Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Kann ein Gericht sein eigenes, rechtskräftiges Urteil einfach korrigieren, wenn es einen Fehler bemerkt?
- Was war der entscheidende Fehler, der die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief?
- Warum glaubte die Staatsanwaltschaft, der Fehler sei nur ein simples Versehen?
- Wann darf ein Richterspruch überhaupt nachträglich geändert werden?
- Handelte es sich um ein Versehen bei der Verkündung oder um einen Denkfehler des Gerichts?
- Warum war die Begründung der Staatsanwaltschaft nicht überzeugend?
- Was bedeutet die Entscheidung des Gerichts für die ursprüngliche Einziehungsanordnung?
- Wie lautete also das unumstößliche Urteil über das fehlerhafte Urteil?
- Wichtigste Erkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet der Begriff „Rechtskraft eines Urteils“ und warum ist er so entscheidend für unser Rechtssystem?
- Wann dürfen Gerichte ihre eigenen, bereits verkündeten Urteile nachträglich noch ändern?
- Wie unterscheiden Juristen zwischen einem korrigierbaren „Verkündungsversehen“ und einem nicht-korrigierbaren inhaltlichen Fehler in einem Urteil?
- Was sind die praktischen Konsequenzen, wenn ein Gericht einen eigenen, inhaltlichen Fehler in einem bereits rechtskräftigen Urteil entdeckt?
- Welche Rolle spielt das Prinzip der Rechtssicherheit bei der Unabänderlichkeit gerichtlicher Entscheidungen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 KLs 501 Js 1658/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Nürnberg-Fürth
- Datum: 18. Juni 2025
- Aktenzeichen: 12 KLs 501 Js 1658/21
- Verfahren: Berichtigungsverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht (Regeln zur Berichtigung von Urteilen)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Sie beantragte die Korrektur eines bereits rechtskräftigen Strafurteils.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Gegen eine Person wurden zwei separate Strafverfahren vor demselben Gericht geführt. In der zweiten Verurteilung wurde eine frühere Einziehungsentscheidung versehentlich nicht erneut im Urteil erwähnt.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Darf ein rechtskräftiges Strafurteil nachträglich geändert werden, wenn das Gericht einen Fehler gemacht hat, dieser Fehler aber keine Verlese- oder Schreibfehler war, sondern eine bewusst getroffene (wenn auch rechtlich falsche) Entscheidung?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Der Antrag der Staatsanwaltschaft wurde abgelehnt.
- Zentrale Begründung: Eine Berichtigung eines rechtskräftigen Urteils ist nur bei einem offensichtlichen Schreib- oder Verkündungsfehler zulässig, nicht aber bei einer inhaltlich falschen, aber bewusst getroffenen Gerichtsentscheidung.
- Konsequenzen für die Parteien: Die Staatsanwaltschaft konnte das Urteil nicht korrigieren lassen; die frühere Einziehungsentscheidung bleibt jedoch separat bestehen.
Der Fall vor Gericht
Kann ein Gericht sein eigenes, rechtskräftiges Urteil einfach korrigieren, wenn es einen Fehler bemerkt?
Ein Urteil ist gesprochen, die Akte geschlossen, der Fall entschieden. So stellt man sich das Ende eines Gerichtsverfahrens vor. Doch was geschieht, wenn das Gericht selbst kurz darauf feststellt, dass es in seinem finalen Urteilsspruch einen entscheidenden Fehler gemacht hat? Kann es diesen Lapsus einfach ausbügeln, so wie man einen Tippfehler in einem Dokument korrigiert? Vor genau dieser Frage stand das Landgericht Nürnberg-Fürth in einem Fall, der die unumstößliche Grenze zwischen einem behebbaren Versehen und einem unantastbaren richterlichen Irrtum aufzeigt. Es ist die Geschichte eines Antrags, der eine der fundamentalsten Regeln der Justiz auf die Probe stellte: die Rechtskraft, also die endgültige und bindende Wirkung eines Urteils.
Was war der entscheidende Fehler, der die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief?

