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Zeugnisverweigerungsrecht eines Arztes und eines Arzthelfers – Umfang

Streit um ärztliche Schweigepflicht vor Gericht

Das Oberlandesgericht Köln hob den Beschluss über ein Ordnungsgeld gegen eine Arzthelferin auf, da sie berechtigterweise ihr Zeugnis unter Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht verweigerte. Diese Entscheidung berücksichtigte die ärztliche Schweigepflicht und die Tatsache, dass die Fragestellung des Gerichts möglicherweise Rückschlüsse auf ein Arzt-Patienten-Verhältnis zulassen würde.

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Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte des Urteils:

  1. Verfahrensbeteiligte: Arzthelferin in einem Fall von gewerbs- und bandenmäßigem Betrug.
  2. Beweisantrag: Verteidigung wollte die Arzthelferin und weitere Praxismitarbeiterinnen als Zeugen.
  3. Problem: Zeugenaussage könnte gegen die ärztliche Schweigepflicht verstoßen.
  4. Teilweise Entbindung: Angeklagter B entband die Ärzte teilweise von der Schweigepflicht, jedoch blieben Unklarheiten bezüglich des Umfangs.
  5. Zeugnisverweigerungsrecht: Arzthelferin berief sich auf ihr Recht, das Zeugnis zu verweigern.
  6. Ordnungsgeldbeschluss: Ursprünglich wurde ein Ordnungsgeld gegen die Arzthelferin verhängt.
  7. Aufhebung des Beschlusses: OLG Köln hob diesen Beschluss auf, da das Zeugnisverweigerungsrecht greift.
  8. Kostentragung: Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Im Zentrum der rechtlichen Betrachtung steht das Zeugnisverweigerungsrecht in der medizinischen Praxis, ein grundlegendes Prinzip, das sowohl für Ärzte als auch für medizinisches Fachpersonal wie Arzthelfer gilt. Diese rechtliche Norm stellt sicher, dass Informationen, die im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses ausgetauscht werden, vertraulich bleiben und nur unter bestimmten Umständen offenbart werden dürfen. Dieses Recht ist besonders relevant, wenn medizinisches Personal in gerichtlichen Verfahren als Zeugen aufgerufen wird und dabei gefordert ist, über Umstände auszusagen, die in direktem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und dem Wohl ihrer Patienten stehen.

Die zentrale Frage, die sich in solchen Fällen stellt, betrifft den Umfang und die Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht sowie deren Auswirkungen auf gerichtliche Prozesse. Es muss sorgfältig abgewogen werden, inwieweit die Offenlegung von Patienteninformationen im Kontext eines Gerichtsverfahrens zulässig ist, insbesondere wenn es um Beweismittel geht, die für den Ausgang eines Verfahrens relevant sein könnten. Die Abgrenzung, welche Informationen unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen und welche nicht, ist oftmals eine diffizile und komplexe juristische Herausforderung.

Der Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts im medizinischen Kontext

Im einem kürzlich vor dem Oberlandesgericht Köln verhandelten Falles stand das Zeugnisverweigerungsrecht einer Arzthelferin, die in einer Gemeinschaftspraxis tätig war. Die Auseinandersetzung entstand im Rahmen eines Strafverfahrens wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs, an dem unter anderem ein Arzt, Dr. H, beteiligt war. Interessant wurde es, als der Verteidiger des Mitangeklagten B in der Hauptverhandlung einen Beweisantrag stellte, der die Vernehmung der Arzthelferin und weiterer Mitarbeiterinnen der Praxis vorsah. Ziel war es, bestimmte Tatsachen zu klären, insbesondere das Verhältnis zwischen den Angeklagten Dr. H und B.

