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Anrechnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf erteiltes Fahrverbot

Das Landgericht Mannheim hat entschieden, dass die Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf ein später verhängtes Fahrverbot anzurechnen ist, unabhängig davon, ob der Führerschein in amtlicher Verwahrung war. Maßgeblich für die Anrechnung ist die Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung, da der Betroffene ab diesem Zeitpunkt bereits die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs verliert. Diese Entscheidung stellt sicher, dass der gesamte Zeitraum der Einschränkung berücksichtigt wird und schafft Klarheit für zukünftige Fälle.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Qs 27/23

✔ Kurz und knapp


  • Die Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 111a StPO ist auf ein später verhängtes Fahrverbot nach § 44 StGB anzurechnen (§ 51 Abs. 5 und 1 StGB).
  • Die Anrechnung erfolgt ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung, unabhängig davon, ob der Führerschein tatsächlich eingezogen wurde.
  • Der Betroffene „erleidet“ die Wirkungen der vorläufigen Maßnahme bereits mit deren Bekanntgabe, da er ab diesem Zeitpunkt kein Fahrzeug mehr führen darf.
  • Das Fahrverbot gilt im Umfang der Dauer der vorläufigen Entziehung als vollstreckt, unabhängig von der tatsächlichen amtlichen Verwahrung des Führerscheins.
  • Die bloße Nichtabgabe des Führerscheins steht der Anrechnung nicht entgegen, solange keine Verstöße gegen das Fahrverbot vorlagen.
  • Die Anrechnung ist Pflicht und keine Ermessensentscheidung des Gerichts oder der Vollstreckungsbehörde.

Vorläufiger Führerscheinentzug wird auf Fahrverbot angerechnet

Wenn ein Gericht einem Kraftfahrer die Fahrerlaubnis entzieht, kann dies weitreichende Folgen haben. Nicht nur den vorübergehenden Verlust der Mobilität, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen wie ein Fahrverbot. Entscheidend ist in solchen Fällen, wie die verschiedenen Maßnahmen zueinander in Beziehung stehen und ob eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf ein später verhängtes Fahrverbot angerechnet werden kann.

Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten und hängt von den Details des Einzelfalls ab. Grundsätzlich soll eine solche Anrechnung aber sicherstellen, dass der Betroffene nicht doppelt bestraft wird. Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall beleuchtet, in dem es um diese Thematik ging.

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✔ Der Fall vor dem LG Mannheim


Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung und erteiltes Fahrverbot

In diesem Fall geht es um die Anrechnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf ein erteiltes Fahrverbot. Der Verurteilte wurde vom Amtsgericht Mannheim wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt und seine Fahrerlaubnis wurde entzogen. Der Beschluss über die vorläufige Entziehung wurde am 03.08.2022 erlassen und am 05.08.2022 zugestellt. Das endgültige Urteil wurde am 06.10.2022 gefällt, welches ein sechsmonatiges Fahrverbot beinhaltete. Der Verurteilte gab seinen Führerschein jedoch erst am 24.01.2023 zur Vollstreckung ab.

Im Verlauf dieser rechtlichen Auseinandersetzung stellte sich die Frage, ob die Dauer der vorläufigen Entziehung auf das verhängte Fahrverbot angerechnet werden könne. Die Staatsanwaltschaft Mannheim argumentierte, dass eine Anrechnung nur möglich sei, wenn der Führerschein bereits vor Rechtskraft des Urteils in amtlicher Verwahrung gewesen wäre. Der Verurteilte und sein Verteidiger hingegen waren der Ansicht, dass die Anrechnung auch ohne amtliche Verwahrung ab Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung erfolgen müsse.