Die Vorgeschichte ist so ungewöhnlich wie die Rechtsfrage selbst. Ein Mann wurde von derselben Kammer des Landgerichts in zwei voneinander unabhängigen Verfahren verurteilt.
Im ersten Verfahren, das am 7. Dezember 2022 endete, wurde er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich ordnete das Gericht eine sogenannte Einziehung von Wertersatz an. Das bedeutet, der Staat zieht den Wert der Beute oder des Gewinns ein, den der Verurteilte aus seinen Taten erlangt hat. Dieses Urteil wurde rechtskräftig und damit unanfechtbar.
Etwas mehr als zwei Jahre später, am 26. Februar 2025, stand derselbe Mann erneut vor denselben Richtern. Auch in diesem zweiten Verfahren wurde er schuldig gesprochen. Das Gericht bildete nun, wie vom Gesetz vorgesehen, eine Gesamtfreiheitsstrafe. Es fasste also die neue Strafe mit der alten Strafe aus dem ersten Urteil zu einer einzigen, neuen Strafe zusammen. Auch in diesem zweiten Urteil ordnete es eine Einziehung an. Doch hier geschah der entscheidende Fehler: Das Gericht vergaß, die Einziehungsentscheidung aus dem ersten Urteil in seinem neuen Urteilsspruch zu erwähnen. Es hätte diese entweder ausdrücklich aufrechterhalten oder mit der neuen Einziehung zu einer einheitlichen Entscheidung zusammenfassen müssen. Beides geschah nicht. Der Urteilstenor – das ist der verbindliche Kern eines Urteils, der festlegt, was nun gilt – schwieg sich über die erste Einziehung vollständig aus.
Als auch dieses zweite Urteil rechtskräftig wurde, bemerkte die Staatsanwaltschaft das Problem und stellte am 8. Mai 2025 einen Antrag: Das Gericht möge seinen Urteilsspruch vom Februar 2025 bitte berichtigen und die erste Einziehungsentscheidung nachträglich aufnehmen.
Warum glaubte die Staatsanwaltschaft, der Fehler sei nur ein simples Versehen?
Die Staatsanwaltschaft stützte ihren Antrag auf eine einzige, zentrale Annahme: Es müsse sich um ein sogenanntes Offensichtliches Verkündungsversehen handeln. Dieser juristische Begriff beschreibt einen Fehler, der quasi aus Versehen passiert, während das Urteil verkündet wird. Es ist ein Lapsus, ein Versprecher oder ein Abschreibfehler, der dazu führt, dass das, was im Gerichtssaal gesagt oder im schriftlichen Urteil niedergelegt wird, nicht dem entspricht, was die Richter tatsächlich beschlossen hatten.
Die Argumentation der Anklagebehörde lief darauf hinaus, dass die Kammer die erste Einziehung sicherlich nicht habe unter den Tisch fallen lassen wollen. Es sei doch offensichtlich, dass dies nur vergessen wurde. Ein solches Versehen, so die Logik der Staatsanwaltschaft, sei heilbar. Man könne den Urteilsspruch korrigieren, um den wahren Willen des Gerichts wiederherzustellen, ohne das Urteil inhaltlich zu verändern. Schließlich gehe es nur darum, einen Fehler in der „Verpackung“ zu beheben, nicht am „Inhalt“ selbst zu rütteln.
Wann darf ein Richterspruch überhaupt nachträglich geändert werden?
Das Gericht musste nun seinen eigenen Fehler anhand der strengen Regeln des Gesetzes bewerten. Die entscheidende Hürde ist das Prinzip der Rechtskraft. Ist ein Urteil einmal rechtskräftig, ist es in Stein gemeißelt. Es kann grundsätzlich nicht mehr inhaltlich abgeändert werden, selbst wenn es sachlich falsch ist. Diese Regel sorgt für Rechtssicherheit und verhindert, dass abgeschlossene Fälle immer wieder neu aufgerollt werden.
