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Tierhalterhaftung – Beschädigung eines geparkten Kraftfahrzeugs beim Kuhabtrieb

Wie Tierhalterhaftung beim Kuhabtrieb ins Spiel kommt: Ein Fall von Fahrzeugbeschädigung

In dem diskutierten Urteil geht es um die Schadenersatzklage eines Autobesitzers gegen einen Tierhalter, nachdem sein Fahrzeug während eines Kuhabtriebs beschädigt wurde. Der Schadensfall ereignete sich bei einem geparkten Fahrzeug, und die Schäden waren auf der hinteren linken Tür und der Seitenwand sichtbar. Die grundsätzliche Thematik dreht sich um die Frage der Tierhalterhaftung. Die Schlüsselfrage in diesem Fall war, ob die Schäden am Fahrzeug tatsächlich durch eine Kuh verursacht wurden oder ob andere Faktoren verantwortlich sein könnten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 S 45/19 >>>

Untersuchung durch den Sachverständigen

Der Sachverständige zog zur Untersuchung des Sachverhalts Fotos des beschädigten Fahrzeugs heran. Nach Untersuchung der Bilder und Analyse des Schadensbildes kam der Sachverständige zu dem Schluss, dass die Schäden wahrscheinlich durch eine Kuh verursacht wurden. Das Schadensbild zeigte, dass ein größerer, weicher Körper – und nicht ein harter Gegenstand – auf die Fahrzeugfläche gedrückt haben muss. Kratzspuren, die typischerweise bei Kollisionen mit harten Gegenständen zu erwarten wären, waren nicht vorhanden. Der Sachverständige gab auch an, dass das Schadensmuster und die Form der Schäden mit der Körperform einer Kuh vereinbar waren.

Weitere Beweise, die auf eine Kuh als Verursacher hinweisen

Zusätzlich zu den Schadensbildern berücksichtigte der Sachverständige auch andere Faktoren. Er wies auf das Vorhandensein von Tierhaaren an den beschädigten Teilen des Fahrzeugs hin, die auf eine Kollision mit einem weichen Tierkörper hinweisen könnten. Die Tierhaare wurden nur im Bereich der Kontaktstelle und nicht an benachbarten Bereichen gefunden, was die These unterstützte, dass das Fahrzeug von einem Tier beschädigt wurde.

Entgegnung des Beklagten und das Urteil

Der Beklagte hatte vorgebracht, dass die Haare durch den Wind an das Fahrzeug hätten gelangen können, doch diese Erklärung wurde vom Gericht als unwahrscheinlich verworfen. Es wurde auch argumentiert, dass der Kläger möglicherweise gegen die Verkehrsregeln verstoßen hatte, indem er sein Fahrzeug in einem Bereich parkte, in dem der Kuhabtrieb stattfand. Das Gericht entschied jedoch, dass selbst wenn das Fahrzeug ordnungswidrig geparkt gewesen sein sollte, die Verantwortung des Beklagten als Tierhalter in diesem Fall überwiegen würde.

Schadensersatz und Verantwortung des Tierhalters

Am Ende wurde dem Kläger ein Schadensersatz zugesprochen. Das Gericht führte aus, dass die Verantwortung des Tierhalters für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden, erheblich ist. Darüber hinaus wurde der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Schäden durch eine Kuh verursacht wurden, als ausreichend angesehen, um den Kläger zu entschädigen.


Das vorliegende Urteil

LG Koblenz – Az.: 13 S 45/19 – Urteil vom 09.10.2020

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Westerburg vom 08.08.2019, Az. 24 C 47/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.914,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.07.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Beklagte 71,5 Prozent und die Klägerin 28,5 Prozent zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte 89,5 Prozent und die Klägerin 10,5 Prozent zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten im Wege der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz – zuletzt aus abgetretenem Recht – in Anspruch.

