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Gefährliche Körperverletzung – Kopfstoß als eine das Leben gefährdende Behandlung

KG Berlin – Az.: (4) 1 Ss 441/11 (315/11) – Beschluss vom 22.12.2011

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Juni 2011 aufgehoben

a) im Fall 1 (Tat zu Lasten von S.) im Schuld- und Einzelstrafausspruch, wobei die zugehörigen Feststellungen zum Tatablauf jedoch bestehen bleiben;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 22. Februar 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 9. Juni 2011 verworfen. Gegen die Verwerfung seines Rechtsmittels wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen vorläufigen Teilerfolg; im Übrigen ist sie gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

Gefährliche Körperverletzung - Kopfstoß als eine das Leben gefährdende Behandlung
Symbolfoto: Von Altrendo Images/Shutterstock.com

1. Nach den zu Fall 1 getroffen Feststellungen „rammte“ der Angeklagte dem Geschädigten S. „unvermittelt und überraschend“ seinen Kopf „auf die Nase“ (so genannte „Kopfnuss“), wodurch die Nase des Geschädigten zu bluten begann und ihm „schwarz vor Augen“ wurde. Durch den Angriff erlitt er eine Nasenbeinfraktur, die operativ versorgt werden musste. Zwei Wochen lang musste die Nase mit Plastikschienen stabilisiert werden. In der rechtlichen Würdigung des Urteils wird ausgeführt, die „Kopfnuss“ sei „kraftvoll“ ausgeführt worden.

a) Die bisherigen Feststellungen tragen die Annahme einer vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB, nicht jedoch die einer gefährlichen Körperverletzung in der Tatbestandsvariante einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, wie es das Landgericht angenommen hat.

§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden; einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 176 m.w.N.). Ein wuchtig ausgeführter Kopfstoß kann lebensgefährlich sein, insbesondere wenn er gegen die Schläfe oder so heftig geführt wird, dass es zu einem Schädelbruch oder zu Gehirnblutungen kommen kann (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 15; OLG Düsseldorf, JZ 1995, 908). Notwendig sind aber entsprechende tatrichterliche Feststellungen, die belegen, dass der Kopfstoß von entsprechender Gefährlichkeit war.

Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Weder aus der Beschreibung des Kopfstoßes noch aus den Tatfolgen lässt sich die abstrakte Gefahr eines Todeseintritts hinreichend deutlich entnehmen. Eine Nasenbeinfraktur, obgleich eine erhebliche Verletzung, lässt für sich genommen diesen Schluss noch nicht zu. Sie ist in vielen Fällen Folge von gewaltsamen Einwirkungen auf das Gesicht, etwa Faustschlägen, die dennoch keine das Leben gefährdende Behandlung darstellen. So hat etwa das Landgericht den wuchtig geführten Faustschlag des Angeklagten im Fall 2, der zwar nicht zu einer Nasenbein-, aber einer Unterkieferfraktur beim Opfer geführt hat, rechtsfehlerfrei als einfache vorsätzliche Körperverletzung gewertet, ohne das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung überhaupt zu erörtern.

Es hätte daher im Fall 1 näherer Ausführungen und Darlegung weiterer Einzelheiten bedurft, um zu belegen, dass der vom Angeklagten geführte Kopfstoß generell geeignet war, das Leben des Opfers zu gefährden.

b) Die zum Tatablauf im Fall 1 getroffenen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei und bleiben deshalb aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen zur konkreten Ausführung des Kopfstoßes sowie den sich daraus ergebenen Gefahren treffen, soweit diese den aufrechterhaltenen Feststellungen nicht widersprechen. In der vorliegenden Fallgestaltung dürfte die Frage, ob der Kopfstoß des Angeklagten generell geeignet war, das Leben des Geschädigten zu gefährden, nicht ohne sachverständige Hilfe zu bejahen sein. Medizinisches Allgemeinwissen scheint zur Beurteilung dieser Frage nicht ausreichend.

3. Das angefochtene Urteil war danach gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Fall 1 im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch sowie insgesamt im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufzuheben und in diesem Umfang gemäß § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

 

 

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