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Verletztenbegriff im Sinne der Nebenklagevorschriften – Prozessuale Tat (§ 264 StPO)

Ein Berliner Mordprozess nimmt eine überraschende Wendung: Eine mutige Zeugin, die bei dem Versuch, das Opfer zu schützen, selbst schwer verletzt wurde, darf nun offiziell als Nebenklägerin auftreten. Das Kammergericht Berlin entschied, dass ihre erlittenen Verletzungen ausreichen, um ihr dieses Recht zu gewähren. Damit erhält die Frau, die während der brutalen Attacke einschritt, nun eine Stimme im Verfahren gegen den mutmaßlichen Täter.

Übersicht

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ws 4/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Kammergericht Berlin
  • Datum: 17.02.2025
  • Aktenzeichen: 3 Ws 4/25 – 161 GWs 20/25
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Zeugin, die versucht hat, das Opfer zu schützen, und dabei nach eigenen Angaben verletzt wurde. Sie beantragte, als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Angeschuldigten zugelassen zu werden.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Ein Angeschuldigter griff eine Geschädigte mit einem Messer an. Eine Zeugin versuchte, die Geschädigte zu schützen und erlitt dabei nach eigenen Angaben Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft klagte den Mann wegen Mordes an der Geschädigten an, berücksichtigte aber die Verletzungen der Zeugin nicht in der Anklage. Die Zeugin beantragte daraufhin ihre Zulassung als Nebenklägerin im Mordverfahren.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Zeugin als „Verletzte“ im Sinne der Regeln zur Nebenklage zugelassen werden kann. Entscheidend war dabei, ob ihre Verletzungen Teil desselben Geschehens waren wie der angeklagte Mord, auch wenn sie nicht explizit in der Anklage benannt wurden.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht hob die ablehnende Entscheidung des Landgerichts auf. Die Zeugin wurde als Nebenklägerin zugelassen. Der Antrag auf einen beigeordneten Rechtsbeistand wurde abgelehnt.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Zulassung damit, dass die Zeugin nach vorläufiger Einschätzung als verletzte Person in Frage kommt, weil eine Verurteilung des Angeschuldigten wegen Körperverletzung denkbar ist. Ihre Verletzungen ereigneten sich im Rahmen desselben Angriffsgeschehens wie der angeklagte Mord und gehören damit zu derselben „prozessualen Tat“. Eine Beiordnung eines Rechtsbeistandes sah das Gericht nicht als erforderlich an.
  • Folgen: Die Zeugin wird als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Angeschuldigten zugelassen. Sie hat nun die Möglichkeit, sich aktiv am Verfahren zu beteiligen und kann eventuelle Schadensersatzansprüche im Verfahren geltend machen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden von der Staatskasse getragen.

Der Fall vor Gericht


Mordprozess in Berlin: Zeugin nach mutiger Rettungsaktion als Nebenklägerin zugelassen – Kammergericht stärkt Rechte von Verletzten durch § 395 StPO

Das Kammergericht Berlin hat in einem viel beachteten Beschluss vom 17. Februar 2025 (Az.: 3 Ws 4/25 – 161 GWs 20/25) entschieden, dass eine Zeugin, die bei dem Versuch, ein Mordopfer zu schützen, selbst Verletzungen erlitt, als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Täter zugelassen wird. Diese Entscheidung stellt klar, dass auch Verletzungen, die nicht explizit Teil der ursprünglichen Anklage wegen Mordes sind, zur Teilnahme als Nebenkläger berechtigen können, wenn sie im unmittelbaren Zusammenhang mit der Haupttat stehen und somit Teil derselben prozessualen Tat gemäß § 264 der Strafprozessordnung (StPO) sind.

Die brutale Tat und der mutige Einsatz der Zeugin – Ausgangslage im Mordfall H-straße

Am Abend des 28. August 2024 eskalierte eine Situation in der H-straße in Berlin auf tragische Weise. Die Staatsanwaltschaft Berlin erhob am 18. Oktober 2024 Anklage wegen Mordes gegen einen Mann. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seinem späteren Opfer aufgelauert zu haben, bewaffnet mit einem Messer. Als die Frau das Haus verließ, soll er sie überrascht, ihre eingeschränkte Verteidigungsbereitschaft ausgenutzt und sie attackiert haben. Er soll sie geschlagen und getreten haben, bis sie zu Boden fiel. Daraufhin habe er sich auf sie gesetzt, weiter auf sie eingeschlagen, sie beschimpft und geäußert, sie müsse sterben.