Gerichtliche Entscheidung über die Anrechnung

Das Amtsgericht Mannheim entschied am 12.05.2023, dass die Dauer der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung ab Zustellung des Beschlusses anzurechnen sei. Diese Entscheidung wurde von der Staatsanwaltschaft Mannheim angefochten, doch das Landgericht Mannheim wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

Das Gericht führte aus, dass gemäß § 51 Abs. 5 StGB die Dauer einer vorläufigen Maßnahme auf das Fahrverbot anzurechnen sei, unabhängig davon, ob der Führerschein in amtlicher Verwahrung gewesen sei. Die Entscheidung stützte sich auf den Gesetzeswortlaut und die Auffassung, dass der Betroffene mit Zustellung des Beschlusses bereits die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs verliere und somit die Maßnahme „erlitten“ habe.

Abwägung der wesentlichen Aspekte

Für das Gericht war entscheidend, dass der Verurteilte bereits mit Zustellung des Beschlusses keine Fahrzeuge mehr führen durfte und somit die Sanktion bereits wirksam war. Diese Sichtweise wurde durch die Regelung des § 450 Abs. 3 StPO unterstützt, die eine zwingende Anrechnung vorsieht, wenn der Führerschein bereits vor einer rechtskräftigen Verurteilung in amtlicher Verwahrung ist. Der Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, im Rahmen des § 51 Abs. 5 StGB zusätzlich die amtliche Verwahrung des Führerscheins zu verlangen.

Konsequenzen der Entscheidung

Durch diese Entscheidung wird klargestellt, dass die Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf ein später verhängtes Fahrverbot anzurechnen ist, unabhängig von der amtlichen Verwahrung des Führerscheins. Diese Interpretation stellt sicher, dass der Zeitraum der Einschränkung des Betroffenen vollständig berücksichtigt wird. Es wird deutlich gemacht, dass bereits die Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung ausreichend ist, um die Anrechnung zu rechtfertigen.

Dies bedeutet, dass der Verurteilte in diesem Fall das Fahrverbot um die Dauer der vorläufigen Entziehung verkürzt anrechnen lassen kann. Das Fahrverbot, das formal am 24.01.2023 begann, endet somit unter Berücksichtigung der vorläufigen Maßnahme früher als ursprünglich festgelegt. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Durchsetzung solcher Maßnahmen und bietet Klarheit für zukünftige Fälle ähnlicher Art.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung des Landgerichts Mannheim stellt klar, dass die Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 51 Abs. 5 StGB auf ein späteres Fahrverbot anzurechnen ist, unabhängig von der amtlichen Verwahrung des Führerscheins. Maßgeblich für den Beginn der Anrechnung ist die Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung, da ab diesem Zeitpunkt die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs entfällt. Dieses Urteil schafft Rechtssicherheit und gewährleistet die vollständige Berücksichtigung des Zeitraums der Einschränkung für den Betroffenen.

✔ FAQ – Häufige Fragen:

Anrechnung vorläufiger Fahrerlaubnisentziehung


Was bedeutet eine vorläufige Fahrerlaubnisentziehung?

Eine vorläufige Fahrerlaubnisentziehung ist eine Maßnahme, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder eines Strafverfahrens angeordnet werden kann, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Diese Regelung findet sich in § 111a der Strafprozessordnung (StPO). Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bedeutet, dass der Betroffene sein Recht, ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, vorübergehend verliert. Die Maßnahme dient dazu, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, indem Personen, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, vom Straßenverkehr ferngehalten werden.

Die Dauer der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung ist abhängig von der Dauer des zugrunde liegenden Verfahrens. Sie endet entweder mit der Aufhebung der Maßnahme, wenn ihr Grund weggefallen ist, oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Sollte es im weiteren Verlauf des Verfahrens zu einem endgültigen Entzug der Fahrerlaubnis kommen, kann die Zeit der vorläufigen Entziehung auf die Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis angerechnet werden.

Ein wichtiger Aspekt der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung ist ihre Anrechnung auf ein erteiltes Fahrverbot. Gemäß § 25 Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) kann die Zeit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf die Dauer eines Fahrverbots angerechnet werden. Dies bedeutet, dass wenn ein Fahrverbot als Sanktion verhängt wird, die Zeit, in der der Betroffene bereits aufgrund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht am Straßenverkehr teilnehmen durfte, auf die Dauer des Fahrverbots angerechnet wird. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und das Fahrverbot ähnliche Ziele verfolgen, nämlich die Sicherheit des Straßenverkehrs durch die temporäre Entfernung ungeeigneter Fahrer zu erhöhen.

