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Heimliche Aufnahme einer Person in ihrer Wohnung – Strafbarkeit

Heimliche Kamera im Mietzimmer – eigentlich ein Fall für die Strafverfolgung, so könnte man meinen. Doch ein Gerichtsurteil zeigt nun: Nicht jede Aufnahme ist strafbar, selbst in den eigenen vier Wänden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 ORs 24/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Hamm
  • Datum: 18.03.2025
  • Aktenzeichen: 4 ORs 24/25
  • Verfahrensart: Revision (Überprüfung eines Urteils durch ein höheres Gericht)
  • Rechtsbereiche: Strafrecht

Beteiligte Parteien:

  • Angeklagter: Eine Person, die beschuldigt wird, eine Straftat begangen zu haben.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht Warendorf verurteilt, weil er heimlich eine Videokamera im Zimmer seines Untermieters (Zeuge J.) aufgestellt haben soll. Die Kamera zeichnete bei Bewegung Videosequenzen auf. Der Untermieter entdeckte die Kamera am nächsten Tag. Auf den sichergestellten Aufnahmen waren unter anderem Teile einer bekleideten Person, Schuhe, ein Boden und ein Arm zu sehen.
  • Kern des Rechtsstreits: Das Oberlandesgericht Hamm musste prüfen, ob das Urteil des Amtsgerichts Warendorf korrekt war, insbesondere ob die Feststellungen des Amtsgerichts ausreichten, um den Angeklagten wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu verurteilen.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Urteil des Amtsgerichts Warendorf vom 05.09.2024 wurde aufgehoben. Die sichergestellte Videokamera mit Speicherkarte wurde eingezogen.
  • Folgen: Der Fall muss von einer anderen Abteilung des Amtsgerichts Warendorf neu verhandelt und entschieden werden. Dort wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens entschieden.

Der Fall vor Gericht


Der Fall: Heimliche Videoaufnahmen im gemieteten Zimmer

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat ein Urteil des Amtsgerichts Warendorf aufgehoben. Dieses hatte einen Mann wegen heimlicher Videoaufnahmen in einem von ihm vermieteten Zimmer verurteilt.

Heimliche Kamera installiert. Videoüberwachung, Datenschutz, Persönlichkeitsrecht.
Heimliche Videoaufnahmen und Privatsphäre | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Grenzen des Schutzes der Privatsphäre in Wohnräumen und die Auslegung des Straftatbestandes der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB).

Die Feststellungen des Amtsgerichts Warendorf

Das Amtsgericht Warendorf stellte fest, dass der Angeklagte am 9. Juli 2023 eine Videokamera mit Bewegungsmelder in dem Zimmer versteckte, das er an den Zeugen J. vermietet hatte. Die Kamera war hinter einem Rollcontainer platziert und zeichnete Videosequenzen auf, sobald sich der Zeuge im Raum bewegte. Am folgenden Tag, dem 10. Juli 2023, entdeckte der Zeuge die Kamera zufällig beim Reinigen seines Zimmers.

Analyse der Videoaufnahmen

Die polizeiliche Auswertung der Speicherkarte ergab 13 Videodateien. Die ersten Aufnahmen zeigten das Vorbereiten und Platzieren der Kamera. Spätere Videos dokumentierten die Rückkehr des Zeugen und weitere Bewegungen im Zimmer am 10. Juli. Die Qualität der Aufnahmen war laut Gericht schlecht. Oft war nur die Laufrolle des Containers zu sehen. Der Zeuge war auf einigen Sequenzen nur beiläufig und stets bekleidet zu erkennen.

Das entscheidende Bildmaterial

Eine Aufnahme zeigte eine Person sitzend, wobei nur die Oberschenkel, der untere Oberkörperbereich, eine Hand und ein Buch oder Heft sichtbar waren. Die Person war bekleidet und nicht identifizierbar. Weitere Bilder zeigten jemanden beim Bodenwischen sowie Aufnahmen des Fußbodens und von Schuhen. Schließlich wurde auch die Entdeckung der Kamera durch den Zeugen aufgezeichnet.

Das erstinstanzliche Urteil: Schuldspruch wegen Verletzung der Privatsphäre

Das Amtsgericht Warendorf verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 100 Euro (insgesamt 5.000 Euro). Es ordnete zudem die Einziehung der Kamera samt Speicherkarte an. Das Gericht sah den Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB als erfüllt an.

Begründung des Amtsgerichts

Das Gericht argumentierte, das Zimmer sei der Wohnraum und damit der höchstpersönliche Lebensbereich des Zeugen J. gewesen, auch wenn dieser sich nach Auslaufen seines Kirchenasyls häufiger anderweitig aufgehalten habe. Die Kamera sei gezielt aufgestellt und ausgerichtet worden, unter anderem auf das Bett. Die Aufnahme der sitzenden, bekleideten Person sei bereits eine Verletzung des höchstpersönlichen Bereichs. Hierfür sei keine Nacktheit erforderlich.

