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Pandemiebedingte Maskenpflicht an Arbeitsstätte – Verstoß

Firmenfahrzeug nicht als Arbeitsplatz: BayObLG hebt Maskenpflicht-Urteil auf

Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) hat im Fall Az.: 201 ObOWi 1077/23 entschieden, dass das Firmenfahrzeug eines Malermeisters nicht als Arbeitsplatz im Sinne der 9. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) anzusehen ist. Daher wurde das Urteil des Amtsgerichts Amberg, welches eine Geldstrafe wegen Verstoßes gegen die Maskenpflicht am Arbeitsplatz verhängt hatte, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Amberg zurückverwiesen.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Amberg durch das BayObLG.
  2. Das Firmenfahrzeug gilt nicht als Arbeitsplatz im Sinne der BayIfSMV.
  3. Kein Verstoß gegen die Maskenpflicht am Arbeitsplatz.
  4. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.
  5. Die Auslegung der Maskenpflichtvorschriften war entscheidend.
  6. Unterscheidung zwischen Arbeitsstätte und Transportmittel zum Arbeitsplatz.
  7. Fehlende Definition von Arbeitsstätte und Arbeitsplatz in der 9. BayIfSMV.
  8. Zurückverweisung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Amberg.

Maskenpflicht am Arbeitsplatz: Rechtliche Herausforderungen in der Pandemie

Pandemie-Maskenpflicht: Arbeitsplatz-Verstoß
(Symbolfoto: Just Life /Shutterstock.com)

In Deutschland können Verstöße gegen die pandemiebedingte Maskenpflicht an Arbeitsstätten rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Arbeitgeber sind verpflichtet, ein betriebliches Hygienekonzept zu erstellen und sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter Zugang dazu haben (§ 2 Abs. 3 Corona-Arbeitsschutzverordnung). Die Höhe der Geldbuße für Verstöße gegen die Maskenpflicht variiert je nach Schwere des Verstoßes.

Ein Urteil des BayObLG (Bayerisches Oberstes Landesgericht) vom 18.12.2023 (Az. 201 ObOWi 1077/23) zeigt jedoch, dass nicht immer eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. In diesem Fall wurde entschieden, dass die Maskenpflicht nur für den Arbeitsplatz und nicht für das Firmen-Kfz gilt, wenn ein Beschäftigter im Firmen-Kfz mitfährt und dabei keine Maske trägt, solange die Maskenpflicht an der Arbeitsstätte eingehalten wird. Dieses Urteil verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen und Unklarheiten, die im Zusammenhang mit der Maskenpflicht am Arbeitsplatz während der Pandemie entstanden sind.

Der Fall des Malermeisters und die pandemiebedingte Maskenpflicht

Im Zentrum des Falles steht ein Malermeister, der zusammen mit fünf weiteren Personen am 07.12.2020 in einem Transporter unterwegs zu einer Baustelle war. Hierbei wurde der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten, und keiner der Insassen trug einen Mund-Nasen-Schutz. Dies führte dazu, dass das Landratsamt Amberg-Sulzbach gegen den Malermeister einen Bußgeldbescheid wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 Abs. 1 Nr. 3 der 9. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) erließ, der eine Geldbuße von 75 Euro vorsah. Der Malermeister legte Einspruch ein, woraufhin das Amtsgericht Amberg ihn wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 250 Euro verurteilte.

Rechtsbeschwerde und Entscheidung des BayObLG

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Rechtsbeschwerde des Malermeisters, in der er argumentierte, dass das von den Mitarbeitern genutzte Firmenfahrzeug nicht als Arbeitsplatz im Sinne der 9. BayIfSMV anzusehen sei. Darüber hinaus bezeichnete er § 73 Abs. 1a Nr. 24 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) als verfassungswidrig und monierte die Höhe des Bußgeldes. Die Generalstaatsanwaltschaft München stellte sich auf die Seite des Betroffenen und beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Schließlich wurde das Urteil des Amtsgerichts Amberg aufgehoben, und der Fall zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Amberg zurückverwiesen.

Die juristische Debatte um Arbeitsplatz und Maskenpflicht

Im Kern der juristischen Auseinandersetzung stand die Frage, ob ein Firmenfahrzeug als Arbeitsplatz im Sinne der 9. BayIfSMV anzusehen ist. Das Amtsgericht Amberg hatte diese Frage bejaht, was zur Verurteilung des Malermeisters führte. Das BayObLG hingegen stellte klar, dass nach dem Wortlaut der BayIfSMV ein Fahrzeug, in dem nicht gearbeitet wird, sondern das lediglich für den Weg zur Arbeit genutzt wird, weder als Arbeitsstätte noch als Arbeitsplatz zu betrachten ist. Diese Interpretation beruht auf einer genauen Betrachtung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), die deutlich machen, dass der Begriff des Arbeitsplatzes sich auf den Bereich beschränkt, in dem ein Beschäftigter tatsächlich tätig wird.