Die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung hat somit erhebliche Auswirkungen auf die Mobilität der betroffenen Person. Sie stellt eine vorbeugende Maßnahme dar, die darauf abzielt, die Allgemeinheit vor potenziellen Gefahren zu schützen, die von Personen ausgehen könnten, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage steht.


Wann beginnt die Anrechnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf ein Fahrverbot?

Die Anrechnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf ein Fahrverbot beginnt mit der Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Dies bedeutet, dass die Zeit, in der der Führerschein aufgrund der vorläufigen Entziehung nicht genutzt werden darf, auf die Dauer eines später verhängten Fahrverbots angerechnet wird. Diese Regelung findet sich in § 69a Abs. 4 StGB, der besagt, dass sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit verkürzt, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Dabei ist es unerheblich, ob der Führerschein tatsächlich in amtlicher Verwahrung ist oder nicht. Entscheidend ist der Zeitpunkt, ab dem die vorläufige Entziehung wirksam wird, also ab der Zustellung des entsprechenden Beschlusses.


Muss der Führerschein in amtlicher Verwahrung sein, damit die Anrechnung erfolgt?

Die Frage, ob der Führerschein in amtlicher Verwahrung sein muss, damit die Anrechnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf ein erteiltes Fahrverbot erfolgt, lässt sich klar beantworten: Die amtliche Verwahrung des Führerscheins ist keine Voraussetzung für die Anrechnung. Entscheidend für den Beginn der Anrechnung ist die Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Fahrerlaubnis als entzogen, unabhängig davon, ob der Führerschein physisch in amtlicher Verwahrung ist oder nicht.

Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis eine rechtliche Maßnahme ist, die darauf abzielt, die Teilnahme des Betroffenen am Straßenverkehr zu unterbinden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Die physische Verwahrung des Führerscheins dient zwar als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, um die Durchsetzung der Entziehung zu unterstützen, ist aber nicht der ausschlaggebende Faktor für die rechtlichen Konsequenzen, die mit der vorläufigen Entziehung einhergehen.

Somit ist für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf ein später erteiltes Fahrverbot ausschließlich der Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung maßgeblich. Diese Regelung stellt sicher, dass die Zeit, in der der Betroffene bereits durch die vorläufige Maßnahme am Führen von Fahrzeugen gehindert wurde, auf das Fahrverbot angerechnet wird, um eine Doppelbestrafung zu vermeiden und die Gesamtdauer der Fahrverbotsmaßnahme angemessen zu gestalten.


Wie wirkt sich die Anrechnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf die Dauer eines Fahrverbots aus?

Die Anrechnung einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf die Dauer eines Fahrverbots hat zur Folge, dass die Zeit, in der die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen war, auf die Dauer des später verhängten Fahrverbots angerechnet wird. Dies bedeutet, dass die tatsächliche Dauer des Fahrverbots entsprechend verkürzt wird. Diese Regelung ist in § 25 Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) verankert.

Entscheidend für die Anrechnung ist der Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Fahrerlaubnis als entzogen, unabhängig davon, ob der Führerschein physisch in amtlicher Verwahrung ist oder nicht. Die Anrechnung erfolgt somit ab dem Zeitpunkt, an dem die vorläufige Entziehung wirksam wird.

Die praktische Konsequenz dieser Regelung ist, dass die Zeit, in der der Betroffene bereits durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis am Führen von Fahrzeugen gehindert war, auf die Dauer des Fahrverbots angerechnet wird. Dies verhindert eine Doppelbestrafung und stellt sicher, dass die Gesamtdauer der Fahrverbotsmaßnahme angemessen bleibt. Beispielsweise, wenn ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt wird und der Betroffene bereits zwei Monate aufgrund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht fahren durfte, reduziert sich die verbleibende Dauer des Fahrverbots auf einen Monat.

