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Fahrerlaubnisentzug bei Sekundenschlaf

Vorläufiger Fahrerlaubnisentzug nach mutmaßlichem Sekundenschlaf

Ein kürzlich ergangener Beschluss des Landgerichts Wiesbaden (LG Wiesbaden) hat die rechtlichen Konsequenzen eines mutmaßlichen Sekundenschlafs am Steuer in den Fokus gerückt. Der Fall betraf einen Beschuldigten, dem vorgeworfen wurde, aufgrund körperlicher Mängel, insbesondere Übermüdung, nicht in der Lage gewesen zu sein, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Dieser Vorfall führte zu einem erheblichen Unfall und Sachschaden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Qs 61/15   >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Fahrerlaubnisentzug bei mutmaßlichem Sekundenschlaf durch das LG Wiesbaden.
  • Beschuldigter verursachte einen Unfall und gab möglichen Sekundenschlaf als Ursache an.
  • Weitere mögliche Unfallursachen: überhöhte Geschwindigkeit, schlechte Sicht oder leichte Übermüdung.
  • Zeugenaussage und polizeiliche Ermittlungen stützen die These des Sekundenschlafs.
  • Übermüdung kann als geistiger oder körperlicher Mangel im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB betrachtet werden.
  • Ein Kraftfahrer nimmt vor dem Einschlafen stets deutliche Zeichen der Übermüdung wahr.
  • Auf Basis der Beweise und Argumente wird dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis entzogen.

Hintergrund des Falles

Sekundenschlaf - Entzug der Fahrerlaubnis
(Symbolfoto: rbkomar /Shutterstock.com)

Am 13.04.2015 soll der Beschuldigte in einem Zustand der Übermüdung ein Kraftfahrzeug geführt und dabei einen Unfall verursacht haben. Der Vorfall ereignete sich, als sein Fahrzeug gegen ein ordnungsgemäß geparktes Auto stieß, welches durch den Aufprall mehr als 14 Meter nach vorne geschoben wurde und gegen einenweiteren geparkten Anhänger stieß. Die daraus resultierenden Schäden an allen beteiligten Fahrzeugen waren erheblich.

Kernargumente und Beweise

Ein zentraler Punkt in diesem Fall war die Aussage des Beschuldigten gegenüber der Polizei. Er gab an, möglicherweise am Steuer eingeschlafen zu sein, wobei er auch andere mögliche Ursachen wie überhöhte Geschwindigkeit oder schlechte Sichtverhältnisse in Erwägung zog. Der Beschuldigte argumentierte weiter, dass er möglicherweise aufgrund von Sprachschwierigkeiten von der Polizei missverstanden wurde.

Jedoch stützte ein Zeuge, PK-A xxx, die These des Sekundenschlafs. Er gab an, dass der Beschuldigte ihm gegenüber zugegeben habe, während der Fahrt eingeschlafen zu sein. Dies, kombiniert mit den am Unfallort aufgenommenen Lichtbildern, die zeigten, dass der Unfall unter guten Sichtverhältnissen auf einer kaum befahrenen Straße stattfand, stärkte den dringenden Tatverdacht.

Rechtliche Bewertung und Entscheidung

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Beschuldigte dringend verdächtig sei, eine Straftat gemäß § 315c Abs. 1 StGB und § 69 StGB begangen zu haben. Es wurde argumentiert, dass ein Zustand der Übermüdung als geistiger oder körperlicher Mangel im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB betrachtet werden kann. Der Bundesgerichtshof hat in früheren Entscheidungen festgestellt, dass ein Fahrer vor dem Einschlafen am Steuer stets deutliche Zeichen der Übermüdung an sich wahrnimmt oder zumindest wahrnehmen kann.

In Anbetracht aller vorliegenden Beweise und Argumente entschied das Gericht, dass der Fahrerlaubnisentzug des Beschuldigten gerechtfertigt sei, da er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe.

Dieser Fall unterstreicht die ernsten rechtlichen Konsequenzen, die ein Sekundenschlaf am Steuer nach sich ziehen kann. Es betont die Notwendigkeit für Fahrer, ihre eigene körperliche und geistige Verfassung vor und während der Fahrt stets kritisch zu bewerten. Das Wohlergehen anderer Verkehrsteilnehmer und die potenziellen rechtlichen Folgen sollten immer im Vordergrund stehen, wenn man sich entscheidet, ein Fahrzeug zu führen.

