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Dolmetscher Ladung fehlt: Kein Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Fehlen?

Ein Dolmetscher erschien unentschuldigt nicht zu einem Gerichtstermin in Nürnberg und wurde dafür mit 500 Euro Ordnungsgeld belegt. Obwohl er den gesamten Prozess aufgehalten hatte, musste er am Ende keinen Cent zahlen – dank einer erstaunlichen juristischen Feinheit.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 Qs 57/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Dolmetscher erschien nicht zu einer Gerichtsverhandlung. Das Gericht verhängte daraufhin ein Ordnungsgeld. Der Dolmetscher wehrte sich dagegen.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein Gericht ein Ordnungsgeld gegen einen Dolmetscher verhängen, der nicht zur Verhandlung erscheint?
  • Die Antwort: Nein. Ein höheres Gericht hob das Ordnungsgeld auf. Es fehlt eine gesetzliche Grundlage, Dolmets

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Landgericht Nürnberg-Fürth
  • Datum: 17. Oktober 2022
  • Aktenzeichen: 12 Qs 57/22
  • Verfahren: Beschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafverfahrensrecht, Verfassungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Dolmetscher namens B. Er legte Beschwerde gegen ein gegen ihn verhängtes Ordnungsgeld ein.
  • Beklagte: Das Amtsgericht Nürnberg. Es hatte gegen den Dolmetscher B ein Ordnungsgeld verhängt.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Ein Dolmetscher erschien unentschuldigt nicht zu einer Gerichtsverhandlung. Das Amtsgericht verhängte daraufhin ein Ordnungsgeld gegen ihn.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Darf ein Gericht einen Dolmetscher mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft bestrafen, wenn er unentschuldigt nicht zu einer Verhandlung erscheint?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Der Beschluss des Amtsgerichts, das Ordnungsgeld zu verhängen, wurde aufgehoben.
  • Zentrale Begründung: Es fehlte eine klare gesetzliche Grundlage, um gegen einen Dolmetscher ein Ordnungsgeld zu verhängen, da dies einen strafähnlichen Charakter hat und nicht durch Rechtsauslegung erweitert werden darf.
  • Konsequenzen für die Parteien: Das verhängte Ordnungsgeld und die Ordnungshaft sind hinfällig, und die Staatskasse muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Der Fall vor Gericht


Darf ein Gericht ein Ordnungsgeld gegen einen Dolmetscher verhängen, der nicht zur Verhandlung erscheint?

Als Gerichtsreporter erlebt man so einiges. Man gewöhnt sich an die kleinen Dramen, die alltägliche Hektik und die manchmal absurde Stille, die einen Saal füllen kann. Eine solche Stille herrschte auch an jenem 25. August 2022 im Amtsgericht Nürnberg. Alle waren da: Richter, Staatsanwalt, Verteidiger, Angeklagter. Nur einer fehlte. Der Dolmetscher. Sein Stuhl blieb leer. In den Gängen der Justiz ist das mehr als nur unhöflich – es legt den Betrieb lahm. Ohne Übersetzung keine faire Verhandlung, so einfach ist das. Das Amtsgericht fackelte nicht lange.

Ein leerer Drehstuhl in einem Verhandlungsraum markiert die Abwesenheit des Dolmetschers, der unentschuldigt einen Gerichtstermin aufhielt. Nur dank einer juristischen Feinheit der fehlenden Ladung entging er dem verhängten Ordnungsgeld.
Landgericht hob Ordnungsgeld gegen nicht erschienenen Dolmetscher auf; keine gesetzliche Sanktionsgrundlage, Staatskasse trägt Kosten. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Wer den Apparat aufhält, muss die Konsequenzen tragen. Ein Beschluss war schnell gefasst: 500 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise drei Tage Haft. Ein klares Signal, das man aus vielen Sälen kennt. Doch in diesem Fall sollte es der Auftakt zu einer juristischen Lektion werden, die man nicht alle Tage miterlebt.