Die ärztliche Schweigepflicht im Spannungsfeld der Justiz

Eine Schlüsselrolle spielte dabei die ärztliche Schweigepflicht. Der Vorsitzende des Gerichts wies darauf hin, dass eine Vernehmung der Beschwerdeführerin problematisch sein könnte, da sie möglicherweise gegen die Schweigepflicht verstoßen würde. Daraufhin erklärte der Angeklagte B, dass er die Ärzte von ihrer Schweigepflicht in dem Umfang entbinden würde, der für das Verfahren notwendig sei. Dies schloss insbesondere ein, dass er als Patient die Praxis aufgesucht hatte und Kontakt zu Dr. H unterhielt.

Schwierige Abwägung zwischen Patientenschutz und Gerichtsinteressen

In der Hauptverhandlung wurde die Beschwerdeführerin als Zeugin vernommen, wobei der Vorsitzende sie auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam machte. Dieses Recht bezieht sich auf Fragen, die die Heilbehandlung individualisierbarer Patienten betreffen. Trotz der teilweisen Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch den Angeklagten B, verweigerte die Beschwerdeführerin die Beantwortung einer spezifischen Frage, die das Mitführen von Krankenversicherungskarten anderer Personen durch den Angeklagten B betraf. Dies führte zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen sie, da das Gericht annahm, sie verweigere das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund.

Rechtliche Würdigung und Urteilsfindung am Oberlandesgericht Köln

Das Oberlandesgericht Köln setzte sich in seiner Entscheidung intensiv mit der Frage auseinander, ob die Verweigerung der Aussage durch die Beschwerdeführerin gerechtfertigt war. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass der konkrete Sachverhalt unter das Zeugnisverweigerungsrecht fiel, da er Rückschlüsse auf ein Arzt-Patienten-Verhältnis zulassen könnte. Das Gericht erkannte an, dass die Frage nach den Krankenversicherungskarten anderer Personen möglicherweise Informationen über die ärztliche Behandlung offenbaren könnte. Demnach wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin berechtigterweise das Zeugnis verweigert hatte, und der angefochtene Beschluss über das Ordnungsgeld wurde aufgehoben.

In diesem Fall zeigt sich die Komplexität der juristischen Bewertung von ärztlicher Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht im Kontext eines Strafverfahrens. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu schützen, selbst wenn dies Herausforderungen für die Strafverfolgung mit sich bringt.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was genau umfasst das Zeugnisverweigerungsrecht eines Arzthelfers und welche Grenzen hat dieses Recht?

Das Zeugnisverweigerungsrecht eines Arzthelfers in Deutschland ist ein wichtiger Aspekt des Rechtssystems und dient dem Schutz der Privatsphäre von Patienten. Es ist in der Strafprozessordnung (StPO) verankert und ermöglicht es Arzthelfern, in bestimmten Situationen die Aussage vor Gericht oder anderen staatlichen Stellen zu verweigern.

Der Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts eines Arzthelfers ist umfassend und schützt alle Bereiche des jeweils geschützten Vertrauensverhältnisses. Es gilt unabhängig von der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, erfordert jedoch eine konkrete Zuordnung zu einem Hauptberufsträger, in diesem Fall dem Arzt. Das Zeugnisverweigerungsrecht ist ein Recht, keine Pflicht, und ob davon Gebrauch gemacht wird, unterliegt der freien Entscheidung des Berechtigten.

Die Grenzen dieses Rechts sind jedoch klar definiert. Nicht von einem Zeugnisverweigerungsrecht umfasst sind Tatsachen, von denen der Arzt bzw. der Arzthelfer Kenntnis erlangt hat, die aber nicht im Zusammenhang mit einem Behandlungsverhältnis stehen. Beispielsweise, wenn der Arzthelfer bei einem ärztlichen Zwecken dienenden Besuch des Patienten beobachtet, dass dieser auch Krankenversicherungskarten weiterer Personen bei sich führt.

Die Rechtsgrundlagen für das Zeugnisverweigerungsrecht eines Arzthelfers sind in den §§ 53 Abs. 1 Nr. 3 und 53a StPO festgelegt. Diese Regelungen gewähren dem Arzthelfer ein abgeleitetes Zeugnisverweigerungsrecht, das sich auf seine Tätigkeit in der Arztpraxis bezieht.