Die Revision des Angeklagten

Der Angeklagte legte über seinen Verteidiger Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts ein. Er rügte die Verletzung materiellen Rechts. Damit machte er geltend, dass das Amtsgericht das Gesetz, insbesondere den § 201a StGB, falsch angewendet oder ausgelegt habe. Die Revision zielte darauf ab, das Urteil aufheben zu lassen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Das OLG Hamm gab der Revision statt. Es hob das Urteil des Amtsgerichts Warendorf mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf. Der Fall wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Warendorf zurückverwiesen. Dies bedeutet, dass der Prozess neu aufgerollt werden muss. Das neue Gericht ist nicht an die rechtliche Bewertung des ersten Urteils gebunden.

Gründe für die Aufhebung (Implikationen)

Obwohl der vorliegende Beschluss des OLG Hamm die detaillierten Gründe für die Aufhebung nicht explizit nennt, liegt der Schluss nahe, dass das OLG Zweifel an der rechtlichen Würdigung des Amtsgerichts hatte. Kernpunkt dürfte die Frage sein, ob die tatsächlich angefertigten Aufnahmen – insbesondere das Bild der bekleideten, nicht identifizierbaren Person – bereits eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs darstellen.

Rechtlicher Hintergrund: Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs

§ 201a StGB schützt den Einzelnen vor heimlichen Bildaufnahmen in seiner Wohnung oder einem anderen besonders geschützten Raum. Der Begriff „Höchstpersönlicher Lebensbereich“ ist dabei zentral. Er umfasst intime und private Situationen, in denen sich eine Person unbeobachtet fühlen darf. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass gerade dieser Kernbereich der Privatsphäre verletzt wird.

Abgrenzungsprobleme in der Praxis

Die genaue Abgrenzung, was zum höchstpersönlichen Lebensbereich gehört und was nicht, ist oft schwierig. Nicht jede heimliche Aufnahme in einer Wohnung erfüllt automatisch den Tatbestand. Entscheidend ist, ob die Aufnahme Einblicke in besonders sensible, private Momente gewährt. Die Rechtsprechung muss hier im Einzelfall prüfen, ob die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten ist.

Kernfrage: Reichen die Aufnahmen für eine Strafbarkeit?

Der Fall dreht sich maßgeblich um die Frage, ob die konkreten Aufnahmen, die den Zeugen nur bekleidet, teilweise verdeckt oder nicht identifizierbar zeigten, ausreichen, um den höchstpersönlichen Lebensbereich im Sinne des § 201a StGB zu verletzen. Das Amtsgericht bejahte dies, das OLG Hamm hatte jedoch offenbar Bedenken gegen diese Auslegung, was zur Aufhebung des Urteils führte.

Das weitere Verfahren am Amtsgericht Warendorf

Das Amtsgericht Warendorf muss nun den Fall erneut verhandeln. Dabei wird es die Beweise, insbesondere die Videoaufnahmen, erneut würdigen müssen. Es muss prüfen, ob die festgestellten Handlungen des Angeklagten die Voraussetzungen des § 201a StGB erfüllen, möglicherweise unter Berücksichtigung einer strengeren Auslegung des Begriffs „höchstpersönlicher Lebensbereich“, wie sie das OLG Hamm angedeutet haben könnte. Das Ergebnis des neuen Verfahrens ist offen.


Bedeutung für Betroffene

Für Opfer heimlicher Aufnahmen

Dieses Urteil verdeutlicht, dass der rechtliche Schutz vor heimlichen Aufnahmen in der eigenen Wohnung zwar existiert, aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Opfer solcher Taten sollten wissen, dass nicht jede heimliche Aufnahme automatisch strafbar ist. Entscheidend ist, ob die Aufnahmen tatsächlich den intimen Kernbereich der Privatsphäre verletzen. Die Entscheidung des OLG Hamm zeigt, dass Gerichte hier genau prüfen. Für Betroffene bedeutet dies, dass der Nachweis einer solchen Verletzung zentral für eine Verurteilung ist.

Für Vermieter und Mitbewohner

Personen, die Wohnraum vermieten oder in Wohngemeinschaften leben, sollten sich der strengen rechtlichen Grenzen bewusst sein. Das heimliche Anfertigen von Bildaufnahmen in privaten Wohnräumen anderer stellt ein erhebliches Risiko dar und kann strafrechtliche Konsequenzen nach § 201a StGB nach sich ziehen. Auch wenn nicht jede Aufnahme zur Verurteilung führt, wie dieser Fall zeigt, ist das Installieren versteckter Kameras grundsätzlich rechtswidrig und ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre.