Tierhalterhaftung - Beschädigung eines geparkten Kraftfahrzeugs beim Kuhabtrieb
Autobesitzer erhält Schadenersatz nach Fahrzeugbeschädigung durch Kuh: Tierhalterhaftung im Fokus. (Symbolfoto: Svjetlana Peric/Shutterstock.com)

Die Klägerin erwarb im Jahr 2016 einen Pkw des Typs VW up!, der mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXXX zugelassen wurde. Am 17.10.2018 suchte ihr Ehemann F. G. mit diesem Pkw eine Baustelle im H.-weg in M. auf. Er passierte mit dem Fahrzeug hierzu ein Verkehrszeichen 250 in der einmündenden Straße „W.“ und parkte das Fahrzeug schließlich auf einer als Feldweg befestigten Schotterfläche einer an die Straße und Baustelle grenzenden Weide. Auf dieser grasten zu diesem Zeitpunkt 21 Kühe der Rasse „Limousin“ aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten. Als sich der Beklagte entschloss, die Kühe auf eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliche Weide zu treiben, war der Ehemann der Klägerin ortsabwesend und konnte das Fahrzeug deshalb nicht umparken. Der Beklagte öffnete die Wiesenabsperrung und führte die Kühe durch eine wenige Meter breite Fläche zwischen dem Fahrzeug und der Baustelle. Hierzu stellte er sich mit dem Rücken zum Fahrzeug neben dieses.

In der – zwischen den Parteien streitigen – Annahme eines dabei entstandenen Schadens am o. g. Fahrzeug verlangte die Klägerin vom Beklagten unter Bezugnahme auf ein von ihr beauftragtes (Privat-) Gutachten der Sachverständigen B. und Partner vom 10.12.2018 (Bl. 145 ff. d. A.) – ergebnislos – die Erstattung der Reparaturkosten (netto).

Die Klägerin vereinbarte mit ihrem Ehemann in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Westerburg am 04.07.2019, dass dieser die ihm zustehenden „Schadensersatzansprüche aus dem streitgegenständlichen Vorfall“ gegen den Beklagten an sie abtritt (Bl. 78 d. A.).

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, sie sei Eigentümerin und Halterin des Fahrzeuges gewesen, habe es jedoch ihrem Ehemann zur Nutzung überlassen. Er sei am 17.10.2018 als Bauarbeiter im Bereich der o. g. Baustelle tätig gewesen und habe daher in diese Straße einfahren müssen, wo er es schließlich unbeschädigt neben der Straße abgestellt habe. Ein Kollege ihres Ehemannes habe den Beklagten darauf hingewiesen, dass dieser in zehn Minuten zurückkehre und das Fahrzeug umparken könne. Eine der Kühe sei beim Wechseln der Weide mit dem Pkw kollidiert und habe diesen dabei beschädigt. An der hinteren Tür auf der Fahrerseite sei hierbei eine Delle entstanden. Die kausal erforderlichen Nettoreparaturkosten würden sich auf 2.110,09 EUR belaufen. Insbesondere sei es erforderlich, auch die Vordertür auf Fahrerseite ein- bzw. beizulackieren, um Farbunterschiede zu vermeiden. Die im Gutachten angesetzten Kosten seien ortsüblich und angemessen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie

1. 2.682,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 334,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat erstinstanzlich vorgetragen, es sei auszuschließen, dass eine der Kühe das Fahrzeug berührt und vor allem beschädigt habe. Er habe bereits vorher einen Schaden an dem Fahrzeug bemerkt und dieses gegen die Kühe abgeschirmt. Es liege jedenfalls ein Mitverschulden des Ehemanns der Klägerin vor, wohingegen er beim Treiben der Kühe die erforderliche Sorgfalt beachtet habe. Der Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin am 17.10.2018 Eigentümerin und Halterin des Fahrzeuges gewesen sei, dieses ihrem Ehemann überlassen habe und dieser als Bauarbeiter tätig (gewesen) sei.

Das Amtsgericht Westerburg hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 20.05.2019 (Bl. 38 f. d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G., N., W. und K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 04.07.2019 (Bl. ff. d. A.) verwiesen.