Angreifer mit Messer über Opfer, Zeugin versucht schützend zu intervenieren, Verletzungen sichtbar
Angreifer sticht mit Messer auf Opfer, Zeugin verletzt sich bei Rettungsversuch – dramatischer Angriff auf der Straße. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Dem Opfer gelang kurzzeitig die Flucht, wobei zwei andere Zeugen versuchten einzugreifen und um Hilfe riefen. Der Angeklagte holte die Frau jedoch wieder ein, versetzte ihr einen weiteren Tritt und stach laut Anklage dreimal mit dem Messer in ihre Brust, wobei ein Stich das Herz traf. In diesem dramatischen Moment griff die spätere Antragstellerin für die Nebenklage, eine Zeugin namens Dr. Z, ein. Sie legte sich mit ihrem Körper schützend über das bereits tödlich verletzte, am Boden liegende Opfer. Trotz dieses mutigen Einsatzes gelang es dem Angeklagten laut Anklageschrift, dem Opfer einen weiteren Messerstich in den Oberschenkel und mehrere wuchtige Tritte gegen den Kopf zu versetzen. Anschließend ließ er von der Frau ab, beobachtete die Rettungsversuche und soll geäußert haben, sie habe es nicht verdient zu leben und er habe aus Gründen seiner Ehre so handeln müssen. Das Opfer verstarb trotz sofortiger Reanimationsmaßnahmen. Das Landgericht Berlin hatte diese Anklage am 5. Dezember 2024 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.

Verletzungen der Helferin und der juristische Kampf um Anerkennung als Nebenklägerin nach § 395 StPO

Die mutige Zeugin, die sich schützend über das Opfer gelegt hatte, beantragte am 15. Januar 2025 ihre Zulassung als Nebenklägerin im Strafverfahren. Gleichzeitig ersuchte sie um die Beiordnung eines Rechtsbeistandes. Ihre Begründung: Sie sei bei der Tatausführung ebenfalls erheblich verletzt worden. Konkret nannte sie Abschürfungen, einen Dreifachbruch im linken Kniegelenk und Prellungen. Diese Verletzungen wollte sie auch im Rahmen eines sogenannten Adhäsionsverfahrens geltend machen, bei dem Schadensersatzansprüche direkt im Strafprozess verfolgt werden können.

Das Landgericht Berlin lehnte diese Anträge jedoch mit Beschluss vom 27. Januar 2025 ab. Die Begründung des Landgerichts war, dass die Zeugin durch die angeklagte Tat – den Mord – nicht unmittelbar verletzt worden sei. Zudem habe sie keinen Strafantrag wegen ihrer eigenen Verletzungen gestellt. Die Staatsanwaltschaft habe aufgrund ihrer zeugenschaftlichen Angaben davon abgesehen, ein gesondertes Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten wegen der Verletzungen der Zeugin einzuleiten.

Beschwerde der Zeugin und die Position der Generalstaatsanwaltschaft zum einheitlichen Tatgeschehen gemäß § 264 StPO

Gegen diesen ablehnenden Beschluss legte die Zeugin bereits am 29. Januar 2025 Beschwerde ein. Sie untermauerte ihre Argumentation, indem sie auf die Ermittlungsakte und ein ärztliches Attest vom 23. Januar 2025 verwies. Dieses Attest listete multiple Schlag- und oberflächliche Stichverletzungen auf. Sie betonte, dass die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse an der Verfolgung der gegen sie gerichteten Taten hätte feststellen müssen und sie sehr wohl als Verletzte im Sinne der Nebenklagevorschriften anzusehen sei.

Das Landgericht half dieser Beschwerde nicht ab, was bedeutet, dass es bei seiner ursprünglichen Entscheidung blieb. Inzwischen hatte die Hauptverhandlung in dem Mordprozess bereits begonnen. Daraufhin nahm die Generalstaatsanwaltschaft Berlin Stellung und beantragte am 10. Februar 2025, den Beschluss des Landgerichts bezüglich der Nichtzulassung der Nebenklage aufzuheben. Die Generalstaatsanwaltschaft argumentierte, dass bei einem einheitlichen Tatgeschehen im Sinne des § 264 der Strafprozessordnung (StPO) der Anschluss als Nebenkläger auch dann möglich sei, wenn nur das schwerwiegendere Delikt (hier der Mord, ein sogenanntes Offizialdelikt, das von Amts wegen verfolgt wird) angeklagt ist. Im konkreten Fall bestehe der Tatverdacht einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) zum Nachteil der Zeugin, was ebenfalls ein Offizialdelikt darstelle.

Entscheidung des Kammergerichts Berlin: Zeugin darf als Nebenklägerin am Mordprozess teilnehmen

Das Kammergericht Berlin fällte am 17. Februar 2025 eine klare Entscheidung:

  1. Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. Januar 2025 wurde aufgehoben.
  2. Die Zeugin wurde als Nebenklägerin zugelassen.
  3. Die Beschwerde hinsichtlich der Beiordnung eines Rechtsbeistandes wurde jedoch verworfen.
  4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Zeugin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt.