Generelle Bedeutung für die Privatsphäre

Der Fall unterstreicht die laufende Debatte über die Balance zwischen dem Recht auf Privatsphäre und den Möglichkeiten moderner Überwachungstechnik. Er zeigt, dass die Justiz gefordert ist, klare Linien zu ziehen, wann der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs greift. Die Entscheidung des OLG Hamm könnte ein Hinweis darauf sein, dass für eine Strafbarkeit nach § 201a StGB tendenziell Aufnahmen von intimeren oder sensibleren Situationen erforderlich sind, als das Amtsgericht ursprünglich annahm.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass das heimliche Aufstellen einer Kamera in einem fremden Wohnraum auch dann strafbar sein kann, wenn keine intimen Aufnahmen entstehen. Die Quintessenz liegt darin, dass für eine Strafbarkeit nach § 201a StGB nicht entscheidend ist, was tatsächlich aufgenommen wird, sondern dass der höchstpersönliche Lebensbereich durch das Aufstellen der Kamera verletzt wurde. Allerdings muss genau geklärt werden, ob die entstandenen Aufnahmen tatsächlich den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen – das Gericht sah die Feststellungen hierzu als unzureichend an und verwies den Fall zurück.

Benötigen Sie Hilfe?

Schutz der Privatsphäre bei heimlichen Aufnahmen – Unsicherheiten für Betroffene und Beschuldigte

Wer von heimlichen Videoaufnahmen im privaten Wohnraum betroffen ist oder mit einem entsprechenden Vorwurf konfrontiert wird, befindet sich oft in einer rechtlich unübersichtlichen Situation. Denn nicht jede Aufnahme in privaten Räumen erfüllt automatisch den Tatbestand einer strafbaren Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs; entscheidend sind die konkreten Umstände und der intime Gehalt der Aufnahmen.

Unsere Kanzlei bietet eine sachliche Prüfung Ihrer spezifischen Situation und erkennt frühzeitig die Erfolgsaussichten sowie Risiken eines Vorgehens. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte bei Verdacht auf unzulässige Aufnahmen wirksam zu schützen oder sich gegen entsprechende Vorwürfe angemessen zu verteidigen.

Ersteinschätzung anfragen

Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was genau bedeutet „höchstpersönlicher Lebensbereich“ im Sinne des Gesetzes?

Der „höchstpersönliche Lebensbereich“ bezeichnet den absolut geschützten Kernbereich Ihrer Privatsphäre. Es ist der Bereich, in dem Sie sich völlig unbeobachtet fühlen dürfen und ein Anrecht darauf haben, allein oder nur mit selbst gewählten Personen zu sein. Stellen Sie sich dies als die innerste Schutzzone Ihrer Persönlichkeit vor, die für andere tabu ist.

Was gehört zum Kern dieses Bereichs?

Es geht hierbei nicht nur um Nacktheit oder sexuelle Handlungen. Vielmehr umfasst dieser Bereich alle Situationen, die sehr intim und vertraulich sind und bei denen eine Person typischerweise davon ausgeht und darauf vertraut, vor fremden Blicken geschützt zu sein. Dazu gehören beispielsweise:

  • Momente tiefer Trauer oder großer Freude, die man für sich behalten möchte.
  • Sehr persönliche Gespräche über intime Gefühle, Ängste oder Krankheiten.
  • Situationen der körperlichen Bedürftigkeit oder Verletzlichkeit (z.B. bei der Körperpflege, auf der Toilette, bei Krankheit).
  • Private Reflexionen oder Gebete.

Entscheidend ist, dass es sich um Vorgänge handelt, die typischerweise geheim gehalten werden und deren ungewollte Beobachtung oder Aufzeichnung für die betroffene Person besonders belastend, peinlich oder beschämend wäre.

Welche Orte sind typischerweise geschützt?

Der Schutz ist oft an bestimmte Orte geknüpft, an denen Sie eine berechtigte Erwartung haben, privat und unbeobachtet zu sein. Das Gesetz (§ 201a Strafgesetzbuch) nennt hier ausdrücklich die Wohnung als einen besonders geschützten Raum. Aber auch andere, gegen Einblick besonders geschützte Räume fallen darunter. Denken Sie zum Beispiel an:

  • Badezimmer und Schlafzimmer innerhalb der Wohnung.
  • Umkleidekabinen (z.B. im Schwimmbad oder Geschäft).
  • Toilettenräume.
  • Unter bestimmten Umständen auch abgeschirmte Bereiche wie Behandlungsräume beim Arzt oder im Krankenhaus.

Was bedeutet das für heimliche Aufnahmen?

Das Strafgesetzbuch (§ 201a StGB) verbietet es ausdrücklich, heimlich Bildaufnahmen (Fotos oder Videos) von jemandem zu machen oder zu verbreiten, wenn dadurch dieser höchstpersönliche Lebensbereich verletzt wird. Solche Aufnahmen stellen einen schwerwiegenden Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre dar und sind deshalb strafbar. Bereits das unbefugte Anfertigen einer solchen Aufnahme kann strafbar sein, nicht erst deren Verbreitung.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die genaue Abgrenzung, was im konkreten Fall zum höchstpersönlichen Lebensbereich gehört und was nicht, manchmal schwierig sein kann. Die Gerichte müssen dies oft anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls bewerten.


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Welche Strafe droht bei einer Verurteilung wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen?

Wenn jemand wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nach § 201a des Strafgesetzbuches (StGB) verurteilt wird, hängt die konkrete Strafe von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Gesetz sieht hierfür einen bestimmten Rahmen vor.