Mit Urteil vom 08.08.2019 (Bl. 106 ff. d. A.) hat das Amtsgericht Westerburg den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.135,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2019 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen angeführt, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme ein Anspruch auf Erstattung eines in dieser Höhe durch die Kollision einer Kuh mit dem Auto entstandenen Sachschadens bestehe. Das Erfordernis des Beilackierens der vorderen Tür sei gerichtsbekannt. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird auf die Begründung des amtsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Mit dieser verfolgt der Beklagte im Wesentlichen sein Vorbringen weiter, es sei auszuschließen, dass eine seiner Kühe den Schaden verursacht habe. Das Amtsgericht habe seine Beweisangebote übergangen.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichtes Westerburg vom 08.08.2019, Az. 24 C 47/19, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen

Die Klägerin verteidigt im Wesentlichen das Urteil vom 08.08.2019.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 06.12.2019 (Bl. 186 f. d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. St. und dessen ergänzende Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.09.2020. In der Verhandlung am 18.09.2020 sind zugleich Teile des Youtube-Videos „Limousin Mutterkuhhaltung aus Lütisburg“ in Augenschein genommen worden. Zudem ist der Beklagte persönlich in der Verhandlung am 06.12.2019 angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der informatorischen Anhörung wird auf das schriftliche Gutachten vom 29.04.2020 (Bl. 199 ff. d. A.) sowie die Protokolle vom 06.12.2019 (Bl. 182 ff. d. A.) und 18.09.2020 (Bl. 311 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist lediglich insoweit begründet, als er durch das angefochtene Urteil verurteilt worden ist, an die Klägerin einen 1.914,71 EUR übersteigenden Betrag sowie mehr als die hierauf entfallenden Prozesszinsen seit dem 05.07.2019 zu zahlen. In diesem Umfang ist das Urteil dementsprechend abzuändern. Die weitergehende Berufung ist demgegenüber unbegründet und zurückzuweisen, da die zulässige Klage im tenorierten Umfang begründet und lediglich im Übrigen unbegründet ist.

1. Der Beklagte ist als Tierhalter aufgrund eines durch eine seiner Kühe am streitgegenständlichen VW up! verursachten Sachschadens gem. § 833 S. 1 BGB dem Grunde nach verpflichtet, dem Eigentümer den Schaden zu ersetzen. Die Klägerin ist aufgrund der erfolgten Abtretung insoweit auch aktivlegitimiert.

a) Die Kammer ist hinsichtlich der Frage der Aktivlegitimation als Berufungsgericht gem. § 529 I Nr. 1 ZPO an die überzeugende Feststellung und Herleitung der zugrundeliegenden Tatsachen durch das Amtsgericht gebunden, die auch von der Berufung nicht angegriffen werden. Aufgrund dieser ist davon auszugehen, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist, obwohl sie anlässlich der Beschädigung des Fahrzeuges nicht mehr Eigentümerin desselben war. Denn ihr Ehemann war zu diesem Zeitpunkt Eigentümer, hat ihr jedoch seinen aus § 833 S. 1 BGB folgenden Anspruch abgetreten.

Unstreitig ist insoweit der Kauf des Fahrzeugs durch die Klägerin, was naheliegend auch die dem dinglichen Eigentumserwerb zugrundeliegenden Umstände umfasst. Der Beklagte hat zwar zulässig mit Nichtwissen bestritten, dass sie am angeblichen Schadenstag, dem 17.10.2018, noch Eigentümerin gewesen sei und im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Zeuge G. diesbezüglich nicht nur bekundet, dass der Kauf teilweise finanziert gewesen sei, sondern auch, dass die Klägerin ihm das Fahrzeug zum Geburtstag geschenkt habe. Auch insoweit ist wiederum davon auszugehen, dass hiermit zugleich auch die dingliche Übertragung einhergegangen ist, der jedoch keine vorangegangene Sicherungsübereignung an Dritte und vor allem Kreditgeber entgegenstand. Denn der Zeuge hat insoweit weiter bekundet, dass er hinsichtlich entsprechender Erklärungen keine Angaben machen könne und zudem berichtet, dass man „im Besitz des Briefes“ gewesen sei, was für eine Sicherungsübereignung untypisch gewesen wäre. Auch von den Parteien ist weder zuvor, noch im Anschluss eine derartige Sicherungsübereignung vorgetragen worden.