Diese Anrechnung ist von Amts wegen vorzunehmen und bedarf keiner ausdrücklichen Anordnung im Urteil. Eine Versagung der Anrechnung muss hingegen ausdrücklich angeordnet und begründet werden. Die Anrechnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das Fahrverbot ist somit eine wichtige Regelung, die die Rechte der Betroffenen schützt und eine faire Behandlung sicherstellt.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 44 StGB (Fahrverbot): Dieses Gesetz regelt das Fahrverbot als Nebenstrafe. Im vorliegenden Fall wurde dem Verurteilten ein Fahrverbot für die Dauer von sechs Monaten auferlegt.
  • § 51 Abs. 1 und 5 StGB (Anrechnung der Haft): Diese Paragraphen regeln die Anrechnung von Untersuchungshaft und anderen Maßnahmen auf die Strafe. Im Fall wurde die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf das Fahrverbot angerechnet.
  • § 111a StPO (Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis): Dieser Paragraph erlaubt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei dringendem Tatverdacht. Der Verurteilte hatte seine Fahrerlaubnis vorläufig entzogen bekommen, bis das endgültige Urteil gefällt wurde.
  • § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis): Diese Bestimmung macht das Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis strafbar. Der Verurteilte hätte sich strafbar gemacht, wenn er trotz des vorläufigen Entzugs ein Fahrzeug geführt hätte.
  • § 458 StPO (Beschwerderecht der Vollstreckungsbehörde): Diese Vorschrift regelt das Beschwerderecht der Vollstreckungsbehörde bei gerichtlichen Entscheidungen. Die Staatsanwaltschaft Mannheim legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein.
  • § 59a Abs. 5 Satz 2 StVollstrO (Vollstreckung des Fahrverbots): Dieser Paragraph bestimmt den Beginn der Verbotsfrist mit Eingang des Führerscheins bei der Vollstreckungsbehörde. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass das Fahrverbot erst ab Eingang des Führerscheins beginnt.
  • § 450 Abs. 3 StPO (Anrechnung bei Verwahrung des Führerscheins): Diese Vorschrift regelt die Anrechnung bei amtlicher Verwahrung des Führerscheins vor einer rechtskräftigen Verurteilung. Hierauf stützte sich die Argumentation zur Anrechnung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Mannheim

LG Mannheim – Az.: 4 Qs 27/23 – Beschluss vom 06.07.2023

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 12.05.2023, Az. 29 Cs 308 Js 11771/22, wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Der Verurteilte wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 14.06.2022 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Az. 29 Cs 308 Js 11771/22) zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 90 € verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wurde eingezogen und die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, ihm für die Dauer von zehn Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen diesen Strafbefehl hat der Verurteilte durch Schriftsatz seines Verteidigers form- und fristgerecht Einspruch eingelegt, welchen er sodann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Mit Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 03.08.2022, dem Verurteilten zugestellt am 05.08.2022, wurde dem Verurteilten vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen. Mit Urteil vom 06.10.2022, rechtskräftig seit 14.10.2022, verurteilte ihn das Amtsgericht Mannheim sodann zu 80 Tagessätzen zu je 45 € Geldstrafe. Dem Verurteilten wurde zudem für die Dauer von sechs Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Im Anschluss an die mündliche Urteilsverkündung wurde durch das Amtsgericht Mannheim der Beschluss über die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung aufgehoben.

Mit Verfügung vom 24.11.2022 forderte die Staatsanwaltschaft Mannheim den Verurteilten zur Ablieferung seines Führerscheins auf und klärte ihn darüber auf, dass das Fahrverbot mit Ablieferung des Führerscheins, spätestens einen Monat nach Rechtskraft der Entscheidung, also am 14.11.2022, beginne. Der Verurteilte sandte daraufhin mit Antwortschreiben vom 11.01.2023, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Mannheim am 24.01.2023, seinen Führerschein zur Vollstreckung des Fahrverbots zu. Mit Verfügung vom 24.01.2023 teilte die Staatsanwaltschaft Mannheim dem Verurteilten mit, dass das verhängte Fahrverbot am 23.07.2023 enden würde.