Mögliche Strafen nach dem Gesetz (§ 201a StGB)

Das Gesetz unterscheidet verschiedene Handlungen, die strafbar sind, wie zum Beispiel:

  • Das unbefugte Herstellen oder Übertragen von Bildaufnahmen einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem besonders geschützten Raum (z.B. Umkleidekabine, Toilette) befindet.
  • Das unbefugte Herstellen oder Übertragen von Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen (z.B. Unfallopfer).
  • Das unbefugte Herstellen oder Übertragen von Aufnahmen einer nackten Person unter 18 Jahren.
  • Das Verbreiten oder öffentliche Zugänglichmachen solcher unbefugt hergestellten Aufnahmen.

Für diese Taten sieht das Gesetz grundsätzlich eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor.

Wovon hängt die konkrete Strafe ab?

Welche Strafe ein Gericht im Falle einer Verurteilung tatsächlich verhängt, ist eine Entscheidung im Einzelfall. Die Richter berücksichtigen dabei viele verschiedene Faktoren, um eine gerechte Strafe zu finden. Dazu gehören unter anderem:

  • Die Schwere der Tat: Wie stark wurde in die Privatsphäre eingegriffen? Handelt es sich um intime Aufnahmen (z.B. im Schlafzimmer, Bad)? Wurden die Aufnahmen nur hergestellt oder auch verbreitet (z.B. im Internet oder an Freunde geschickt)? Wie viele Aufnahmen gibt es und über welchen Zeitraum wurden sie gemacht?
  • Die Motive und die Einstellung des Täters: Warum hat die Person die Aufnahmen gemacht? War es Neugier, eine sexuelle Motivation, Rache oder Gedankenlosigkeit? Zeigt der Täter Reue und Einsicht? Hat er sich entschuldigt oder versucht, den Schaden wiedergutzumachen?
  • Die Folgen für das Opfer: Wie sehr leidet die betroffene Person unter der Tat und ihren Folgen? Hat sie psychische Probleme davongetragen? Wurde ihr Ruf geschädigt?
  • Das Verhalten des Täters nach der Tat: Ist der Täter geständig? Hilft er bei der Aufklärung mit?
  • Eventuelle Vorstrafen: Ist der Täter bereits früher strafrechtlich aufgefallen, insbesondere wegen ähnlicher Delikte?

Eine Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Die Anzahl der Tagessätze (zwischen 5 und 360) spiegelt die Schwere der Schuld wider. Die Höhe eines Tagessatzes richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters (vereinfacht: Nettoeinkommen pro Tag). Eine Freiheitsstrafe wird meist bei schwerwiegenderen Taten oder bei Tätern mit einschlägigen Vorstrafen verhängt.

Was kann neben der Strafe noch passieren?

Unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgung durch Polizei und Staatsanwaltschaft kann die Person, deren Rechte verletzt wurden (das Opfer), auch zivilrechtliche Schritte einleiten. Das bedeutet, sie kann vor einem Zivilgericht eigene Ansprüche gegen den Täter geltend machen. Dazu gehören typischerweise:

  • Anspruch auf Unterlassung: Das Opfer kann verlangen, dass der Täter es zukünftig unterlässt, solche Aufnahmen zu machen oder zu verbreiten. Oft wird auch die Löschung oder Herausgabe der Aufnahmen gefordert.
  • Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld: Da die heimliche Aufnahme eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt, kann das Opfer eine finanzielle Entschädigung für den erlittenen Schaden und das erlittene Leid (Schmerzensgeld) fordern.

Diese zivilrechtlichen Folgen treten neben eine mögliche strafrechtliche Verurteilung und sind davon unabhängig.


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Wann ist eine Videoaufnahme „heimlich“ im rechtlichen Sinne?

Eine Videoaufnahme gilt im rechtlichen Sinne als „heimlich“, wenn sie ohne das Wissen und ohne die Einwilligung der aufgenommenen Person(en) erfolgt. Es kommt also auf zwei zentrale Punkte an:

  1. Fehlendes Wissen: Die betroffene Person weiß nicht, dass sie gerade gefilmt wird.
  2. Fehlende Einwilligung: Die betroffene Person hat der Aufnahme nicht zugestimmt.

Beide Voraussetzungen müssen in der Regel erfüllt sein, damit eine Aufnahme als heimlich gilt.

Fehlendes Wissen und fehlende Einwilligung sind entscheidend

Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass eine Aufnahme nur dann heimlich ist, wenn die Kamera physisch versteckt wurde. Das ist nicht unbedingt der Fall.

  • Wissen: Entscheidend ist, ob die gefilmte Person Kenntnis von der konkreten Aufnahme hat. Selbst wenn Schilder auf eine Videoüberwachung hinweisen, kann eine Aufnahme heimlich sein, wenn für die Person nicht klar erkennbar ist, wann, von wem und zu welchem Zweck sie genau jetzt gefilmt wird. Die bloße Möglichkeit, überwacht zu werden, reicht nicht immer aus, um das Kriterium „Wissen“ zu erfüllen.
  • Einwilligung: Neben dem Wissen ist die Zustimmung der gefilmten Person erforderlich. Diese Einwilligung muss freiwillig erfolgen. Sie kann ausdrücklich (z.B. mündlich oder schriftlich) oder in bestimmten Situationen auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erteilt werden. Liegt weder Wissen noch eine Einwilligung vor, ist die Aufnahme heimlich.

