Ein Autofahrer, dem eine Trunkenheitsfahrt vorgeworfen wurde, versuchte den Alkoholwert zur Tatzeit durch die komplizierte Behauptung eines „Nachtrunks“ neu berechnen zu lassen. Doch das Gericht stützte sich auf spezielle Erfahrungssätze, die diese Verteidigung trotz detaillierter Angaben widerlegten.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Ausrede vom „Nachtrunk“: Kann man sich nach der Trunkenheitsfahrt noch schuldig trinken?
- Wie wird der Blutalkoholwert zur Tatzeit bestimmt, wenn die Probe Stunden später genommen wird?
- Warum berechnete das Gericht einen noch höheren Wert von 1,93 Promille?
- Dürfen Gerichte Erfahrungssätze bei der Beweiswürdigung nutzen?
- Konnten formale Fehler das Urteil noch kippen?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet verminderte Schuldfähigkeit bei Alkohol am Steuer genau für mich?
- Welche konkreten Rechte habe ich bei einer gerichtlichen Blutentnahme nach einer Trunkenheitsfahrt?
- Wie kann ich meinen behaupteten Nachtrunk vor Gericht glaubhaft beweisen?
- Welche Fehler sollte ich bei der Verteidigung mit einem Nachtrunk unbedingt vermeiden?
- Welche langfristigen Konsequenzen hat eine Verurteilung wegen Trunkenheit am Steuer für meinen Führerschein?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil 3 ORs 6/25 – 121 SRs 6/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Kammergericht Berlin
- Datum: 24.02.2025
- Aktenzeichen: 3 ORs 6/25 – 121 SRs 6/25
- Verfahren: Revision in einem Strafverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Beweisrecht, Alkohol am Steuer
- Das Problem: Ein Mann wurde wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt. Er legte Revision ein, weil er die Berechnung seines Blutalkoholwertes und die richterliche Beweiswürdigung anzweifelte.
- Die Rechtsfrage: Hat das Landgericht bei der Verurteilung Fehler gemacht, etwa bei der Bestimmung des Alkoholwertes zur Tatzeit oder der Bewertung der Beweise?
- Die Antwort: Nein, das Landgericht hat keine Fehler gemacht. Das Kammergericht bestätigte die Berechnungsmethoden des Alkoholwerts und die Beweiswürdigung als korrekt und zulässig.
- Die Bedeutung: Dieses Urteil bestätigt die Methoden der Gerichte zur Berechnung von Alkoholwerten und zur Bewertung von Beweisen bei Trunkenheit am Steuer. Richter dürfen dabei auch allgemeine Erfahrungen nutzen, wenn sie den Einzelfall berücksichtigen.
Der Fall vor Gericht
Die Ausrede vom „Nachtrunk“: Kann man sich nach der Trunkenheitsfahrt noch schuldig trinken?
Ein Autofahrer wird mitten in der Nacht wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilt. Seine Verteidigung klingt auf den ersten Blick bestechend einfach: Der entscheidende Alkohol sei erst geflossen, nachdem er den Motor abgestellt hatte.
Er habe einen sogenannten Nachtrunk zu sich genommen. Es war der Versuch, die gemessenen Promillewerte rechtlich zu entwerten. Doch das Landgericht Berlin glaubte ihm nicht und verurteilte ihn. In der nächsten Instanz versuchte sein Anwalt, das Urteil mit juristischen Winkelzügen zu zerlegen. Der Fall landete vor dem Kammergericht Berlin – und gibt einen faszinierenden Einblick in die Logik der Alkohol-Beweiswürdigung im Strafrecht.
Wie wird der Blutalkoholwert zur Tatzeit bestimmt, wenn die Probe Stunden später genommen wird?
Die Fakten waren klar umrissen. Die Fahrt fand um 3:50 Uhr statt. Die Blutprobe wurde erst um 5:38 Uhr entnommen, also fast zwei Stunden später. Das Ergebnis: 1,37 Promille. Der Fahrer behauptete, dieser Wert spiegele nicht seinen Zustand während der Fahrt wider. Er habe erst nach dem Anhalten getrunken.