Wie wehrte sich der Dolmetscher gegen das Ordnungsgeld?

Der Beschluss über die 500 Euro fand seinen Weg zum Dolmetscher und landete am 10. September in seinem Briefkasten. Der Betroffene reagierte prompt. Schon am nächsten Tag setzte er ein Schreiben auf, das es in sich hatte. In seiner Beschwerde, die das Amtsgericht am 12. September erreichte, machte er einen simplen, aber schlagkräftigen Punkt: Er habe für die Verhandlung überhaupt keine Ladung erhalten. Wie soll man zu einem Termin erscheinen, von dem man nichts weiß? Das ist eine Einwendung, die Richter und Staatsanwälte oft hören. Manchmal stimmt sie, manchmal ist sie eine schlichte Ausrede. Das Amtsgericht jedenfalls ließ sich davon nicht beeindrucken und hielt an seiner Entscheidung fest. Die Akte wanderte, wie in solchen Fällen üblich, zur Staatsanwaltschaft. Deren Antrag war kurz und bündig: Die Beschwerde sei abzuweisen, der Dolmetscher solle zahlen und die Kosten des Verfahrens obendrauf tragen. Der Fall lag nun auf dem Tisch des Landgerichts Nürnberg-Fürth.

Warum hob das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts auf?

Die Kammer am Landgericht nahm sich die Sache vor und kam zu einem Ergebnis, das man in Nürnberg II wohl nicht erwartet hatte. Die Beschwerde des Dolmetschers war nicht nur zulässig, sie war auch vollumfänglich begründet. Die Richter hoben den Beschluss über das Ordnungsgeld komplett auf. Ihre Begründung war ein Musterbeispiel juristischer Präzision und förderte eine überraschende Lücke im System zutage. Die Frage, ob der Dolmetscher seine Ladung nun bekommen hatte oder nicht, interessierte die Kammer am Ende nicht die Bohne. Das war prozessuales Kleinholz. Das eigentliche Problem lag viel tiefer: Es gab schlicht keine gesetzliche Grundlage, um einen Dolmetscher für sein unentschuldigtes Fehlen mit einem Ordnungsgeld zu bestrafen.

Die Richter zogen eine klare Linie. Die Strafprozessordnung sieht zwar Zwangsmittel für unzuverlässige Prozessbeteiligte vor. Ein Zeuge, der nicht erscheint, kann nach § 51 StPO mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Ein Sachverständiger, der den Termin schwänzt, riskiert eine Sanktion nach § 77 StPO. Aber ein Dolmetscher? Der ist weder Zeuge noch Sachverständiger. Er ist, so formulierten es die Richter, ein Beteiligter eigener Art. Seine Aufgabe ist es, Sprachbarrieren zu überwinden, nicht, Fakten zu bezeugen oder Gutachten zu erstellen. Für diese spezielle Rolle hat der Gesetzgeber schlicht vergessen, eine Sanktionsmöglichkeit für das unentschuldigte Fehlen zu schaffen.

Welche verfassungsrechtliche Hürde verhinderte eine Bestrafung?

Man könnte meinen, das Gericht hätte einfach die Regeln für Sachverständige entsprechend anwenden können. Ein Dolmetscher ist ja auch eine Art Experte. Doch genau hier schoben die Richter einen Riegel vor und holten das Grundgesetz aus dem Schrank. Ordnungsmittel, so die klare Ansage aus der Kammer, haben einen strafähnlichen Charakter. Es geht darum, ein Fehlverhalten zu ahnden. Und im Strafrecht gilt einer der heiligsten Grundsätze unseres Rechtsstaates, verankert in Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes: Keine Strafe ohne Gesetz. Eine Bestrafung ist nur zulässig, wenn die Tat und die dazugehörige Strafe vorab klar in einem Gesetz definiert sind.