Eine winzige Ausnahme von diesem ehernen Grundsatz ist die Berichtigung von offensichtlichen Schreib- oder Verkündungsversehen. Ein Gericht darf also einen Fehler korrigieren, wenn er für alle Beteiligten klar auf der Hand liegt und sich zweifelsfrei nachweisen lässt, dass das verkündete Urteil nicht dem Willen des Gerichts entsprach.
Man kann sich den Unterschied wie bei einem Bäcker vorstellen.
Entscheidet der Bäcker, einen Schokoladenkuchen zu backen, und verspricht sich beim Verkauf, indem er ihn „Vanillekuchen“ nennt, liegt ein Verkündungsversehen vor. Er kann den Fehler leicht korrigieren, denn der Kuchen selbst ist ja ein Schokoladenkuchen, genau wie geplant.
Entscheidet der Bäcker aber, einen Schokoladenkuchen zu backen, greift dann aber aus Versehen zum falschen Rezept und bäckt einen Vanillekuchen, so liegt ein sachlicher Fehler vor. Er hat zwar nicht das gebacken, was er ursprünglich wollte, aber das Endprodukt – der Vanillekuchen – ist das exakte Ergebnis seines (fehlerhaften) Backvorgangs. Er kann nicht nachträglich behaupten, es sei ein Schokoladenkuchen.
Genau diese Unterscheidung musste das Gericht nun auf sein eigenes Handeln anwenden.
Handelte es sich um ein Versehen bei der Verkündung oder um einen Denkfehler des Gerichts?
Die Kammer lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft ab. In seiner Begründung legte das Gericht mit bemerkenswerter Offenheit dar, warum es sich nicht um ein korrigierbares Versehen, sondern um einen nicht mehr heilbaren, sachlichen Fehler handelte.
Die Richter stellten klar, dass der in der Hauptverhandlung verlesene Urteilsspruch exakt dem entsprach, was im Protokoll und in der von allen Richtern unterschriebenen Urteilsurkunde stand. Es gab keine Abweichung zwischen dem, was beschlossen, und dem, was verkündet wurde. Der Fehler lag tiefer.
Der Kern des Problems war, so das Gericht, dass die Kammer zum Zeitpunkt der Urteilsfindung und -verkündung die rechtliche Notwendigkeit, die frühere Einziehungsentscheidung einzubeziehen, schlichtweg übersehen hatte. Es war kein Versprecher, sondern ein Denkfehler. Die Kammer hatte in ihrer Beratung entschieden, die erste Einziehung nicht zu erwähnen, weil sie fälschlicherweise annahm, dies sei nicht nötig. Die Unterlassung war also das gewollte, wenn auch rechtlich falsche, Ergebnis ihrer Beratung.
Warum war die Begründung der Staatsanwaltschaft nicht überzeugend?
Das Gericht widerlegte das Argument des „offensichtlichen Verkündungsversehens“ Punkt für Punkt. Ein solches Versehen würde voraussetzen, dass der Wille des Gerichts ein anderer war als seine Verkündung. Hier war es aber genau umgekehrt: Wille und Verkündung stimmten überein. Der Wille selbst war fehlerhaft.
Eine Berichtigung des Urteils würde daher keine reine Formsache sein. Sie käme einer inhaltlichen Änderung gleich, weil sie dem Urteil nachträglich eine Entscheidung hinzufügen würde, die das Gericht zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs bewusst nicht getroffen hatte. Dies aber verbietet das Prinzip der Rechtskraft in aller Strenge. Ein rechtskräftiges Urteil, so falsch es auch sein mag, darf nicht nachträglich inhaltlich „verbessert“ werden.
Die Kammer führte aus, dass eine Korrektur nur dann infrage käme, wenn der Fehler für alle Beteiligten so klar zutage läge, dass jeder Verdacht einer späteren inhaltlichen Manipulation ausgeschlossen wäre. Hier aber war der Fehler nicht offensichtlich; er lag in der juristischen Fehleinschätzung der Richter selbst, einem internen Vorgang, der von außen nicht erkennbar war.
Was bedeutet die Entscheidung des Gerichts für die ursprüngliche Einziehungsanordnung?