Das Landgericht stand vor einer typischen Herausforderung. Es musste den Sachverhalt rekonstruieren und die Glaubwürdigkeit des Fahrers bewerten. Die Richter verwarfen seine Einlassung. Sie kamen nach der Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass die Geschichte vom Nachtrunk eine Schutzbehauptung war. Ihre logische Konsequenz: Der um 5:38 Uhr gemessene Wert von 1,37 Promille war der Mindestwert, den der Fahrer auch schon zur Tatzeit gehabt haben musste. Der tatsächliche Wert konnte durch den Alkoholabbau sogar höher gewesen sein.
Der Anwalt des Fahrers kritisierte in seiner Revision, das Urteil nenne keinen exakten „Tatzeitwert“. Das Kammergericht wischte diesen formalen Einwand beiseite. Es verwies auf den Grundsatz der „Einheit der Urteilsgründe„. Ein Urteil muss als Ganzes gelesen werden. Aus der gesamten Argumentation des Landgerichts ging unmissverständlich hervor, dass es die 1,37 Promille als Basis für die Verurteilung ansah.
Warum berechnete das Gericht einen noch höheren Wert von 1,93 Promille?
Im Urteil des Landgerichts tauchte plötzlich ein zweiter, viel höherer Wert auf: 1,93 Promille. Der Verteidiger sah darin einen Widerspruch und einen unzulässigen Rechenfehler zu Lasten seines Mandanten. Hier lag aber ein Denkfehler vor. Diese zweite Berechnung war kein Versuch, dem Fahrer einen höheren Promillewert anzuhängen – im Gegenteil, sie war ein Test zu seinen Gunsten.
Das Gericht musste prüfen, ob der Fahrer möglicherweise vermindert schuldfähig war. Das Gesetz kennt die Verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB), wenn die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei der Tat beeinträchtigt war, etwa durch hohen Alkoholkonsum. Um diese Möglichkeit fair zu prüfen, muss ein Gericht vom für den Angeklagten günstigsten Szenario ausgehen.
Im Klartext bedeutet das: Die Richter rechneten aus, welchen Promillewert der Mann zur Tatzeit maximal gehabt haben könnte. Dafür nutzten sie eine anerkannte Formel. Sie nahmen den gemessenen Wert (1,37 ‰), addierten den höchstmöglichen stündlichen Abbauwert (0,2 ‰ pro Stunde) für die vergangene Zeit und schlugen einen zusätzlichen Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ drauf. Die Rechnung sah so aus: 1,37 ‰ + (1,8 Stunden × 0,2 ‰) + 0,2 ‰ Sicherheitszuschlag ergibt gerundet 1,93 ‰.
Das Ergebnis dieser Berechnung diente nur einem Zweck: zu klären, ob der Fahrer überhaupt in einen Bereich kam, in dem man über verminderte Schuldfähigkeit ernsthaft diskutieren muss. Das Landgericht kam zu dem Schluss, dass selbst bei diesem theoretischen Höchstwert die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Der Schachzug des Gerichts war also kein Fehler, sondern eine methodisch saubere Prüfung, die dem Fahrer am Ende aber nicht half.
Dürfen Gerichte Erfahrungssätze bei der Beweiswürdigung nutzen?
Ein weiterer Angriffspunkt der Verteidigung war die Beweiswürdigung selbst. Der Anwalt warf dem Gericht vor, es habe sich auf unzulässige Verallgemeinerungen gestützt – sogenannte Erfahrungssätze. Es habe zum Beispiel Schlüsse über die Trinkgewohnheiten des Fahrers gezogen, die nicht durch Fakten gedeckt seien.