Eine Lücke im Gesetz darf nicht durch richterliche Kreativität zum Nachteil eines Bürgers geschlossen werden. Das nannten Juristen früher Analogieverbot, und es ist ein Schutzschild gegen Willkür. Das Landgericht machte unmissverständlich klar: Die Vorschriften für Zeugen oder Sachverständige einfach auf Dolmetscher zu übertragen, wäre eine solche unzulässige Analogie. Man kann nicht jemanden bestrafen, indem man so tut, als passe auf ihn eine Regel, die für jemand ganz anderen geschrieben wurde. Zur Untermauerung zitierten die Richter nicht nur Fachliteratur, sondern auch ältere Entscheidungen – darunter eine aus dem eigenen Haus aus dem Jahr 1977. Das Problem war also nicht neu, nur vielleicht in Vergessenheit geraten.

Wer musste am Ende die Kosten des Verfahrens tragen?

Nachdem die Kammer den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben hatte, blieb nur noch die Frage nach den Kosten. Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, der Dolmetscher solle alles zahlen. Ein Antrag, der sich mit der Aufhebung des Ordnungsgeldes in Luft auflöste. Die Regel ist einfach und fair: Wer im Rechtsmittelverfahren gewinnt, muss die Kosten nicht tragen. Da die Beschwerde des Dolmetschers in vollem Umfang erfolgreich war, wurde die Staatskasse zur Kasse gebeten. Sie musste die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens übernehmen. Ein logischer Schlusspunkt unter eine Entscheidung, die zeigte, dass auch ein vermeintlich kleiner Fehler des Justizapparates am Ende konsequent nach den strengen Regeln des Rechtsstaats korrigiert wird. Der leere Stuhl im Verhandlungssaal hatte dem Dolmetscher am Ende keinen Cent gekostet.

Die Urteilslogik

Der Rechtsstaat schützt Bürger, indem er die Verhängung von Sanktionen durch Gerichte an strikte gesetzliche Vorgaben knüpft.

  • Grundsatz der Gesetzmäßigkeit: Ein Gericht ahndet Fehlverhalten nur, wenn eine gesetzliche Grundlage die Tat und die dazugehörige Sanktion eindeutig vorschreibt.
  • Verbot der Analogie im Sanktionsrecht: Eine Lücke im Gesetz schließen Gerichte nicht durch die Übertragung von Vorschriften oder richterliche Kreativität zum Nachteil eines Bürgers.

Rechtssicherheit und der Schutz vor staatlicher Willkür bilden somit unumstößliche Säulen eines jeden Rechtsstaates.


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Das Urteil in der Praxis

Was auf den ersten Blick wie eine Lappalie um einen fehlenden Dolmetscher wirkt, ist in Wahrheit ein starkes Signal für die unantastbare Geltung unserer Rechtsstaatsprinzipien. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat sich hier bewusst über die drängende Prozesspraxis hinweggesetzt und eine klare rote Linie gezogen: Wo das Gesetz keine Sanktion vorsieht, dürfen Gerichte keine erfinden, selbst wenn es noch so praktisch wäre. Diese mutige Entscheidung ist ein eindringlicher Weckruf an den Gesetzgeber, eine seit Jahrzehnten bekannte Lücke endlich zu schließen. Sie zeigt gnadenlos auf, dass auch in der Justiz der Zweck niemals die Mittel heiligt, wenn es um fundamentale Garantien für den Bürger geht. Beachten Sie, dies ist eine allgemeine Einordnung, keine Rechtsberatung.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Warum kann mein Gerichtsdolmetscher kein Ordnungsgeld erhalten?