Der Ort der Aufnahme ist wichtig, aber nicht allein entscheidend

Auch der Ort, an dem gefilmt wird, spielt eine Rolle, ist aber nicht das einzige Kriterium für die Beurteilung, ob eine Aufnahme heimlich und damit unzulässig ist.

  • Sichtbare Kameras: Selbst eine offen sichtbare Kamera kann heimliche Aufnahmen machen. Stellen Sie sich vor, eine Kamera ist zwar sichtbar, aber die Person weiß nicht, dass sie eingeschaltet ist und aufzeichnet, oder sie wurde über den Zweck der Aufnahme getäuscht.
  • Besonderer Schutz für private Bereiche: Das Gesetz schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich besonders stark. Das sind Bereiche, in denen Sie erwarten können, völlig unbeobachtet zu sein (z.B. die eigene Wohnung, das Schlafzimmer, das Badezimmer, Umkleidekabinen). Heimliche Aufnahmen in diesen Bereichen sind besonders schwerwiegend und in der Regel unzulässig. Das Strafgesetzbuch stellt solche Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe (§ 201a StGB).
  • Öffentliche oder allgemein zugängliche Bereiche: Auch wenn eine Kamera in einem allgemein zugänglichen Bereich (z.B. ein Geschäft, ein Büroflur) aufgestellt wird, bedeutet das nicht, dass alle Aufnahmen erlaubt sind. Wenn Personen gezielt in Situationen gefilmt werden, die ihre Intim- oder Privatsphäre verletzen (z.B. heimliches Filmen unter den Rock – sogenanntes „Upskirting“), ist dies auch im öffentlichen Raum unzulässig und strafbar, da es den höchstpersönlichen Lebensbereich betrifft.

Folgen einer heimlichen Aufnahme

Heimliche Videoaufnahmen sind rechtlich problematisch, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der gefilmten Person verletzen. Dieses Recht schützt unter anderem die Privat- und Intimsphäre sowie das Recht am eigenen Bild.

Wenn eine Aufnahme heimlich erfolgt und insbesondere den höchstpersönlichen Lebensbereich betrifft, kann dies nach § 201a Strafgesetzbuch (StGB) sogar strafbar sein. Das Gesetz soll Menschen davor schützen, in sehr privaten und intimen Momenten ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung gefilmt zu werden.


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Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass ich heimlich gefilmt wurde?

Wenn Sie den Verdacht haben, ohne Ihr Wissen und Ihre Zustimmung gefilmt worden zu sein, stellt dies einen ernstzunehmenden Eingriff in Ihre Privatsphäre dar. Heimliche Videoaufnahmen, insbesondere in privaten Situationen oder wenn sie geeignet sind, Ihr Ansehen erheblich zu schädigen, können Ihre Persönlichkeitsrechte verletzen. Das deutsche Recht schützt Sie davor.

Verletzung der Privatsphäre und mögliche Straftat

Das heimliche Anfertigen von Bildaufnahmen einer Person in deren höchstpersönlichem Lebensbereich (z.B. in der Wohnung, im Badezimmer) oder von Aufnahmen, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, kann strafbar sein. Insbesondere § 201a des Strafgesetzbuches (StGB) stellt die „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen“ unter Strafe. Dies gilt auch für die Verbreitung solcher Aufnahmen.

Beweise sichern: Was kann helfen?

Um rechtliche Schritte einleiten zu können, sind Beweise entscheidend. Handeln Sie möglichst zeitnah, um Beweismittel zu sichern. Dazu können gehören:

  • Fotos oder Videos: Dokumentieren Sie, wenn möglich, die Kamera oder das Aufnahmegerät, den Ort der Aufnahme oder die Person, die filmt.
  • Screenshots: Falls die Aufnahmen online oder auf einem Gerät sichtbar sind, fertigen Sie Bildschirmfotos (Screenshots) an. Achten Sie darauf, dass Datum und Uhrzeit sichtbar sind.
  • Zeugen: Gibt es Personen, die den Vorfall beobachtet haben oder von den Aufnahmen wissen? Notieren Sie deren Namen und Kontaktdaten. Zeugenaussagen können sehr wichtig sein.
  • Notizen: Schreiben Sie genau auf, wann, wo und wie Sie den Verdacht hatten oder die Aufnahme entdeckt haben. Je detaillierter Ihre Aufzeichnungen sind, desto besser.

Strafanzeige: Die Tat zur Anzeige bringen

Wenn Sie vermuten, Opfer einer Straftat geworden zu sein, können Sie Strafanzeige bei der Polizei erstatten. Jede Polizeidienststelle nimmt Anzeigen entgegen. Sie können den Vorfall dort schildern und die gesicherten Beweise vorlegen. Die Polizei prüft den Sachverhalt und leitet die Informationen gegebenenfalls an die Staatsanwaltschaft weiter. Die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und gegebenenfalls Anklage erhoben wird. Eine Strafanzeige ist für Sie in der Regel kostenlos.

