BayObLG – Az.: 202 StRR 76/21 – Beschluss vom 12.07.2021
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 11.03.2021 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 17.06.2020 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 11.03.2021 als unbegründet verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten ist begründet und führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils (§ 349 Abs. 4 StPO) und Zurückverweisung der Sache. Die Beweiswürdigung der Berufungskammer hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte führte im November 2018 eine Beziehung mit der Zeugin H., der Mutter der im Jahr 1993 geborenen Nebenklägerin, die gemeinsam mit ihrer Mutter in einer Wohnung lebte. Während einer Urlaubsreise der Zeugin H. suchte der Angeklagte am Morgen des 23.11.2018 „unter einem Vorwand“ die Nebenklägerin in ihrer Wohnung auf. Nachdem diese ihre Tochter in den Kindergarten gebracht hatte und in die Wohnung zurückgekehrt war, griff der Angeklagte der Nebenklägerin in kurzen zeitlichen Abständen dreimal mit der rechten Hand von hinten in den Ausschnitt ihres T-Shirts unter ihren BH und umfasste dabei die linke Brust der Frau für kurze Zeit. Die Nebenklägerin äußerte jeweils sogleich, dass der Angeklagte dies lassen solle, und machte auf diese Weise klar, dass sie keine sexuellen Handlungen wolle. Da der Angeklagte hierauf nicht reagierte, zog die Nebenklägerin anschließend jeweils die Hand des Angeklagten weg. Um weiteren Übergriffen zu entgehen, entschloss sich die Nebenklägerin, die Wohnung zu verlassen. Bevor sie dies umsetzen konnte, trat der Angeklagte von hinten an sie heran. Er fasste für etwa 4 bis 5 Sekunden wissentlich und willentlich und gegen deren Willen mit der rechten Hand durch den Bund ihrer Hose in die Unterhose der Nebenklägerin. Der Angeklagte legte zunächst seine Hand auf die Scheide der Frau und berührte ihren Kitzler. Anschließend führte er einen Teil des Mittelfingers seiner rechten Hand bis etwa zum ersten Fingerglied, also mindestens ca. 1 cm tief, für mindestens ein bis zwei Sekunden in die Scheide der Geschädigten, um sich hierdurch sexuell zu erregen. Nach einem kurzen Schreckmoment zog die Geschädigte die Hand des Angeklagten aus ihrer Hose und äußerte erneut, dass dieser seine sexuellen Handlungen unterlassen solle. Anschließend verließen die Nebenklägerin und der Angeklagte die Wohnung, um ihre Hunde auszuführen, wobei es der Nebenklägerin auch darum ging, sich so weiteren Übergriffen zu entziehen. Nach der Rückkehr folgte der Angeklagte der Nebenklägerin in die Wohnung. Dort packte er sein Opfer an den Oberarmen, drückte es auf die Couch und stützte sich mit seinen Händen über ihr auf. Der Geschädigten gelang es jedoch, sich unter dem Angeklagten herauszufinden und sich zu befreien. Der Angeklagte verließ schließlich die Wohnung.
2. Der Angeklagte hat ausweislich des Berufungsurteils die sexuellen Übergriffe bestritten und lediglich eingeräumt, dass er die Nebenklägerin an dem fraglichen Morgen auf die Couch gestoßen habe, nachdem sie versucht habe, ihn zu umarmen. Das Landgericht hat seine Überzeugung zum Tatgeschehen auf die Aussage der Nebenklägerin gestützt, die es in vollem Umfang als glaubhaft eingeschätzt hat. Es hat dabei maßgeblich auf die gleichbleibende Aussagekonstanz, die Detailliertheit und die Nachvollziehbarkeit der Aussage, die zudem mit der Schilderung von Emotionen einhergehe, abgestellt. Als Beleg für die Richtigkeit der Aussage der Nebenklägerin hat die Berufungskammer unter anderem einen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin am Tag nach dem verfahrensgegenständlichen Geschehen geführten Chat-Verkehr herangezogen. Darin hatte die Nebenklägerin dem Angeklagten mitgeteilt, dass sie nach dem „gestrigen Vorfall bei den nächsten 2 Hundetreffen nicht dabei sein werde“, woraufhin der Angeklagte unter Hinzufügung des Wörtchens „sorry“ erwidert habe, dass dies „nicht wieder vorfallen“ werde, sie könne ruhig mitkommen.