Den dementsprechend in der Person des Ehemanns der Klägerin als geschädigtem Eigentümer des Fahrzeuges aus § 833 S. 1 BGB entstandenen Schadensersatzanspruch hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Westerburg wirksam gem. § 398 BGB an die Klägerin abgetreten, was im Protokoll vom 04.07.2019 dokumentiert ist und vom Beklagten auch nicht angegriffen wird.

b) Soweit zwischen den Parteien weiter von Beginn vor allem streitig gewesen ist, ob es am 17.10.2018 zu einer Beschädigung des Fahrzeuges durch eine der Kühe des Beklagten gekommen ist und sich hierdurch die tierspezifische Gefahr realisiert hat, steht dies nach den von der Kammer und dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahmen zur Überzeugung des Gerichtes fest.

aa) Das Amtsgericht hat seiner Beweiswürdigung maßgeblich die Bekundungen der Zeugen G., K., N. und W. zugrunde gelegt und diese zwar knapp, aber überzeugend gewürdigt sowie auf diese seine Überzeugung von der Beschädigung des Fahrzeuges durch eine Kuh des Beklagten gestützt.

Denn es wird zutreffend vor allem auf die Bekundungen der Zeugen W. und K. abgestellt, die übereinstimmend ein Wackeln des VW up! beschrieben haben, während die vom Beklagten getriebenen Kühe an dem Fahrzeug vorbeigelaufen seien. Zudem haben sie jeweils geschildert, dass anschließend Beschädigungen nebst Kuhfellanhaftungen an der Fahrerseite des Fahrzeuges festzustellen gewesen seien, wenn auch der Zeuge K. anders als der Zeuge W. die Schadensstelle nicht mehr genauer und vor allem hinten verorten konnte sowie zudem als einziger „auf der gesamten Seite“ Haare gesehen haben will.

Zu Recht wird zudem davon ausgegangen, dass selbst der Zeuge N., der als einziger zwar keine Bewegung des Fahrzeuges wahrgenommen hat, wohl aber gesehen haben will, dass eine Kuh „ziemlich hoch gesprungen“ sei, zumindest eine anschließend wahrnehmbare Beschädigung des Fahrzeuges nebst Tierhaaranhaftungen sicher bestätigt hat. Entsprechendes gilt für die Bekundungen des Zeugen G., der das Geschehen zwar nicht beobachtet hat, aber berichtet hat, dass er das Fahrzeug unbeschädigt abgestellt habe und es erst bei seiner Rückkehr links hinten beschädigt gewesen sei, wobei an den beschädigten Stellen zudem auch Kuhhaare feststellbar gewesen.

Soweit die Würdigung dieser Zeugenaussagen in der Berufungsbegründung aufgegriffen wird, werden durchgreifende Mängel nicht aufgezeigt. An diesen Teil der Beweiswürdigung ist die Kammer als Berufungsgericht gem. § 529 I Nr. 1 ZPO dementsprechend gebunden. Zwar ist das Amtsgericht den bereits in der Klageerwiderung gestellten Anträgen des Beklagten, ihn gegenbeweislich als Partei zu vernehmen bzw. zumindest anzuhören sowie ein Sachverständigengutachten einzuholen, nicht nachgegangen. Dies wäre geboten gewesen, da es insbesondere bei Bestätigung der vom Beklagten behaupteten Beweistatsache durch ein Sachverständigengutachten nahegelegen hätte, eine Beweisfälligkeit der Klägerin anzunehmen. Hierdurch erweisen sich die entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen insoweit als unvollständig und dementsprechend war in der Berufungsinstanz insbesondere ein Gutachten einzuholen, ohne dass die Bindungswirkung des § 529 I Nr. 1 ZPO entgegenstünde. Soweit danach ergänzende Feststellungen in der Berufungsinstanz geboten waren, erstreckt sich dies jedoch nicht auf die bereits erfolgten und in sich überzeugend gewürdigten Zeugenaussagen.