Weitere Rechte: Unterlassung und Schadensersatz

Unabhängig von einem möglichen Strafverfahren können Sie auch zivilrechtliche Ansprüche haben. Das bedeutet, Sie können selbst vor einem Zivilgericht aktiv werden. Typische Ansprüche sind:

  • Unterlassungsanspruch: Sie können verlangen, dass die verantwortliche Person es zukünftig unterlässt, Sie heimlich zu filmen oder die bereits erstellten Aufnahmen zu verbreiten oder zu nutzen. Oftmals kann auch die Löschung der Aufnahmen gefordert werden.
  • Schadensersatz/Schmerzensgeld: Durch die Verletzung Ihres Persönlichkeitsrechts kann Ihnen ein immaterieller Schaden entstanden sein. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie dafür eine Geldentschädigung (Schmerzensgeld) fordern.

Für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist in der Regel ein separates Verfahren vor einem Zivilgericht notwendig.


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Gibt es Ausnahmen, bei denen Videoaufnahmen ohne Einwilligung erlaubt sind?

Ja, es gibt Ausnahmesituationen, in denen Videoaufnahmen auch ohne die Zustimmung der gefilmten Person erlaubt sein können. Grundsätzlich gilt jedoch: Heimliche Videoaufnahmen verletzen das Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild und sind daher normalerweise verboten. Die Ausnahmen sind eng begrenzt und müssen sorgfältig geprüft werden.

Wann könnte eine Aufnahme ausnahmsweise erlaubt sein?

Der häufigste Grund ist die Wahrung sogenannter berechtigter Interessen. Das bedeutet, dass derjenige, der die Aufnahme macht, einen wichtigen und nachvollziehbaren Grund dafür haben muss, der schwerer wiegt als das Recht der gefilmten Person auf Privatsphäre.

  • Beweissicherung bei Straftaten: Ein typisches Beispiel ist die Aufnahme zur Dokumentation einer Straftat, wie eines Diebstahls oder einer Sachbeschädigung, wenn es keine anderen zumutbaren Möglichkeiten gibt, den Vorfall zu beweisen. Stellen Sie sich vor, jemand beschädigt wiederholt Ihr Auto und Sie installieren eine Kamera, um den Täter zu überführen.
  • Notwehr oder Nothilfe: Wenn Sie sich oder eine andere Person gegen einen Angriff verteidigen müssen, kann eine dabei entstehende Aufnahme unter Umständen gerechtfertigt sein.

Die entscheidende Interessenabwägung

Ob eine Aufnahme ohne Einwilligung tatsächlich erlaubt ist, hängt immer von einer Abwägung im Einzelfall ab. Gerichte prüfen hier sehr genau:

  • Wie wichtig ist der Grund für die Aufnahme? Geht es um die Aufklärung einer schweren Straftat oder nur um eine kleinere Unannehmlichkeit?
  • Wie stark wird in die Privatsphäre eingegriffen? Wurde die Aufnahme an einem öffentlichen Ort gemacht oder in einem besonders geschützten privaten Bereich (z.B. Wohnung, Bad)? Heimliche Aufnahmen im Privatbereich sind fast immer unzulässig.
  • Gab es andere Möglichkeiten? Hätte der Zweck auch ohne die Videoaufnahme erreicht werden können (z.B. durch Zeugen)? Die heimliche Aufnahme muss oft das letzte Mittel sein.

Je stärker der Eingriff in die Privatsphäre ist, desto wichtiger muss der Grund für die Aufnahme sein. Heimliche Aufnahmen sind daher nur in sehr engen Grenzen zulässig.

Datenschutz nicht vergessen

Selbst wenn eine Aufnahme ausnahmsweise erlaubt sein könnte, müssen die Regeln des Datenschutzes (DSGVO) beachtet werden, sobald Personen auf der Aufnahme erkennbar sind. Das bedeutet unter anderem:

  • Die Aufnahme darf nur für den erlaubten Zweck (z.B. als Beweismittel) verwendet werden. Eine Veröffentlichung im Internet wäre in der Regel unzulässig.
  • Es darf nicht mehr aufgenommen werden als absolut notwendig.
  • Die Daten müssen gelöscht werden, sobald der Zweck erfüllt ist (z.B. nach Abschluss eines Gerichtsverfahrens).

Es gibt also keine pauschale Erlaubnis für heimliche Videoaufnahmen. Jede Situation muss einzeln bewertet werden, und die Hürden für eine gerechtfertigte Aufnahme ohne Einwilligung sind hoch.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Richterhammer, Justitia-Waage und aufgeschlagenes Buch illustrieren das Glossar Strafrecht: Fachbegriffe einfach erklärt.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)

Dies ist ein Straftatbestand im deutschen Strafgesetzbuch (StGB), der das heimliche Fotografieren oder Filmen einer Person in ihrer Wohnung oder einem anderen besonders geschützten Raum (z. B. Umkleidekabine) unter Strafe stellt. Entscheidend ist, dass dadurch der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, also sehr intime oder private Situationen, verletzt wird (siehe auch „Höchstpersönlicher Lebensbereich“). Im vorliegenden Fall geht es darum, ob die heimlichen Aufnahmen des Vermieters im Zimmer des Mieters diesen Tatbestand erfüllen. Nicht jede heimliche Aufnahme ist automatisch strafbar, sondern nur solche, die diesen besonders sensiblen Bereich betreffen.