Fazit: Eine klare Entscheidung mit Signalwirkung

Dieses Urteil des BayObLG stellt eine wichtige Klärung in Bezug auf die Anwendung der Maskenpflicht in Pandemiezeiten dar, insbesondere im Kontext von Arbeitsplätzen und Arbeitswegen. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer genauen Betrachtung und Abgrenzung juristischer Begrifflichkeiten und zeigt die Grenzen der Anwendbarkeit von Verordnungen auf. Das Urteil ist ein Beispiel für die Herausforderungen, die sich im Kontext der Pandemie und den damit verbundenen rechtlichen Regelungen ergeben.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Was definiert einen Arbeitsplatz im Kontext der Maskenpflicht nach dem Infektionsschutzgesetz?

Wie wird der Begriff der Arbeitsstätte im Arbeitsschutzgesetz und in der Arbeitsstättenverordnung verstanden?

Welche Rolle spielt der Bestimmtheitsgrundsatz im Ordnungswidrigkeitenrecht?

Inwiefern unterscheidet sich die Maskenpflicht auf Begegnungs- und Verkehrsflächen von der am Arbeitsplatz?

Welche Bedeutung hat die Rechtsbeschwerde im Verfahrensrecht?


Das vorliegende Urteil

BayObLG – Az.: 201 ObOWi 1077/23 – Beschluss vom 18.12.2023

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Amberg vom 13.07.2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Amberg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Landratsamt Amberg-Sulzbach verhängte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 12.12.2022 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 Abs. 1 Nr. 3 2. Hs. der 9. BayIfSMV (Maskenpflicht am Arbeitsplatz) eine Geldbuße in Höhe von 75 Euro. Nach Einspruchseinlegung verurteilte das Amtsgericht Amberg den Betroffenen aufgrund der Hauptverhandlung vom 13.07.2023 wegen der vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Verstoßes gegen die Maskenpflicht gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 der 9. BayIfSMV zu einer Geldbuße von 250 Euro. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, den er mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Das Firmenfahrzeug, das von den Mitarbeitern genutzt werde, sei nicht als Arbeitsplatz im Sinne der 9. BayIfSMV anzusehen. Zudem sei § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG verfassungswidrig. Das Bußgeld sei im Übrigen überhöht. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Stellungnahme vom 21.09.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das Urteil des Amtsgerichts Amberg vom 13.07.2023 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Amberg zurückzuverweisen. Dazu hat sich die Verteidigung mit Schriftsätzen vom 05.10.2023 und vom 14.12.2023 geäußert.

Die Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 08.12.2023 die Rechtsbeschwerde gegen das vorgenannte Urteil zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen (§§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 80a Abs. 3 OWiG).

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zugelassene Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils.

1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befand sich der Betroffene, der Malermeister ist, am 07.12.2020 mit weiteren fünf Personen in einem Transporter auf dem Weg zu einer Baustelle in Neumarkt in der Oberpfalz. Der Mindestabstand von 1,5 Metern im Fahrzeug wurde nicht eingehalten, keiner der Insassen trug einen Mund-Nasen-Schutz. Das Amtsgericht hat in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass auch ein Firmenfahrzeug, das von den Mitarbeitern genutzt wird, als Arbeitsplatz i.S.v. § 24 Abs. 1 Nr. 3 der 9. BayIfSMV anzusehen sei. Der Betroffene habe vorsätzlich gehandelt, weil er gewusst habe, dass er keinen Mund-Nasen-Schutz trage und dies auch nicht beabsichtigte. Er habe deshalb vorsätzlich gegen die Maskenpflicht nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 der 9. BayIfSMV verstoßen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene hat schon in objektiver Hinsicht keinen Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Nr. 3 der 9. BayIfSMV begangen, da das Verhalten des Betroffenen nicht an einem Arbeitsplatz bzw. einer Arbeitsstätte stattfand.