bb) Die Ausführungen des Beklagten im Rahmen seiner vor der Kammer nachgeholten persönlichen Anhörung widerlegen die Bekundungen der Zeugen nicht, zumal sie weitgehend bereits nicht im Widerspruch zu diesen stehen. So hat der Beklagte angegeben, dass er zwar keinen Anstoß einer Kuh mit dem Fahrzeug festgestellt habe, die Kühe jedoch angesichts der örtlichen Situation (allenfalls) Kontakt zur hinteren linken Ecke des Fahrzeuges hätten haben können, wo es letztendlich auch zur Kollision gekommen sein soll. Auch in der polizeilichen Unfallaufnahme ist vermerkt, dass er nicht habe sagen können, ob der Schaden am Pkw von einer seiner Kühe herrühre (Bl. 73 d. A.). Die Annahme, der Schaden könne nicht durch eine Kuh verursacht worden sein, beruht seinen weiteren Darstellungen folgend vor allem auf der Hypothese, dass das Schadensbild hiermit nicht in Einklang zu bringen sei. Angesichts der von ihm wie auch den Zeugen geschilderten Situation war auch kaum zu erwarten, dass der Beklagte tatsächlich alle 21 Kühe gleichzeitig oder aber jeweils nur die das Auto passierenden Kühe durchgehend beobachten konnte.

cc) Schließlich stehen auch die gut nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und insgesamt überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen St. einer Verursachung des Schadens durch eine Kuh nicht entgegen und legen diese im Gegenteil sogar nahe. Hierdurch wird das Ergebnis der Beweiswürdigung des Amtsgerichtes noch zusätzlich gestützt.

Im Ausgangspunkt hat der Sachverständige maßgeblich die – auch zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder – der Schadensstelle im Bereich der hinteren linken Tür sowie der Seitenwand herangezogen, die eine Untersuchung des Fahrzeuges selbst entbehrlich gemacht haben. Anhand dieser Lichtbilder lässt sich auch aus Laiensicht ein Schadensbild nachvollziehen, das sich aus einer sog. Primärverformung in Gestalt einer Vertiefung sowie einer „Sekundärverformung“ in Gestalt eines „Knicks“ mit einem weichen Übergang zu den nicht beschädigten Bereichen zusammensetzt. Besonders deutlich wird dies anhand des bereits im Privatgutachten verwendeten und fotografisch dokumentierten Dellensegels (Bild 3, S. 8 des Gutachtens, Bl. 206 d. A.).

Insoweit legt der Sachverständige nachvollziehbar dar, dass diese Morphologie der Deformationen an der Tür hinten links sowie an der Seitenwand durch den Anprall eines weichen Körpers wie dem einer Kuh technisch erklärbar ist. Derart „weiche“ Vertiefungen seien hierfür typisch und insbesondere der Knick als Sekundärverformung sei auf die Materialsteifigkeit sowie die vertikale Wölbung des Bleches im Tür- und Seitenwandbereich zurückzuführen. Dabei sei es auch lediglich zu einem schadensursächlichen Kontakt gekommen, wobei auf einer größeren Fläche und nicht lediglich punktuell Druck ausgeübt worden sei.

Demgegenüber hat der Sachverständige keinerlei Anhaltspunkte für eine Schadensverursachung durch einen harten Gegenstand bzw. „Kontaktpartner“, wie sie vor allem im Rahmen eines Verkehrsunfallschadens zu erwarten gewesen wären, feststellen können. Insbesondere Kratzspuren – wie sie bei Kollisionen mit weichen Körpern demgegenüber grundsätzlich nicht zu erwarten sind – konnte der Sachverständige nicht feststellen und solche sind auch für das Gericht anhand der Bilder nicht ersichtlich.

