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StrEG –  Einstellung nach § 153 StPO – Billigkeitsentscheidung

LG Flensburg – Az.: I Qs 54/20 – Beschluss vom 11.02.2022

In dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Entschädigung nach dem StrEG hat das Landgericht Flensburg – I. Große Strafkammer – am 11. Februar 2022 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der ehemals Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 19.06.2020 wird zum Teil als unzulässig, im Übrigen als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die ehemals Beschuldigte.

Gründe

I.

Das Landgericht Flensburg ist entgegen der Verfügung vom 05.01.2021 (BI. 296) für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der ehemals Beschuldigten zuständig. Eine Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer wäre nur dann gegeben, wenn nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der Entscheidung voraussichtlich entweder die Wirtschaftsstrafkammer als Gericht erster‘ Instanz oder aber eine kleine Wirtschaftsstrafkammer als Berufungsgericht tätig werden würde (MüKo/Schuster, GVG, 1. Auflage, § 74c, Rn. 9, zitiert nach beck-online). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Angesichts der Straferwartung von bis zu zwei Jahren wäre ohne die Einstellung in erster Instanz der Strafrichter am Amtsgericht zuständig gewesen, in zweiter Instanz als Berufungs-gericht die allgemeine kleine Strafkammer — denn die kleine Wirtschaftsstrafkammer ist nur für Berufungen gegen Urteile des Schöffengerichts zuständig, § 74c Abs. 1 GVG. Für Berufungen gegen Urteile des Strafrichters besteht keine Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer, dies gilt auch für Beschwerden gegen Verfügungen und Beschlüsse des Strafrichters (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.01.2020, 1 Ws 30/20, zitiert nach juris).

Unabhängig von der Frage, ob die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Flensburg für die Entscheidung über den Antrag der ehemals Beschuldigten überhaupt zuständig war – die Bestellung zum Ermittlungsrichter allein begründet eine solche Zuständigkeit jedenfalls nicht, abzustellen ist vielmehr auf die entsprechende Zuweisung im Geschäftsverteilungsplan (MüKo/Kunz, StPO, 1. Auflage, StrEG, § 9, Rn. 17, zitiert nach beck-online), die vorliegend nicht erfolgt ist — kann das Landgericht auch in der Sache entscheiden, denn Verstöße des Erstgerichts gegen die geschäftsplanmäßige oder funktionelle Zuständigkeit stehen einer solchen Sachentscheidung nicht entgegen (BeckOK/Cirener, StPO, 42. Edition, § 309, Rn. 15, zitiert nach beck-online), so dass das Beschwerdegericht auch dann selbst entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem (lediglich) nach dem Geschäftsplan unzuständigen Spruchkörper des örtlich und sachlich zuständigen Gerichts getroffen worden ist (MüKo/Neuheuser, 1. Auflage, StPO, § 309, Rn. 33, zitiert nach beck-online). Örtlich und sachlich zuständig ist das Amtsgericht Flensburg, § 9 Abs. 1 StrEG.

Die sofortige Beschwerde der ehemals Beschuldigten vom 24.06.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 19.06.2020 (BI. 268) ist nur zum Teil zulässig. Soweit sie zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Im Einzelnen:

1. Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss insgesamt. Soweit darin jedoch festgestellt wird, dass die ehemals Beschuldigte für den Schaden, den sie durch den mit Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 30.05.2016 angeordneten dinglichen Arrest in ihr Vermögen erlitten hat, aus der Staatskasse zu entschädigen ist, fehlt es der Beschuldigten an einer Beschwer, so dass ihre sofortige Beschwerde insoweit aus diesem Grund unzulässig ist.

2. Soweit die sofortige Beschwerde der ehemals Beschuldigten zulässig ist, hat sie jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, richtet sich die Frage einer Entschädigung im Hinblick auf die Durchsuchungsmaßnahme nach § 3 StrEG, der im Gegensatz zu § 2 StrEG eine Entschädigung nur nach Billigkeitsgesichtspunkten gewährt.

Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass die Billigkeitsentscheidung nach § 3 StrEG nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist. Voraussetzung ist, dass sich der Fall von anderen Fällen auffallend abhebt, wobei eine Entschädigung regelmäßig nur dann als billig angesehen werden kann, wenn der Vollzug der vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahmen sich zum Zeitpunkt der Einstellung in der Rückschau als grob unverhältnismäßig herausstellt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.11.2012, Ws 321/12, zitiert nach juris) —insbesondere bei einer Einstellung nach § 153 StPO werden Billigkeitsgründe nur dann vorliegen, wenn der bei der Einstellung bestehende Tatverdacht erheblich hinter dem Tatverdacht zurück-bleibt, der zu der Verfolgungsmaßnahme geführt hat (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 3 StrEG, Rn. 2).

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Amtsgericht Flensburg hat die Durchsuchung mit Beschluss vom 30.05.2016 angeordnet unter anderem auch wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer. Im Hinblick auf diese Delikte war zum Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung zwar kein Tatverdacht mehr bezüglich einer täterschaftlichen Begehung gegeben, wohl aber ein Tatverdacht bezüglich einer Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung der Umsatzsteuer für die Jahre 2013 und 2014, der Körperschaftssteuer für das Jahr 2013 sowie bezüglich einer Beihilfe zu einer versuchten Hinterziehung der Körperschaftssteuer 2014. Der gegen die ehemals Beschuldigte bestehende Tatverdacht blieb damit zum Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung nicht erheblich hinter dem Tatverdacht zurück, der zur Anordnung der Durchsuchungsmaßnahme geführt hat, vielmehr hätte — wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat — auch dieser Verdacht einer Bei-hilfe zum Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses führen können, § 102 StPO, denn hierfür reicht, dass aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte oder aufgrund kriminalistischer Erfahrungen angenommen werden kann, dass der Verdächtige .als Teilnehmer einer Straftat in Betracht kommt. Als Verdachtsgrad genügt damit ein Anfangsverdacht (vgl. m.w.N.: BeckOK/Hegmann, StPO, 42. Edition, § 102, Rn. 1, zitiert nach beck-online).

Diese Voraussetzung war vorliegend auch zum Zeitpunkt der Einstellung erfüllt, denn ausweislich ihrer eigenen Ausführungen hat die ehemals Beschuldigte erkannt, dass die ihr vom Geschäfts-führer der „PP UG“ übermittelten Zahlen nicht plausibel waren, dennoch hat sie auf Basis dieser Zahlen die entsprechenden Voranmeldungen getätigt (vgl. BI. 79).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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