Ein Gerichtsdolmetscher kann kein Ordnungsgeld erhalten, wenn er unentschuldigt einer Verhandlung fernbleibt, denn die deutsche Rechtsordnung kennt hierfür schlicht keine gesetzliche Grundlage. Dieser fundamentale Unterschied zu Zeugen oder Sachverständigen, für die die Strafprozessordnung klare Sanktionsmöglichkeiten vorsieht, ist juristisch entscheidend. Keine Strafe ohne Gesetz – Juristen nennen das den strengen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, einen unerschütterlichen Pfeiler unseres Rechtsstaates.

Der Grund? Eine überraschende Lücke im System. Die Strafprozessordnung (§ 51 StPO) belegt zwar Zeugen bei Fernbleiben mit einem Ordnungsgeld. Auch Sachverständigen (§ 77 StPO) drohen Sanktionen, wenn sie Termine schwänzen. Doch für den Gerichtsdolmetscher fehlt eine vergleichbare Regelung. Das Landgericht Nürnberg-Fürth stellte in einem bahnbrechenden Beschluss fest: Ein Dolmetscher ist weder Zeuge noch Sachverständiger, sondern ein „Beteiligter eigener Art“. Ihre spezifische Aufgabe ist das Überwinden von Sprachbarrieren, nicht das Bezeugen von Fakten oder Erstellen von Gutachten.

Gerichte dürfen solche gesetzlichen Lücken nicht kreativ schließen. Das Grundgesetz verbietet, eine Strafe durch Analogie zu konstruieren – ein unbedingter Schutz vor Willkür. Fehlt ein Dolmetscher unentschuldigt, so bleibt eine Sanktion mangels rechtlicher Grundlage aus.

Dokumentieren Sie stets das Fehlen, aber wissen Sie: Ein Ordnungsgeld kann ein Gericht nicht verhängen.


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Kann ich als Dolmetscher ein Ordnungsgeld bekommen, wenn ich fehle?

Nein, Sie müssen als Dolmetscher kein Ordnungsgeld befürchten, wenn Sie einem Gerichtstermin unentschuldigt fernbleiben. Aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen: Dem Gesetz fehlt schlicht die Grundlage, um einen Dolmetscher für sein Nichterscheinen zu sanktionieren. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hob einen solchen Beschluss jüngst auf, weil Richter hier keine Analogie zu Zeugen oder Sachverständigen bilden dürfen.

Das Amtsgericht Nürnberg verhängte zwar ein Ordnungsgeld, doch das Landgericht Nürnberg-Fürth zog eine klare Grenze. Der Grund: Ein Dolmetscher ist rechtlich weder Zeuge noch Sachverständiger. Juristen nennen ihn einen „Beteiligten eigener Art“. Das Gesetz macht klare Vorgaben: Für Zeugen und Sachverständige gibt es Paragraphen, die ein Fernbleiben sanktionieren. Für Dolmetscher fehlt diese Bestimmung.

Gerichte dürfen Lücken im Gesetz nicht einfach zu Lasten der Bürger füllen. Das wäre eine unzulässige Analogie. Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes ist hier ein Schutzschild: „Keine Strafe ohne Gesetz“. Eine Sanktion wie ein Ordnungsgeld erfordert stets eine glasklare gesetzliche Grundlage. Weil die fehlt, muss das Gericht einen solchen Beschluss aufheben. Die Kosten des Verfahrens trug am Ende die Staatskasse.

Eine Ladung ignorieren sollten Sie dennoch nie. Klären Sie bei Unsicherheiten Ihre rechtliche Lage umgehend, um Missverständnisse zu vermeiden.


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Gilt für mich als Dolmetscher keine Strafvorschrift bei Fernbleiben?

Einem Dolmetscher droht bei unentschuldigtem Fernbleiben von einer Gerichtsverhandlung grundsätzlich keine direkte strafrechtliche Sanktion oder ein Ordnungsgeld. Das ist überraschend, denn Gerichte können Zeugen und Sachverständige bestrafen. Entscheidend ist das strenge Analogieverbot im Strafrecht: Wo kein Gesetz, da keine Strafe. Eine spezifische Strafvorschrift fehlt.