Des Weiteren hat der Sachverständige vor allem im Rahmen seiner mündlichen Anhörung konkretisiert, dass und wie genau das Schadensbild nicht nur mit der Kollision eines weichen Körpers sondern vor allem auch demjenigen einer Kuh zu erklären ist. Da das Schadensbild am Fahrzeug in ca. 80 Zentimetern Höhe entstanden ist, konnten zunächst kleinere Tiere wie Hunde und Katzen ausgeschlossen werden. Unabhängig von der Rasse der Kuh, hinsichtlich derer bereits im schriftlichen Ausgangsgutachten ausgeführt worden ist, dass die genaue Höhe des Kuhrumpfes unbekannt sei und das insoweit herangezogene Bild einer Milchkuh (Bild 4, S. 10 des Gutachtens) auch nur der exemplarischen Veranschaulichung diene, hat der Sachverständige erläutert, dass vor allem eine Kollision mit dem Hinterteil einer Kuh in Betracht komme. Auch wenn Kühe je nach Rasse unterschiedlich groß und massig werden sowie das Hinterteil einer Kuh über den Kontaktpunkt in Höhe von 80cm hinaus noch breiter wird, hat der Sachverständige anhand der technischen Zeichnung des VW up! aus der Heckansicht (S. 9 des Gutachtens) aufgezeigt, dass dies unerheblich sei. Denn zugleich verjüngt sich ca. ab Höhe der Türgriffe die Karosserieform des Fahrzeuges zum Dach hin, was die Form der Kuh ausgleicht.

Im Rahmen der Anhörung des Sachverständigen hat dieser nach der Inaugenscheinnahme des Videos einer Limousin-Rinderherde beim Abtrieb die mögliche Kollision zudem noch näher dahingehend präzisiert, dass gerade angesichts der dabei zu erkennenden Bewegungsmuster sowohl eine Kollision mit einem Tier, das aus dem Stand heraus eine Bewegung mit dem Hinterteil ausgeführt habe, als auch mit einer langsam laufenden Kuh, die seitlich ausgewichen sei, denkbar seien. Tatsächlich sind in diesem Video auch für das Gericht entsprechende seitliche Bewegungen der Tiere festzustellen. Dies konnte indes nicht mehr abschließend aufgeklärt werden, da der Sachverständige insoweit darauf verwiesen hat, dass bei weichen Kontaktkörpern anhand des Schadensbildes nicht zu differenzieren ist, ob sich das Tier im Kontaktzeitpunkt auch in Längsrichtung zum Fahrzeug bewegt hat. Dies wäre allenfalls mit einer mikroskopischen Untersuchung auf Wischspuren möglich gewesen. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, da der Schaden letztlich in allen Fällen durch eine Bewegung der Kuh verursacht worden wäre. Das gleiche gilt für die vom Beklagten aufgeworfenen Fragen zur Physis verschiedener Rinderrassen und ihren Verhaltensweisen, so dass seinen diesbezüglichen Beweisangeboten dementsprechend nicht mehr nachzugehen war. Unabhängig davon, ob eine Kuh beispielsweise mit ihrem Hinterteil „ausscheren“ kann, sind ihr zumindest kleinere seitliche Bewegungen möglich, die schadensursächlich gewesen sein können.

Zudem hat auch der Sachverständige ergänzend darauf abgestellt, dass Tierhaare nur im Bereich der Kontaktstelle an den beschädigten Bauteilen, nicht aber an den nebenliegenden Zonen feststellbar gewesen seien, was eine Kollision mit einem weichen Tierkörper auch seiner Einschätzung nach nahelegt. Er hat sich insoweit nicht auf eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglich in Nuancen teils abweichenden Zeugenaussagen beschränkt, sondern auch die zur Verfügung stehenden Fotos analysiert und hierzu teils vergrößert. Die vom Beklagten in der Berufungsbegründung thematisierte Möglichkeit, die Haare könnten auch durch den Wind an das Fahrzeug gelangt sei, ist spätestens angesichts der danach anzunehmenden Verteilung der Haare ausschließlich an den beschädigten Stellen nach der Lebenserfahrung auszuschließen.

