AG Bonn, Az.: 702 Ds 74/16, Urteil vom 10.08.2016
Der Angeklagte ist schuldig der versuchten Nötigung in Tateinheit mit 2 tateinheitlichen Fällen der Beleidigung.
Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Strafvorschriften: §§ 185, 194, 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 21, 22, 23, 49, 52 StGB
Gründe
I.
1. Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 23 Jahre alte Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist in C geboren und aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus T und kamen im Jahre 1989 aufgrund der seinerzeit dort bestehenden politischen Unruhen nach Deutschland. Der Vater, der sich 1999 einer schwerwiegenden Operation unterzogen hatte und danach für 10 Jahre arbeitslos war, arbeitete seit Februar 2012 als Aushilfsfahrer bei dem Paketdienst I1; mittlerweile ist er allerdings erneut arbeitslos. Die Mutter ist Hausfrau und arbeitet darüber hinaus als Raumpflegerin in den Universitätskliniken in Bonn. Der Angeklagte hat insgesamt fünf Geschwister, insoweit einen älteren Bruder sowie zwei ältere und zwei jüngere Schwestern. Der Angeklagte wuchs im Haushalt seiner Eltern auf und kam im Alter von 4 Jahren in den Kindergarten H, anschließend wurde er in die K (Grundschule) eingeschult. Hier musste er die 2. Klasse wiederholen. Aufgrund überwiegend verhaltensbedingter schulischer Probleme wurde er in die E-Schule, eine Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung, eingeschult, die er von der 3. bis zur 5. Klasse besuchte. Da sich sein Verhalten bis zum Ende der 5. Klasse weitgehend stabilisierte und seine schulische Leistungen besser wurden, konnte er sodann auf die B-Schule, insoweit eine Hauptschule, wechseln, die er im Sommer 2010 mit dem Hauptschulabschluss 10 A verließ. Während seiner Hauptschulzeit hatte er mehrere Praktika absolviert. Ab Sommer 2010 besuchte er die zweijährige Handelsschule am M-Berufskolleg. Da er dort nicht zurechtkam, wechselte er Anfang Februar 2011 auf die Abendrealschule, die er allerdings nach einem Jahr ohne Abschluss wieder verließ. Nach Entlassung aus der Strafhaft in einem anderen Verfahren im November 2013 (siehe unten I. 2., insoweit im Anschluss an den Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 27.11.2013 zur Aussetzung des Rests der Jugendstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 21.09.2012) suchte er sich einen Aushilfsjob in C bei dem Supermarkt F in C, den er ab Januar 2014 ausübte. Ab August 2014 begann er in diesem Supermarkt eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Diese Ausbildungsstelle verlor er allerdings aufgrund der in dem Verfahren Amtsgericht Bonn, Aktenzeichen: 652 Ls – 220 Js 635/14 – 44/14, angeordneten Untersuchungshaft, die vom 15.08.2014 bis zum 30.01.2015 dauerte. Der Angeklagte, der weiterhin im elterlichen Haushalt lebt, ist seit Januar 2014 mit seiner langjährigen Freundin verlobt, die als Rechtsanwaltsfachangestellte arbeitet. Der Angeklagte hat insgesamt circa 8.000,00 Euro Schulden, die er derzeit nicht zurückbezahlt. Zu den Verbindlichkeiten gehören verschiedene Gerichtskosten aus vorangegangenen Verfahren in Höhe von circa 3.800,00 Euro, Schulden gegenüber einer Versicherung in Höhe von 500,00 Euro, offene Verbindlichkeiten aus verschiedenen Verträgen in Höhe von 1.500,00 Euro und ein noch offenes Schmerzensgeld gegenüber einem vormals Geschädigten in Höhe von 1.500,00 Euro. Zwischen Oktober 2015 und April 2016 arbeitete er auf 400,00 Euro-Basis bei einem I2-Markt. Seit Mai 2016 ist er – insoweit ohne entsprechende Ausbildung und trotz mehrerer Vorstrafen wegen gefährlicher Körperverletzung – im Sicherheitsdienst in einem Flüchtlingsheim tätig und verdient ca. 1.500,00 Euro pro Monat. Nach seinen eigenen Angaben gibt er 600,00 Euro pro Monat als Beitrag zum Haushalt an seine Eltern ab.
Nach seinen eigenen Angaben konsumiert der Angeklagte alkoholische Getränke nicht mehr jedes Wochenende, sondern nur noch unregelmäßig auf speziellen Veranstaltungen. Er konsumiert allerdings jeden zweiten Tag nach der Arbeit Marihuana (1 Joint).
2. Der Angeklagte ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Sein Bundeszentralregisterauszug vom 01.06.2016 enthält insgesamt 7 Eintragungen:
Am 07.08.2008 sah die Staatsanwaltschaft Bonn von der Verfolgung wegen gemeinschaftlichen Diebstahls gemäß § 45 Abs. 1 JGG ab.
Am 30.10.2008 stellte das Amtsgericht Bonn ein Verfahren gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 47 JGG ein.
