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Anforderungen an zulässigen Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO

Wiedereinsetzungsanträge und die Rolle von Attesten: Ein Blick auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in einem Beschluss vom 8. März 2023 eine wichtige Entscheidung in Bezug auf Wiedereinsetzungsanträge nach § 329 Abs. 7 StPO getroffen. Im Zentrum des Falles stand ein Angeklagter, der wegen Beleidigung, Bedrohung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt, war jedoch nicht zur Berufungshauptverhandlung erschienen. Er hatte versucht, seine Abwesenheit durch die Vorlage eines ärztlichen Attests zu entschuldigen. Das Gericht musste daher klären, unter welchen Bedingungen ein Wiedereinsetzungsantrag und die Vorlage eines Attests als ausreichende Entschuldigung für die Säumnis in der Berufungshauptverhandlung gelten können.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ws 51/23  >>>

Die Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags

Der Angeklagte und sein Verteidiger hatten Wiedereinsetzungsanträge gestellt, die das Landgericht Saarbrücken als unzulässig verworfen hatte. Die Begründungen waren vielfältig: Zum einen fehlte es dem Antrag des Angeklagten an der erforderlichen Schriftform, zum anderen wurde der Antrag des Verteidigers als nicht fristgerecht angesehen. Der Angeklagte legte daraufhin sofortige Beschwerde ein, die jedoch vom Oberlandesgericht als unbegründet verworfen wurde.

Die Rolle des ärztlichen Attests

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Falles war die Rolle des ärztlichen Attests. Das Gericht stellte klar, dass ein Attest nur dann als ausreichende Entschuldigung gelten kann, wenn es körperliche oder geistige Beeinträchtigungen nachweist, die eine Teilnahme an der Verhandlung unzumutbar machen. In diesem Fall war das Attest nicht ausreichend, um die Säumnis des Angeklagten zu entschuldigen.

Glaubhaftmachung und Beweismittel

Das Gericht betonte auch die Bedeutung der Glaubhaftmachung bei der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags. Es reicht nicht aus, einfach ein Attest oder eine andere Erklärung vorzulegen. Die Tatsachen müssen in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht werden, und dafür sind in der Regel weitere Beweismittel erforderlich.

Schlüsselerkenntnisse und ihre Bedeutung

Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken liefert wichtige Erkenntnisse für die Praxis der Wiedereinsetzungsanträge. Er macht deutlich, dass sowohl formale Kriterien wie die Schriftform und die Fristen als auch inhaltliche Aspekte wie die Glaubhaftmachung der Tatsachen und die Qualität des vorgelegten Attests von entscheidender Bedeutung sind. Wer einen Wiedereinsetzungsantrag stellen möchte, sollte daher diese Kriterien sorgfältig beachten, um nicht an formalen oder inhaltlichen Hürden zu scheitern.

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Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 1 Ws 51/23 – Beschluss vom 08.03.2023

Leitsatz

1. Ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO kann nicht auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht in seinem Verwerfungsurteil bereits als zur Entschuldigung nicht geeignet gewürdigt hat.(Rn.17)

2. Ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO kann nicht auf neue Beweismittel für Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht in seinem Verwerfungsurteil bereits als zur Entschuldigung nicht geeignet gewürdigt hat.(Rn.17)

3. Die Vorlage eines Attestes entschuldigt die Säumnis des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung nur dann in ausreichender Weise, wenn sich aus dem Attest körperliche oder geistige Beeinträchtigungen ergeben, die eine Teilnahme an der Verhandlung unzumutbar machen.(Rn.18)

Die sofortigen Beschwerden des Angeklagten gegen die Beschlüsse des Landgerichts Saarbrücken vom 06. Dezember 2022 und vom 08. Februar 2023 werden kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 23. Februar 2022 wegen Beleidigung in fünf Fällen in Tatmehrheit mit Bedrohung in sieben Fällen in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht Saarbrücken durch Urteil vom 21. November 2022 nach § 329 Abs. 1 StPO, da es eine Mitteilung des Angeklagten vom 18. November 2022, er könne den Berufungshauptverhandlungstermin nicht wahrnehmen, da er sich „in Bereitschaft zur Aufnahme in die psychiatrische Klinik“ befinde und nicht reisefähig sei, sowie die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Verteidiger im Hauptverhandlungstermin nicht als ausreichende Entschuldigung ansah.