Zwar hat der Sachverständige insoweit auch ausgeführt, dass es bei einer Kollision mit Wild ggf. zu einem vergleichbaren Schadensbild kommen könne. Einen Wildschaden behauptet jedoch nicht einmal der Beklagte und auch im Übrigen haben sich keine Anhaltspunkte für einen solchen ergeben. Andernfalls wäre auch zu erwarten gewesen, dass der Ehemann der Klägerin einen solchen bei der Entstehung bemerkt hätte, der das Fahrzeug jedoch entsprechend den obigen Ausführungen unbeschädigt in M. abgestellt hat. Ein entsprechender Wildschaden, der erst anschließend unbemerkt in Anwesenheit der Zeugen und des Beklagten tagsüber entstanden wäre, widersprecht zudem jeder Lebenswahrscheinlichkeit.

Schließlich hat der Sachverständige entgegen den Einwendungen des Beklagten gegen das Gutachten mittels eines von ihm in der mündlichen Verhandlung mitgeführten Tablets und anhand des u. a. als Bild 1 seines Gutachtens (S. 6 des Gutachtens, Bl. 204 d. A.) verwendeten Fotos durch Vergrößerung aufgezeigt, dass das Fahrzeug im Bereich der Beschädigungen jedenfalls nicht so stark wie im Übrigen verstaubt gewesen ist. Auch dies spricht für einen frisch entstandenen Schaden.

2. Die Haftung des Beklagten ist nicht gem. § 833 S. 2 BGB ausgeschlossen. Der insoweit erforderliche Entlastungsbeweis ist ihm nicht gelungen, da er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat. Nach den auch insoweit bindenden Feststellungen des Amtsgerichtes ist der Beklagte wie von der Klägerin vorgetragen durch den Zeugen N. vor Beginn des Abtriebes der Kühe auf die andere Weide darauf hingewiesen worden, dass das Fahrzeug in ca. zehn Minuten umgeparkt werden könne. Da dem Beklagten nach eigenen Angaben zudem bekannt war, welches Unternehmen („K.“) für die Arbeiten an der Baustelle verantwortlich war und zudem Mitarbeiter vor Ort waren, hätte der Beklagte dies andernfalls auch ohne weiteres selbst klären können. Warum ihm eben dies nicht zumutbar gewesen sein soll und der Wechsel der Weiden einen derart geringen Aufschub nicht zugelassen haben soll, trägt er nicht vor. Ein Zuwarten um wenige Minuten hätte dementsprechend angesichts der mit mehr als zwanzig Kühen zu passierenden Engstelle und der hiermit einhergehenden erhöhten Tiergefahren der im Verkehr üblichen Sorgfalt entsprochen. Diese hat er durch sein hiervon abweichendes Verhalten verletzt.

3. Aus diesem Grund ist auch kein anzurechnendes Mitverschulden im Sinne des § 254 I BGB – zumal in Höhe von 100 Prozent – des Zeugen G. anzunehmen. Dabei kann letztlich auch dahinstehen, ob dieser durch das Abstellen des Fahrzeuges gegen Verkehrsregeln oder anderweitig begründete Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Das Verschulden des Beklagten erweist sich als derart erheblich, dass es eine etwaige Sorgfaltspflichtverletzung des Zeugen G. jedenfalls vollständig verdrängt, zumal letztere im Hinblick auf die realisierte Gefahr lediglich gering wiegen würde. Selbst im Falle eines verbots- oder sorgfaltswidrig abgestellten Fahrzeuges musste nicht damit gerechnet werden, dass der Beklagte von der naheliegenden Möglichkeit, auf ein zeitnah mögliches Umsetzen des Fahrzeuges hinzuwirken keinen Gebrauch machen und vielmehr unmittelbar 21 Rinder durch eine derartige Engstelle treiben würde.

4. Der Höhe nach stehen lediglich noch die fiktiven Reparaturkosten im Streit, nachdem das Amtsgericht die Klage im Übrigen abgewiesen hat und die Klägerin das Urteil nicht angefochten hat. Insoweit besteht ein Anspruch auf Erstattung angemessener und ortsüblicher Reparaturkosten in Höhe von 1.889,71 EUR nebst 25,00 EUR Kostenpauschale.