Am 01.12.2009 stellte das Amtsgericht Bonn ein Verfahren gegen den Angeklagten wegen Diebstahls nach § 47 JGG ein.
Am 26.09.2011 verhängte das Amtsgericht Bonn gegen ihn wegen räuberischen Diebstahls, Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Sachbeschädigung sowie Körperverletzung in zwei Fällen eine Jugendstrafe von 1 Jahr. Die Vollstreckung der Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit auf 2 Jahre festgelegt.
Am 15.03.2012 verurteilte das Amtsgericht Bonn den Angeklagten wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der vorangegangenen Entscheidung zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten.
Am 21.09.2012 verhängte das Landgericht Bonn gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung der beiden voran genannten Entscheidungen eine Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten. Mittlerweile ist der Rest der Jugendstrafe durch Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 27.11.2013 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf 3 Jahre festgesetzt. Die Bewährungszeit läuft noch bis zum 11.12.2016.
Am 30.01.2015 verurteilte das Amtsgericht Bonn den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit, zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten. Auf die Berufung des Angeklagten änderte das Landgericht Bonn aufgrund der Hauptverhandlung vom 29.06.2015 das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nochmals zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Dieser Verurteilung lag dabei folgender – durch das Amtsgericht rechtskräftig festgestellter – Sachverhalt zugrunde:
1.
Vorgeschichte
Am Abend des 13.08.2014 hielt sich der Angeklagte am Rhein in C auf. Dort begann er ab ca. 19 bzw. 20 Uhr Wodka in erheblichen Mengen, mindestens 0,5 Liter, zu sich zu nehmen. Im Laufe des Abends bzw. der Nacht begab er sich in die J-Straße in C.
2.
Eigentliches Tatgeschehen
Am 14.08.2014 gegen ca. 04:00 Uhr bestieg er mit einem bislang unbekannten Mittäter das Taxi des Zeugen S1, das am Bordell in der J-straße stand. Hierbei setzte sich der Angeklagte auf den Beifahrersitz, während sein Begleiter, der eine fast vollständig gefüllte Cola-Glasflasche bei sich führte, auf der Rückbank des Fahrzeugs Platz nahm. Sie erklärten dem Zeugen S1, dass sie zu dem Ortsteil C1 gefahren werden wollten. Während der Fahrt in der Nähe des sog. F- F1 fragte der Zeuge den Angeklagten und seinen Begleiter nach dem konkreten Fahrtziel am C1, worauf ihm die C2- Allee genannt wurde. Der Zeuge glaubte daraufhin, jedenfalls den Angeklagten als einen früheren Fahrgast wiederzuerkennen, der gemeinsam mit drei weiteren Männern bzw. männlichen Jugendlichen zwei oder drei Monate zuvor von ihm zur C2-Allee gefahren wurde und am Zielort mit seinen Begleitern ohne den Fahrpreis von ca. 7-8 Euro zu bezahlen geflüchtet war. Aus Vorsicht steckte sich der Zeuge S1 daraufhin seine sichtbar im Fahrzeug liegende Geldbörse und sein Mobilfunktelefon unter sein T-Shirt. Auf die Frage des Angeklagten, was er da mache, konfrontierte der Zeuge ihn und seinen Begleiter mit seinem Verdacht. Der Angeklagte, der sich zu Unrecht beschuldigt und in seiner Ehre verletzt fühlte, wurde daraufhin wütend und verlangte von dem Zeugen, das Taxi anzuhalten, um auszusteigen und zu Fuß weiterzugehen. Der Zeuge S1 brachte daraufhin das Fahrzeug auf dem I3-Ring in Höhe der Q-Straße zum Stehen. Unmittelbar danach schlug der bislang unbekannte Begleiter des Angeklagten dem Zeugen, von der Rückbank aus, die mitgeführte, fast volle Glasflasche auf den Hinterkopf. Der Angeklagte, der von diesem Schlag, ebenso wie der Zeuge C1 überrascht war, entschied sich, nunmehr auch den Zeugen körperlich anzugreifen, und schlug ihn vom Beifahrersitz aus mit der Faust auf das rechte Auge. Nach mehreren Schlägen bzw. einer Rauferei verließen der Angeklagte und sein Begleiter sowie zuletzt auch der Zeuge C1 das Fahrzeug. Der Zeuge, der zwischen den beiden Angreifern an der Fahrertür seines Fahrzeugs stand, hielt diese mittels eines Pfeffersprays zunächst auf Distanz. Während dieses Pfeffersprayeinsatzes warf der bislang unbekannt gebliebene Mittäter des Angeklagten aus wenigen Metern Entfernung die Cola-Glasflasche in Richtung des Zeugen bzw. an diesem vorbei, die dann auf dem Asphalt zersplitterte. Hieran anschließend schleuderte er ein Mobilfunktelefon in Richtung des Zeugen, das gegen die Fahrertür des Taxis schlug. Es konnte in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden, ob diese Würfe – erfolglos – in Verletzungsabsicht oder nur zur Einschüchterung bzw. zum Zwecke der Beschädigung der Fahrertür erfolgten. Nachdem dem Zeugen C1 das Pfefferspray ausging, rief der Angeklagte: „Der hat kein Pfefferspray mehr.