Es sollte jedoch beachtet werden, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nicht das gleiche ist wie die Schweigepflicht. Auch wenn ein Arzthelfer das Recht hat, die Aussage zu verweigern, besteht trotzdem eine Schweigepflicht, die auch dann gilt, wenn kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht.

Bis zu welchem Umfang gilt die ärztliche Schweigepflicht und welche Informationen fallen nicht darunter?

Die ärztliche Schweigepflicht ist ein grundlegender Aspekt des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient. Sie verpflichtet Ärzte, über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut wurde oder bekannt geworden ist, zu schweigen. Dies gilt auch über den Tod des Patienten hinaus. Die Rechtsgrundlage ist § 203 Strafgesetzbuch (StGB) in Verbindung mit § 9 der Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte (MBO).

Die Schweigepflicht umfasst nicht nur die Art der Krankheit und ihren Verlauf, sondern auch Anamnese, Diagnose, Therapiemaßnahmen, Prognose, psychische Auffälligkeiten und körperliche Befunde. Sie gilt auch gegenüber anderen, nicht unmittelbar an der Behandlung beteiligten Ärzten, den Angehörigen des Patienten und den Angehörigen des Arztes.

Es gibt jedoch Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht. Eine davon ist die Einwilligung des Patienten. Voraussetzung dafür ist, dass der Patient nach außen erkennbar eingewilligt hat, einwilligungsfähig ist und das beeinträchtigte Rechtsgut seiner Disposition unterliegt. Weitere Ausnahmen sind gesetzliche Offenlegungspflichten und Befugnisse, wie die Anzeige geplanter Straftaten oder die Beratung und Übermittlung von Informationen bei Kindeswohlgefährdung.

Die Schweigepflicht gilt nicht für Informationen, die der Arzt außerhalb der Behandlung zufällig wahrnimmt, etwa eine Schlägerei auf dem Krankenhausflur oder auf dem Besucherparkplatz.

Die ärztliche Schweigepflicht unterliegt auch den Mitarbeitern des Arztes und den Personen, die zur Vorbereitung auf den Arztberuf tätig sind.

Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht kann strafrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen haben, einschließlich Geld- oder Freiheitsstrafen.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: III-2 Ws 772/16 – Beschluss vom 19.12.2016

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie der darin entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Die 6. große Strafkammer des Landgerichts Köln verhandelt in dem Verfahren 106 KLs 3/15 wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs u.a. gegen den Arzt Dr. H. Die Beschwerdeführerin ist in der von dem Angeklagten mit Dr. T2 in L betriebenen Gemeinschaftspraxis als Arzthelferin tätig. Der Verteidiger des Mitangeklagten B stellte in der Hauptverhandlung vom 24.06.2016 einen Beweisantrag auf Vernehmung der Beschwerdeführerin sowie weiterer Arzthelferinnen der vorbezeichneten Praxis zu der Tatsache, dass sich die Angeklagten Dr. H und B ausschließlich gesiezt hätten. Der Vorsitzende wies den Angeklagten B trotz des Umstandes, dass dieser im Rahmen seiner Einlassung angegeben hatte, dass er Patient in der vorgenannten Arztpraxis gewesen und diese Praxis deshalb über Jahre immer wieder aufgesucht habe, darauf hin, dass die Vernehmung der Beschwerdeführerin sowie der übrigen Arzthelferinnen mit Blick auf § 53a StPO ohne Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht seitens des Angeklagten B problematisch sein dürfte. Ausweislich des Protokollentwurfs vom 24.06.2016 möge der Angeklagte B überlegen, die Ärzte vorsorglich von ihrer Schweigepflicht zumindest insoweit zu entbinden, dass den Beweisanträgen nachgegangen werden könnte. Zum Inhalt der Entbindung gehöre hierzu zumindest der Umstand, dass der Angeklagte die Arztpraxis des Dr. H als Patient wiederholt aufgesucht und dort entsprechend Kontakt zu Dr. H gehabt habe. In der Folge hat der Angeklagte B nach Rücksprache mit seinen Verteidigern eine Entbindung der Ärzte Dr. H und Dr. T2 von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht in dem vom Vorsitzenden dargelegten Umfang erklärt.