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Höchstpersönlicher Lebensbereich

Der höchstpersönliche Lebensbereich ist der innerste Kern der Privatsphäre einer Person, der rechtlich besonders geschützt ist und in den nicht eingedrungen werden darf. Er umfasst Situationen und Bereiche, in denen man sich unbeobachtet fühlen darf und die von besonderer Intimität oder Vertraulichkeit geprägt sind (z. B. Nacktheit, Krankheit, Sexualität, vertrauliche Gespräche). Im Fall der heimlichen Videoaufnahmen ist entscheidend, ob die Bilder, auch wenn sie den Mieter nur bekleidet zeigten, bereits diesen geschützten Kernbereich verletzten. Die genaue Abgrenzung, was dazu zählt, ist oft schwierig und muss im Einzelfall vom Gericht bewertet werden; allein das heimliche Beobachten in der Wohnung genügt nicht immer.


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Tagessatz

Ein Tagessatz ist die Berechnungseinheit für Geldstrafen in Deutschland, geregelt in § 40 Strafgesetzbuch (StGB). Das Gericht legt zuerst die Anzahl der Tagessätze fest, die der Schwere der Tat und der Schuld des Täters entspricht (im Fall des Amtsgerichts: 50). Dann bestimmt es die Höhe eines einzelnen Tagessatzes, die sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters richtet – vereinfacht gesagt, oft das Nettoeinkommen pro Tag (hier: 100 Euro). Die Gesamtgeldstrafe ergibt sich aus der Multiplikation von Anzahl und Höhe (im Urteil des Amtsgerichts: 50 Tagessätze * 100 Euro/Tagessatz = 5.000 Euro). Dieses System soll dafür sorgen, dass die Strafe Täter mit unterschiedlichem Einkommen finanziell ähnlich hart trifft.


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Revision

Die Revision ist ein Rechtsmittel gegen ein gerichtliches Urteil, bei dem ein höheres Gericht (hier das Oberlandesgericht) prüft, ob das vorherige Gericht (hier das Amtsgericht) das Recht richtig angewendet hat (geregelt z. B. in §§ 333 ff. der Strafprozessordnung, StPO). Anders als bei der Berufung werden bei der Revision grundsätzlich keine neuen Beweise erhoben oder die Tatsachen neu bewertet; es geht allein um Rechtsfehler. Solche Fehler können z. B. darin liegen, dass ein Gesetz falsch ausgelegt oder eine Verfahrensvorschrift verletzt wurde. Im vorliegenden Fall legte der Angeklagte Revision ein, weil er meinte, das Amtsgericht habe § 201a StGB falsch angewendet („Verletzung materiellen Rechts“).


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Verletzung materiellen Rechts

Eine Verletzung materiellen Rechts liegt vor, wenn ein Gericht eine Rechtsnorm (z. B. ein Gesetz wie § 201a StGB oder eine Verordnung), die den Inhalt von Rechten und Pflichten regelt, nicht oder falsch angewendet hat. Materielles Recht bestimmt, was rechtlich gilt (z. B. welche Handlungen strafbar sind), im Gegensatz zum formellen Recht (Prozessrecht), das vorschreibt, wie ein Verfahren abzulaufen hat. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts ist der zentrale Angriffspunkt in einer Revision. Im konkreten Fall bedeutet die Rüge, dass der Angeklagte der Meinung war, das Amtsgericht habe die Voraussetzungen oder den Anwendungsbereich des § 201a StGB inhaltlich falsch beurteilt und ihn daher zu Unrecht verurteilt.