Damit folgte das Kammergericht im Wesentlichen der Argumentation der Zeugin und der Generalstaatsanwaltschaft und ermöglichte ihr die aktive Teilnahme am Strafverfahren gegen den Angeklagten.

Begründung des Kammergerichts: Verletzungen der Zeugin Teil der prozessualen Tat nach § 264 StPO

Das Kammergericht Berlin begründete seine Entscheidung ausführlich. Zentral war die Feststellung, dass die Zeugin nach vorläufiger Würdigung als verletzte Person einer rechtswidrigen Tat, nämlich einer vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 StGB) oder sogar einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB), anzusehen ist und ihr daher gemäß § 395 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO die Befugnis zur Nebenklage zusteht.

Das Gericht betonte, dass für die Zulassung als Nebenklägerin bereits die Möglichkeit ausreicht, dass der Angeklagte wegen einer Tat verurteilt werden könnte, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Es sei hierfür weder ein dringender noch ein hinreichender Tatverdacht erforderlich. Selbst eine geringe Wahrscheinlichkeit genügt. Diese Beurteilung müsse unabhängig davon erfolgen, wie die Staatsanwaltschaft die Tat in der Anklageschrift rechtlich bewertet hat oder ob das Gericht im Eröffnungsbeschluss die Voraussetzungen für eine solche Nebenklagestraftat bejaht oder verneint hat.

Entscheidend sei, so das Kammergericht, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen und die daraus resultierenden Verletzungen der Zeugin Teil derselben prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO sind. Dieser Begriff der „prozessualen Tat“ umschreibt einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang. Das Gericht ist verpflichtet, diesen gesamten Lebenssachverhalt, der durch die Anklage umrissen wird, vollständig abzuurteilen. Kriterien für eine solche prozessuale Einheit sind typischerweise Tatort, Tatzeit, das äußere Erscheinungsbild der Tat (Tatbild), das Verhalten des Täters, die Angriffsrichtung und das Tatopfer.

Nach Ansicht des Senats des Kammergerichts liegt hier ein solcher einheitlicher Sachverhalt vor. Auf Grundlage der Anklageschrift, des Vortrags der Zeugin und des Akteninhalts (insbesondere der ärztlichen Atteste) bestehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher, mindestens aber vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin.

Billigend in Kauf genommene Körperverletzung und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung

Das Kammergericht führte weiter aus, dass bereits der Anklagesatz den schützenden Einsatz der Zeugin beschreibt. Dem Anklagesatz sei ebenfalls zu entnehmen, dass der Angeklagte trotz dieses Eingreifens weiterhin mit einem Messer auf das ursprüngliche Opfer einstach und ihm wuchtige Tritte gegen den Kopf versetzte. Die Aktenlage stütze dies: Die Zeugin hatte bereits am Tattag gegenüber einem Polizeibeamten leichte Verletzungen an den Unterschenkeln angegeben. In ihrem Nebenklageantrag und der Beschwerde führte sie dann, belegt durch ein Attest, weitere erhebliche Verletzungen an, darunter multiple Schlag- und oberflächliche Stichverletzungen sowie den Dreifachbruch im Knie.

In ihrer polizeilichen Vernehmung am 30. August 2024 hatte die Zeugin geschildert, dass der Angeklagte auch auf die Beine des Opfers eingestochen habe, nachdem sie sich schützend über dieses gebeugt hatte, und dass er „überall hingetreten“ habe. Sie berichtete zudem von einer kurzen Rangelei mit dem Angeklagten.

Das Gericht hielt es für naheliegend, dass die geschilderten Verletzungen der Zeugin eine Folge dieses dynamischen und aggressiven Geschehens sein können, auch wenn der Angeklagte nicht zielgerichtet sie, sondern das Mordopfer angriff. In einem solchen Geschehensablauf unter Einsatz eines Messers habe der Angeklagte, der sein Vorhaben trotz der Intervention der Zeugin fortsetzte, billigend in Kauf genommen, auch die Helferin zu verletzen. Dieses Geschehen sei untrennbarer Teil der angeklagten prozessualen Tat. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher oder gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin liege daher nicht fern, sondern sei möglich. Das Gericht könnte hierüber im laufenden Verfahren durch einen rechtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO entscheiden, ohne dass die Anklage formell erweitert werden müsste.

Auch der Einwand des Landgerichts, es fehle ein Strafantrag der Zeugin für ihre Körperverletzung (gemäß § 230 StGB), sei unbehelflich. Ein Anschluss als Nebenkläger sei auch ohne Strafantrag möglich, wenn die Tat – wie hier die Körperverletzung – wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung von Amts wegen verfolgt wird. Das mutige Eingreifen der Zeugin habe nicht bloß ihrem privaten Interesse gedient, sondern in besonderem Maße dem öffentlichen Interesse am Schutz von Rechtsgütern und der Verhinderung von Straftaten.

