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Strafaussetzung zur Bewährung – Bestimmtheitserfordernis bei Erteilung Arbeitsauflage

LG Bad Kreuznach – Az.: 2 Qs 69/12 – Beschluss vom 09.08.2012

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts … vom 09.07.2012 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

… ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts … vom 06.04.2009 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Durch Beschluss vom selben Tag wurde eine Bewährungszeit von 4 Jahren festgesetzt und der Verurteilte für diese Zeit der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt. Unter anderem wurde … auch auferlegt, binnen 6 Monaten 80 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung des Bewährungshelfers abzuleisten.

Nachdem der Verurteilte in der Folge keine Sozialstunden erbracht hatte, widerrief das Amtsgericht … mit Beschluss vom 20.12.2010 die Strafaussetzung zur Bewährung. Da aber zu diesem Zeitpunkt seitens des Gerichts noch keine konkrete Einsatzstelle zur Ableistung der Sozialstunden bestimmt worden war, wurde die Widerrufsentscheidung auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hin mit Beschluss des Landgerichts … vom 04.02.2011 aufgehoben.

Daraufhin wurde die Arbeitsauflage mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 12.04.2011 zunächst dahingehend konkretisiert, dass der Verurteilte die 80 Stunden gemeinnützige Arbeit als Gemeindehelfer im Bauhof der Stadt … bis zum 15.10.2011 abzuleisten und anschließend eine Bescheinigung des gemeinnützigen Arbeitgebers (Stundennachweis) vorzulegen hat.

Auf Anraten der Bewährungshilfe wurde dieser Beschluss sodann am 02.05.2011 dahingehend abgeändert, dass die Sozialstunden bei der Gemeindeverwaltung R. zu erbringen sind.

Mit E-Mail vom 01.12.2011 teilte der Verurteilte in der Folge seiner Bewährungshelferin mit, dass er die auferlegten Sozialstunden beim evangelischen Pfarramt in R. ableisten wolle. Diese vom Verurteilten selbst gewählte Einsatzstelle legte das Amtsgericht … daraufhin seinen nachfolgenden Verfügungen und Anfragen bei der Bewährungshilfe zu Grunde (vgl. u.a. Bl. 65R, 68 d.A.). Eine entsprechende Änderung des Bewährungsbeschlusses erfolgte indes nicht.

Auf Anfrage des zuständigen Strafrichters im Januar 2012 teilte die Bewährungshilfe im Februar 2012 mit, dass … F. von den 80 Sozialstunden bislang erst 6,5 Stunden geleistet habe. In der Folge erbrachte der Verurteilte jedoch noch weitere 54 Stunden, mithin insgesamt 60,5 Stunden gemeinnützige Arbeit beim evangelischen Pfarramt in R.

Nach der Auskunft der Ehefrau des Pfarrers Frau … (Bl. 93 R) erschien der Verurteilte allerdings nach dem 26.05.2012 nicht mehr im Pfarramt zur Ableistung der restlichen Stunden.

Dies nahm das Amtsgericht … nach Anhörung des Verurteilten – am 09.07.2012 zum Anlass, die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen

Gegen diese Entscheidung, dem Verurteilten zugestellt am 13.07.2012, wendet sich … F. mit seiner am 18.07.2012 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Zur Begründung führt er insbesondere an, wegen zwischenzeitlich eingetretener „familiärer Probleme“ habe er die Sozialstunden nicht vollständig ableisten können. Auch gibt er in seinem Beschwerdeschreiben vom 18.07.2012 an, seit 6 Wochen nicht mehr zu Hause gewesen zu sein, da er sein neues Heim renovieren müsse. Überdies habe er noch weitere Sozialstunden beim evangelischen Pfarramt geleistet, Frau H… sei da aber nicht zu Hause gewesen.

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

Zunächst liegt kein Widerrufsgrund im Sinne des § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB vor.

Zwar hat der Verurteilte die im Bewährungsbeschluss festgesetzten 80 Stunden gemeinnützige Arbeit nicht vollständig erfüllt bzw. nachgewiesen.

Entscheidend ist insoweit aber, dass die Anordnung des Sozialdienstes trotz der Änderungsbeschlüsse vom 12.04. und 02.05.2011 im Ergebnis nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt und damit keine wirksame Bewährungsauflage nach § 56b Abs. 1 Nr. 3 StGB darstellt. Ein Verstoß gegen sie kann demzufolge auch nicht zu einem Bewährungswiderruf führen.