“ Der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener Mittäter schlugen und traten nunmehr gemeinsam auf den Zeugen ein und brachten ihn hierdurch zu Boden, wobei nicht festgestellt werden konnte, welche Art von Schuhen die beiden Angreifer trugen und wo die Tritte den Zeugen genau trafen. Der Zeuge C1, der ein T-Shirt, ein langärmeliges Hemd und darüber ein kurzärmeliges Polo-Shirt trug, ging irrigerweise davon aus, dass der Angeklagte und sein Mittäter mit den Schlägen und Tritten das Ziel verfolgten, seine Geldbörse und sein Mobiltelefon zu entwenden, und hielt deshalb diese Gegenstände, die sich weiterhin unter seiner Oberbekleidung befanden, fest. Der Angeklagte und sein Mittäter, denen es allerdings „nur“ darum ging, den Zeugen zusammenzuschlagen und zu demütigen, schlugen weiter auf den zunächst knieenden und anschließend auf dem Boden liegenden Zeugen ein und zogen ihm sowohl das Polo-Shirt als auch das langärmelige Hemd aus. Sie versuchten jedoch weder nach der Geldbörse oder dem Mobilfunktelefon zu greifen noch machten sie Anstalten, die Hände des Zeugen, die dieser zum Schutze seiner Sachen vor seinem Bauch hielt, wegzuziehen. Als der Zeuge J1, der auf dem Weg zur Arbeit war, sich mit seinem Fahrzeug hupend dem Tatort näherte, ließen der Angeklagte und sein Mittäter endlich von dem Geschädigten C1 ab und liefen davon.
Der Zeuge C1 trug durch das Geschehen ein geschwollenes Auge, eine Beule am Hinterkopf und Abschürfungen an beiden Ellenbogen und beiden Knien davon, wobei die Beule am Hinterkopf von dem Schlag mit der Glasflasche durch den unbekannt gebliebenen Begleiter des Angeklagten verursacht wurde. Der Zeuge litt ca. 2-3 Wochen unter Schmerzen, die den gesamten Körper betrafen. Er ging jedoch bereits am Folgetag wieder arbeiten. Hämatome stellten sich nicht ein.
3.
Nachtatgeschehen, Alkoholisierung
Gegen 04:25 Uhr wurde der Angeklagte, der im normalen Gehtempo unterwegs war, im Rahmen der Nahbereichsfahndung durch die Polizeibeamten PHK I4 und PK M1 in E1 angehalten. Ein durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 1,41 mg/l. Der Angeklagte wurde nach Feststellung seiner Personalien vor Ort entlassen. Gegen 05:30 Uhr wurde der Angeklagte erneut von den beiden Polizeibeamten in E1, Nähe S2-Straße, angetroffen; insoweit hatte der Zeuge J1 der Polizei mitgeteilt, dass er einen der Täter vor seiner Arbeitsstätte gesehen habe. Ein durchgeführter Atemalkoholtest ergab um 06:15 Uhr einen Wert von 0,79 mg/l. Bei beiden Zusammentreffen mit den Polizeibeamten zeigte der Angeklagte ein unauffälliges Verhalten und wirkte zeitlich und örtlich orientiert. Ausfallerscheinungen wies er nicht auf. Seine Aussprache war klar und er verhielt sich freundlich; allerdings zeigte er sich über die Situation, vor allem über das Verbringen zur Wache, amüsiert und belustigt.
Die um 08:25 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,25 Promille. Zum Tatzeitpunkt betrug die Blutalkoholkonzentration, bei Rückrechnung zugunsten des Angeklagten, 2,30 Promille. Zudem stand er unter geringen Einfluss von Cannabis/THC. Die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seines Tuns einzusehen, war weder beschränkt noch aufgehoben. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass seine Fähigkeit entsprechend dieser Einsicht zu handeln, im gesamten Tatzeitraum infolge des vorangegangenen Alkoholgenusses und der darauf beruhenden Intoxikationspsychose, bei der es sich um eine krankhafte seelische Störung handelt, erheblich vermindert war. Aufgehoben war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten dagegen nicht.
Hinsichtlich der abgeänderten Entscheidung über die Frage der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung hielt das Landgericht Bonn in seinem Urteil vom 29.06.2015 folgendes fest:
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung – wenn auch mit Bedenken – gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei dem Angeklagten ist aus Sicht der Kammer die nach § 56 Abs. 1 StGB erforderliche günstige Sozialprognose derzeit zu bejahen. Die Kammer verkennt nicht, dass der Angeklagte die hiesige Tat nur wenige Monate nach der mehrjährigen Inhaftierung begangen hat und dass er zur Tatzeit unter laufender einschlägiger Reststrafenbewährung stand. Indes hat der Angeklagte nach der Entlassung aus einer mehrmonatigen Untersuchungshaft wieder Fuß gefasst. Er hat durch selbständiges Suchen und Bewerben einen Vollzeitjob gefunden und führt sich im Rahmen der Bewährungszeit den Angaben der Bewährungshelferin X zufolge insoweit gut, als er die Termine bei ihr wahrnimmt und auch zumindest ausreichenden Kontakt zur Suchtberatungsstelle „V“ hält. Zudem ist er familiär fest verwurzelt und mit seiner Freundin und jetzigen Verlobten seit mehreren Jahren zusammen. Er ist auch nach wie vor bereit, sich einer psychologischen ambulanten Therapie bei Herrn T1 zu unterziehen. Hier steht er auf der Warteliste. Der Vollzug der Freiheitsstrafe erscheint daher zur Einwirkung auf den noch jungen Angeklagten vorliegend nicht mehr unerlässlich zu sein. Eine weitere Erprobung in Freiheit kann derzeit gewagt werden.