Bleibt der Verurteilte nun von der ersten Einziehung verschont? Die Antwort des Gerichts war ein klares Nein. Die Ablehnung des Berichtigungsantrags bedeutet nicht, dass die erste Einziehungsentscheidung aus dem Urteil von 2022 plötzlich unwirksam geworden ist.
Das Gericht stellte fest, dass diese erste Entscheidung ein eigenständiges, rechtskräftiges Urteil ist. Es betraf andere Taten und war auch noch nicht durch Zahlung oder auf andere Weise erledigt. Die Rechtskraft dieses ersten Urteils wird durch den Fehler im zweiten Urteil nicht berührt. Es bleibt bestehen und kann von der Staatsanwaltschaft weiterhin vollstreckt werden. Der Fehler des Gerichts im zweiten Verfahren führte also nicht zum Verlust des staatlichen Anspruchs, sondern lediglich zu einer unschönen und rechtlich unsauberen Situation, in der nun zwei separate Einziehungsentscheidungen nebeneinander existieren, obwohl sie hätten zusammengefasst werden müssen.
Wie lautete also das unumstößliche Urteil über das fehlerhafte Urteil?
Die Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth fällte eine Entscheidung, die die Stärke und Unbeugsamkeit des Rechtsstaatsprinzips unterstreicht, selbst wenn es das Eingeständnis eines eigenen Fehlers bedeutet. Die Kernpunkte der Ablehnung lassen sich so zusammenfassen:
- Kein Verkündungsversehen: Das Gericht hatte nicht versehentlich etwas Falsches verkündet. Es hatte bewusst etwas unterlassen, weil es die Rechtslage in diesem Moment falsch einschätzte.
- Vorrang der Rechtskraft: Ein inhaltlicher Fehler in einem Urteil kann nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr korrigiert werden. Eine nachträgliche „Verbesserung“ wäre eine unzulässige inhaltliche Änderung.
- Fortbestand des ersten Urteils: Die fehlerhafte Behandlung im zweiten Urteil hebt die Gültigkeit der Einziehungsentscheidung aus dem ersten, rechtskräftigen Urteil nicht auf.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft wurde daher abgelehnt. Das fehlerhafte Urteil bleibt fehlerhaft. Es ist ein Denkmal für den Grundsatz, dass die Rechtssicherheit, die durch ein unanfechtbares Urteil entsteht, selbst über dem Wunsch steht, einen richterlichen Irrtum zu korrigieren.
Wichtigste Erkenntnisse
Rechtskraft schützt selbst fehlerhafte Urteile vor nachträglichen inhaltlichen Korrekturen und stellt die Rechtssicherheit über den Wunsch nach materieller Richtigkeit.
- Verkündungsversehen erfordert Abweichung zwischen Richtergewillen und Urteilsspruch: Ein Gericht darf rechtskräftige Urteile nur korrigieren, wenn das Verkündete nicht dem entspricht, was die Richter tatsächlich beschlossen hatten – nicht aber, wenn der Beschluss selbst fehlerhaft war.
- Rechtskraft verhindert inhaltliche Nachbesserungen: Sobald ein Urteil rechtskräftig wird, bleibt es unantastbar, selbst wenn es sachlich falsch ist, da jede nachträgliche „Verbesserung“ eine unzulässige inhaltliche Änderung darstellen würde.
- Fehler in späteren Urteilen berühren frühere Rechtskraft nicht: Wenn ein Gericht in einem neuen Verfahren vergisst, auf ein früheres rechtskräftiges Urteil Bezug zu nehmen, verliert dieses frühere Urteil dadurch nicht seine eigenständige Wirksamkeit.
Rechtssicherheit triumphiert über Perfektion – ein Grundsatz, der selbst dann gilt, wenn Gerichte ihre eigenen Irrtümer eingestehen müssen.
Benötigen Sie Hilfe?