3. Trotz der ausführlichen und im Ansatz auch sorgfältigen Beweiswürdigung weist diese sachlich-rechtliche Mängel auf, weil sie den strengen Anforderungen, die an die Beweiswürdigung im Falle einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zu stellen sind, nicht in jeder Hinsicht gerecht wird.
a) Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft liegt der Verurteilung eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zu Grunde, weil sich das Geschehen ausschließlich zwischen dem die sexuellen Übergriffe bestreitenden Angeklagten und der Nebenklägerin abgespielt hat und sonst keine weiteren Beweismittel vorhanden sind, die die Richtigkeit der Aussage der Nebenklägerin belegen würden. Was die Angaben der Nebenklägerin gegenüber Ermittlungsbeamten und weiteren Zeugen, die in der Berufshauptverhandlung vernommen wurden, anbelangt, so handelt es sich insoweit lediglich um Zeugen vom Hörensagen, die nur das wiedergeben konnten, was die Nebenklägerin ihnen berichtet hat. Aber auch der am Tag nach dem verfahrensgegenständlichen Vorfall zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin geführte Chat-Verkehr rechtfertigt es nicht, eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation abzulehnen. Denn hieraus ergibt sich lediglich, dass sich der Angeklagte für einen „Vorfall“ am Tag vorher entschuldigt hat. Was Gegenstand dieses Vorfalls war, kann der Nachricht nicht entnommen werden. Die Reaktion des Angeklagten konnte sich genauso gut auf die von der Berufungskammer selbst festgestellten körperlichen Übergriffe in Form vom Packen der Nebenklägerin an den Oberarmen und deren Stoßen auf die Couch, was der Angeklagte auch einräumt, bezogen haben.
b) In Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, sind besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und auch in einer Gesamtschau gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 17.02.2021 – 2 StR 222/20, bei juris; 13.10.2020 – 1 StR 299/20 = NStZ-RR 2021, 24; Beschl. v. 06.08.2020 – 1 StR 178/20 = NStZ 2021, 184; 19.05.2020 – 2 StR 7/20 = NStZ-RR 2020, 321; 13.05.2020 – 2 StR 367/19, bei juris; 07.04.2020 – 4 StR 622/19, bei juris; 12.02.2020 – 1 StR 612/19 = StV 2020, 444, 29.01.2020 – 4 StR 434/19, bei juris). Dabei sind vor allem eine sorgfältige Inhaltsanalyse der den Angeklagten belastenden Aussage, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der Aussage, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben von besonderer Relevanz (vgl. nur BGH, Urt. v. 17.02.2021 – 2 StR 222/20, bei juris, m.w.N.).
c) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht gerecht. Denn die von der Berufungskammer angenommene Aussagekonstanz lässt sich gerade zum Kerngeschehen des strafrechtlichen Vorwurfs, nämlich der Penetration mit dem Finger, anhand der Urteilsgründe nicht ohne weiteres nachvollziehen. Dieses Darstellungsdefizit hat zugleich Auswirkungen auf die für die Glaubwürdigkeit maßgebliche Detailliertheit der Zeugenaussage und deren Plausibilität.
aa) Bei Fallgestaltungen mit problematischer Beweislage, bei denen es zuvörderst auf die Zeugenaussagen des mutmaßlichen Tatopfers ankommt, muss der Tatrichter den entscheidenden Teil der verschiedenen Aussagen, auch solchen, die im Ermittlungsverfahren erfolgt sind, im Urteil wiedergeben, weil dem Revisionsgericht sonst die rechtliche Überprüfung der angenommenen Aussagekonstanz nicht möglich ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 26.11.2019 – 2 StR 300/19 = StV 2020, 446; 30.01.2018 – 4 StR 284/17 = NStZ-RR 2018, 188, 04.04.2017 – 2 StR 409/16 = StraFo 2017, 234 = NStZ 2017, 551 = StV 2018, 193).
bb) Das Berufungsurteil schildert zwar die Aussagen der Nebenklägerin im Berufungsverfahren und im Ermittlungsverfahren bei zwei Vernehmungen durch die Kriminalpolizei. Dabei bleiben jedoch wesentliche Details der Zeugenaussage zum Tathergang bei dem Berühren des Geschlechtsteils der Zeugin im Dunkeln.
(1) Zum strafrechtlichen Geschehen wird unter II. der Urteilsgründe festgestellt, dass der Angeklagte für die Dauer von etwa 4 bis 5 Sekunden mit der Hand in die Hose der Nebenklägerin gegriffen und das Geschlechtsteil berührt habe; anschließend habe er mindestens ein bis zwei Sekunden einen Finger in die Scheide des Opfers eingeführt. „Nach einem kurzen Schreckmoment“ habe sie die Hand des Angeklagten aus ihrer Hose gezogen und geäußert, dass er dies unterlassen solle.