In dem Bewährungsverfahren betreffend die letzte Verurteilung kam es am 04.12.2015 zu einem Anhörungstermin, der von der Bewährungshelferin aufgrund des nicht guten Bewährungsverlaufs angeregt worden war (insbesondere wegen der Vernachlässigung der Weisungen aus dem Bewährungsbeschluss des Landgerichts Bonn).
II.
Aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung steht folgender Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
Am 19.12.2015 gegen 03:30 Uhr war der Angeklagte im Nordtunnel des C-Bahnhofs unterwegs. Er war zuvor auf einer Weihnachtsfeier seines Fußballvereins am Sportplatz I2 gewesen, wobei er alkoholischen Getränken in erheblichem Maße zugesprochen hatte. Insbesondere hatte er Spirituosen (Wodka, Jägermeister und Whisky) getrunken. Anschließend war der Angeklagte, der zuvor nach seinen eigenen Angaben circa drei bis vier Monate keine alkoholischen Getränke zu sich genommen hatte, in die Stadt gegangen. Im Nordtunnel des C-Hauptbahnhofs bemerkte er die hinter ihm gehenden Polizeibeamten N und X1, die als uniformierte Polizeibeamte der Bundespolizei den Hauptbahnhof sowie im Wege der Amtshilfe den Bereich vor der zu diesem Zeitpunkt unbesetzten Wache Gabi bestreiften. Der Angeklagte bezeichnete die beiden Polizeibeamten mehrfach als „Scheiß Bullen“. Als die beiden Beamten sich ihm näherten, rief er ihnen zu „Haut ab, sonst Paris!“, um die Polizeibeamten von der Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen und vor allem von ihrem vorgesehenen Weg (des Streifgangs) widerrechtlich abzuhalten. Mit der Wendung „sonst Paris“ bezog sich der Angeklagte bewusst auf die nur wenige Wochen zuvor am 13.11.2015 begangenen islamistisch motivierten Terroranschläge in Paris, bei denen 130 Menschen getötet und über 300 verletzt worden waren. Gleichwohl – also trotz der Drohung des Angeklagten – verließen die beiden Polizeibeamten N und X1 die Örtlichkeit und ihren Streifgang nicht; vielmehr stellten sie den Angeklagten und kontrollierten ihn polizeilich.
Zur Vorfallzeit war der Angeklagte erheblich alkoholisiert. Ein Atemalkoholtest um 03:45 Uhr, den der Angeklagte freiwillig ableistete, ergab einen Wert von 1,00 mg/l. Der Angeklagte war alkoholbedingt enthemmt. Zur Tatzeit hatte er eine Blutalkoholkonzentration von 2,25 Promille. Die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seines Tuns einzusehen, war weder beschränkt noch aufgehoben. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass seine Fähigkeit entsprechend dieser Einsicht zu handeln, im gesamten Tatzeitraum infolge des vorangegangenen Alkoholgenusses und der darauf beruhenden Intoxikationspsychose, bei der es sich um eine krankhafte seelische Störung handelt, erheblich vermindert war. Aufgehoben war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten dagegen nicht.
Die Zeugen PK N und PHM X1 haben jeweils am 19.12.2015 schriftlich Strafantrag gegen den Angeklagten gestellt und ihre Strafanträge zur Akte genommen.
III.
1.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen glaubhaften Angaben sowie auf den ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen Urkunden.
2.
Der unter II. festgestellte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung.
a)
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf dahingehend geäußert, dass er an die Tat, d.h. das Zusammentreffen mit den beiden Polizeibeamten, keine konkreten Erinnerungen mehr habe. Er habe hinsichtlich des Abends einen „Filmriss“. Er sei an dem Abend auf einer Weihnachtsfeier seines Fußballvereins gewesen, die auf dem Sportplatz I2 stattgefunden habe. Er habe dort Spirituosen in erheblichem Maße zu sich genommen, insbesondere Wodka, Jägermeister und Whisky. Die alkoholischen Getränke hätten auch eine erhebliche Wirkung auf ihn gehabt, da er die vorangegangenen circa drei bis vier Monate keine Alkoholika getrunken habe. Er wisse noch, dass er um circa 21:30 Uhr zum Sportplatz gegangen sei und sich nach circa 1 1/2 bis 2 Stunden auf den Weg in die Stadt gemacht habe. An die Zeit danach habe er keine Erinnerung mehr. Hinsichtlich des Tatvorwurfs, den er weder eingestehen noch bestreiten könne, sei er schockiert und entschuldige sich für das Geschehene, falls dies stimme.
b)
Die Überzeugung, dass der Angeklagte die Tat, so wie unter II. festgestellt, begangen hat, hat das Gericht gewonnen aufgrund der glaubhaften Aussagen der glaubwürdigen Zeugen N und X.