Bewährungsauflagen müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar sein, damit Verstöße einwandfrei festgestellt werden können. Maßgeblich ist, dass der Verurteilte ihnen unmissverständlich entnehmen kann, unter welchen Umständen ihm der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und damit ein einschneidender Eingriff in ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG droht (vgl. OLG Zweibrücken BA 1995, 189; OLG Braunschweig StV 2007, 257; OLG Frankfurt a.M. NStZ RR 1997, 2; OLG Hamm StV 2004, 657; KG Berlin, Beschluss vom 13.04.2005, Az: 1 AR 319/ 05 – 5 Ws).

Diese Anforderungen sind derzeit vorliegend nicht erfüllt.

Zwar hat das Amtsgericht … die Arbeitsauflage zunächst durch die angeführten Änderungsbeschlüsse vom 12.04. und 02.05.2011 insbesondere Hinblick auf die Einsatzstelle hinreichend konkretisiert. Entscheidend ist jedoch, dass das Amtsgericht … in der Folge duldete, dass der Verurteilte eigenmächtig eine andere Stelle (das evangelische Pfarramt in R. zum Ableisten der Sozialstunden aufsuchte, indem das Gericht diese Stelle weiteren Verfügungen und Anfrage bei der Bewährungshilfe zu Grunde legte (vgl. Bl. u.a. Bl. 65R, 68 d.A.).

Da zugleich aber eine entsprechende Änderung des Bewährungsbeschlusses bis heute unterblieben ist, mithin weiter der Einsatzort „Gemeindeverwaltung R.“ besteht, war ab der Duldung der Leistung der Sozialstunden im Pfarramt objektiv nicht mehr nachvollziehbar, welche Einsatzstelle nun letztlich gelten sollte.

Zwar kann dem gegenständlichen Widerrufsbeschluss entnommen werden, dass der zuständige Strafrichter zuletzt von einer Ableistung der Sozialstunden beim Pfarramt in R. ausging. Eine entsprechende Änderung des Bewährungsbeschlusses ist jedoch gerade unterblieben. Wenn bereits nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung die Anregung zur Ableistung in einer bestimmten Einrichtung durch den Bewährungshelfer eine Konkretisierung durch das Gericht nicht ersetzen kann, (vgl. u.a. OLG Zweibrücken BA 1995, 189; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 1997, 2; OLG Hamm NStZ 1998, 56; KG Berlin, Beschluss vom 13.04.2005, Az: 1 AR 319/ 05 – 5 Ws), muss dies im Wege des Erst-Recht-Schlusses umso mehr für das eigenmächtige Bestimmen einer Einsatzstelle durch den Verurteilten gelten.

Dass eine solche Vorgehensweise Unklarheiten mit sich bringt, zeigt sich vorliegend im Übrigen auch daran, dass neben der konkreten Einsatzstelle auch die Fortgeltung der Fristsetzung, die das Amtsgericht … im Änderungsbeschluss vom 12.04.2011 festgelegt hatte, nicht geregelt wurde. Diese Frist wurde bereits im zweiten Änderungsbeschluss vom 02.05.2011 nicht mehr erwähnt, sodass es aus Sicht des Verurteilten erst recht unklar blieb, ob die besagte Frist nun auch für selbstgewählte Einsatzstelle gelten sollte.

Nach alledem wurde der Bestimmtheitsgrundsatz im Hinblick auf die Arbeitsauflage nicht gewahrt. Für den Verurteilten war insbesondere nicht klar, wann bzw. unter welchen Umständen er mit einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zu rechnen hatte. Mithin könnte der Widerruf des Amtsgerichts … nicht auf den Widerrufsgrund des § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB gestützt werden.

Dass … F. innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig wurde, namentlich durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts … vom 28.02.2012 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt wurde, rechtfertigt für sich genommen vorliegend keinen Bewährungswiderruf.

Entscheidend ist insoweit, dass das Amtsgericht … dem Verurteilten in besagtem Urteil vom 28.02.2012 erneut eine Bewährungschance eingeräumt hat und somit von einer günstigen Sozialprognose des Verurteilten ausgegangen ist

Es sind keine Umstände ersichtlich, die geeignet wären, diese relativ zeitnahe Prognose zu entkräften, sodass ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in hiesiger Sache darauf nicht gestützt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

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