Kein Anspruch auf kostenlosen Rechtsbeistand für die Nebenklägerin trotz Zulassung

Obwohl die Zeugin als Nebenklägerin zugelassen wurde, lehnte das Kammergericht Berlin ihren Antrag auf Beiordnung eines kostenlosen Rechtsbeistandes gemäß § 397a StPO ab. Die Begründung hierfür ist, dass die Verletzungen, die sie erlitten hat (mögliche vorsätzliche oder gefährliche Körperverletzung nach §§ 223, 224 StGB), nicht unter die in § 397a Abs. 1 StPO explizit genannten schweren Delikte fallen, bei denen eine automatische Beiordnung eines Anwalts vorgesehen ist (wie z.B. bei versuchten Tötungsdelikten oder schweren Sexualstraftaten). Auch für eine Beiordnung nach § 397a Abs. 2 StPO, die möglich ist, wenn der Nebenkläger seine Interessen nicht ausreichend selbst wahrnehmen kann oder dies unzumutbar ist (vergleichbar mit Prozesskostenhilfe), sah das Gericht keine Anhaltspunkte. Entsprechende Umstände seien von der Zeugin weder vorgetragen worden noch aus den Akten ersichtlich.

Kostenentscheidung: Staatskasse trägt Verfahrenskosten der erfolgreichen Beschwerde

Da die Zeugin mit ihrer Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss überwiegend Erfolg hatte (Zulassung als Nebenklägerin), entschied das Kammergericht Berlin, dass die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Zeugin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat. Diese Kostenentscheidung basiert auf § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO. Das Gericht stellte klar, dass dies nicht dem Verursacherprinzip folge, da der Angeklagte an dem Verfahren über die Zulassung der Nebenklage nicht beteiligt gewesen sei und somit die Kosten nicht ihm auferlegt werden konnten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des Kammergerichts Berlin stärkt bedeutend die Rechte von Personen, die bei der Hilfeleistung für Straftatopfer selbst verletzt werden – sie können als Nebenkläger am Strafverfahren teilnehmen, auch wenn ihre Verletzungen nicht explizit Teil der ursprünglichen Anklage sind. Entscheidend ist nur, dass die Verletzungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Haupttat stehen und damit Teil derselben „prozessualen Tat“ sind, wobei bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit für einen Tatverdacht ausreicht. Dies würdigt das mutige Einschreiten zur Verhinderung von Straftaten als besonders im öffentlichen Interesse liegend und erhöht den Schutz für couragierte Helfer im Rechtssystem.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Verletztenbegriff“ im Zusammenhang mit der Nebenklage und warum ist das wichtig?

Im deutschen Strafverfahren gibt es neben der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten die Möglichkeit für bestimmte Personen, sich am Verfahren zu beteiligen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der sogenannte Verletztenbegriff. Dieser meint im juristischen Sinne nicht einfach nur jemanden, der körperlich verletzt wurde, sondern bezeichnet Personen, deren gesetzlich geschützte Rechte durch eine Straftat unmittelbar beeinträchtigt wurden.

Das Gesetz zählt bestimmte Straftaten auf, bei denen das Opfer oder in bestimmten Fällen auch dessen Angehörige als „Verletzte“ im Sinne der Strafprozessordnung gelten. Dazu gehören beispielsweise viele Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit (wie Körperverletzung), gegen die sexuelle Selbstbestimmung, aber auch bestimmte Eigentums- oder Freiheitsdelikte. Nicht bei jeder Straftat ist automatisch jemand ein „Verletzter“ im rechtlichen Sinn, der sich dem Verfahren anschließen kann. Es kommt auf die Art der Straftat an.

Besonders relevant wird der Verletztenbegriff bei schweren Straftaten. Zum Beispiel bei einem Tötungsdelikt ist das unmittelbare Opfer verstorben. Das Gesetz erkennt hier jedoch an, dass auch die engen Angehörigen (wie Eltern, Kinder, Ehepartner oder Geschwister) durch die Tat in ihren eigenen Rechten oder Rechtsgütern verletzt sind. Sie gelten in diesen Fällen ebenfalls als „Verletzte“ im Sinne des Gesetzes.

Warum ist der Verletztenbegriff für die Nebenklage wichtig?

Der Verletztenbegriff ist der entscheidende Schlüssel zur Möglichkeit, als Nebenkläger im Strafverfahren aufzutreten. Nur wer vom Gesetz als „Verletzter“ der betreffenden Straftat anerkannt ist, hat grundsätzlich das Recht, sich dem öffentlichen Strafverfahren der Staatsanwaltschaft anzuschließen und als Nebenkläger teilzunehmen.