In der Hauptverhandlung vom 09.11.2016 wurde die im Beistand von Rechtsanwältin Dr. T erschienene Beschwerdeführerin als Zeugin vernommen. Im Rahmen der Belehrung wies der Vorsitzende die Beschwerdeführerin u.a. auch darauf hin, dass sie als Berufshelferin grundsätzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich solcher Fragen habe, welche die Heilbehandlung von individualisierbaren Patienten, zu denen gegebenenfalls auch Mitangeklagte gehören könnten, beträfen. Zugleich wurde die Beschwerdeführerin über die partielle Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch den Angeklagten B informiert. Im Rahmen der anschließenden Vernehmung stellte der Vorsitzende u.a. die Frage, ob es Situationen gegeben habe, in denen der Angeklagte B Krankenversicherungskarten anderer Personen, deren Namen nicht interessierten, in der Praxis dabei gehabt habe. Diese Frage wurde vom Zeugenbeistand sowie der Verteidigung der Angeklagten B und Dr. H beanstandet, da die Frage unter das Zeugnisverweigerungsrecht falle. Nachdem die Frage durch Beschluss der Kammer zugelassen worden war, wurde die Beschwerdeführerin über die Pflicht zur Beantwortung der Frage sowie den Folgen einer Verweigerung belehrt. Da die Beschwerdeführerin die Beantwortung der Frage auch weiterhin verweigerte, beantragte der Vertreter Staatsanwaltschaft im Rahmen der eröffneten Stellungnahmemöglichkeit die Verhängung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 250 €. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin erneut erklärte, dass sie die Frage nicht beantworten werde, hat die Strafkammer gemäß Anl. 3 des Protokollentwurfs vom 09.11.2016 beschlossen, dass der Beschwerdeführerin die durch ihre Verweigerung des Zeugnisses verursachten Kosten auferlegt werden. Zudem wurde gegen sie ein Ordnungsgeld i.H.v. 250 €, ersatzweise je 50 € ein Tag Ordnungshaft verhängt.

Gegen den verkündeten Ordnungsgeldbeschluss hat die Beschwerdeführerin durch Schriftsatz ihres Zeugenbeistands vom 10.11.2016 Beschwerde eingelegt, welche sie mit Schriftsatz vom 21.11.2016 begründet hat. Die 6. große Strafkammer des Landgerichts Köln hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.11.2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageverfügung vom 18.11.2016 beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen, wobei sie ihren Antrag mit Verfügung vom 06.12.2016 ergänzend begründet hat.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt die Beschwerde zur Aufhebung des angefochtenen Ordnungsgeldbeschlusses.

Gemäß § 70 Abs. 1 S. 1 StPO sind einem Zeugen, der das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert, die durch die Weigerung verursachten Kosten aufzuerlegen. Zugleich ist gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen, § 70 Abs. 1 S. 2 StPO. Hiernach hat das Gericht die Anordnung des Ordnungsgeldes vorzunehmen, um ein ohne gesetzlichen Grund verweigertes Zeugnis zu erzwingen. Ohne gesetzlichen Grund verweigert der Zeuge die Aussage, wenn ihm kein Weigerungsrecht nach §§ 52 ff. StPO zusteht. Die Maßnahme ist dazu bestimmt, den Ungehorsam des Zeugen zu brechen. Dabei ist sowohl die Aufklärungspflicht des Gerichts als aber auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BVerfG-NStZ 2001, 257).