Gerichte behandeln Dolmetscher als „Beteiligte eigener Art“. Zeugen drohen bei Nichterscheinen Ordnungsgelder nach § 51 StPO, Sachverständigen nach § 77 StPO. Für Sprachmittler fehlt eine vergleichbare Regelung schlichtweg im Gesetz. Ein erstaunliches Vakuum.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth demonstrierte diese juristische Lücke eindrucksvoll. Ein Amtsgericht hatte einen Dolmetscher mit 500 Euro Ordnungsgeld belegt, weil er nicht zum Termin erschienen war. Die Begründung des Landgerichts war unmissverständlich: Eine solche Bestrafung ist unzulässig. Juristen berufen sich hier auf Art. 103 Absatz 2 des Grundgesetzes – „Keine Strafe ohne Gesetz“. Das Grundgesetz schützt vor Willkür. Eine Regelung für Zeugen oder Sachverständige kann nicht einfach auf Dolmetscher übertragen werden. Das wäre eine unzulässige Analogie.

Doch Vorsicht: Diese Lücke entbindet nicht von professioneller Verantwortung. Ihre Zuverlässigkeit ist das Fundament für einen reibungslosen Gerichtsablauf.


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Wie lege ich Beschwerde gegen ein Ordnungsgeld als Dolmetscher ein?

Ein gegen Sie verhängtes Ordnungsgeld als Dolmetscher fechten Sie per Beschwerde an. Diese muss zügig beim Gericht eingehen und bestenfalls eine klare Begründung liefern. Ein Landgericht stellte jüngst klar: Für solche Bußgelder fehlt oft die gesetzliche Grundlage. Das erspart Dolmetschern Ärger und Kosten.

Reagieren Sie blitzschnell. Sobald der Beschluss über das Ordnungsgeld bei Ihnen landet, tickt die Frist. Ein Dolmetscher am Amtsgericht Nürnberg-Fürth brauchte nur einen Tag, um seine Beschwerde aufzusetzen. Er monierte darin, keine Ladung erhalten zu haben – eine Einwendung, die das Amtsgericht allerdings unbeeindruckt ließ. Doch der Fall war damit nicht beendet.

Die entscheidende Wende kam am Landgericht Nürnberg-Fürth. Juristen nennen den Dolmetscher einen „Beteiligten eigener Art“. Das Gesetz sieht keine Sanktion für ihr unentschuldigtes Fehlen vor – anders als bei Zeugen oder Sachverständigen. Das ist kein Versehen, sondern ein Grundsatz: Keine Strafe ohne Gesetz. Eine Bestrafung mittels Analogieschluss ist ausgeschlossen.

Legen Sie bei einem verhängten Ordnungsgeld immer sofort Beschwerde ein und prüfen Sie die fehlende gesetzliche Grundlage.


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Wer trägt die Kosten, wenn mein Ordnungsgeld als Dolmetscher ungerechtfertigt ist?

Wer als Dolmetscher erfolgreich gegen ein Ordnungsgeld vorgeht, muss die entstandenen Kosten nicht tragen; stattdessen übernimmt die Staatskasse die Zeche. Die Regel ist klar: Gewinnt man das Rechtsmittelverfahren gegen eine solche Sanktion, zahlt der Staat. Ein ungerechtfertigt verhängtes Ordnungsgeld kehrt sich somit finanziell ins Gegenteil um.

Warum? Gerichte folgen dem Grundsatz, dass derjenige, der ein Verfahren verliert, die Kosten trägt. Im Fall eines aufgehobenen Ordnungsgeldes ist es genau umgekehrt: Das Gericht hat einen Fehler gemacht, indem es eine Sanktion ohne gesetzliche Grundlage verhängte. Der Staat, als Verursacher des ungerechtfertigten Verfahrens, muss daher die finanzielle Last tragen. Das ist fairer Ausgleich.