Die Nebenklage ermöglicht dem Verletzten eine aktivere Rolle im Verfahren, die über die reine Zeugenrolle hinausgeht. Ein Nebenkläger hat beispielsweise das Recht:

  • Bei der Hauptverhandlung anwesend zu sein, auch wenn er als Zeuge vernommen wird.
  • Fragen an Zeugen, Sachverständige und den Angeklagten zu stellen.
  • Beweisanträge zu stellen.
  • Eigene Erklärungen abzugeben.
  • Ein Plädoyer zu halten (eine eigene Sichtweise auf den Fall darzulegen).
  • Unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsmittel (wie Berufung oder Revision) einzulegen.

Für Sie bedeutet das: Die gesetzliche Definition des „Verletzten“ bestimmt, wer die Möglichkeit hat, sich als Nebenkläger aktiv in das Strafverfahren einzubringen und damit über die Staatsanwaltschaft hinaus eigene Rechte im Prozess wahrzunehmen.


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Was bedeutet „prozessuale Tat“ im Sinne von § 264 StPO und wie hängt das mit der Nebenklage zusammen?

Der Begriff der „prozessualen Tat“ ist ein wichtiges Konzept im deutschen Strafverfahren, das in § 264 der Strafprozessordnung (StPO) verankert ist. Er beschreibt nicht nur eine einzelne Handlung, die angeklagt wird, sondern das gesamte historische Geschehen, das dem Angeklagten vorgeworfen wird.

Stellen Sie sich einen Vorfall vor, bei dem mehrere Dinge nacheinander oder gleichzeitig passieren, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. Die prozessuale Tat umfasst dann diesen gesamten zusammenhängenden Lebensvorgang. Dazu gehören alle Handlungen des Angeklagten, die in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und auf demselben einheitlichen Willen beruhen oder zumindest durch dasselbe Ereignis ausgelöst wurden. Auch wenn diese Handlungen rechtlich unterschiedliche Straftaten darstellen mögen, können sie unter Umständen als eine einzige prozessuale Tat betrachtet werden, sofern der Zusammenhang eng genug ist.

Warum ist die prozessuale Tat wichtig?

Die prozessuale Tat bildet den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Das Gericht darf im Urteil nur über Sachverhalte entscheiden, die zu dieser prozessualen Tat gehören. Der Anklagesatz der Staatsanwaltschaft beschreibt diese Tat.

Zusammenhang mit der Nebenklage

Für Sie als potenziellen Nebenkläger ist die prozessuale Tat deshalb wichtig, weil sie den Rahmen dafür absteckt, wer sich dem Verfahren anschließen darf. Sie können sich als Nebenkläger nur dann am Strafverfahren beteiligen, wenn Sie durch eine Straftat verletzt wurden, die zur angeklagten prozessualen Tat gehört und diese Straftat zu den im Gesetz (§ 395 StPO und weitere Vorschriften) aufgezählten Delikten zählt (z.B. Körperverletzung, Sexualdelikte, Raub, Mord etc.).

Das bedeutet: Es kommt nicht nur darauf an, ob Sie direkt durch die „Haupttat“ (also den zentralen Vorwurf, wie z.B. den Raub selbst) verletzt wurden. Wenn im Rahmen desselben Geschehens, also derselben prozessualen Tat (z.B. bei der Flucht nach dem Raub), eine weitere strafbare Handlung stattfindet, die Sie verletzt, und diese Verletzung durch ein Delikt verursacht wurde, das eine Nebenklage zulässt, dann kann auch diese Verletzung ausreichen, um Sie als Nebenkläger zuzulassen.

Entscheidend ist also der enge sachliche Zusammenhang der einzelnen Handlungen innerhalb der prozessualen Tat. Wenn Ihre Verletzung durch ein Ereignis verursacht wurde, das Teil dieses zusammenhängenden Geschehens ist und die Art der Verletzung (bzw. die zugrundeliegende Straftat) im Gesetz für die Nebenklage vorgesehen ist, kann dies Ihren Anspruch auf Beteiligung am Verfahren begründen.


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Welche Rechte habe ich als Nebenkläger in einem Strafprozess?

Als Nebenkläger in einem Strafverfahren haben Sie eine besondere Stellung, die es Ihnen ermöglicht, aktiv am Prozess teilzunehmen und Ihre Interessen zu vertreten. Diese Rolle ist Opfern bestimmter Straftaten vorbehalten, beispielsweise bei Gewaltdelikten oder Sexualstraftaten. Durch die Nebenklage erhalten Sie Beteiligungsrechte, die über die reine Zeugenrolle hinausgehen.