Wie die zuständige Strafkammer in der Nichtabhilfeentscheidung vom 15.11.2016 zunächst zutreffend ausgeführt hat, steht der Beschwerdeführerin ein abgeleitetes Zeugnisverweigerungsrecht aus ihrer Tätigkeit als Arzthelferin in der Arztpraxis Dr. H/Dr. T2 betreffend das Angeklagten B gemäß §§ 53 Abs. 1 Nr. 3, 53a Abs. 1 StPO zu. Das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt sich dabei grundsätzlich auf alles, was dem Arzt in seiner Eigenschaft bei der Untersuchung oder Heilbehandlung anvertraut oder bekannt geworden ist (vgl.: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 53 Rn. 18). Dazu gehört neben der Identität des Patienten auch die Tatsache seiner Behandlung (BGHSt 33, 148, 151; OLG Hamm-NStZ 2010, 164; KK-Senge, StPO, 7. Aufl. 2013, § 53 Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt sich insofern auch auf die Anbahnung des Beratungs- und Behandlungsverhältnisses, z.B. auf die Begleitumstände einer Krankenhausaufnahme eines Patienten (BGH, a.a.O.) bzw. darauf, ob überhaupt ein Behandlungsverhältnis bestanden hat (BGH-JZ, 2000, 683). Nicht von einem Zeugnisverweigerungsrecht umfasst sind hingegen Tatsachen, von denen der Arzt bzw. dessen Gehilfen zwar bei Gelegenheit der Berufsausübung erfahren haben, insofern jedoch nicht in der Eigenschaft als Arzt bzw. Gehilfe/in des Arztes (OLG Hamm-NStZ 2010, 164).

Die vorliegend in Rede stehende Frage des Strafkammervorsitzenden, ob es Situationen gegeben habe, in denen der Angeklagte B Krankenversicherungskarten anderer Personen, deren Namen nicht von Interesse seien, in der Praxis dabei gehabt habe, unterfällt nach Ansicht des Senats dem Zeugnisverweigerungsrecht des so genannten Hauptberufsträgers gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, von dem sich das Schweigerecht der Beschwerdeführerin als Hilfsperson gemäß 53a Abs. 1 StPO ableitet (BGHSt 9, 59, 61; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 53a, Rn. 7). Die Beantwortung der Frage würde die Anbahnung bzw. – auf der Grundlage der Ausführungen der Strafkammer – ggf. auch die Fortsetzung eines Arzt-Patienten-Verhältnisses betreffen und damit vorliegend Rückschlüsse auf eine ärztliche Behandlung bzw. dessen Umfang zulassen. Auch wenn das Mitführen von Krankenversicherungskarten anderer Personen mit der Patienteneigenschaft des Angeklagten B in keinem unmittelbarem Zusammenhang stehen dürfte, würde sich die Beantwortung der Frage vorliegend nicht allein auf Gesichtspunkte beschränken, die erkennbar außerhalb des Arzt-Patienten-Verhältnisses liegen. Es erscheint möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dass der Angeklagte B die ärztliche Praxis, die er bereits in der Vergangenheit als Patient aufgesucht hatte, neben einem ggf. strafrechtlichen relevanten Anlass (auch) zu Zwecken bzw. aus Anlass einer ärztlichen Behandlung aufgesucht hat. Nach der Ansicht des Senats ist daher eine sichere Abgrenzung zwischen einer ausschließlich der ärztlichen Behandlung dienenden Kontaktaufnahme zu dem Mitangeklagten Dr. H sowie einem davon zu unterscheidenden und ausschließlich zur Vornahme strafbarer Betrugshandlungen bezweckten Besuch nicht möglich, wofür letztlich u.a. auch die Hinweiserteilung des Vorsitzenden an die Verteidigung des Angeklagten B sprechen dürfte, wonach die unter dem 24.06.2016 beantragte Vernehmung der Zeuginnen I, N und T2 ohne Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht problematisch sein dürfte. Ein funktionaler Zusammenhang der Kontaktaufnahme des Angeklagten B mit der Tätigkeit des Mitangeklagten Dr. H als Arzt bzw. der Beschwerdeführerin als seiner Gehilfin kann daher vorliegend nicht ausgeschlossen werden.