(2) Bei ihrer zweiten kriminalpolizeilichen Vernehmung hat die Nebenklägerin ausweislich der Gründe des Berufungsurteils ausgesagt, der Angeklagte sei mit dem vorderen Fingerglied ca. 4 bis 5 Sekunden lang eingedrungen, bis sie die Hand des Angeklagten „rausgezogen“ und dies „verbal“ abgelehnt habe. In den Urteilsgründen bleibt offen, ob sich die Zeugin bei dieser Vernehmung im Ermittlungsverfahren dazu geäußert hat, weshalb sie nicht sofort reagiert habe, als der Angeklagte in die Hose gegriffen habe. Dass ein erfahrener Kriminalpolizeibeamter, wie er im Berufungsurteil dargestellt wird, zu diesem für den Tatnachweis durchaus erheblichen Detail der (verzögerten) Reaktion eines Opfers auf ein Greifen in den Intimbereich nicht nachgefragt hat, liegt eher fern und hätte jedenfalls der Klärung bedurft. Dies gilt umso mehr, als nach den Feststellungen des Berufungsurteils das Verhalten der Nebenklägerin nicht ohne weiteres plausibel erscheint. Auch wenn nicht verkannt wird, dass Zeitschätzungen durch Zeugen, insbesondere zum Zeitraum inkriminierter Handlungen, durchaus mit Vorsicht zu betrachten sind, ist der Senat an die vom Landgericht explizit getroffenen Feststellungen gebunden und muss deshalb davon ausgehen, dass sich das von der Nebenklägerin geschilderte Greifen in ihre Hose, das Berühren der Scham und die anschließende Penetration über ein Zeitraum von ca. 5 bis 7 Sekunden erstreckt hat, ohne dass die Zeugin hierauf in irgendeiner Weise reagiert hätte. Da es nach den Urteilsfeststellungen nicht zum Einsatz von Nötigungsmitteln gekommen war, wäre aber schon bei dem Griff an den Hosenbund bei lebensnaher Betrachtung eine sofortige, gleichsam reflexartige Reaktion des Opfers in Form von körperlichen Abwehr- oder Ausweichbewegungen und/oder zumindest einer Äußerung zu erwarten gewesen. Der hierzu in der Berufungshauptverhandlung von der Nebenklägerin gebrachte Hinweis auf einen „kurzen Schreckmoment“ ist im Anbetracht der vom Landgericht festgestellten Gesamtdauer von 5 bis 7 Sekunden schon für sich genommen nicht ohne weiteres plausibel und verliert durch die Schilderung der vorangegangenen sexuellen Belästigungen in Form des 3-maligen Greifens an die Brust noch zusätzlich an Überzeugungskraft. Bei dieser Situation ist die Beweiswürdigung schon allein im Hinblick auf die Angaben der Nebenklägerin bei der zweiten polizeilichen Vernehmung lückenhaft.
(3) Dieser Mangel der Beweiswürdigung setzt sich hinsichtlich der Angaben der Nebenklägerin bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung fort und wird überdies verstärkt. Nach der im Berufungsurteil wiedergegebenen Aussage bei der ersten Vernehmung bleibt völlig offen, ob und gegebenenfalls welche Angaben die Zeugin zur Dauer des Berührens der Scham sowie des Eindringens in die Scheide und zu ihrer Reaktion hierauf gemacht hat. Es wird insbesondere nicht mitgeteilt, ob die Zeugin bei ihrer ersten Vernehmung hierzu überhaupt Angaben gemacht hat. Es ist kaum vorstellbar, dass die Zeugin – zumindest auf eine nahe liegende Nachfrage durch die Vernehmungsbeamtin – sich nicht dazu geäußert hat, ob sie sofort oder erst mit einer zeitlichen Verzögerung reagiert habe und – sollte sie den Tathergang in Übereinstimmung mit ihren Angaben in der Berufungshauptverhandlung und in der 2. polizeilichen Vernehmung geschildert haben – welche Gründe es gegebenenfalls gegeben habe, weshalb sie sich nicht sofort dem Verhalten des Angeklagten durch Gegenwehr, Flucht oder dergleichen zu entziehen versucht habe.
(4) Nachdem die Aussagen der Zeugin zu diesem maßgeblichen Punkt des Kerngeschehens, von dem auch die Detailliertheit und die Plausibilität der Aussage abhängt, bei den verschiedenen Vernehmungen nicht im tatrichterlichen Urteil wiedergegeben werden, entzieht sich die vom Landgericht bejahte Konsistenz der Aussage aufgrund unzureichender Tatsachenbasis einer Überprüfung durch den Senat.
d) In Bezug auf die Plausibilität des von der Nebenklägerin geschilderten Geschehens hätte sich das Tatgericht darüber hinaus näher mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, aus welchen Gründen die Nebenklägerin den Angeklagten nach dem Spaziergang mit den Hunden wieder mit in die Wohnung genommen hat. Dies gilt umso mehr, als der von ihr geschilderte Vorfall sie ihren eigenen Angaben zufolge stark belastet haben muss, zumal sie auch davon berichtet hat, dass sie nach dem Vorfall geduscht und ihre „Klamotten weggeschmissen“ habe.