Möglichkeiten der Beteiligung und Einflussnahme

Als Nebenkläger sind Sie nicht nur Zuschauer, sondern können das Verfahren in gewissem Umfang mitgestalten. Zu Ihren wichtigsten Rechten gehören:

  • Anwesenheit in der Hauptverhandlung: Sie dürfen während der gesamten öffentlichen Gerichtsverhandlung anwesend sein. Dies gilt auch für Teile der Verhandlung, bei denen Zeugen oder der Angeklagte vernommen werden. So können Sie den gesamten Prozessablauf direkt mitverfolgen.
  • Akteneinsicht: Sie haben das Recht, die vollständigen Ermittlungs- und Gerichtsakten einzusehen. Das bedeutet, Sie können alle gesammelten Informationen, Aussagen, Gutachten und Beweismittel prüfen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Dies verschafft Ihnen einen umfassenden Überblick über den Sachverhalt und den Stand des Verfahrens.
  • Fragerecht: Sie sind berechtigt, dem Angeklagten, den Zeugen und den Sachverständigen Fragen zu stellen. Dieses Recht ist zentral, um Ihre Sicht der Dinge einzubringen, Widersprüche aufzudecken oder wichtige Details aus Ihrer Perspektive klären zu lassen.
  • Antragsrecht: Sie können eigene Anträge an das Gericht stellen. Dazu gehört beispielsweise der Antrag auf Erhebung bestimmter Beweismittel, wie die Vernehmung weiterer Zeugen oder die Einholung eines zusätzlichen Gutachtens. Auch Verfahrensanträge, etwa zur Durchführung einer Konfrontation, sind möglich.
  • Recht auf Rechtsmittel: Unter bestimmten Voraussetzungen haben Sie das Recht, gegen das Urteil des Gerichts Rechtsmittel einzulegen, wie zum Beispiel Berufung oder Revision. Dies ermöglicht Ihnen, das Urteil von einem höheren Gericht überprüfen zu lassen, falls Sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind.

Diese Rechte geben Ihnen als Nebenkläger die Möglichkeit, aktiv an der Wahrheitsfindung mitzuwirken und sicherzustellen, dass Ihre Belange im Strafverfahren berücksichtigt werden. Sie können so einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung der Straftat leisten und Ihre Position im Verfahren stärken.


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Was ist ein Adhäsionsverfahren und wie kann ich es nutzen, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen?

Das Adhäsionsverfahren ist eine besondere Möglichkeit für Menschen, die durch eine Straftat verletzt wurden, ihre zivilrechtlichen Ansprüche direkt im Strafverfahren gegen den Täter geltend zu machen.

Stellen Sie sich vor, jemand beschädigt mutwillig Ihr Auto. Das ist eine Straftat (Sachbeschädigung), die im Strafverfahren verfolgt wird. Gleichzeitig haben Sie einen finanziellen Schaden, weil das Auto repariert werden muss – das ist ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz.

Normalerweise müssten Sie nach dem Strafverfahren ein separates Zivilverfahren anstrengen, um diesen Schadensersatz vom Täter zu bekommen. Das bedeutet einen zweiten Prozess mit zusätzlichem Aufwand.

Was bedeutet Adhäsionsverfahren konkret?

Das Adhäsionsverfahren klebt sozusagen Ihren zivilrechtlichen Anspruch an das Strafverfahren. Ihr Anspruch wird dann gemeinsam mit der Frage der strafrechtlichen Schuld des Täters vom Strafgericht verhandelt und entschieden.

Für Sie als Verletzten bedeutet das, dass Sie Ihren Anspruch auf Schadensersatz (zum Beispiel Reparaturkosten) oder Schmerzensgeld (für erlittene körperliche oder seelische Schäden) direkt im Strafprozess geltend machen können. Sie müssen dafür einen Antrag stellen.

Wie kann ich das Adhäsionsverfahren nutzen?

Sie als Person, die durch die Straftat geschädigt wurde, können einen Antrag auf Durchführung des Adhäsionsverfahrens stellen. Dieser Antrag muss den Anspruch (was genau fordern Sie, z.B. 500 Euro Reparaturkosten) und den Grund dafür (die Straftat und der dadurch entstandene Schaden) enthalten.

Der Antrag kann vor Beginn der Hauptverhandlung oder auch noch während der Hauptverhandlung gestellt werden.

Das Strafgericht prüft dann nicht nur, ob der Angeklagte die Straftat begangen hat, sondern auch, ob und in welcher Höhe Ihnen durch diese Straftat ein Schaden entstanden ist und ob der Angeklagte diesen Schaden ersetzen muss.

Welche Vorteile und Grenzen gibt es?

Der Hauptvorteil des Adhäsionsverfahrens liegt oft darin, dass es einfacher und schneller sein kann als ein separates Zivilverfahren. Sie müssen nicht nochmals alle Beweise vorbringen, die im Strafverfahren ohnehin schon erhoben wurden.