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Gefährdung des Straßenverkehrs – kurz erklärt


„Gefährdung des Straßenverkehrs“ bezieht sich auf einen Tatbestand des deutschen Strafrechts, der in § 315c des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt ist. Wer im Straßenverkehr handelt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden. Allgemein gilt der Zustand der Fahruntüchtigkeit, beispielsweise aufgrund von Alkohol- oder Drogenkonsum, als potenziell gefährdend. Darüber hinaus gelten Verkehrsteilnehmer, die grob verkehrswidrig und rücksichtslos handeln, als gefährdend. Grob verkehrswidrig handelt jemand, der objektiv besonders schwer gegen eine Verkehrsvorschrift verstößt, während rücksichtslos handelt, wer sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt.


Das vorliegende Urteil

LG Wiesbaden – Az.: 1 Qs 61/15 – Beschluss vom 22.06.2015

Der Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Mit Beschluss vom 18.05.2015 hat das Amtsgericht Wiesbaden (Az.: 5790 Js 20471/15 – 82 Gs 55/15) dem Beschuldigten gemäß §§ 111a, 94 StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und den Führerschein, ausgestellt von der Landeshauptstadt Wiesbaden am 08.08.1994, Führerschein-Nr. xxx, beschlagnahmt.

Der Beschuldigte sei dringend verdächtig am 13.04.2015 in xxx ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl er hierzu aufgrund körperlicher Mängel nicht in der Lage gewesen sei, und dadurch Leib oder Leben eines anderen bzw. fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet habe. Dies sei eine Straftat nach § 315c Abs. 1 StGB und § 69 StGB. Es sei anzunehmen, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werde, weil sich aus der Tat ergebe, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei.

Hiergegen hat der Beschuldigte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.05.2015, bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden eingegangen am 02.06.2015, Beschwerde eingelegt. Der Beschuldigte habe gegenüber der Polizei nicht definitiv ausgesagt, dass er am Steuer seines Fahrzeugs eingeschlafen sei. Vielmehr habe er nur Überlegungen angestellt, dass eventuell eine überhöhte Ausgangsgeschwindigkeit, eine schlechte Sicht oder eine leichte Übermüdung zum Unfallgeschehen beigetragen habe könne. Zu dieser Überlegung sei er deshalb gekommen, weil er in der Gastronomie in xxx tätig sei und er berufsbedingt erst spät nach Hause habe fahren können. Vermutlich sei er an der Unfallstelle von der Polizei aufgrund seiner Sprachschwierigkeiten missverstanden worden. Zum Zeitpunkt des Fahrtantritts habe er keine Anzeichen einer Ermüdung oder Übermüdung bemerkt und er habe auch während der Fahrt keine Anzeichen einer Ermüdung wahrgenommen.

Mit Verfügung vom 03.06.2015 hat die Staatsanwaltschaft Wiesbaden die Beschwerde des Beschuldigten an das Amtsgericht Wiesbaden mit dem Antrag übersandt, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Das Amtsgericht hat der Beschwerde des Beschuldigten nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landgericht Wiesbaden zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde des Beschuldigten ist statthaft nach § 304 Abs. 1 StPO und auch sonst zulässig, §§ 305 ff. StPO.

Insbesondere wurde die Beschwerde nach § 306 Abs. 1 StPO formgerecht eingelegt. Zwar hat der Beschuldigte die Beschwerde – entgegen § 306 Abs. 1 StPO – bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden eingelegt. Jedoch wurde die Beschwerdeschrift dem Amtsgericht Wiesbaden, dessen Entscheidung angefochten wurde, durch die Staatsanwaltschaft vorgelegt.

In der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg.

Entgegen den Ausführungen des Beschuldigten sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass sich der Beschuldigte gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB strafbar gemacht hat und ihm gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB die Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist gemäß § 69a StGB für deren Neuerteilung entzogen werden wird.

Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage gewesen ist, das Fahrzeug sicher zu führen und dabei fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu haben, § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB.

Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen PK-A xxx sowie den bisherigen polizeilichen Ermittlungen.

Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte am 13.04.2015 gegen 00:14 Uhr in xxx mit seinem Fahrzeug, einem BMW 5er, amtliches Kennzeichen xxx, gegen ein ordnungsgemäß am Straßenrand geparktes Fahrzeug gefahren ist, nachdem er am Steuer eingeschlafen war. Durch den Aufprall wurde das geparkte Fahrzeug mehr als 14 m nach vorne gegen einen dort geparkten Anhänger geschoben. An allen drei Fahrzeugen entstand ein erheblicher Sachschaden.