§ 24 Abs. 1 Nr. 3 der 9. BayIfSMV sieht Maskenpflicht vor auf den Begegnungs- und Verkehrsflächen der Arbeitsstätte, insbesondere in Fahrstühlen, Fluren, Kantinen und Eingängen; Gleiches gilt für den Arbeitsplatz, soweit der Mindestabstand von 1,5 m nicht zuverlässig eingehalten werden kann. Dabei hat der Verordnungsgeber weder den Begriff der Arbeitsstätte noch den des Arbeitsplatzes definiert.

Soweit das Tatgericht darauf abgestellt hat, dass das Firmenfahrzeug als Arbeitsplatz anzusehen ist, weil die 9. BayIfSMV den umfassenden Schutz der Mitarbeiter beabsichtige und der Mindestabstand nicht eingehalten werden könne, überschreitet eine derartige Auslegung sowohl die Grenze des möglichen Wortsinns als auch die Begriffsdefinition aus dem Arbeitsschutz, sodass ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG geregelten Bestimmtheitsgrundsatz bzw. gegen das Analogieverbot (vgl. BeckOK/Gerhold OWiG [40. Ed. Stand: 01.07.2023] § 3 Rn. 30) durch die bußgeldrechtliche Ahndung vorliegt. Auch wenn der umfassende Infektionsschutz im Sinne des Verordnungsgebers war, sind Regelungslücken hinzunehmen. Die BayIfSMV regelt nicht jeden Bereich, es ist auch nicht jeder Pflichtenverstoß bußgeldbewehrt.

a) Maßgebend für die Auslegung einer Norm ist in erster Linie der Wortlaut (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1986 – 2 StR 33/86 = BGHSt 34, 211 = NJW 1987, 1280 = NStZ 1987, 323 = StV 1987, 151; BayObLG, Beschluss vom 10.1.2022 – 201 ObOWi 1507/21 = BeckRS 2022, 149 = NZV 2022, 155 = NStZ 2022, 495 = DAR 2022, 156), wobei der Wortsinn einerseits die Grenze der Auslegung bestimmt, andererseits aber bei der Auslegung zwischen den möglichen Wortbedeutungen bis zur „äußersten sprachlichen Sinngrenze“ gewählt werden darf. Jenseits dieser beginnt der Bereich der Analogie (vgl. KK/Rogall OWiG 5. Aufl. § 3 Rn. 53, 76 m.w.N.). Nach dem Wortlaut stellt ein Fahrzeug, in dem nicht gearbeitet wird, sondern lediglich der Weg zur Arbeit zurückgelegt wird, weder eine Arbeitsstätte noch einen Arbeitsplatz dar.

b) Die in der 9. BayIfSMV vorgesehene Maskenpflicht soll dazu dienen, Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck zu reduzieren. Eine Mund-Nasen-Bedeckung soll primär andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln aus der Atemluft desjenigen schützen, der eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt (Fremdschutz). Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen dient aber auch zum Eigenschutz vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus, insbesondere in Situationen, in denen mehrere Menschen zusammentreffen und der Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen Personen nicht zuverlässig eingehalten werden kann (Begründung der 9. BayIfSMV vom 30.11.2020, BayMBl. 2020 Nr. 684).

Die Maskenpflicht am Arbeitsplatz bzw. an den Arbeitsstätten dient also dem Arbeitsschutz. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber die Begriffe der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes entsprechend dem Arbeitsschutzgesetz und der Arbeitsstättenverordnung verstanden wissen will. Denn die Ziele der Maskenpflicht in der 9. BayIfSMV und des Arbeitsschutzrechts sind identisch:

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) dient nach § 1 Abs. 1 Satz 1 dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Nach § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Diese Gefährdungen müssen mit der Arbeit der Beschäftigten verbunden sein und mit ihr in direktem inneren oder äußeren Zusammenhang stehen. Ein mittelbarer Zusammenhang genügt nicht. Gefährdungen auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte sind grundsätzlich nicht erfasst, selbst wenn der Arbeitsweg ausnahmsweise zur Arbeitszeit gehört (Kollmer/Klindt/Schucht/Kreizberg, Arbeitsschutzgesetz, 4. Aufl., § 5 ArbSchG Rn. 63). Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) dient nach § 1 Abs. 1 ArbStättV der Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Schutzziele sind die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten.