Das Kammergericht musste die Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung ausloten. Die freie Beweiswürdigung (§ 261 StPO) erlaubt es Richtern, ihre Schlüsse nicht nur auf harte Fakten, sondern auch auf allgemeine Lebenserfahrung und Wahrscheinlichkeitserwägungen zu stützen. Ein Richter darf denken: „Die meisten Menschen verhalten sich in Situation X auf Weise Y.“
Entscheidend ist die Grenze. Ein solcher Erfahrungssatz darf nicht zu einem unumstößlichen Gesetz werden, das den Einzelfall erdrückt. Er ist nur ein Mosaikstein in der gesamten Beweiswürdigung. Das Kammergericht stellte fest, dass das Landgericht genau das beachtet hatte. Es hatte die Möglichkeit eines Nachtrunks nicht blind ausgeschlossen, sondern ausführlich geprüft und mit guten Gründen verworfen. Die Schlussfolgerungen waren möglich und nachvollziehbar – das genügt für eine revisionssichere Verurteilung.
Konnten formale Fehler das Urteil noch kippen?
Die Verteidigung hatte noch ein paar Pfeile im Köcher, die auf formale Verfahrensfehler zielten. Doch auch diese trafen nicht ins Schwarze.
Der eine Vorwurf: Der Blutalkoholwert sei im Prozess nie korrekt als Beweismittel eingeführt worden. Ein Blick ins Hauptverhandlungsprotokoll widerlegte das. Der Auswertebericht des Labors war ordnungsgemäß verlesen worden.
Der andere Vorwurf bezog sich auf einen Atemalkoholwert, der wohl anfangs gemessen wurde. Ob dieser korrekt verwertet wurde, ließ das Kammergericht offen. Es spielte schlicht keine Rolle. Ein Atemalkoholtest ist oft nur ein Vortest. Das rechtlich belastbare Beweismittel ist die Blutanalyse. Das Urteil stützte sich ausschließlich auf den Blutwert, womit jede Diskussion über den Atemtest überflüssig war.
Am Ende stand eine klare Entscheidung. Das Kammergericht fand keinen einzigen Fehler, der gravierend genug gewesen wäre, um das Urteil aufzuheben. Die Revision wurde als „offensichtlich unbegründet“ verworfen, wie es im Juristendeutsch heißt (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Fahrer muss die Kosten für sein erfolgloses Rechtsmittel tragen.
Die Urteilslogik
Gerichte navigieren durch komplexe Beweislagen, um den wahren Alkoholisierungsgrad bei Trunkenheitsfahrten gerichtsfest zu bestimmen.
- [Nachtrunk-Widerlegung]: Verwirft ein Gericht die Einlassung zum Nachtrunk als Schutzbehauptung, beweist der später gemessene Blutalkoholwert den Mindestwert zur Fahrzeit.
- [Schuldprüfung bei Alkohol]: Gerichte ermitteln bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit den höchstmöglichen Blutalkoholwert zur Tatzeit, um die günstigste Annahme für den Angeklagten zu berücksichtigen.
- [Einsatz von Erfahrungssätzen]: Bei der Beweiswürdigung nutzen Richter allgemeine Lebenserfahrung und Wahrscheinlichkeitserwägungen als Mosaiksteine, ohne den Einzelfall zu überlagern.
Diese Prinzipien verdeutlichen die methodische Strenge, mit der Gerichte die Verantwortung für Alkohol am Steuer feststellen.
Benötigen Sie Hilfe?
Wird Ihr Blutalkoholwert oder die Beweiswürdigung angezweifelt? Kontaktieren Sie uns für eine erste rechtliche Einschätzung Ihrer Situation.
Experten Kommentar
Gerade bei der „Nachtrunk“-Verteidigung, wo jemand behauptet, erst nach der Fahrt getrunken zu haben, glauben die Gerichte nicht blind alles. Dieses Urteil ist ein klares Signal: Wird die Schutzbehauptung widerlegt, darf der später gemessene Promillewert als sichere Untergrenze für die Fahrtzeit herangezogen werden. Das ist wichtig zu wissen, denn es entkräftet eine beliebte Strategie und zeigt, wie konsequent die Justiz solche Einlassungen prüft. Für den Einzelnen bedeutet das, dass eine solche Ausrede in der Praxis kaum Bestand haben wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet verminderte Schuldfähigkeit bei Alkohol am Steuer genau für mich?
Verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ist kein einfacher Ausweg bei einer Trunkenheitsfahrt. Gerichte prüfen dies akribisch, berechnen dafür den maximal möglichen Blutalkoholwert zur Tatzeit, um Ihre Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit fair zu beurteilen. Doch selbst bei sehr hohen theoretischen Promillewerten ist die Hürde für eine solche Feststellung oft extrem hoch.
Sie fragen sich, ob ein hoher Promillewert Sie automatisch entlastet? Juristen nennen das verminderte Schuldfähigkeit. Diese liegt nur vor, wenn Ihre Fähigkeit, das Unrecht Ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich beeinträchtigt war. Das ist kein Automatismus. Die bloße Behauptung, man habe nichts mehr gewusst, reicht hierfür nicht aus.
Richter sind hier besonders sorgfältig. Um Ihnen das günstigste Szenario zugrunde zu legen, berechnen sie oft den theoretisch höchsten Blutalkoholwert, den Sie zur Tatzeit gehabt haben könnten. Nehmen wir an, der gemessene Wert lag bei 1,37 Promille, die Probe wurde 1,8 Stunden nach der Fahrt entnommen. Dann addiert man den maximal möglichen Alkoholabbau pro Stunde (0,2 Promille) und einen Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille. Das Ergebnis könnte dann 1,37‰ + (1,8h × 0,2‰) + 0,2‰ = 1,93‰ sein. Der Artikel zeigt: Selbst bei solchen theoretisch hohen Werten kommt es häufig vor, dass Gerichte keine verminderte Schuldfähigkeit feststellen.
Denken Sie an einen erfahrenen Piloten, der trotz hohem Fieber startet. Obwohl er krank ist, funktioniert seine Routine oft noch. Das Gericht fragt nicht nur, ob Sie „betrunken“ waren, sondern ob Ihre geistige „Steuerung“ wirklich so schwerwiegend außer Kraft gesetzt war, dass Sie die Fahrt nicht hätten vermeiden können.
Fordern Sie umgehend eine Kopie des gerichtlichen Urteils oder der Anklageschrift an. Suchen Sie dort gezielt nach Passagen, die sich auf Ihren Promillewert beziehen, insbesondere, wenn darin Berechnungen zur verminderten Schuldfähigkeit angestellt wurden. Dies hilft Ihnen, die genaue Argumentation des Gerichts zu verstehen.
Welche konkreten Rechte habe ich bei einer gerichtlichen Blutentnahme nach einer Trunkenheitsfahrt?
Der Artikel beleuchtet keine Rechte, die Sie direkt während der Blutentnahme schützen. Stattdessen konzentriert er sich auf die korrekte Einführung und Bewertung des Blutalkoholwertes als Beweismittel im Gerichtsverfahren, wobei die Blutanalyse als das einzig rechtlich belastbare Beweismittel gilt.
Gerichte fokussieren sich primär auf die formale Korrektheit, mit der der Auswertebericht Ihrer Blutprobe im Prozess eingeführt wird. Hier geht es vor allem um die korrekte Verlesung des Laborberichts im Hauptverhandlungsprotokoll. Fragen zur eigentlichen Prozedur der Blutentnahme oder mögliche Fehler bei einem vorherigen Atemalkoholtest spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
Die Blutanalyse gilt als das juristisch belastbarste Beweismittel überhaupt. Wurde der Blutwert ordnungsgemäß eingeführt, werden etwaige Mängel oder Ungenauigkeiten bei einem vorangegangenen Atemalkoholtest irrelevant. Selbst wenn dieser Vortest fehlerhaft war, ändert das nichts an der Gültigkeit des gerichtlich verwerteten Blutwertes.
Ein passender Vergleich ist der Blick auf eine Prüfung: Es zählt am Ende nur das schriftliche Endergebnis, nicht die Schwierigkeiten während der Bearbeitung oder ein missglückter Probelauf. Das Gericht legt den Fokus auf das formal korrekte Enddokument, also den ordnungsgemäß verlesenen Blutalkoholwert.