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Zurückverweisung

Zurückverweisung bedeutet, dass ein höheres Gericht (hier das OLG Hamm), nachdem es ein Urteil aufgehoben hat, den Rechtsstreit an das untergeordnete Gericht (hier das Amtsgericht Warendorf) zurückgibt. Dieses untergeordnete Gericht muss den Fall dann erneut verhandeln und entscheiden. Es ist dabei zwar an die rechtliche Beurteilung des höheren Gerichts gebunden, soweit diese zur Aufhebung geführt hat, muss aber oft die Tatsachen neu feststellen oder würdigen. Im vorliegenden Fall muss also eine andere Abteilung des Amtsgerichts Warendorf den Prozess komplett neu durchführen und unter Beachtung der (mutmaßlichen) Rechtsauffassung des OLG prüfen, ob die Aufnahmen tatsächlich § 201a StGB verletzen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen: Dieser Paragraph verbietet das Herstellen von Bildaufnahmen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich einer anderen Person verletzen. Geschützt wird die Intimsphäre und der private Rückzugsbereich des Einzelnen vor unerlaubter Beobachtung und Aufzeichnung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht sah die heimliche Videoaufnahme im Zimmer des Zeugen als Verletzung dessen höchstpersönlichen Lebensbereichs an, da das Zimmer als seine Wohnung galt und Aufnahmen von seinem bekleideten Körper beim Lesen gemacht wurden.
  • Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht): Diese Artikel garantieren das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Daraus wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgeleitet, welches auch das Recht am eigenen Bild und den Schutz der Privatsphäre umfasst. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das heimliche Filmen in der Wohnung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Zeugen ein, da es seine private Lebensgestaltung ohne seine Einwilligung dokumentiert und ihn der Gefahr der Bloßstellung aussetzt.
  • Art. 13 GG Unverletzlichkeit der Wohnung: Dieser Artikel schützt die Wohnung als elementaren Rückzugsort des Einzelnen. Der Staat und Private dürfen grundsätzlich nicht in diesen Bereich eindringen oder ihn überwachen, da er als besonders geschützter Raum für die persönliche Entfaltung gilt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Zimmer des Zeugen war seine Wohnung im Sinne des Grundgesetzes, auch wenn es sich in einem Haus des Angeklagten befand. Das heimliche Anbringen der Kamera stellt einen Eingriff in diesen geschützten Raum dar.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Mieter und Untermieter bei heimlicher Videoüberwachung im gemieteten Wohnraum

Der Schreck ist groß, wenn man eine versteckte Kamera in den eigenen vier Wänden entdeckt. Viele gehen davon aus, dass eine solche heimliche Aufnahme immer strafbar ist. Ein Gerichtsurteil zeigt jedoch, dass die rechtliche Bewertung von den Details abhängt.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.

Tipp 1: Kamera entdeckt? Beweise sichern und Hilfe holen
Wenn Sie eine heimliche Kamera in Ihrem Zimmer finden, handeln Sie überlegt. Fotografieren oder filmen Sie den Fundort und die Kamera, bevor Sie sie berühren. Sichern Sie das Gerät und die Speicherkarte vorsichtig, ohne Daten zu verändern oder zu löschen. Informieren Sie umgehend die Polizei (Erstattung einer Strafanzeige) und suchen Sie anwaltlichen Rat, um das weitere Vorgehen abzustimmen.

⚠️ ACHTUNG: Manipulieren Sie die Kamera oder die Speicherkarte nicht (z.B. durch Löschen von Aufnahmen). Dies könnte die Beweisführung erschweren oder Sie selbst in Schwierigkeiten bringen.


Tipp 2: Nicht jede Aufnahme ist automatisch strafbar
Ob eine heimliche Aufnahme nach § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) strafbar ist, hängt entscheidend vom Inhalt ab. Strafbar ist die Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“. Das OLG Hamm hat klargestellt, dass Aufnahmen von z.B. nur bekleideten Körperteilen, Möbeln oder dem Boden dafür nicht zwingend ausreichen. Es kommt darauf an, ob intime oder höchstpersönliche Situationen abgebildet sind.

Beispiel: Eine Kamera filmt nur den leeren Flur Ihrer Wohnung oder wie Sie bekleidet durchs Zimmer gehen. Dies ist zwar eine klare Persönlichkeitsrechtsverletzung, aber nicht automatisch eine Straftat nach § 201a StGB.


Tipp 3: Auch ohne Straftat: Zivilrechtliche Ansprüche prüfen
Selbst wenn die Aufnahmen strafrechtlich nicht relevant sind, stellt die heimliche Überwachung eine schwere Verletzung Ihrer Persönlichkeitsrechte und des Mietvertrags dar. Sie können zivilrechtliche Ansprüche geltend machen, wie z.B. Unterlassung (damit die Überwachung sofort aufhört), Beseitigung der Kamera und möglicherweise Schmerzensgeld. Lassen Sie zudem prüfen, ob Sie den Mietvertrag außerordentlich (fristlos) kündigen können.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Die juristische Bewertung hängt stark vom Einzelfall ab, insbesondere vom Inhalt der Aufnahmen und den Umständen der Installation (Wer hat die Kamera wann und warum installiert?). Die Beweisführung kann komplex sein. Handeln Sie nicht überstürzt, sondern sichern Sie Beweise sorgfältig und holen Sie professionellen Rechtsrat ein, bevor Sie z.B. das Gespräch mit dem Vermieter oder Verursacher suchen.

✅ Checkliste: Fund einer heimlichen Kamera

  • Fundort und Kamera unverändert dokumentiert (Fotos/Videos)?
  • Kamera und Speicherkarte (falls vorhanden) vorsichtig und unverändert gesichert?
  • Polizei informiert und Strafanzeige erstattet?
  • Anwalt für Mietrecht oder Strafrecht kontaktiert?
  • Mögliche Zeugen des Fundes notiert?

Das vorliegende Urteil


OLG Hamm – Az.: 4 ORs 24/25 – Beschluss vom 18.03.2025


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