Nach der am 22. November 2022 erfolgten Urteilszustellung an den Verteidiger legte der Angeklagte selbst mit einfacher E-Mail vom 29. November 2022 „Beschwerde“ gegen das Urteil ein und beantragte unter Beifügung eines am selben Tag ausgestellten ärztlichen Attestes als Anhang der E-Mail „Rückversetzung in den vorherigen Stand“ und „hilfsweise Revision“. Am 30. November 2022 beantragte der Verteidiger für den Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 21. November 2022 und legte zugleich für den Fall der Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags Revision ein.

Die als einheitlichen Antrag gewerteten Anträge des Angeklagten und seines Verteidigers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwarf das Landgericht durch Beschluss vom 06. Dezember 2022 mit der Begründung als unzulässig, dem Antrag des Angeklagten selbst vom 29. November 2022 fehle es an der erforderlichen Schriftform, und der Antrag des Verteidigers vom 30. November 2022 sei nicht fristgerecht gestellt worden.

Gegen den ihm noch am selben Tag zugestellten Beschluss vom 06. Dezember 2022 legte der Verteidiger am 07. Dezember 2022 sofortige Beschwerde ein. In einem per E-Mail am 09. Dezember 2022 eingegangenen „Nachtrag zur Beschwerde“ wendet der Angeklagte sich unter Bezugnahme auf seine „Beschwerde“ vom 29. November 2022 gegen die Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrags als formunwirksam. Er meint, das Gericht habe keinen Anlass gehabt, an der Urheberschaft seiner E-Mail zu zweifeln. Im Übrigen verweist er darauf, dass die rechtzeitige Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags durch seinen Verteidiger deshalb nicht möglich gewesen sei, weil er selbst das mit diesem Antrag vorgelegte ärztliche Attest erst am 29. November 2022 gegen 19 Uhr von seiner behandelnden Ärztin erhalten habe, da die Praxis vom 21. November 2022 bis einschließlich 28. November 2022 geschlossen gewesen sei. Die Vorlage eines Attestes eines anderen Arztes sei nicht möglich gewesen, da nur die behandelnde Ärztin über die Krankenakte verfügt habe. Er habe das Attest umgehend an das Gericht und seinen Verteidiger übersandt, dessen Büro jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen gewesen sei.

Nach Vorlage der Sache zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde durch das Landgericht stellte der Senat durch Beschluss vom 24. Januar 2023 fest, dass eine Entscheidung des Senats zunächst nicht veranlasst und eine Rückgabe der Sache an das Landgericht veranlasst war, da in dem Sachvortrag des Angeklagten, zu einer rechtzeitigen Weiterleitung des ärztlichen Attestes an seinen Verteidiger nicht in der Lage gewesen zu sein, der konkludente, durch das Berufungsgericht zu bescheidende Antrag liegt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nach § 329 Abs. 7 StPO zu gewähren.

Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist nach § 329 Abs. 7 StPO durch Beschluss vom 08. Februar 2023 als unzulässig verworfen. Nach der am 14. Februar 2023 erfolgten Zustellung dieses Beschlusses an den Verteidiger hat dieser am 21. Februar 2023 „gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 14.02.2023“ ebenfalls sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortigen Beschwerden gegen die Beschlüsse vom 06. Dezember 2022 und vom 08. Februar 2023 als unbegründet zu verwerfen.

II.

A.

1. Die am 21. Februar durch den Verteidiger des Angeklagten eingelegte sofortige Beschwerde legt der Senat als Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 08. Februar 2023 aus (§ 300 StPO). Bei dem Umstand, dass der angefochtene Beschluss in der Rechtsmittelschrift als „Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 14.02.2023“ bezeichnet wird, handelt es sich um ein offenkundiges Schreibversehen, da ein solcher Beschluss nicht existent ist und sich der Anfechtungswille des Verteidigers ersichtlich auf den ihm am 14. Februar 2023 zugestellten Beschluss vom 08. Februar 2023 bezieht.