Fordern Sie umgehend eine Kopie Ihres Hauptverhandlungsprotokolls an. Überprüfen Sie akribisch, ob der Auswertebericht des Labors über Ihren Blutalkoholwert dort tatsächlich ordnungsgemäß verlesen und somit als Beweismittel eingeführt wurde. Dies ist der kritische Punkt, auf den die Rechtsprechung Wert legt.
Wie kann ich meinen behaupteten Nachtrunk vor Gericht glaubhaft beweisen?
Einen behaupteten Nachtrunk vor Gericht glaubhaft zu machen, ist extrem schwierig. Richter betrachten dies oft als Schutzbehauptung und sehen den später gemessenen Promillewert als den Mindestwert zur Tatzeit an, wenn keine überzeugenden, unabhängigen Beweise vorliegen. Ohne objektive Belege kann Ihr Fall schnell scheitern.
Gerichte gehen bei der Behauptung eines Nachtrunks mit hoher Skepsis vor. Sie neigen dazu, solche Einlassungen als bloße Schutzbehauptung zu werten, wenn sie nicht durch konkrete, überzeugende Fakten untermauert werden. Die juristische Logik hier ist klar: Kann der Nachtrunk nicht zweifelsfrei bewiesen werden, wird der später gemessene Blutalkoholwert nicht etwa entwertet. Vielmehr gilt er dann als der Mindestwert, den Sie bereits zur Fahrtzeit gehabt haben mussten. Der tatsächliche Wert könnte sogar noch höher gewesen sein, da der Alkoholabbau im Körper berücksichtigt werden müsste.
Für die richterliche Überzeugungsbildung ist auch kein exakter „Tatzeitwert“ zwingend erforderlich. Besteht die Gesamtargumentation des Gerichts schlüssig die Unglaubwürdigkeit des Nachtrunks und belegt damit die Relevanz des gemessenen Wertes zur Tatzeit, kann eine Verurteilung erfolgen.
Ein passender Vergleich ist der Versuch, einen Schaden zu reparieren, der schon lange vor dem Beweisfoto entstanden ist. Ohne Beweis, dass der Schaden erst danach auftrat, wird die ursprüngliche Ursache angenommen. Ohne stichhaltige Belege für den Nachtrunk bleibt der gemessene Promillewert entscheidend für die Fahrt.
Konzentrieren Sie sich darauf, unabhängige und objektive Beweise zu sammeln. Denken Sie an Zeugenaussagen Dritter, Rechnungen mit Uhrzeit von Getränkekäufen oder Fotos und Videos mit Zeitstempel des Konsums. Diese Dokumente müssen zweifelsfrei belegen, dass der entscheidende Alkohol erst nach dem Anhalten des Fahrzeugs zu sich genommen wurde. Ihre bloße Behauptung reicht hier leider nicht aus.
Welche Fehler sollte ich bei der Verteidigung mit einem Nachtrunk unbedingt vermeiden?
Der entscheidende Fehler bei einer Nachtrunk-Verteidigung ist, sich auf reine Behauptungen oder formale Einwände zu verlassen. Gerichte werten solche Versuche schnell als Schutzbehauptung ab, wenn überzeugende, substanzielle Beweise fehlen. Stattdessen stützen sie ihre Überzeugungsbildung auf plausible Erfahrungssätze, wodurch der später gemessene Wert oft zum unwiderlegbaren Mindestwert avanciert.
Juristen nennen das eine hochkomplexe Beweiswürdigung. Richtern fällt es schwer, bloßen Aussagen zu glauben, dass erst nach der Fahrt getrunken wurde. Fehlen konkrete, nachprüfbare Fakten für den Nachtrunk, sehen Gerichte den später gemessenen Promillewert als den Mindestwert an, der schon während der Fahrt vorhanden gewesen sein muss. Dieser Ansatz ermöglicht eine Verurteilung, selbst wenn der genaue Zeitpunkt des Alkoholkonsums umstritten ist.