Der Zeuge PHM N hat in seiner uneidlichen Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung ausgesagt, dass er gemeinsam mit seinem Kollegen zur Tatzeit auf Streifengang gewesen sei. Da die Wache „GABI“ nur bis 01:00 Uhr besetzt sei, gebe es eine Verständigung, dass nach 01:00 Uhr auch dieser Bereich durch die Bundespolizei mit kontrolliert werde. Sie hätten sich im Nordtunnel unter den Bahngleisen in Richtung C-Loch befunden, als sie auf den Angeklagten aufmerksam geworden seien. Dieser habe sich circa zehn bis zwanzig Meter vor ihnen befunden. Der Angeklagte habe sich nach ihnen umgedreht und geäußert „Ihr Scheiß Bullen!“ Der Angeklagte sei nach dieser Äußerung weitergegangen und sei in Höhe der Wache „GABI“ in Richtung Busbahnhof abgedreht. Sie seien auch zu diesem Zeitpunkt noch hinter ihm gewesen. Der Angeklagte habe auch hier mindestens noch einmal „Scheiß Bullen!“ in ihre Richtung geäußert. Als sie sich ihm weiter genähert hätten, habe er ihnen gegenüber in ernstem Tonfall geäußert „Verpisst Euch, sonst Paris.“ Zu dem Zeitpunkt hätten sich auch noch circa zwei bis drei Personen bzw. Fußgänger in dem dortigen Bereich aufgehalten. Er habe sich mit seinem Kollegen jedoch nicht „verpisst“, sondern sie hätten den Angeklagten gestellt und polizeilich kontrolliert. Anschließend hätten sie ihn mit auf die Dienststelle genommen. Dort habe der Angeklagte freiwillig einen Atemalkoholtest durchgeführt, der einen Wert von 1,00 mg/l ergeben habe. Nachdem er von ihnen entlassen worden sei, habe der Angeklagte lachend die Wache verlassen und sei in ein Taxi gestiegen.
Der Zeuge PK X1 hat in seiner uneidlichen Vernehmung als Zeuge im Rahmen der Hauptverhandlung ausgesagt, dass er mit seinem Kollegen, dem Zeugen PHM N, auf Streifgang im Nordtunnel des Bahnhofs C gewesen sei. Sie seien vom Bahnsteig 1 in den Nordtunnel heruntergegangen und hätten sich in Richtung Wache „GABI“ bzw. C- Loch bewegt. Dort hätten sie den Angeklagten wahrgenommen, der circa zehn bis zwanzig Meter vor ihnen gewesen sei. Der Angeklagte habe sie wahrgenommen und angeschaut, wobei er „Scheiß Bullen!“ in ihre Richtung geäußert habe. Wenn es bei dieser einmaligen Beleidigung geblieben wäre, hätte er den Angeklagten eventuell zur Ruhe ermahnt und die Sache wäre „für uns erledigt gewesen“. Er habe zu diesem Zeitpunkt höchstens über einen Platzverweis nachgedacht. Der Angeklagte habe allerdings die Beleidigungen „Scheiß Bullen!“ mehrfach fortgesetzt und diese Beleidigung drei bis viermal wiederholt. Anschließend habe er noch geäußert „Haut ab, sonst Paris“, wobei sie ihren Streifgang bzw. die nunmehr anstehende Kontrolle des Angeklagten nicht abgebrochen hätten. Der Angeklagte habe seine Beleidigung und seine Drohung auch sehr lautstark und mit einer gewissen Grundaggressivität vorgetragen, so dass diese aus seiner Sicht ernsthaft gewesen seien und es sich um keinen dummen Jungenstreich gehandelt habe.
Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen PHM N und PK X1 spricht zunächst die Qualität ihrer jeweiligen Aussage. Sie schilderten jeweils zahlreiche Details zum Kerngeschehen, aber auch eine Vielzahl nebensächlicher Punkte. Die Aussagen der beiden Zeugen waren auch in sich stimmig und frei von sprachlichen oder inhaltlichen Strukturbrüchen. Die von ihnen bekundeten Details lassen sich zu einem logischen Handlungsablauf zusammenfügen. Dass die Zeugen den Angeklagten zu Unrecht belastet haben könnten, also falsche Angaben zu dem Geschehen gemacht haben könnten, schließt das Gericht aus. Die Angaben der beiden Zeugen waren nicht von Belastungseifer, sondern erkennbar von dem Bemühen um eine wahrheitsgemäße Aussage geprägt.