2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 46 Abs. 3 StPO) und fristgerecht eingelegt (§ 311 Abs. 2 StPO). Sie ist jedoch unbegründet, da das Landgericht den Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nach § 329 Abs. 7 StPO zu gewähren, zu Recht als unzulässig verworfen hat. Der Antrag entspricht nicht den Anforderungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO.

a) Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind die Tatsachen zur Begründung eines gestellten Wiedereinsetzungsantrags glaubhaft zu machen. Die Tatsachen brauchen nicht bewiesen zu werden und zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustehen, jedoch muss ihre Wahrscheinlichkeit in ausreichendem Maße dargetan werden (BGHSt 21, 334, 350; BayObLG NJW 1956, 640; KK-StPO/Schneider-Glockzin, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 10). Fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung, führt dies bereits zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags (BGH NStZ 1991, 295 und Beschlüsse vom 24.07.2021 – 1 StR 341/12 – und vom 06.08.2013 – 1 StR 245/13 –, juris; Senatsbeschluss vom 27. September 2021 – 1 Ws 72/21 – m.w.N.).

b) Mittel der Glaubhaftmachung können beispielsweise eidesstattliche Versicherungen von Zeugen, amtliche Bescheinigungen, ärztliche Zeugnisse oder anwaltliche Versicherungen sein (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 45 Rdnr. 8; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2013 – 1 Ws 200/13 –). Die eigene Erklärung des Antragstellers ist hingegen im Regelfall keine Glaubhaftmachung (BGH NStZ-RR 2010, 378; NStZ 2006, 54; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. März 2022 – 4 Ws 88/22 –, juris; Senatsbeschluss a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; KK-StPO/Schneider-Glockzin, a.a.O. Rdnr. 12), und zwar auch dann nicht, wenn sie per E-Mail erfolgt (Senatsbeschluss a.a.O.). Etwas Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Antragsteller außerstande ist, zur Glaubhaftmachung geeignete sonstige Beweismittel beizubringen (vgl. OLG München NStZ 1988, 377; OLG Düsseldorf NStZ 1990, 149; KG Berlin, Beschluss vom 23. April 2001 – 1 AR 425/01 –, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 11. März 2014 – 2 Ws 100/14 –; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Februar 1995 – 2 BvR 1950/94 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 45 Rdnr. 9).

c) Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte die Tatsachen, die ihn daran gehindert haben sollen, form- und fristgerecht einen Antrag nach § 329 Abs. 7 StPO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu stellen, nicht glaubhaft gemacht. In seinem per E-Mail übersandten „Nachtrag zur Beschwerde“ vom 09. Dezember 2022 behauptet er insoweit nur, er habe das für einen erfolgversprechenden Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO erforderliche Attest seinem Verteidiger deshalb nicht binnen der Frist des § 329 Abs. 7 StPO zur Verfügung stellen können, weil er es aufgrund einer Schließung der Praxis der behandelnden Ärztin vom 21. November bis zum 28. November 2022 selbst erst am Abend des letzten Tages der Frist, nämlich am 29. November 2022, erhalten habe, und zwar nach Büroschluss seines Verteidigers. Glaubhaft gemacht hat er diese Tatsachen nicht. Dass ihm eine Glaubhaftmachung – beispielsweise durch eine eidesstattliche Versicherung der Ärztin oder eine anwaltliche Versicherung seines Verteidigers – unmöglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

B.

Mit der Verwerfung der sofortigen Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 08. Februar 2023 ist rechtskräftig über seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nach § 329 Abs. 7 StPO entschieden, so dass nunmehr auch hinsichtlich der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 06. Dezember 2022 eine Sachentscheidung ergehen konnte.

Auch diese sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 46 Abs. 3 StPO) und fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt, jedoch ebenfalls unbegründet, da das Landgericht den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung jedenfalls im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen hat.

1. Zutreffend geht das Landgericht insoweit zunächst davon aus, dass der durch den Verteidiger am 30. November 2022 gestellte Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der Frist des § 329 Abs. 7 StPO gestellt wurde und daher als solcher unzulässig ist.

2. Ob – wie das Landgericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre meint – der innerhalb der Frist des § 329 Abs. 7 StPO per E-Mail gestellte Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten selbst formunwirksam ist, weil ein solcher Antrag der Schriftform bedarf (für ein solches Formerfordernis Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 45 Rdnr. 1; KK-StPO/Glockzin, a.a.O., § 45 Rdnr. 2; MüKo-StPO/Valerius, 2. Aufl., § 45 Rdnr. 2; BeckOK-Cirener, 46. Edition, Stand: 01.01.2023, § 45 Rdnr. 1; a.A. Löwe-Rosenberg/Graalmann-Scheerer, 27. Aufl., § 45 Rdnr. 5; SK-StPO/Deiters, 5. Aufl. § 45 Rdnr. 1), braucht der Senat nicht zu entscheiden.

3. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Zulässigkeit eines solchen Antrags voraussetzt, dass als Grund für das Fernbleiben in der Hauptverhandlung Tatsachen geltend und glaubhaft gemacht werden, die dem Berufungsgericht bei der Berufungshauptverhandlung noch nicht bekannt waren. Auf Tatsachen, die das Gericht bereits – wenn auch rechtsfehlerhaft – in dem Urteil als zur Entschuldigung nicht geeignet gewürdigt hat, kann ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO ebenso wenig gestützt werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 23. März 2022 – 4 Ws 88/22 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 06. Juli 2020 – 3 Ws 160/20 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 329 Rdnr. 42; Löwe-Rosenberg/Gössel, 26. Aufl., § 329 Rdnr. 118; vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. November 2011 – 1 Ws 251/11 – zu § 329 Abs. 3 StPO a.F) wie auf neue Beweismittel für die vom Berufungsgericht schon gewürdigten Tatsachen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; § 329 Rdnr. 42; Löwe-Rosenberg/Gössel a.a.O., § 329 Rdnr. 119; vgl. auch OLG Hamburg MDR 1991, 469 zu § 329 Abs. 3 StPO a.F.; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 99). Hiernach erweist sich der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten selbst vom 29. November 2022 schon deshalb als unzulässig, weil sich der Antrag auf die bereits vorterminlich mit E-Mail vom 18. November 2022 als Entschuldigungsgrund geltend gemachte psychische Erkrankung stützt, die das Berufungsgericht in seinem Verwerfungsurteil vom 21. November 2022 bereits als nicht geeignet gewertet hat, die Säumnis des Angeklagten zu entschuldigen.

4. Hinzu kommt, dass das vorgelegte Attest auch der Sache nach nicht geeignet ist, ein fehlendes Verschulden des Angeklagten an seinem Fehlen in der Berufungshauptverhandlung vom 21. November 2022 zu belegen. Beruft sich ein Angeklagter – wie vorliegend – auf eine Erkrankung, genügt ein Attest über eine bestehende Verhandlungsunfähigkeit nicht. Vielmehr ist die Art der Erkrankung unter Angabe der Symptomatik detailliert darzustellen (OLG Hamm, Beschluss vom 06. Januar 2022 – III-5 RVs 131/21 –, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 08. Januar 2014 – 1 Ws 380/13 –, juris), da eine Erkrankung ein Erscheinen des Angeklagten in der Hauptverhandlung nur dann entschuldigt, wenn ihre Auswirkungen, insbesondere Art und Umfang der von ihr ausgehenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen eine Teilnahme an der Verhandlung unzumutbar machen (KG Berlin, Beschluss vom 10. November 2014 – 4 Ws 114/14 –). Diesen Anforderungen genügt das vorgelegte Attest nicht. Ihm ist nur zu entnehmen, dass bei dem Angeklagten eine mittelgradige depressive Episode und ein chronischer Alkoholismus diagnostiziert und zu einer stationären psychiatrischen Behandlung geraten wurde. Konkrete Umstände, die ein Erscheinen am 21. November 2021 unmöglich oder unzumutbar gemacht hätten, sind nicht dargetan. Zu einer weiteren eigenen Sachaufklärung musste das Landgericht sich nicht veranlasst sehen, da das Gericht im Wiedereinsetzungsverfahren keine Aufklärungspflicht trifft (KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2016 – 3 Ws 594/15 –, juris).

C.

Zu einer Entscheidung über die durch den Angeklagten und seinen Verteidiger eingelegte Revision gegen das Urteil vom 21. November 2022 ist der Senat nicht berufen. Eine Revisionsentscheidung des Revisionsgerichts kann erst nach einer Aktenvorlage nach § 347 StPO erfolgen. Gelangen die Akten aus einem anderen Grund – wie vorliegend aufgrund der veranlassten Entscheidung über die sofortigen Beschwerden im Wiedereinsetzungsverfahren – an das grundsätzlich auch für die Revisionsentscheidung zuständige Oberlandesgericht, darf dieses über die Revision auch dann noch nicht entscheiden, wenn die Sache auch insoweit entscheidungsreif ist (Löwe-Rosenberg/Franke, 26. Aufl., § 347 Rdnr. 9). Es hat daher zunächst dabei zu verbleiben, dass das Berufungsgericht zu prüfen haben wird, ob den Anforderungen der §§ 341 Abs. 1, 345 Abs. 1 StPO Genüge getan (§ 346 Abs. 1 StPO) und eine Aktenvorlage nach § 347 StPO veranlasst ist.

 

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