Darüber hinaus dürfen Richter im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung allgemeine Lebenserfahrung und Wahrscheinlichkeitserwägungen, sogenannte Erfahrungssätze, heranziehen. Dies dient dazu, die Glaubwürdigkeit Ihrer Nachtrunk-Behauptung zu prüfen. Allerdings dürfen diese Erfahrungssätze nicht zu unumstößlichen Gesetzen erhoben werden, die Ihren Einzelfall völlig ignorieren.
Ein passender Vergleich ist ein fehlendes Alibi: Niemand würde erwarten, dass eine Richterin ein „Ich war nicht am Tatort“ ohne Zeugen oder Videoaufnahmen akzeptiert. Ähnlich verhält es sich mit dem Nachtrunk: Ohne überzeugende Belege bleibt es eine reine Behauptung.
Konzentrieren Sie sich daher darauf, die spezifischen Gründe des Gerichts für die Ablehnung Ihres Nachtrunks genau zu analysieren. Suchen Sie nicht nach rein formalen Mängeln, wie dem Fehlen eines „exakten Tatzeitwerts“. Stattdessen prüfen Sie akribisch, ob es unabhängige Beweismittel gibt, die den gerichtlichen Feststellungen widersprechen können.
Welche langfristigen Konsequenzen hat eine Verurteilung wegen Trunkenheit am Steuer für meinen Führerschein?
Der vorliegende Artikel konzentriert sich detailliert auf den strafrechtlichen Prozess und die Beweiswürdigung bei einer Trunkenheitsfahrt. Er trifft keine Aussagen zu den spezifischen administrativen Folgen einer Verurteilung für den Führerschein, wie Entzugsdauer oder Wiedererteilungsbedingungen. Die einzige erwähnte Konsequenz ist die Übernahme der Kosten für erfolglose Rechtsmittel durch den Verurteilten.
Dieser Text befasst sich ausschließlich mit den juristischen Feinheiten der Strafverfolgung. Er beleuchtet Aspekte wie die Promilleberechnung zur Tatzeit, die Glaubwürdigkeit einer „Nachtrunk“-Behauptung und die Prüfung formaler Verfahrensfehler. Hier geht es primär um die strafrechtliche Urteilsfindung.
Es fehlen jegliche Informationen zu Sanktionen, die direkt Ihren Führerschein betreffen. Es gibt keine Erwähnung von Entzugsdauer, Sperrfristen für die Wiedererteilung, etwaigen Punkten in Flensburg oder der potenziellen Notwendigkeit einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU). Diese Aspekte fallen unter das Verwaltungsrecht und werden von der Fahrerlaubnisbehörde geregelt.
Betrachten Sie es wie zwei verschiedene Baustellen: Das Strafgericht ist die Baustelle, auf der die Schuldfrage und die unmittelbare Strafe verhandelt werden. Die Fahrerlaubnisbehörde hingegen ist die Baustelle, die über die Nutzung Ihres „Werkzeugs“ – des Führerscheins – entscheidet.
Verlassen Sie sich keinesfalls auf diesen Artikel für spezifische Auskünfte zu Ihrem Führerschein. Suchen Sie umgehend den Rat eines spezialisierten Fachanwalts für Verkehrsrecht. Alternativ erhalten Sie präzise Informationen bei Ihrer zuständigen Fahrerlaubnisbehörde. Diese Stellen klären Ihre individuellen Konsequenzen bezüglich Sperrfrist und einer möglichen MPU-Auflage.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beweiswürdigung
Die Beweiswürdigung ist der zentrale Akt, bei dem ein Richter alle im Prozess gesammelten Informationen und Indizien bewertet, um sich eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu bilden. Das Gesetz erlaubt Richtern, ihre Schlüsse aus Fakten, Lebenserfahrung und Wahrscheinlichkeiten zu ziehen, damit sie zu einem umfassenden und fairen Urteil gelangen können. Dieses Vorgehen sichert eine flexible und dennoch nachvollziehbare Urteilsfindung.
Beispiel: Im vorliegenden Fall beurteilte das Landgericht die Glaubwürdigkeit der Nachtrunk-Aussage kritisch und kam nach sorgfältiger Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass es sich um eine reine Schutzbehauptung handelte.
