 1000 Gramm Mimosa Hostilis, auch nicht im Wege eines anzunehmenden Mindestgehalts Dimethyltryptamin, zu erbringen. Das Gericht folgt den staatsanwaltlichen Ausführungen, wonach die Durchsuchung auch deshalb nicht erfolgbringend gewesen sei, weil die Durchsuchung in dem von dem Angeklagten gelegentlich genutzten Gästezimmer erfolgte und für den Tatnachweis deshalb auf die bei dem verstorbenen Zeugen K. sichergestellten Mimosa Hostilis abgestellt werden könne, nicht. Auch etwaige Rückschlüsse auf den Wirkstoffgehalt der seitens des Angeklagten erworbenen Gesamtmenge lassen sich aus dem Befundbericht nicht ziehen.
Das Gericht folgt den staatsanwaltschaftlichen Ausführungen, wonach jedenfalls von einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 1 % DMT auszugehen sei, deshalb nicht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass in ähnlich gelagerten Fällen ein Wirkstoffgehalt von jedenfalls 1 % DMT vorgelegen haben mag. Hier ist indessen auch in Erwägung zu ziehen, dass ein deutlich geringerer Wirkstoffgehalt in der von dem Angeklagten erworbenen Gesamtmenge Mimosa Hostilis vorgelegen haben kann. Die Produkteigenschaften eines pflanzlichen Naturprodukts divergieren, insbesondere innerhalb eines längeren Zeitraums von mehr als 8 Monaten. Aufschluss über den Wirkstoffgehalt der durch den Angeklagten gekauften Menge Mimosa Hostilis hätte die Zeugenaussage des Verkäufers K. bringen können. Dieser ist jedoch verstorben, sodass das Gericht ihn dazu nicht mehr vernehmen konnte. Nach Abwägung einer für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, ist nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz in dubio pro reo davon auszugehen, dass die von dem Angeklagten erworbenen 1000 Gramm Mimosa Hostilis einen Wirkstoffgehalt im untersten Bereich zwischen 0,1 – 0,3 % DMT enthielt.
Desweiteren hat das Gericht erhebliche Zweifel, ob der Angeklagte Kenntnis davon hatte, dass die Mimosa Hostilis Pflanze überhaupt den Wirkstoffgehalt Dimethyltryptamin beinhaltet und er nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkennen konnte und wusste, dass die von ihm erworbene Gesamtmenge von 1000 Gramm eine nicht geringe Menge Dimethyltryptamin beinhaltete. Der Angeklagte hatte bisher keinerlei Berührungspunkte mit Betäubungsmitteln und verfügte demgemäß zum Zeitpunkt des Kaufs der Mimosa Hostilis über keine dahingehenden Vorkenntnisse. Angesichts des von dem Angeklagten verfolgten Verwendungszwecks mussten sich ihm diese Umstände auch nicht aufdrängen. Insoweit liegt der Fall hier grundsätzlich anders, als in dem vom Landgericht Frankenthal, Urteil vom 07.12.2012, – 5127 Js 10022/09. 2 KLs – entschiedenen Fall, zumal der Angeklagte weder vor noch nach der angegeben Tatzeit in irgendeiner Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, insbesondere nicht mit Betäubungsmitteldelikten.
Der Angeklagte war deshalb freizusprechen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.