e) Überdies erweist sich die von der Strafkammer zur Überzeugungsbildung herangezogene Erwägung, die Zeugin habe „ohne jeglichen Be- oder Entlastungseifer oder Übertreibungen ausgesagt“, jedenfalls in Bezug auf das konstatierte Fehlen von „Übertreibungen“ als zirkelschlüssig. Da der Tathergang als solcher mangels anderer unmittelbarer Beweismittel allein aufgrund des Inhalts der Aussage der Zeugin festgestellt wurde, konnte das Landgericht das Fehlen von „Übertreibungen“ ebenfalls nur aus dem Aussageinhalt selbst und nicht etwa, was unbedenklich wäre, aus den äußeren Umständen des Aussageverhaltens, ableiten (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 13.03.2014 – 4 StR 445/13 = NStZ 2014, 531 = NZV 2014, 532 = BGHR StPO § 244 Abs 5 S 2 Auslandszeuge 14; 08.12.2004 – 2 StR 441/04 = BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 32 = StV 2005, 487). Das Tatgericht setzt damit die Richtigkeit der Angaben der Zeugin voraus, um die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage zu belegen.
f) Die Berufungskammer konnte auch nicht – wie geschehen – die in der Beweiswürdigung wiedergegebene Aussage der Vernehmungsbeamtin KOMin R., wonach die Nebenklägerin bei ihrer ersten Vernehmung „nicht viel dazu erfunden habe“, völlig ungeprüft im Raum stehen lassen, zumal diese Äußerung, sollte es sich nicht etwa um ein Formulierungsversehen oder dergleichen handeln, impliziert, dass die Vernehmungsbeamtin Erkenntnisse hat, die den Schluss auf eine nicht jeder Hinsicht wahrheitsgemäße Aussage der Nebenklägerin zulassen könnten.
g) Schließlich ist auch der Umstand, dass die Berufungskammer Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen hat, weil sie davon ausging, dass er „in weiteren Punkten gelogen“ habe, rechtlich bedenklich. Das Landgericht hält die Aussage des Angeklagten, die Familie der Geschädigten habe deren Angaben „keinerlei Glauben geschenkt“, für widerlegt und wertet dies im Rahmen der Beweiswürdigung als Indiz gegen ihn. Zwar ist es nicht von vornherein unzulässig, aus einer Lüge des Angeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung Schlüsse zu ziehen. Allerdings muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass der Widerlegung einer Einlassung nur ein begrenzter Beweiswert zukommt. Denn auch ein Unschuldiger kann gegebenenfalls, wenn er befürchtet, er könnte zu Unrecht verurteilt werden, die Zuflucht zur Lüge nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.2021 – 3 StR 124/20 = NStZ-RR 2021, 113; Beschl. v. 11.12.2018 – 2 StR 487/18 = StV 2019, 519; 29.04.2015 – 2 StR 398/14 = NStZ-RR 2015, 286; 17.05.2000 – 3 StR 161/00 = NStZ 2000, 549 = StV 2001, 439). Soll eine Lüge als Belastungsindiz dienen, setzt dies voraus, dass mit rechtsfehlerfreier Begründung dargetan wird, warum eine andere Erklärung nicht in Betracht kommt oder nach den Umständen so fern liegt, dass sie ausscheidet (vgl. BGH, Beschl. v. 30.09.2015 – 1 StR 445/15 = NJW 2016, 262 = StraFo 2016, 26 = NStZ-RR 2016, 55; 17.05.2000 – 3 StR 161/00 = NStZ 2000, 549 = StV 2001, 439; 16.12.2010 – 4 StR 508/10 = NStZ-RR 2011, 118 = StV 2011, 269).
III.
Da aus den genannten Gründen bereits der Schuldspruch keinen Bestand haben kann, kommt es nicht mehr darauf an, dass auch die Strafzumessung rechtsfehlerhaft ist, weil das Landgericht zum einen bei der Prüfung, ob die Regelwirkung des besonders schweren Falles nach § 177 Abs. 6 StGB entfällt, was im Rahmen einer Gesamtabwägung zu erfolgen hat (vgl. nur BGH, Beschl. v. 13.05.2020 – 5 StR 680/19, bei juris; 21.03.2018 – 1 StR 414/16 = NStZ-RR 2019, 84 = NZWiSt 2019, 155 = wistra 2019, 202), gewichtige Milderungsgründe außer Betracht ließ und zum anderen auch in rechtsfehlerhafter Weise zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu seinen Lasten berücksichtigt hat, weil er „die Geschädigte der Lüge und eines Komplotts bezichtigt habe“ (vgl. nur BGH, Beschl. v. 05.04.2018 – 1 StR 119/18, bei juris; 21.09.2017 – 1 StR 268/17 = StV 2018, 162).
IV.
Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler ist das Urteil des Landgerichts mit den Feststellungen aufzuheben (§§ 349 Abs. 4, 353 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).