Allerdings hat das Adhäsionsverfahren auch Grenzen. Das Strafgericht kann Ihren Anspruch nur im Adhäsionsverfahren entscheiden, wenn die Sache verhältnismäßig einfach ist und die Entscheidung über den zivilrechtlichen Anspruch das Strafverfahren nicht zu sehr in die Länge ziehen oder kompliziert machen würde. Wenn Ihr Anspruch oder die Beweisführung dazu sehr aufwendig ist, kann das Gericht den Antrag ablehnen und Sie auf den zivilrechtlichen Weg verweisen.

Zusammenfassend ermöglicht das Adhäsionsverfahren, dass Sie bestimmte finanzielle Ansprüche, die direkt aus einer Straftat entstanden sind, ohne ein eigenes Zivilverfahren im Rahmen des bestehenden Strafprozesses geltend machen können, um Ihren Schaden ersetzt zu bekommen.


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Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Zulassung als Nebenkläger abgelehnt wurde?

Wenn das Gericht Ihren Antrag, sich dem Strafverfahren als sogenannter Nebenkläger anzuschließen, abgelehnt hat, bedeutet das, dass Sie zunächst nicht in dieser besonderen Rolle am Verfahren teilnehmen können. Das Gesetz sieht jedoch eine Möglichkeit vor, diese Entscheidung überprüfen zu lassen.

Dieser rechtliche Schritt wird Beschwerde genannt. Mit einer Beschwerde bitten Sie ein höheres Gericht oder das Gericht selbst in anderer Besetzung, die Ablehnung Ihres Antrags noch einmal zu prüfen.

Für diese Beschwerde gibt es in der Regel eine kurze Frist, die Sie unbedingt beachten müssen. Typischerweise beträgt diese Frist eine Woche. Die Frist beginnt zu laufen, sobald Ihnen die Entscheidung des Gerichts schriftlich mitgeteilt wurde. Es ist wichtig, die Beschwerde innerhalb dieser Zeit beim Gericht einzureichen, das die Ablehnung ausgesprochen hat.

In Ihrer Beschwerde sollten Sie darlegen, warum Sie die Ablehnung für nicht richtig halten. Sie erklären, warum Sie der Meinung sind, dass in Ihrem Fall die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung als Nebenkläger erfüllt sind.

Das Gericht, das Ihren Antrag abgelehnt hat, prüft die Beschwerde zuerst selbst. Hält es seine ursprüngliche Entscheidung weiterhin für richtig, legt es die Sache dem nächsthöheren Gericht vor. Dieses höhere Gericht entscheidet dann endgültig über Ihre Beschwerde. Es kann die Ablehnung entweder bestätigen oder aufheben, wodurch Sie dann doch als Nebenkläger zugelassen würden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Nebenkläger

Ein Nebenkläger ist eine Person, die im Strafverfahren neben der Staatsanwaltschaft als Beteiligter auftreten darf, weil sie durch die Straftat selbst verletzt wurde oder unmittelbar betroffen ist. Anders als Zeugen haben Nebenkläger bestimmte Mitwirkungsrechte, z.B. das Recht, Fragen zu stellen, Beweisanträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (§ 395 StPO). Die Nebenklage ermöglicht es dem Verletzten, seine Interessen im Verfahren aktiv zu vertreten und die Strafverfolgung zu unterstützen.

Beispiel: In einem Mordprozess kann eine Zeugin, die bei ihrer Rettungsaktion verletzt wurde, als Nebenklägerin zugelassen werden, um auch ihre Verletzung durch den verurteilten Täter verfolgen zu können.


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Prozessuale Tat (gemäß § 264 StPO)

Die prozessuale Tat umfasst den gesamten zusammenhängenden Geschehensablauf, der dem Angeklagten vorgeworfen wird, also alle Handlungen und Ereignisse, die zeitlich und räumlich eng zusammenhängen und aus einer einheitlichen Handlung oder einem einheitlichen Tatplan resultieren. Gemäß § 264 Strafprozessordnung (StPO) bildet dieser gesamte Vorgang den Gegenstand des Strafverfahrens. Für Nebenkläger ist die prozessuale Tat wichtig, weil sie nur Rechte geltend machen können, wenn ihre Verletzung Teil dieses einheitlichen Geschehens ist.

Beispiel: Wenn jemand bei einem Überfall verletzt wird und dabei auch eine weitere Person verletzt, können beide Verletzungen als Teil einer prozessualen Tat gelten, wenn sie zusammen stattfinden und zusammenhängen.


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Adhäsionsverfahren

Das Adhäsionsverfahren erlaubt es Verletzten, ihre zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche (z.B. für Heilbehandlungskosten oder Schmerzensgeld) direkt im Strafprozess mit geltend zu machen. So kann die Schadensregulierung gemeinsam mit der Klärung der strafrechtlichen Schuld des Täters erfolgen, was Zeit und Aufwand spart. Voraussetzung ist ein Antrag des Verletzten (§§ 397 bis 406 StPO) und dass die zivilrechtlichen Ansprüche nicht zu komplex sind.