Auf die per Fax an die Staatsanwaltschaft Mannheim gerichtete Anfrage des Verurteilten durch dessen Verteidiger vom 24.04.2023, wann ihm sein Führerschein übersandt werde und dass die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis anzurechnen sei, teilte ihm diese mit Verfügung vom selben Tag mit, dass der Tag der Abgabe des Führerscheins, also der 24.02.2023, zähle und eine teilweise Anrechnung nach § 51 Abs. 5 StGB nur in Betracht gekommen wäre, wenn der Verurteilte den Führerschein vor Rechtskraft abgegeben hätte. Hierauf teilte der Verurteilte durch Schreiben seines Verteidigers vom selben Tag der Staatsanwaltschaft Mannheim mit, dass nach § 51 Abs. 5 StGB eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis oder eine sonstige das Führen von Fahrzeugen verhindernde Maßnahme in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 StGB auf das Fahrverbot nach § 44 StGB anzurechnen sei. Angerechnet werde die gesamte Zeit ab Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung bis zur Rechtskraft des Urteils. Ein Fahrverbot gelte im Umfang der Dauer einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung als vollstreckt.

Hierauf teilte die Staatsanwaltschaft Mannheim dem Verurteilten mit Verfügung vom selben Tag mit, dass es nach dortiger Auffassung im Fall der Anrechnung nach § 51 Abs. 5 StGB auf die tatsächliche behördliche Verwahrung ankomme. Es gehe vorliegend nicht um die Wirksamkeit der vorläufigen Führerscheinmaßnahme, sondern nach der Grundidee des in § 51 Abs. 5 Satz 1 StGB in Bezug genommenen Absatzes 1 Satz 1 dieser Vorschrift maßgeblich darum, ob die anrechenbare vorläufige Maßnahme vom Betroffenen „erlitten“ worden sei und bei diesem spezialpräventiv wirksam habe werden können. Dies sei nicht der Fall gewesen. Mit Schreiben seines Verteidigers vom 25.04.2023 erwiderte der Verurteilte, dass auf das Fahrverbot die Zeit ab Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung, auch wenn der Führerschein nicht abgegeben worden sei, anzurechnen sei. Mit Verfügung vom 26.04.2023 teilte die Staatsanwaltschaft dem Verurteilten mit, dass an der rechtlichen Einschätzung weiterhin festgehalten werde.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 05.05.2023, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Mannheim am 07.05.2023, legte der Verurteilte „Beschwerde“ gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft bezüglich der Anrechnung nach § 51 Abs. 5 StGB ein. Zur Begründung dieser als Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 458 Abs. 1 StPO) auszulegenden Beschwerde führte er entsprechend seiner vorherigen Schriftsätze aus.

Mit Verfügung vom 10.05.2023 legte die Staatsanwaltschaft Mannheim die Akte dem Amtsgericht Mannheim zur Entscheidung vor und führte aus, dass es auf die tatsächliche behördliche Verwahrung ankomme. Vorliegend sei das Problem zu berücksichtigen, dass eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochen worden sei, der Führerschein aber nicht vorläufig beschlagnahmt oder sichergestellt beziehungsweise in amtliche Verwahrung gelangt sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 59 Abs. 5 Satz 2 StVollstrO beginne die Verbotsfrist mit Eingang des Führerscheins bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde.

Das Amtsgericht Mannheim hat mit Beschluss vom 12.05.2023, zur Zustellung eingegangen gem. § 41 StPO bei der Staatsanwaltschaft Mannheim am 23.05.2023, angeordnet, dass die gem. § 51 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 StGB anrechenbare Dauer der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung gem. § 111a StPO mit Zustellung des Beschlusses des Amtsgerichts Mannheim vom 03.08.2022 am 05.08.2022 beginne.