Einheit der Urteilsgründe
Die Einheit der Urteilsgründe besagt, dass ein Gerichtsurteil als Gesamtheit betrachtet werden muss und nicht einzelne Passagen isoliert aus dem Kontext gerissen werden dürfen. Diese juristische Regel verhindert, dass formalistische Einwände zur Urteilsaufhebung führen, wenn die entscheidenden Fakten und rechtlichen Schlüsse aus dem gesamten Text klar hervorgehen. Richter schaffen damit Rechtssicherheit, indem sie die inhaltliche Stimmigkeit vor rein sprachlichen Formfehlern priorisieren.
Beispiel: Der Anwalt rügte, ein exakter Tatzeitwert fehle, doch das Kammergericht wies dies mit Verweis auf die Einheit der Urteilsgründe zurück, da der Wert von 1,37 Promille als Basis klar ersichtlich war.
Erfahrungssätze
Erfahrungssätze sind allgemeine Regeln des Lebens, die Richter in der Beweiswürdigung heranziehen dürfen, um die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Sachverhalts einzuschätzen. Sie dienen dazu, Lücken in der Beweisführung zu schließen und plausible Schlussfolgerungen zu ziehen, wenn keine direkten Beweise vorliegen, dürfen jedoch niemals den konkreten Einzelfall ignorieren. Das Gericht will mit ihrer Hilfe lebensnahe Entscheidungen treffen.
Beispiel: Die Verteidigung kritisierte, das Gericht habe unzulässige Erfahrungssätze über die Trinkgewohnheiten des Fahrers genutzt, um die Nachtrunk-Behauptung als unglaubwürdig einzustufen.
Nachtrunk
Als Nachtrunk bezeichnen Juristen den Alkoholkonsum, der erst nach einer potenziell strafbaren Fahrt, aber vor der Blutentnahme stattfindet. Diese Behauptung dient dazu, den später gemessenen Blutalkoholwert für die Tatzeit zu entwerten und somit eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr zu verhindern. Das Gesetz fordert präzise Beweise für den Zustand während der Fahrt, nicht danach.
Beispiel: Der Autofahrer versuchte, seine Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt abzuwenden, indem er behauptete, der festgestellte Alkohol stamme von einem umfangreichen Nachtrunk nach dem Abstellen des Motors.
Schutzbehauptung
Eine Schutzbehauptung ist eine unwahre oder unbewiesene Einlassung eines Angeklagten, die einzig dem Zweck dient, sich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu entziehen. Richter müssen die Glaubwürdigkeit jeder Einlassung sorgfältig prüfen, um solche strategischen Aussagen von echten Tatschilderungen zu unterscheiden. Das Gesetz verlangt eine umfassende Beweiswürdigung, bevor eine Aussage als Schutzbehauptung eingestuft wird.
Beispiel: Die Richter des Landgerichts stuften die Geschichte des Fahrers über den angeblichen Nachtrunk nach ausführlicher Beweisaufnahme als eine reine Schutzbehauptung ein, da ihm glaubwürdige Belege fehlten.
Verminderte Schuldfähigkeit
Die verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB liegt vor, wenn die Fähigkeit einer Person, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder danach zu handeln, bei Begehung der Straftat erheblich beeinträchtigt war, typischerweise durch Alkohol oder Drogen. Diese Regelung ermöglicht es Gerichten, die individuelle Verantwortlichkeit des Täters fairer zu beurteilen und die Strafe bei einem sehr hohen Rauschzustand, der die Steuerungsfähigkeit stark einschränkt, zu mildern. Das Gesetz erkennt an, dass extreme Zustände die Entscheidungsfreiheit limitieren können.
Beispiel: Das Landgericht prüfte, ob beim Fahrer eine verminderte Schuldfähigkeit vorlag, und berechnete dafür den theoretisch höchsten Promillewert von 1,93 Promille, kam jedoch zum Schluss, dass die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt waren.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORs 6/25 – 121 SRs 6/25 – Beschluss vom 24.02.2025
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