Der Umstand, dass der Angeklagte mit dem Spruch „Haut ab, sonst Paris!“ bzw. „Verpisst Euch, sonst Paris!“ auf die islamistisch motivierten Terroranschläge vom 13.11.2015 anspielte bzw. Bezug nahm und mit dem Inaussichtstellen eines Attentats den Willen der beiden Zeugen PHM N und PK X1 beugen wollte, steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens (Art und Weise der Äußerung – ernstlich, lautstark, aggressiv geäußert und im Zusammenhang mit den Beleidigungen) und auch der zeitlich erst wenige Wochen zurückliegenden Attentate.
In der Zusammenschau der Einlassung des Angeklagten sowie der Angaben der Zeugen PHM N und PK X1 hat das Gericht keinen Zweifel, dass der Angeklagte die Tat wie dargestellt begangen hat.
c)
Die Feststellungen zur Alkoholisierung des Angeklagten beruhen auf den Angaben des Angeklagten zu seinem damaligen Alkoholkonsum (siehe oben III. 2. a)), den Angaben der Zeugen PHM N und PK X1 sowie den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L.
Der Zeuge PHM N hat hinsichtlich der Alkoholisierung des Angeklagten bekundet, dass dieser einen klaren Gedankengang gehabt habe. Er habe den polizeilichen Ausführungen folgen können, wobei er sich allerdings über „alles lustig gemacht“ habe. Seine Aussprache sei klar gewesen, sein Gang sei unauffällig, d.h. nicht schwankend gewesen. Der Angeklagte sei „ein bisschen aggressiv“ gewesen. Auf einer Skala von „0 bis 10“ (0 nüchtern, 10 volltrunken) würde er die Alkoholisierung des Angeklagten mit einer „5“ bewerten.
Der Zeuge PK X1 hat hinsichtlich der Alkoholisierung des Angeklagten bekundet, dass dieser weder gelallt habe noch geschwankt sei. Er habe keine Ausfallerscheinungen feststellen können. Lediglich beim Gespräch habe er einen deutlichen Alkoholgeruch bei dem Angeklagten wahrgenommen. Der Angeklagte habe auch ihren Anweisungen folgen können. Seine Grundstimmung sei aggressiv gewesen. Auf einer Skala von „0 bis 10“ (null nüchtern, 10 volltrunken) würde er die Alkoholisierung des Angeklagten mit einer „5“ bewerten.
Die Feststellungen zu dem Umstand, dass sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt im Zustand einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB befunden hat, beruhen auf dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L, das dieser unter seiner uneidlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung mündlich erstattet hat. Das Gutachten beruht auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen, ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei, weshalb sich das Gericht aus eigener Überzeugung diesem anschließt. An der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Der Sachverständige ist dem Gericht aus mehreren vorangegangenen Verfahren bekannt. Er hat ausgeführt, dass der Angeklagte bei einer Rückrechnung zu seinen Gunsten erheblich alkoholisiert gewesen sei. Bei dem gemessenen Atemalkohol um 03:45 Uhr sei ein Umrechnungsfaktor von 2 anzusetzen, so dass zunächst von einer Alkoholisierung von 2,00 Promille auszugehen sei. Darüber hinaus sei zum einen ein Abbauwert von 0,05 Promille für die seit dem Vorfall um 03:30 Uhr vergangene Zeit (also für die bis zum Alkoholtest vergangenen 15 Minuten) sowie zum anderen ein Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille anzusetzen, so dass bei dem Angeklagten von einer Alkoholisierung von 2,25 Promille zur Tatzeit auszugehen sei. Unter weiterer Berücksichtigung der Angaben der beiden Zeugen PHM N und PK X1 stehe jedoch fest, dass der Angeklagte die Situation erkannt habe und keine Ausfallerscheinungen gezeigt habe. Er sei allerdings alkoholbedingt enthemmt gewesen und die Tat sei affektbetont und unreflektiert gewesen. Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit sei zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen sei; aufgehoben sei die Steuerungsfähigkeit allerdings nicht gewesen.
d)
Die Feststellungen zu den form- und fristgerecht gestellten Strafanträgen der Zeugen PHM N und PK X1 stehen fest aufgrund der ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen Urkunden (Strafanträge).
IV.
Angesichts des unter II. festgestellten Sachverhaltes hat sich der Angeklagte der versuchten Nötigung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Beleidigung nach §§ 185, 194, 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23, 52 StGB strafbar gemacht, wobei er im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB handelte.
Hinsichtlich der weiteren Vorwürfe aus den Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Bonn, Aktenzeichen: 775 Js 236/16 und 665 Js 1056/16, ist das Verfahren im Rahmen der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
V.
Bei der Strafzumessung hat sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen:
1.
Bei der Bemessung der Strafe ist zunächst von dem Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
Der Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB ist allerdings zum einen gemäß §§ 21, 49 Abs.1 StGB zu mildern, wodurch sich ein solcher von Freiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten bis Geldstrafe ergibt. Bei dem Angeklagten lag zur Tatzeit eine krankhafte seelische Störung aufgrund einer alkoholbedingten Intoxikationspsychose vor, die gemäß § 21 StGB seine Steuerungsfähigkeit erheblich verminderte. Zwar hat der Angeklagte diesen Zustand selbst verschuldet und die abstrakte Gefahr übermäßiger Alkoholaufnahme ist allgemein bekannt und dies hätte auch von dem Angeklagten erkannt werden können und müssen; dies insbesondere deshalb, da er bereits vorherige Straftaten unter Alkoholeinfluss begangen hat (Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 30.01.2015, Aktenzeichen: 652 Ls 44/14 – 220 Js 635/14). Jedoch sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er alkoholkrank ist. Eine Strafrahmenverschiebung erschien dem Gericht daher veranlasst.