Mit den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen St. sind die von der Klägerin aufgrund des eingeholten Privatgutachtens angesetzten Posten abgesehen von einer Schutzleiste (netto 17,50 EUR), die an einem VW up! dieser Ausstattung nicht zum Einsatz kommt, grundsätzlich plausibel und angemessen. Dem ist auch der Beklagte zuletzt nicht mehr entgegengetreten.

Insbesondere soweit zwischen den Parteien Streit hinsichtlich der Frage besteht, ob auch die nicht beschädigte vordere Tür auf der Fahrerseite ein- bzw. beilackiert werden musste, steht – wie von § 287 I ZPO vorausgesetzt – zur freien Überzeugung des Gerichtes fest, dass dies erforderlich war, da hierfür nicht nur die gebotene überwiegende, sondern nach dem Gutachten sogar eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht.

Der Sachverständige geht insoweit von einem Wahrscheinlichkeitsgrad aus, der eine entsprechende Prognose vor der Reparatur als dem „Stand der Technik“ entsprechend erscheinen lasse. Hintergrund ist – seinen plausiblen Ausführungen folgend – bereits der Umstand, dass das Neulackieren eines beschädigten Bauteiles per Hand erfolgt, so dass es zu Unterschieden gegenüber der werkseitig aufgebrachten Lackierung komme, da bei ersterer das Fahrzeug nicht – zum Zwecke der gleichmäßigen Ausrichtung der Farbpartikel – statisch aufgeladen werde und zudem Luftdruck, -feuchtigkeit und –temperatur nicht gleichermaßen wie im Werk optimierbar seien. Selbst unter Anwendung größt möglicher Sorgfalt sei es beim Nachlackieren später vor allem nicht möglich, den auch beim streitgegenständlichen Fahrzeug verwendeten „Deep Black Perleffekt“-Lack ohne optisch wahrnehmbaren Unterschied aufzutragen. Zu einer vergleichbaren Einschätzung ist zuvor auch das Privatgutachten vom 10.12.2018 (dort S. 3, Bl. 147 d. A.) gelangt.

Der Sachverständige hat schließlich im Hinblick auf die Frage der Ortsüblichkeit jedoch ermittelt, dass sich die „Gesamtnettokosten“ für die Reparatur und das Lackieren des Fahrzeuges einschließlich des Einlackieren bei den drei ortsnahen und markengebundenen Werkstätten „K.“, „E.“ und „R.“ auf – gegenüber dem Privatgutachten – geringfügig geringere Beträge in Höhe von 1.863,59 EUR, 1.845,29 EUR bzw. 1.960,26 EUR belaufen würden. Das Gericht setzt insoweit 1.889,71 EUR an, da dieser Betrag als arithmetischer Mittelwert am ehesten der Ortsüblichkeit entspricht.

5. Auch hinsichtlich der Nebenforderungen steht nach der wiederum nicht angefochtenen Teilklageabweisung durch das Amtsgericht nur noch der Anspruch der Klägerin auf Prozesszinsen gem. § 291 BGB im Raum. Diese sind lediglich auf den begründeten Teil der Hauptforderung in Höhe von 1.889,71 EUR zuzusprechen. In zeitlicher Hinsicht sind diese auch erst seit der Abtretung bzw. analog § 193 BGB dem darauf folgenden Tag geschuldet. Denn der ursprüngliche Klagevortrag, die Klägerin selbst sei Eigentümerin, hat sich als unzutreffend erwiesen und ein ihr zustehender Schadensersatzanspruch ergibt sich nur durch die Abtretung eines ehemals fremden Anspruches. Dieser ist erst durch Klageänderung als neuer Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt und hierdurch rechtshängig geworden (vgl. BGH, NJW 2005, 2004, 2005).

6. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 92 I 1 Alt. 2 und 708 Nr. 10 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.135,09 € festgesetzt.

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