Ob die hier in Rede stehende Frage des Vorsitzenden an die Beschwerdeführerin von der partiellen Schweigepflichtentbindung des Angeklagten B noch umfasst war, erscheint fraglich. Nach den Ausführungen der zuständigen Strafkammer in der Nichtabhilfeentscheidung vom 15.11.2016, welche sich auf den Protokollentwurf der Hauptverhandlung vom 24.06.2016 bezieht, spricht viel dafür, dass der Angeklagte B die Ärzte der Praxis Dr. H und Dr. T2 und damit die Beschwerdeführerin als Berufshelferin lediglich insoweit von der Verschwiegenheitspflicht entbinden wollte, wie dies zur Beweiserhebung im Bezug auf den Beweisantrag vom 24.06.2016 notwendig erschien. Die im Protokollentwurf dokumentierte partielle Schweigepflichtentbindung umfasst das wiederholte Aufsuchen der Arztpraxis des Angeklagten Dr. H sowie Art und Weise des entsprechenden Kontakts des Angeklagten B zu dem Mitangeklagten Dr. H. Insoweit erscheint es zumindest offen, ob die dem Beweisantrag zu Grunde liegende Frage zu der Umgangsform zwischen den Mitangeklagten auch Fragen über die vom Angeklagten B gegebenenfalls mitgeführte Gegenstände umfasste. Letztlich musste der Senat dies jedoch nicht abschließend entscheiden. Denn die Beanstandung der Verteidigung des Angeklagten B im Anschluss an die Frage des Vorsitzenden beinhaltet konkludent einen – soweit rechtlich erforderlich – teilweisen Widerruf der Schweigepflichtentbindung, so dass nach Ansicht des Senats eine wirksame Schweigepflichtbindung betreffend der hier konkret im Raum stehenden Fragestellung zumindest nicht (mehr) vorliegt. Im Hinblick auf das Fehlen einer ausreichenden Schweigepflichtentbindung war die Beschwerdeführerin berechtigt, die Frage des Vorsitzenden zu verweigern.

Dem steht nicht entgegen, dass ein etwaiges Mitführen von Krankenversicherungskarten anderer Personen bei isolierter Betrachtung mit der eigenen Patienteneigenschaft des Angeklagten B wohl nicht in einem inneren Zusammenhang stehen dürfte. Entgegen der Ansicht der Strafkammer handelt es sich insoweit allerdings um Tatsachen, die der Arzt, bzw. die Beschwerdeführerin als dessen Gehilfin im Rahmen ihrer Berufsausübung sowie als Begleitumstand des unstreitig gegebenen Arzt-Patientenverhältnisses erfahren hat. Der Senat kann wie vorstehend ausgeführt hier nicht davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin die infrage stehende Erkenntnis nur bei Gelegenheit ihrer Berufsausübung bzw. außerhalb der selbigen gemacht hat. Steht, wie vorliegend, gerade nicht fest, dass der Angeklagte B die Arztpraxis hinsichtlich der in Rede stehenden Fragestellung ohne Bezug zum ärztlichen Heilberuf aufgesucht hat, liegt eine mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 50, 6 ff) vergleichbare Fallkonstellation vor. Hat die Beschwerdeführerin z.B. bei einem ärztlichen Zwecken dienenden Besuch des Angeklagten B beobachtet, dass dieser auch Krankenversicherungskarten weiterer Personen bei sich führte, so dürften diese Erkenntnisse in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.02.1985 (2 StR 561/84 = BGHSt 33,148 ff, zitiert nach juris) als nähere Begleitumstände einer ärztlichen Inanspruchnahme von der Verschwiegenheitspflicht umfasst werden. Die Aufspaltung eines gegebenenfalls einheitlichen Geschehens in einen der ärztlichen Heilbehandlung und damit der Schweigepflicht unterfallenden sowie einen weiteren, strafrechtlich relevanten und daher von § 53 StPO nicht umfassten Teil ist nach der Ansicht des Senats in der hier gegebenen Fallkonstellation nicht möglich.

Da somit nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführerin ihr Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert hat, war die angefochtene Ordnungsgeldentscheidung aufzuheben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.

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