Die BayIfSMV dient ebenfalls dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Die Begriffe der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes sind deshalb entsprechend dem Arbeitsschutzgesetz und der Arbeitsstättenverordnung zu verstehen.

c) Arbeitsstätten sind nach § 2 Abs. 1 ArbStättV Arbeitsräume oder andere Orte in Gebäuden auf dem Gelände eines Betriebes, Orte im Freien auf dem Gelände eines Betriebes, Orte auf Baustellen, sofern sie zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind. Nach § 2 Abs. 2 ArbStättV gehören zur Arbeitsstätte insbesondere auch Orte auf dem Gelände eines Betriebes oder einer Baustelle, zu denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben. Arbeitsplätze sind nach § 2 Abs. 4 ArbStättV Bereiche, in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit tätig sind.

aa) Die Arbeitsstätte i.S.d. ArbStättV ist der konkrete Ort, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird (Kollmer/Wiebauer/Schucht/Wiebauer, Arbeitsstättenverordnung, 4. Aufl. § 2 Rn. 7). Außerhalb des Betriebsgeländes und damit außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs des Arbeitgebers findet die ArbStättV grundsätzlich keine Anwendung, etwas anderes gilt für Baustellen, auf denen der Arbeitgeber seine Beschäftigten außerhalb des Betriebsgeländes einsetzt (Kollmer/Wiebauer/Schucht/Wiebauer a.a.O. Rn. 4). Daraus ergibt sich, dass bei einem Transport von Mitarbeitern zu einer Baustelle in einem Firmenfahrzeug das Fahrzeug nicht als Arbeitsstätte anzusehen ist.

bb) Da Arbeitsplätze nach § 2 Abs. 4 ArbStättV Bereiche darstellen, in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit tätig sind, fällt darunter nicht die bloße Fahrt zur Tätigkeit, auch wenn sich der Arbeitnehmer in einem Firmenfahrzeug befindet (vgl. auch Felz ARP 2021, 358, 359). Der Arbeitsplatzbegriff der ArbStättV ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Betriebsverfassungs- und des Personalvertretungsrechts. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung versteht man unter Arbeitsplatz den räumlichen Bereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, sowie dessen unmittelbare Umgebung (BVerwGE 78, 47; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.07.2014 – OVG 62 PV 3.13 bei juris = BeckRS 2014, 57924). Im Betriebsverfassungsrecht wird auf den Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers im räumlich-funktionalen Sinne abgestellt, in dem dieser unter den technischen und organisatorischen Gegebenheiten seine Arbeitsaufgabe innerhalb eines Arbeitssystems erfüllt (LAG Hessen, Beschluss vom 3.11.1992 – 5 TaBV 27/92 = BeckRS 1992, 30448097; ErfK/Kania BetrVG 24. Aufl. § 90 Rn. 5; BeckOK/Werner ArbR BetrVG [70. Ed. Stand: 01.12.2023] § 90 Rn. 7). Damit gilt im Arbeitsschutzrecht ein einheitlicher Arbeitsplatzbegriff, der allein auf die Tätigkeit eines Beschäftigten in dem betreffenden Bereich abstellt (Kollmer/Wiebauer/Schucht/Wiebauer a.a.O. § 2 Rn. 53). Im Firmenfahrzeug auf dem Weg zur Baustelle werden die Mitarbeiter nicht tätig.

d) Für diese Auslegung sprechen auch die folgenden Erwägungen:

aa) Die Verordnungsermächtigung für die Regelungen der 9. BayIfSMV fand sich in § 32 Satz 1 in Verbindung mit §§ 28 Abs. 1, 28a IfSG.

§ 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG i.d.F. v. 22.11.2021 (in Kraft getreten erst nach der hiesigen Tat) sah vor, dass Arbeitgeber und Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten und Arbeitgeber Transporte von mehreren Beschäftigten zur Arbeitsstätte nur durchführen dürfen, wenn sie geimpfte Personen, genesene Personen oder getestete Personen sind und einen Impfnachweis, Genesenennachweis oder Testnachweis mit sich führen. Der Wortlaut der Norm spricht dafür, dass der Gesetzgeber den Transport der Mitarbeiter gerade nicht als Arbeitsstätte oder Arbeitsplatz ansehen wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG bestehenden Pflicht ausgeführt, dass die dortige Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargelegt habe, inwiefern die 3G-Regelung sie unzumutbar daran hindere, ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Dieser liege von ihrem Wohnort sechs Kilometer entfernt (BVerfG NVwZ 2022, 713, 714). Dies deutet darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Begrifflichkeit des Arbeitsplatzes im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz nicht als identisch ist mit dem Arbeitsweg ansieht.

bb) Die Generalstaatsanwaltschaft München hat in ihrer Antragsschrift vom 21.09.2023 noch Folgendes ausgeführt:

„In systematischer Hinsicht kommt vorliegend hinzu, dass die in § 24 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 der 9. BayIfSMV geregelte ‚Maskenpflicht am Arbeitsplatz‘ sich eindeutig auf den ersten Halbsatz der Vorschrift bezieht. Die Regelung stellt insoweit klar, dass im Bereich des Arbeitsplatzes – anders als auf den Begegnungs- und Verkehrsflächen der Arbeitsstätte, auf denen der Mindestabstand von 1,5 Metern wegen der Gefahr unbeabsichtigter oder unvermeidbarer Begegnungen nicht zuverlässig eingehalten werden kann – ein Mund-Nasen-Schutz nur im Ausnahmefall zu tragen ist. Der Verordnungsgeber hat mit der Regelung offensichtlich dem Umstand Rechnung getragen, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer sich während der Arbeitszeit in der Regel vorwiegend am Arbeitsplatz aufhält und wollte so eine unverhältnismäßige Belastung durch das durchgehende Tragen einer Maske über lange Zeiträume hinweg vermeiden. Aus dem Vergleich der beiden Halbsätze der Regelung ergibt sich daher nur, dass der Verordnungsgeber zwischen Aufenthalten in Verkehrs- und Begegnungsbereichen und dem Verbleib an festen Plätzen innerhalb der Arbeitsstätte differenziert; nur an dieser gilt die Maskenpflicht. Abweichendes geht insbesondere auch nicht aus der Verordnungsbegründung hervor; diese erwähnt in Bezug auf das Arbeitsleben ausdrücklich nur die ‚Begegnungs- und Verkehrsflächen der Arbeitsstätte‘ (BayMBl. 2020, Nr. 684 S. 4).“

Dem tritt der Senat bei.

3. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts kommt somit kein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Nr. 3 der 9. BayIfSMV in Betracht, wohl aber ein Verstoß gegen die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der 9. BayIfSMV angeordnete Kontaktbeschränkung. Danach war der gemeinsame Aufenthalt im öffentlichen Raum, in privat genutzten Räumen und auf privat genutzten Grundstücken nur gestattet mit den Angehörigen des eigenen Hausstands sowie zusätzlich den Angehörigen eines weiteren Hausstands, solange dabei eine Gesamtzahl von insgesamt höchstens fünf Personen nicht überschritten wird. Dies gilt nach § 3 Abs. 3 der 9. BayIfSMV nicht für berufliche und dienstliche Tätigkeiten, bei denen ein Zusammenwirken mehrerer Personen zwingend erforderlich ist.

Da sich hier nach den Feststellungen sechs Personen im Fahrzeug aufhielten, kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 29 Nr. 1 der 9. BayIfSMV in Betracht.

a) Hinsichtlich der möglichen Verwirklichung des Tatbestandes des Verstoßes gegen die Kontaktbeschränkung erweisen sich die Urteilsfeststellungen aber als lückenhaft (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO, sodass dem Senat keine eigene Entscheidung möglich ist.

Zum einen gilt die Kontaktbeschränkung nicht für berufliche und dienstliche Tätigkeiten, bei denen ein Zusammenwirken mehrerer Personen zwingend erforderlich ist. In dem Urteil sind keine Feststellungen zu der Art der in Aussicht genommenen Tätigkeit und der Notwendigkeit der gemeinsamen Fahrt enthalten.

Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil (konsequenterweise) auch nichts Tragfähiges zum subjektiven Tatbestand des Betroffenen bezüglich der Kontaktbeschränkung.

b) Da die Fahrt am 07.12.2020 erfolgte, ist im Falle des fahrlässigen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 der 9. BayIfSMV die Tat bereits verjährt. Am 07.12.2020 waren vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten nach § 73 Abs. 2 IfSG a.F. mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro bedroht, sodass die fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 2 IfSG a.F., § 17 Abs. 2 OWiG mit Geldbuße bis zu 12.500 EUR bedroht war. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zwei Jahre. Eine Anhörung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) erfolgte am 07.12.2020, der Bußgeldbescheid (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG) wurde erst am 12.12.2022 und damit nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist erlassen.

4. Die Bedenken der Rechtsbeschwerde zur Verfassungsmäßigkeit von §§ 73 Abs. 1a Nr. 24, 32, 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 IfSG a.F. teilt der Senat nicht (vgl. VGH München, Beschluss vom 16.11.2020 – 20 NE 20.2461 = BeckRS 2020, 36148; BVerwG NVwZ 2023, 1000 zur SächsCoronaSchVO; BayObLG, Beschluss vom 23.11.2023 – 205 StRR 370/23 [unveröffentlicht]).

III.

Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO).

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Amberg zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 3 OWiG entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Richtern.

 

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