Beispiel: Wer bei einer Gewalttat verletzt wurde, kann neben der Strafverfolgung des Täters auch gleichzeitig im Strafprozess Ersatz für die Behandlungskosten verlangen, ohne einen separaten Zivilprozess zu führen.


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Beschwerde

Die Beschwerde ist ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen eines Gerichts, die nicht endgültig über den Hauptsachverhalt entscheiden, sondern Verfahrensfragen betreffen. Im Zusammenhang mit der Nebenklage kann eine Person gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Zulassung als Nebenklägerin oder Nebenkläger Beschwerde einlegen (§ 304 StPO). Das Gericht prüft dann erneut oder gibt die Entscheidung an eine höhere Instanz weiter, die letztlich verbindlich entscheidet.

Beispiel: Wird jemand in einem Strafverfahren als Nebenkläger abgelehnt, kann er innerhalb einer gesetzlich vorgegebenen Frist eine Beschwerde einreichen, um die Entscheidung überprüfen zu lassen.


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Vorsätzliche bzw. gefährliche Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB)

Die vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Strafgesetzbuch, StGB) liegt vor, wenn jemand vorsätzlich eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) ist eine qualifizierte Form, wenn dabei etwa eine Waffe verwendet, ein besonders schwerer Schaden verursacht oder eine Gefährdung des Opfers durch andere Mittel hervorgerufen wird. Diese Tatbestände sind Offizialdelikte, also Verbrechen, die von Amts wegen verfolgt werden.

Beispiel: Wenn jemand mit einem Messer auf eine andere Person einsticht und dadurch schwere Verletzungen verursacht, liegt eine gefährliche Körperverletzung vor, die strafrechtlich verfolgt wird, auch wenn das Hauptverfahren z.B. wegen Mordes läuft.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 395 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO: Diese Norm regelt die Zulassung der Nebenklage für Verletzte bestimmter Straftaten im Strafverfahren. Verletzte, die durch eine Tat geschädigt wurden, können als Nebenkläger am Strafprozess teilnehmen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zeugin kann aufgrund ihrer Verletzungen, die im Zusammenhang mit der Haupttat stehen, als Nebenklägerin im Mordprozess zugelassen werden.
  • § 264 StPO (Tatgeschehen/prozessuale Tat): Der Begriff der „prozessualen Tat“ umfasst einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen mehrere strafbare Handlungen miteinander verbunden sein können. Diese Einheit erlaubt es, auch Nebenklage zu weiteren Delikten anzuschließen, die Teil desselben Tatkomplexes sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verletzungen der Zeugin werden als Teil der prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO gesehen, sodass sie ohne gesonderte Strafanzeige als Nebenklägerin zugelassen wird.
  • § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (gefährliche Körperverletzung): Diese Vorschrift beschreibt eine besonders schwere Form der Körperverletzung, etwa unter Einsatz von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen. Sie stellt ein Offizialdelikt dar, das von Amts wegen verfolgt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die mutmaßlichen Verletzungen der Zeugin durch den Messerangriff und die Tritte werden als gefährliche Körperverletzung eingestuft und rechtfertigen deshalb die Zulassung als Nebenklägerin ohne Strafantrag.
  • § 230 StGB (Strafantrag vs. Offizialdelikt): Für bestimmte Straftaten ist ein Strafantrag der verletzten Person notwendig, damit Ermittlungen eingeleitet werden. Bei Offizialdelikten ist dieser Antrag nicht erforderlich, da die Staatsanwaltschaft von Amts wegen tätig wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das fehlende Stellen eines Strafantrags durch die Zeugin für ihre Verletzungen ist unschädlich, da die Körperverletzung ein Offizialdelikt ist und daher verfolgt wird.
  • § 397a StPO (Beiordnung eines Pflichtverteidigers für Nebenkläger): Diese Vorschrift regelt die Beiordnung eines Rechtsbeistands für Nebenkläger bei schweren Delikten oder wenn die persönliche Wahrnehmung der Interessen nicht zumutbar ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Ablehnung der Beiordnung des Rechtsanwalts für die Zeugin beruht darauf, dass ihre Verletzungen nicht die Schwelle für eine automatische Pflichtverteidigtenbestellung überschreiten und keine besonderen persönlichen Umstände vorliegen.
  • § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO (Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren): Diese Regelung sieht vor, dass bei Erfolg einer Beschwerde die Kosten von der Staatskasse übernommen werden, sofern der Beschwerdegegner nicht beteiligt oder verantwortlich ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Zeugin, da der Angeklagte in diesem Verfahrensstadium nicht beteiligt ist.

Das vorliegende Urteil


KG Berlin – Az.: 3 Ws 4/25 – 161 GWs 20/25 – Beschluss vom 17.02.2025


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