Der Strafrahmen war darüber hinaus gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, wodurch sich ein solcher von Freiheitsstrafe bis ein Jahr acht Monaten oder Geldstrafe ergibt.
2.
Innerhalb des so bemessenen Strafrahmens war zugunsten des Angeklagten strafmildernd insbesondere zu berücksichtigen, dass
– er eine Entschuldigung hinsichtlich des Geschehens abgegeben hat (für den Fall, dass es so gewesen sein sollte);
– die Nötigung im Versuchsstadium steckengeblieben ist;
– er mit dem Widerruf der noch offenstehenden Bewährungsstrafen und nunmehr mit einer längeren Strafhaft zu rechnen hat;
– er die Tat unter erheblichen Alkoholeinfluss im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat.
Zulasten des Angeklagten war strafschärfend hingegen zu berücksichtigen, dass
– er bereits mehrfach und erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist;
– er die Tat unter zweifach laufender Bewährung begangen hat und mithin das Paradebeispiel eines „Bewährungsversagers“ ist;
– bei ihm eine hohe Rückfallgeschwindigkeit in kriminelles Verhalten gegeben ist, die sich vor allem darin zeigt, dass er die verfahrensgegenständliche Tat nur circa sechs Monate nach der Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 29.06.2015 (Landgericht Bonn, 25 Ns 62/15 – 220 Js 635/14) begangen hat, durch welche dem Angeklagten entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung nochmals eine Bewährungschance eingeräumt worden war, obwohl er bereits die damalige Straftat unter laufender Bewährung begangen hatte;
– er tateinheitlich einen weiteren Straftatbestand (Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen) begangen hat;
3.
Unter Abwägung aller vorstehenden für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und der in § 46 StGB postulierten weiteren Strafzumessungserwägungen hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten für tat- und schuldangemessen.
4.
Unter Beachtung von § 47 Abs. 1 StGB konnte diese Freiheitsstrafe nicht in eine Geldstrafe umgewandelt werden.
Nach § 47 Abs. 1 StGB darf eine Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten einer Geldstrafe nur dann verhängt werden, wenn diese Sanktion nach einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände unerlässlich ist, und zwar entweder zur Einwirkung auf den Täter, d.h. aus spezialpräventiven Gründen, oder zur Verteidigung der Rechtsordnung, d.h. aus generalpräventiven Gründen. Der Angeklagte hat die verfahrensgegenständliche Tat nur circa sechs Monate nach der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Bonn in dem Verfahren 25 Ns 62/15 – 220 Js 635/14, begangen und dadurch gezeigt, dass er durch eine Geldstrafe nicht mehr ausreichend beeindruckt werden kann. Insbesondere der Umstand, dass er die Tat unter zweifach laufender Bewährung beging, lässt die hiesige Vorsetztat nicht als einmaligen, letztmaligen „Ausrutscher“ erscheinen, sondern beweist, dass der Angeklagte seinem strafrechtlichen Fehlverhalten weiterhin verhaftet ist. Der Angeklagte hatte durch das Landgericht Bonn im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 29.06.2015 in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Bonn nochmals, insoweit „mit Bedenken“, eine Bewährungsstrafe erhalten, obwohl er bereits die damalige Straftat unter laufender Bewährung begangen hatte. Dennoch hat der Angeklagte nur wenige Monate nach dieser Verurteilung die hiesige Tat begangen. Das Gericht erachtet deshalb die Verhängung einer Freiheitsstrafe aufgrund der in der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten liegenden Umstände zur Einwirkung auf ihn als schlichtweg unerlässlich, § 47 Abs. 1 StGB.
5.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe kann hingegen nicht mehr nach § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
Gemäß § 56 Abs. 1 StGB setzt das Gericht bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als 1 Jahr die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass sich der Verurteilte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Im Rahmen dieser Beurteilung sind insbesondere die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände der Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkung zu berücksichtigen, die von einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung für ihn zu erwarten sind. Für die Feststellung einer günstigen Sozialprognose bedarf es keiner sicheren Gewähr, sondern lediglich einer durch Tatsachen begründeten Wahrscheinlichkeit zur straffreien Lebensführung. Eine „bloße Hoffnung“ reicht andererseits nicht aus. Für die Bejahung einer günstigen Prognose ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Wahrscheinlichkeit künftig straffreien Verhaltens größer ist als die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten. Dies muss allerdings zur Überzeugung des Gerichts feststehen; der Zweifelssatz gilt im Rahmen dieser Beurteilung insoweit nicht.