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Das Urteil in der Praxis
Was auf den ersten Blick wie ein kleiner Fall von nebenan wirkt, ist in Wahrheit ein Lehrstück über die unüberwindbaren Grenzen richterlicher Macht und die unerbittliche Logik der Rechtskraft. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat hier mit bemerkenswerter Offenheit einen eigenen „Denkfehler“ eingestanden und damit klar aufgezeigt: Einmal in Stein gemeißelt, sind selbst richterliche Fehlentscheidungen immun gegen nachträgliche Korrektur, wenn sie nicht bloße Abschreibfehler, sondern inhaltliche Irrtümer waren. Dieses Urteil ist ein drastisches Signal an jede Kammer, die Bedeutung akribischer Präzision bei der Urteilsfindung nicht zu unterschätzen. Es beweist eindrücklich, dass die Rechtssicherheit am Ende selbst über dem Wunsch nach Korrektur eines offenkundigen, aber inhaltlichen richterlichen Fehlers steht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet der Begriff „Rechtskraft eines Urteils“ und warum ist er so entscheidend für unser Rechtssystem?
Ein Urteil ist rechtskräftig, wenn es endgültig und unanfechtbar geworden ist und nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln wie Berufung oder Revision angegriffen werden kann. Es ist dann in seiner Wirkung bindend.
Man kann es sich wie bei einem Bäcker vorstellen: Verkauft er einen Schokoladenkuchen aus Versehen als „Vanillekuchen“, kann er das leicht korrigieren – der Kuchen ist ja der geplante. Backt er aber aus Versehen einen Vanillekuchen, kann er nicht nachträglich behaupten, es sei ein Schokoladenkuchen, selbst wenn er das ursprünglich wollte. Das Endprodukt ist, was zählt.
Die Rechtskraft sorgt dafür, dass abgeschlossene Gerichtsverfahren nicht endlos weitergeführt werden und schafft so Rechtssicherheit. Sobald ein Urteil rechtskräftig ist, kann es grundsätzlich nicht mehr inhaltlich abgeändert werden, selbst wenn es sachlich falsch ist. Das Gericht selbst kann die Entscheidung dann nicht mehr einfach ändern.
Eine nachträgliche Änderung ist nur bei winzigen Ausnahmen erlaubt, etwa bei offensichtlichen Schreib- oder Verkündungsversehen. Dabei muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Verkündete nicht dem tatsächlichen Willen des Gerichts entsprach und der Fehler für alle Beteiligten klar auf der Hand lag.
Diese fundamentale Regel gewährleistet somit den Rechtsfrieden in unserem Rechtssystem.
Wann dürfen Gerichte ihre eigenen, bereits verkündeten Urteile nachträglich noch ändern?
Gerichte dürfen ihre bereits verkündeten Urteile grundsätzlich nicht mehr inhaltlich ändern, sobald diese rechtskräftig sind. Eine nachträgliche Korrektur ist nur in sehr engen Ausnahmefällen möglich, wenn es sich um offensichtliche Formfehler handelt.
Stellen Sie sich einen Bäcker vor, der einen Schokoladenkuchen backt. Wenn er sich beim Verkauf verspricht und ihn „Vanillekuchen“ nennt, ist das ein Verkündungsversehen – der Kuchen selbst ist ja Schokolade. Er kann den Fehler leicht korrigieren. Backt er aber aus Versehen einen Vanillekuchen, obwohl er einen Schokoladenkuchen wollte, dann ist das ein inhaltlicher Fehler, der nicht nachträglich zum Schokoladenkuchen gemacht werden kann.
Diese Regelung bedeutet, dass ein Gericht lediglich offensichtliche Schreib-, Rechen- oder ähnliche Irrtümer sowie klare Verkündungsversehen berichtigen darf. Ein Verkündungsversehen liegt vor, wenn das verkündete Urteil nicht dem entsprach, was die Richter tatsächlich beschlossen hatten, also eine Abweichung zwischen Wille und Verkündung bestand. Es handelt sich hierbei immer um reine Formfehler.
Keinesfalls ist es einem Gericht erlaubt, nachträglich inhaltliche Fehler oder falsche Rechtsansichten zu beheben. Der Wille des Gerichts zum Zeitpunkt der Urteilsfindung ist maßgeblich. Liegt der Fehler in einer juristischen Fehleinschätzung oder einem „Denkfehler“ des Gerichts, ist eine Korrektur ausgeschlossen, da dies einer unzulässigen inhaltlichen Änderung gleichkäme.