Ein konkretes Beispiel lieferte das Landgericht Nürnberg-Fürth. Einem Dolmetscher wurde ein Ordnungsgeld auferlegt, weil er nicht zu einem Termin erschien – angeblich ohne Ladung. Obwohl das Amtsgericht die Beschwerde zunächst abwies, kassierte das Landgericht die Entscheidung. Der Grund? Für Dolmetscher gibt es schlicht keine gesetzliche Befugnis, sie mit einem Ordnungsgeld zu belegen. Keine Strafe ohne Gesetz, so lautet hier der verfassungsrechtliche Kern.

Wer also ein ungerechtfertigtes Ordnungsgeld erhält, sollte stets Widerspruch einlegen; die Erfolgsaussichten auf Kostenerstattung sind gut.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Analogieverbot

Das Analogieverbot bedeutet, Juristen dürfen eine Rechtsvorschrift nicht einfach auf ähnliche, aber nicht ausdrücklich genannte Fälle anwenden, besonders wenn es um die Verhängung von Strafen geht. Dieses Prinzip ist ein fundamentaler Schutz vor staatlicher Willkür und sichert, dass Bürger nur für Taten bestraft werden, die das Gesetz zuvor klar definiert hat. Es bewahrt die Rechtssicherheit.

Beispiel: Das Landgericht lehnte die Übertragung der Regeln für Zeugen auf den Dolmetscher aufgrund des strikten Analogieverbots ab, da dies eine unzulässige Auslegung gewesen wäre.

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Beteiligter eigener Art

Juristen bezeichnen Personen, die zwar aktiv am Gerichtsverfahren mitwirken, aber weder als Zeuge noch als Sachverständiger oder klassischer Verfahrensbeteiligter einzuordnen sind, als einen Beteiligten eigener Art. Diese spezielle Klassifizierung ist notwendig, weil für diese Rollen oft keine oder abweichende gesetzliche Regelungen existieren, die ihre spezifische Funktion und Rechte berücksichtigen. Das Gesetz muss für jede Rolle die passende Grundlage schaffen.

Beispiel: Im vorliegenden Fall stuften die Richter den Dolmetscher als Beteiligten eigener Art ein, da für ihn keine Sanktionsnorm bei unentschuldigtem Nichterscheinen vorlag.

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Beschwerde (Rechtsmittel)

Eine Beschwerde ist ein spezielles Rechtsmittel, mit dem Sie eine gerichtliche Entscheidung, die Sie als falsch oder unrechtmäßig empfinden, von einem übergeordneten Gericht überprüfen lassen können. Dieses Verfahren ermöglicht Bürgern, sich gegen behördliche oder gerichtliche Beschlüsse zu wehren und stellt einen wichtigen Kontrollmechanismus innerhalb der Justiz dar. Es dient der Fehlerkorrektur und dem umfassenden Rechtsschutz des Einzelnen.

Beispiel: Der Dolmetscher reichte umgehend Beschwerde gegen das verhängte Ordnungsgeld ein, um dessen Rechtmäßigkeit gerichtlich durch das Landgericht überprüfen zu lassen.

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Keine Strafe ohne Gesetz (Art. 103 Abs. 2 GG)

Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“, verankert in Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes, bedeutet, dass eine Person nur bestraft werden darf, wenn die strafbare Tat und die entsprechende Strafe bereits vor der Begehung klar in einem Gesetz festgelegt waren. Dieses Verfassungsprinzip ist ein Eckpfeiler des Rechtsstaats und schützt Bürger vor rückwirkender Bestrafung oder willkürlicher Ahndung nicht gesetzlich definierter Verhaltensweisen. Es garantiert Transparenz und Rechtssicherheit für alle.

Beispiel: Das Landgericht hob das Ordnungsgeld gegen den Dolmetscher auf, da der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ keine Befugnis für die Verhängung einer solchen Sanktion ohne explizite gesetzliche Norm vorsieht.