Der Zeuge PK-A xxx hat bekundet, dass der Beschuldigte ihm gegenüber erklärt habe, dass er während der Fahrt in seinem Fahrzeug eingeschlafen und es deshalb zu dem Unfall gekommen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Zeugen unzutreffend sein könnten, ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht.

Soweit der Beschuldigte vorgetragen hat, dass er gegenüber dem Zeugen PK-A xxx nicht definitiv ausgesagt habe, dass er in seinem Fahrzeug eingeschlafen sei, sondern vielmehr nur Überlegungen hinsichtlich der Unfallursachen (überhöhte Geschwindigkeit, Sichtverhältnisse, leichte Übermüdung) angestellt habe und ihn der Zeuge aufgrund seiner unzulänglichen Sprachkenntnisse missverstanden habe, muss dies der abschließenden Beurteilung im Rahmen einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.

Im Übrigen erscheint der Vortrag des Beschuldigten wenig überzeugend. Denn die am Unfallort aufgenommenen Lichtbilder belegen, dass sich der Unfall auf einer kaum befahrenen Straße ereignete, trockene Witterungsverhältnisse herrschten und die Sichtverhältnisse aufgrund der Straßenbeleuchtung entsprechend gut waren. Wenn der Beschuldigte gegenüber der Polizei lediglich „Überlegungen“ zur Unfallursache angegeben haben will, lässt dies auch den Schluss zu, dass er sich an den Unfallhergang nicht erinnern kann. Dies wiederum spricht dafür, dass er tatsächlich, wie von ihm nach Aktenlage angegeben, eingeschlafen ist. Da der Beschuldigte bereits seit 1994 einen deutschen Führschein besitzt, ist ebenfalls davon auszugehen, dass dieser über entsprechende Deutschkenntnisse verfügte, um sich gegenüber dem Zeugen PK-A xxx verständlich auszudrücken.

Eine Übermüdung kann auch einen geistigen oder körperlichen Mangel im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB darstellen. Allerdings ist ein solcher Übermüdungszustand zu verlangen, welcher für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafes mit sich bringt, d.h. der Fahrer bei sorgfältiger Selbstbeobachtung die Übermüdung hätte bemerken oder mit ihrem Eintritt hätte rechnen müssen (BayOLG, Urt. v. 18.08.2003 – 1 St RR 67/03; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 315c StGB, Rn. 16 m.w.N.).

Der BGH hat hierzu anerkannt, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer einschläft, stets deutliche Zeichen der Übermüdung an sich wahrnimmt oder zumindest wahrnehmen kann. Dies beruhe auf der in den berufenen Fachkreisen gesicherten Kenntnis, dass ein gesunder, bislang hellwacher Mensch nicht plötzlich von einer Müdigkeit überfallen wird (BGH, Beschl. v. 18.11.1969 – 4 StR 66/69; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 26.05.1992 – 8 U 184/91; BayOLG, Urt. v. 18.08.2003 – 1 St RR 67/03).

Vor diesem Hintergrund können die Ausführungen des Beschuldigten, wonach er keine Anzeichen einer Ermüdung oder Übermüdung bemerkt habe und auch während der Fahrt keine Anzeichen einer Ermüdung wahrgenommen habe, den dringenden Tatverdacht nicht entkräften. Die Einholung eines rechtsmedizinischen Gutachtens war für die Annahme des dringenden Tatverdachts daher ebenfalls nicht notwendig (a.A. LG Traunstein, Beschl. v. 08.07.2011 – 1 Qs 225/11). Vielmehr muss dies der abschließenden Beurteilung im Rahmen einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.

Aufgrund der erheblichen Beschädigungen an den Fahrzeugen ist auch davon auszugehen, dass ein bedeutender Sachschaden im Sinne des § 315c Abs. 1 StGB vorliegt.

In der Gesamtbewertung aller aufgezeigten Umstände besteht daher dringender Tatverdacht im Hinblick auf eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB. Insofern ist derzeit davon auszugehen, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB entzogen werden wird, weil er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Gegen diesen Beschluss ist die weitere Beschwerde nicht statthaft, § 310 Abs. 2 StPO.

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