Diese strenge Begrenzung schützt das grundlegende Prinzip der Rechtskraft und sorgt für Rechtssicherheit, indem sie verhindert, dass abgeschlossene Fälle immer wieder inhaltlich neu aufgerollt werden.
Wie unterscheiden Juristen zwischen einem korrigierbaren „Verkündungsversehen“ und einem nicht-korrigierbaren inhaltlichen Fehler in einem Urteil?
Juristen unterscheiden zwischen einem korrigierbaren „Verkündungsversehen“ und einem nicht-korrigierbaren inhaltlichen Fehler in einem Urteil danach, ob der Fehler im Ausdruck des Gerichts liegt oder im gerichtlichen Willen selbst. Ein Verkündungsversehen ist ein Fehler in der Formulierung; ein inhaltlicher Fehler bedeutet, dass die gerichtliche Entscheidung selbst falsch war.
Man kann es sich wie bei einem Bäcker vorstellen: Ein Verkündungsversehen liegt vor, wenn der Bäcker einen Schokoladenkuchen backt, ihn aber versehentlich als „Vanillekuchen“ verkauft – der wahre Kuchen ist wie geplant. Ein inhaltlicher Fehler ist es, wenn der Bäcker eigentlich einen Schokoladenkuchen wollte, aber durch die Wahl des falschen Rezepts einen Vanillekuchen backt, dessen Endprodukt dem fehlerhaften Backvorgang entspricht.
Ein Verkündungsversehen liegt vor, wenn das Gericht eine Entscheidung getroffen hat, diese aber unabsichtlich falsch formuliert oder verkündet wurde, etwa durch einen Abschreibfehler oder Versprecher. Der wahre Wille des Gerichts ist hier klar erkennbar, die Verkündung stimmt nicht mit dem ursprünglich Beschlossenen überein.
Dagegen ist ein inhaltlicher Fehler gegeben, wenn das Gericht eine Entscheidung trifft, die sich später als rechtlich unrichtig herausstellt, weil es etwa eine Rechtslage falsch beurteilt oder einen Sachverhalt übersehen hat. Hier stimmt die Verkündung mit dem tatsächlichen Willen des Gerichts überein, doch dieser Wille selbst war fehlerhaft oder basierte auf einem Irrtum.
Nur offensichtliche Verkündungsversehen können nachträglich berichtigt werden; inhaltliche Fehler hingegen sind nach Eintritt der Rechtskraft eines Urteils grundsätzlich nicht mehr änderbar. Diese strenge Unterscheidung sorgt für Rechtssicherheit und verhindert, dass abgeschlossene Fälle immer wieder neu aufgerollt werden.
Was sind die praktischen Konsequenzen, wenn ein Gericht einen eigenen, inhaltlichen Fehler in einem bereits rechtskräftigen Urteil entdeckt?
Entdeckt ein Gericht einen inhaltlichen Fehler in einem bereits rechtskräftigen Urteil, kann es diesen grundsätzlich nicht mehr selbst korrigieren. Das Urteil bleibt, trotz des Fehlers, unverändert und bindend.
Man kann sich das wie bei einem Bäcker vorstellen: Hat er sich vorgenommen, einen Schokoladenkuchen zu backen, aber aus Versehen das Rezept für Vanillekuchen verwendet und diesen auch gebacken, kann er den Vanillekuchen im Nachhinein nicht einfach in einen Schokoladenkuchen umwandeln. Das Endprodukt ist ein Vanillekuchen, auch wenn es nicht seine ursprüngliche Absicht war.
Der Grund dafür ist das Prinzip der Rechtskraft. Sobald ein Urteil rechtskräftig wird, ist es „in Stein gemeißelt“. Es sorgt für die endgültige und bindende Wirkung einer Gerichtsentscheidung. Selbst wenn der Fehler inhaltlich ist und das Gericht ihn bemerkt, verbietet die Rechtskraft eine nachträgliche inhaltliche Änderung oder „Verbesserung“ durch das Gericht selbst.