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Ordnungsgeld

Ein Ordnungsgeld ist eine finanzielle Sanktion, die von einem Gericht verhängt wird, um bestimmtes Fehlverhalten im Verfahren zu ahnden und die Einhaltung gerichtlicher Anordnungen zu erzwingen. Diese Maßnahme soll die ordnungsgemäße Durchführung von Gerichtsverfahren sicherstellen und dazu beitragen, den Respekt vor der Justiz aufrechtzuerhalten. Es dient der Verfahrensdisziplin und der Aufrechterhaltung der staatlichen Autorität im Gerichtssaal.

Beispiel: Das Amtsgericht verhängte ein Ordnungsgeld von 500 Euro gegen den Dolmetscher, weil er unentschuldigt nicht zur angesetzten Gerichtsverhandlung erschienen war.

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Strafprozessordnung (StPO)

Die Strafprozessordnung, kurz StPO, ist das zentrale Gesetz in Deutschland, das den Ablauf und die Regeln für Ermittlungsverfahren, Strafgerichtsverfahren und die Vollstreckung von Strafen festlegt. Sie regelt, wie Straftaten verfolgt und abgeurteilt werden, und schützt dabei gleichzeitig die Rechte der Beschuldigten sowie die Interessen der Opfer. Die StPO stellt sicher, dass jeder Strafprozess nach klaren und fairen Regeln abläuft und Transparenz herrscht.

Beispiel: Die Richter des Landgerichts prüften die Regelungen der Strafprozessordnung sehr genau, fanden dort aber keine Vorschrift für ein Ordnungsgeld gegen unentschuldigt fehlende Dolmetscher.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Keine Strafe ohne Gesetz (Nulla poena sine lege (Art. 103 Abs. 2 GG))
    Ein Verhalten darf nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit und die Art der Strafe vorab in einem Gesetz klar festgelegt sind.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht konnte kein Ordnungsgeld verhängen, weil die Bestrafung von Dolmetschern für unentschuldigtes Fehlen nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt war. Eine Bestrafung ohne eine solche gesetzliche Grundlage wäre ein Verstoß gegen dieses grundlegende Prinzip.
  • Prinzip des Gesetzesvorbehalts (Fehlende explizite gesetzliche Grundlage für Dolmetscher)
    Staatliche Eingriffe, insbesondere solche, die Rechte oder Freiheiten einschränken (wie die Verhängung von Bußgeldern), bedürfen immer einer klaren gesetzlichen Ermächtigung.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Gesetzgeber keine spezifische Vorschrift geschaffen hatte, die das Verhängen eines Ordnungsgeldes gegen abwesende Dolmetscher erlaubt, fehlte dem Amtsgericht die notwendige rechtliche Grundlage für seine Entscheidung.
  • Spezifische Regelungen für Prozessbeteiligte (Abgrenzung zu § 51 StPO, § 77 StPO)
    Das Gesetz unterscheidet genau zwischen den Rollen und Pflichten verschiedener Personen im Gerichtsverfahren, wie Zeugen, Sachverständigen und Dolmetschern.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die für Zeugen (§ 51 StPO) oder Sachverständige (§ 77 StPO) vorgesehenen Ordnungsgelder konnten nicht einfach auf den Dolmetscher angewendet werden, da dieser eine eigenständige Rolle im Verfahren hat und keine entsprechende Bestimmung für ihn existiert.
  • Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren (§ 473 StPO analog)
    Im Falle einer erfolgreichen Beschwerde im Strafverfahren trägt die Staatskasse die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Beschwerde des Dolmetschers gegen das Ordnungsgeld vollständig erfolgreich war, musste die Staatskasse die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens tragen, nicht der Dolmetscher.

Das vorliegende Urteil


LG Nürnberg-Fürth – Az.: 12 Qs 57/22 – Beschluss vom 17.10.2022


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