Gemessen an diesem Maßstab ist eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr vertretbar gewesen. Bei dem Angeklagten ist aus Sicht des Gerichts die nach § 56 Abs. 1 StGB erforderliche günstige Sozialprognose zu verneinen. Bedacht wurde insbesondere, dass eine günstige Sozialprognose nicht allein deshalb verneint werden darf, weil der Angeklagte vielfach und erheblich vorbestraft ist und ein mehrfacher Bewährungsversager ist. Ferner wurde in die Abwägung eingestellt, dass Bewährungsauflagen und -weisungen, insbesondere die Bestellung eines Bewährungshelfers und die Auflage von Sozialstunden sowie Geldzahlungen sowie die Weisung einer Therapie geeignet sein können, jemanden bei seiner Resozialisierung zu helfen und seine Entwicklung positiv zu beeinflussen. Trotzdem erscheint – selbst bei Ausschöpfung aller zulässigen und nicht in Strafvollzug bestehenden Sanktionen – die Wahrscheinlichkeit zukünftigen straffreien Verhaltens bei dem Angeklagten nicht größer als diejenige neuer Straftaten, da nicht zu übersehen ist, dass die vorherigen mehrfachen Strafaussetzungen zur Bewährung und mehrfachen Erfahrungen mit Inhaftierung (Teilvollstreckung in Höhe von ca. 18 Monaten der Einheitsjugendstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 21.09.2012 und ca. 5 Monate Untersuchungshaft in dem Verfahren Amtsgericht Bonn, Aktenzeichen: 652 Ls 44/14, siehe oben I. 1. und 2.) nicht nachhaltig auf den Angeklagten eingewirkt haben. Dies folgt bereits daraus, dass der Angeklagte vorliegend nur ca. 6 Monate nach der letzten Verurteilung erneut eine vorsätzliche Straftat begangen hat, obwohl ihm bewusst war, dass er unter zweifach laufender Bewährung steht. Die Tat ist auch nicht Ausdruck eines letztmaligen „Ausrutschers“. Das Gericht verkennt nicht, dass der Angeklagte offensichtlich versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen. Insbesondere verkennt das Gericht nicht, dass er seit Mai 2016, insoweit ohne entsprechende Ausbildung, eine Vollzeitbeschäftigung im Sicherheitsgewerbe ausübt. Auch übersieht das Gericht nicht, dass der Angeklagte familiär fest verwurzelt ist und mit seiner Freundin und jetzigen Verlobten seit mehreren Jahren zusammen ist. Allerdings ist dies nicht geeignet, zu einer anderen Einschätzung hinsichtlich des Vorliegens einer günstigen Sozialprognose zu gelangen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass diese Umstände im Wesentlichen (feste familiäre Verwurzelung, langjährige Beziehung mit seiner Verlobten, (andere) Vollzeitstelle) auch schon zum Zeitpunkt der letzten Verurteilung durch das Landgericht Bonn vom 29.06.2015 vorgelegen haben und vom Landgericht Bonn zur „mit Bedenken“ ausgesprochenen Bejahung der Strafaussetzung zur Bewährung herangezogen worden sind. Seine massive Delinquenzbelastung, die Häufung und die Art seiner Straftaten sowie die Persönlichkeit des Angeklagten lassen auf weitere künftige Rechtsbrüche schließen. Der Angeklagte hat sich in der Vergangenheit als labil und unzuverlässig erwiesen. Der Angeklagte hat in den letzten Jahren mehrere Möglichkeiten gehabt, sich unter Bewährungen zu behaupten, ist hierbei aber kolossal gescheitert. Es kann gerade nicht übersehen werden, dass die früheren Strafaussetzungen zur Bewährung, die Erfahrungen einer ca. 18-monatigen Inhaftierung in einer Jugendvollzugsanstalt und einer ca. 5-monatigen Untersuchungshaft (s. oben) und das nur wenige Monate zuvor ergangene Berufungsurteil des Landgerichts Bonn, mit dem der Angeklagte nochmals eine (letzte) Bewährungschance erhalten hatte, nicht nachhaltig auf den Angeklagten eingewirkt haben. Eine nochmals – insoweit dritte – zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe – mit der insoweit dritten Belehrung, keine Straftaten zu begehen – hätte bei dem Angeklagten nicht die erforderliche Warnfunktion und würde er nur als für ihn im Wesentlichen folgenlose Sanktion sowie als Nachgiebigkeit einer zahnlosen Justiz ihm gegenüber missverstehen und als Ermunterung zur Begehung weiterer Straftaten betrachten. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat nur circa zwei Wochen (!) nach einer Anhörung im Bewährungsverfahren Amtsgericht Bonn, Aktenzeichen 652 Ls 44/14 Bew, begangen hat (siehe oben I. 2.), die aufgrund des schlechten bzw. eher mäßigen Bewährungsverlaufs angesetzt worden war. Das Gericht ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände – vor allem aufgrund der extrem hohen Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten in kriminelles Verhalten – nicht davon überzeugt, dass im Falle der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Lebens höher ist wie die Wahrscheinlichkeit neuer Straffälligkeit. Vielmehr geht das Gericht vom Gegenteil aus. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist vorliegend vollkommen unerlässlich.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.