Für die betroffenen Parteien bedeutet dies, dass sie mit der Entscheidung, so fehlerhaft sie auch sein mag, leben müssen. Frühere, korrekte Entscheidungen bleiben davon unberührt und behalten ihre Gültigkeit, selbst wenn dies zu einer rechtlich „unschönen“ Situation führt, in der mehrere Entscheidungen nebeneinander bestehen. Dieses Prinzip schützt die Rechtssicherheit und gewährleistet, dass abgeschlossene Fälle nicht unendlich wieder aufgerollt werden können.
Welche Rolle spielt das Prinzip der Rechtssicherheit bei der Unabänderlichkeit gerichtlicher Entscheidungen?
Das Prinzip der Rechtssicherheit ist entscheidend für die Unabänderlichkeit gerichtlicher Entscheidungen, da es das Vertrauen in die Stabilität und Endgültigkeit des Rechts wahrt. Es sorgt dafür, dass abgeschlossene Gerichtsverfahren nicht immer wieder neu aufgerollt werden können.
Man kann sich dies wie bei einem Fußballspiel vorstellen: Wenn der Schiedsrichter ein Spiel abpfeift und das Ergebnis verkündet ist, bleibt es gültig – selbst wenn sich später herausstellt, dass eine Entscheidung fehlerhaft war. Das Spiel ist beendet, und das Ergebnis steht fest, um Klarheit und Verlässlichkeit zu gewährleisten.
Die Rechtskraft eines Urteils ist das zentrale Instrument, das dieses Prinzip umsetzt. Sobald ein Urteil rechtskräftig wird, ist es „in Stein gemeißelt“ und kann grundsätzlich nicht mehr inhaltlich abgeändert werden, auch wenn es sachlich falsch sein sollte. Diese strenge Regel schafft Klarheit und beendet Rechtsstreitigkeiten endgültig.
Das Recht trifft hier bewusst eine Abwägung: Die Gewährleistung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens wird höher bewertet als die Möglichkeit, jeden denkbaren Fehler im Nachhinein zu korrigieren. Selbst ein fehlerhaftes, aber rechtskräftiges Urteil schafft somit zumindest endgültige Gewissheit. Langfristig dient diese Herangehensweise der Stabilität und dem Vertrauen in das gesamte Rechtssystem, auch wenn es im Einzelfall hart erscheinen mag.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Einziehung von Wertersatz
Bei einer Einziehung von Wertersatz zieht der Staat den Wert der Beute oder des Gewinns ein, den ein Verurteilter aus seinen Straftaten erlangt hat. Diese Maßnahme soll verhindern, dass Täter von ihren Verbrechen finanziell profitieren. Das Gericht kann anordnen, dass der Verurteilte einen Geldbetrag zahlen muss, der dem Wert des unrechtmäßig Erlangten entspricht.
Beispiel: Im ersten Verfahren von 2022 ordnete das Gericht gegen den Angeklagten eine solche Einziehung an. Als derselbe Mann 2025 erneut verurteilt wurde, hätte diese erste Einziehungsentscheidung im neuen Urteil erwähnt werden müssen – was das Gericht jedoch vergaß.
Gesamtfreiheitsstrafe
Eine Gesamtfreiheitsstrafe entsteht, wenn ein Gericht mehrere Einzelstrafen zu einer einzigen, neuen Gesamtstrafe zusammenfasst. Dies geschieht, wenn jemand für verschiedene Straftaten verurteilt wird oder wenn zu einer bereits bestehenden Strafe eine neue hinzukommt. Die Gesamtstrafe ist dabei nicht einfach die Addition der Einzelstrafen, sondern wird nach besonderen Regeln gebildet.
Beispiel: Als der Mann im Februar 2025 erneut verurteilt wurde, bildete das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe, die seine neue Strafe mit der alten Strafe aus dem Urteil von 2022 zu einer einzigen Strafe zusammenfasste.