Mit Verfügung vom 24.05.2023, eingegangen beim Amtsgericht Mannheim am 26.05.2023, legte die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde ein und verwies zur Begründung auf den Antrag vom 10.05.2023. Mit Verfügung vom 28.06.2023 legte das Amtsgericht Mannheim die Akten dem Landgericht Mannheim, dort eingegangen am 03.07.2023, zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vor.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, insbesondere ist sie gem. §§ 458, 462 Abs. 1 und 3 StPO statthaft und fristgerecht erhoben. Die Vollstreckungsbehörde hat im Fall des § 458 StPO auch selbst ein Beschwerderecht. In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg, denn die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO ist auf das gem. § 44 StGB erteilte Fahrverbot beginnend mit der Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung anzurechnen, § 51 Abs. 5 und 1 StGB.

Gem. § 51 Abs. 5 Satz 1 StGB ist auf das Fahrverbot in entsprechender Anwendung des Abs. 1 dieser Vorschrift die Dauer des vorangegangenen vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs auf das Fahrverbot anzurechnen. Dabei gilt nach Auffassung der Kammer – übereinstimmend mit dem Gesetzeswortlaut aus § 51 Abs. 5 Satz 2 StGB und dem Amtsgericht Mannheim – ein Fahrverbot auch dann, wenn sich der Führerschein nicht in amtlicher Verwahrung befunden hat, im Umfang der Dauer der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung, beginnend mit der Bekanntmachung – also Zustellung – der Entscheidung, als vollstreckt.

Hierfür spricht bereits die Regelung des § 450 Abs. 3 StPO, wonach die Anrechnung dann zwingend (und nicht wie gem. § 51 Abs. 5 StGB in der Regel anzuordnen) ist, wenn ein nach §§ 94, 111a StPO in amtlicher Verwahrung befindlicher Führerschein bei noch nicht rechtskräftiger Verurteilung nach § 44 StGB aufgrund von § 111a Abs. 5 Satz 2 StPO weiter einbehalten wird. Der Gesetzgeber hat somit ausdrücklich (nur) für diesen Fall bewusst darauf abgestellt, dass eine Anrechnung dann zwingend ist, wenn im Fall des § 111a Abs. 5 StPO der Führerschein bereits amtlich verwahrt ist. Im Rahmen des § 51 Abs. 5 StGB hat der Gesetzgeber auf die (zusätzliche) Voraussetzung des Vorliegens der amtlichen Verwahrung indes verzichtet.

Für das Abstellen auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung des Beschlusses und nicht auf den Zeitpunkt der amtlichen Verwahrung des Führerscheins spricht insbesondere aber, dass der Betroffene bereits mit Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs verliert. Der Betroffene macht sich, wenn er nach Bekanntmachung des Beschlusses trotzdem ein Fahrzeug führt, nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar. Er hat folglich – unabhängig davon, ob er noch im Besitz seines Führerscheins ist – im Sinne des § 51 Abs. 5 und 1 StGB die anrechenbare vorläufige Maßnahme „erlitten“.

Dem steht auch nicht entgegen, dass ein gem. § 44 StGB erteiltes Fahrverbot gem. § 59a Abs. 5 Satz 2 StVollstrO erst mit Eingang des Führerscheins bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde beginnt. Denn im Rahmen der Anrechnung nach § 51 Abs. 5 und Abs. 1 StGB ist darauf abzustellen, ob die anzurechnende vorläufige Maßnahme nach den für diese Maßnahme jeweils geltenden Vorschriften wirksam vollstreckt und somit „erlitten“ wurde.

Dies zugrunde gelegt war gem. § 51 Abs. 5 und Abs. 1 StGB auf das mit Eingang des Führerscheins bei der Vollstreckungsbehörde am 24.01.2023 beginnende Fahrverbot die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis von 05.08.2022 bis 06.10.2022 anzurechnen.

Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall gem. § 51 Abs. 5 und 1 Satz 2 StGB ausnahmsweise die Anrechnung nicht gerechtfertigt sein könnte und somit ganz oder zum Teil zu unterbleiben hätte – beispielsweise, dass der Verurteilte trotz Kenntnis von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis weiterhin Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr geführt hätte -, liegen nicht vor.

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