Offensichtliches Verkündungsversehen
Ein offensichtliches Verkündungsversehen liegt vor, wenn das Gericht bei der Urteilsverkündung versehentlich etwas anderes sagt oder schreibt, als es tatsächlich beschlossen hatte. Es ist ein reiner Formfehler – wie ein Versprecher oder Schreibfehler – bei dem der wahre Wille des Gerichts klar erkennbar ist. Nur solche eindeutigen Versehen dürfen nachträglich korrigiert werden, ohne die Rechtskraft des Urteils zu verletzen.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft behauptete, das Vergessen der ersten Einziehungsentscheidung sei ein solches Verkündungsversehen gewesen. Das Gericht widersprach jedoch und stellte fest, dass es sich um einen bewussten Denkfehler handelte, nicht um ein Versehen bei der Verkündung.
Rechtskraft
Die Rechtskraft bedeutet, dass ein Urteil endgültig und unanfechtbar geworden ist und nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Sie sorgt dafür, dass Gerichtsverfahren zu einem definitiven Ende kommen und schafft Rechtssicherheit. Ein rechtskräftiges Urteil kann grundsätzlich nicht mehr inhaltlich verändert werden, selbst wenn es Fehler enthält.
Beispiel: Beide Urteile gegen den Mann – das von 2022 und das von 2025 – waren bereits rechtskräftig geworden, als die Staatsanwaltschaft den Berichtigungsantrag stellte. Deshalb konnte das Gericht sein eigenes fehlerhaftes Urteil nicht mehr einfach korrigieren.
Urteilstenor
Der Urteilstenor ist der verbindliche Kern eines Urteils, der klar und eindeutig festlegt, was nun rechtlich gilt. Er enthält die konkreten Entscheidungen des Gerichts, wie die Höhe der Strafe oder Anordnungen zur Einziehung. Nur was im Tenor steht, ist rechtlich bindend und vollstreckbar – die Begründung erklärt zwar das Warum, aber entscheidet nicht über das Was.
Beispiel: Im Urteil vom Februar 2025 schwieg sich der Urteilstenor über die erste Einziehungsentscheidung vollständig aus. Dadurch entstand der rechtliche Fehler, weil die vorherige Einziehung weder ausdrücklich aufrechterhalten noch mit der neuen zusammengefasst wurde.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Rechtskraft von Urteilen (Allgemeines Rechtsprinzip)
Ein rechtskräftiges Urteil ist endgültig und bindend, sodass der Fall nicht erneut aufgerollt oder sein Inhalt nachträglich geändert werden kann.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieses Prinzip war die zentrale Hürde für die Staatsanwaltschaft, da das zweite Urteil bereits rechtskräftig war und das Gericht es daher nicht mehr inhaltlich ändern durfte, selbst wenn es einen Fehler enthielt.
Berichtigung von offensichtlichen Verkündungsversehen (Allgemeines Rechtsprinzip)
Ein Gericht darf ein Urteil nur dann nachträglich korrigieren, wenn ein offensichtlicher Fehler vorliegt, bei dem das Verkündete nicht dem tatsächlich Gewollten entsprach.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Berichtigung des Urteils, weil sie davon ausging, dass das Vergessen der ersten Einziehung ein solches korrigierbares Versehen war; das Gericht lehnte dies jedoch ab, da es sich um einen Denkfehler und nicht um einen Verkündungsfehler handelte.
Selbstständigkeit von rechtskräftigen Urteilen (Allgemeines Rechtsprinzip)
Jedes rechtskräftige Urteil behält seine Gültigkeit und kann nicht durch Fehler oder Unterlassungen in einem späteren, anderen Urteil aufgehoben oder unwirksam werden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die erste Einziehungsentscheidung im zweiten Urteil vergessen wurde, stellte das Gericht klar, dass sie weiterhin Bestand hat und vollstreckbar ist, weil das erste Urteil ein eigenständiger, rechtskräftiger Beschluss ist.
Das vorliegende Urteil
LG Nürnberg-Fürth – Az.:12 KLs 501 Js 1658/21 – Beschluss vom 18.06.2025
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Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.