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Freispruch bei fehlender Bauartzulassung: Wann Messwert verwertbar ist

Die Staatsanwaltschaft klagte gegen einen Freispruch, der ausschließlich auf der fehlenden Bauartzulassung des Atemalkoholmessgeräts beruhte. Den Richtern genügte die Abwesenheit des Dokuments nicht; sie forderten konkrete Anhaltspunkte für tatsächliche Messfehler.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 201 ObOWi 1683/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
  • Datum: 07.01.2021
  • Aktenzeichen: 201 ObOWi 1683/20
  • Verfahren: Beschwerdeverfahren gegen einen Freispruch
  • Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Verkehrsrecht

  • Das Problem: Ein Amtsgericht sprach einen Autofahrer nach einer Atemalkoholmessung frei. Das Gericht begründete den Freispruch mit fehlenden Zulassungsunterlagen für das Messgerät. Die Staatsanwaltschaft hielt diesen Freispruch für rechtsfehlerhaft.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein Gericht einen Betroffenen freisprechen, nur weil die Behörde die Bauartzulassung des Atemalkoholmessgeräts nicht vorlegt? Reicht die fehlende technische Dokumentation allein für Zweifel an der Messung aus?
  • Die Antwort: Nein. Das Urteil des Amtsgerichts wurde aufgehoben und zurückverwiesen. Ein Freispruch darf nicht allein wegen fehlender Zulassungsdokumente erfolgen. Die Zulassungsdokumente sind nur bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler notwendig.
  • Die Bedeutung: Bei standardisierten Messverfahren (wie der Atemalkoholmessung) gilt die amtliche Zulassung als verlässliche Vorabprüfung. Gerichte müssen die Messung nur dann detaillierter prüfen, wenn es konkrete Hinweise auf Fehler gibt. Ohne konkrete Fehlerhinweise müssen die Behörden keine Baumusterprüfbescheinigungen vorlegen.

Atemalkoholmessung: Reicht fehlendes Dokument für Freispruch?

Ein Atemalkoholwert von 0,50 mg/l ist eine klare Ansage. Für Autofahrer bedeutet ein solcher Wert in der Regel ein Bußgeld, Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot. Doch was passiert, wenn ein Amtsgericht den Betroffenen freispricht, nicht weil die Messung falsch war, sondern weil ein bestimmtes technisches Dokument in der Akte fehlte? Genau diesen Fall hatte das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) in seinem Beschluss vom 07. Januar 2021 (Az. 201 ObOWi 1683/20) zu entscheiden. Es ging um die fundamentale Frage, wie viel Papier ein Gericht benötigt, um dem Ergebnis eines modernen Messgeräts vertrauen zu dürfen.

Was ist ein standardisiertes Messverfahren?

Ein Richter hält einen Beleg und zeigt entschieden auf den leeren Pultbereich, wo ein technisches Dokument fehlt.
Fehlende Zulassungspapiere für Atemalkoholmessgeräte können zum Freispruch führen. | Symbolbild: KI

Ein standardisiertes Messverfahren ist ein durch technische Normen und behördliche Zulassungen vereinheitlichter Prozess, dessen Ergebnisse unter Einhaltung der vorgegebenen Bedingungen als wissenschaftlich exakt und zuverlässig gelten. Dies entbindet die Gerichte davon, in jedem Einzelfall die Funktionsweise eines Geräts von Grund auf durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen.

Der Fall, der zu dieser Grundsatzentscheidung führte, begann am 27. September 2018 um kurz vor Mitternacht. Ein Autofahrer wurde kontrolliert und musste in ein Atemalkoholmessgerät des Typs Dräger Alcotest 9510 pusten. Das Gerät zeigte einen Wert von 0,50 mg/l an – exakt auf der Schwelle zur Ordnungswidrigkeit. Der Fall landete vor dem Amtsgericht. Dort räumte der Betroffene zwar ein, gefahren zu sein, doch sein Verteidiger griff die Verwertbarkeit der Messung an.

Das Amtsgericht folgte dieser Argumentation und sprach den Mann am 09. September 2020 frei. Die Begründung war bemerkenswert: Eine Überprüfung der Messung sei nicht möglich gewesen. Der Grund: Die zuständige Verwaltungsbehörde habe trotz mehrfacher Aufforderung die „innerstaatliche Bauartzulassung“ für das Messgerät nicht vorgelegt. Ohne dieses Dokument, so der Richter, könne kein Sachverständigengutachten zur Ordnungsmäßigkeit der Messung erstellt werden. Die Staatsanwaltschaft sah hier einen klaren Rechtsfehler, legte Rechtsbeschwerde ein und brachte den Fall vor das BayObLG. Sie warf dem Amtsgericht vor, seine Aufklärungspflicht verletzt und ein rechtlich unhaltbares Urteil gesprochen zu haben.

Muss ein Freispruch begründet werden?

Ja, ein Freispruch muss ebenso sorgfältig begründet werden wie eine Verurteilung. Das Gesetz verlangt in § 267 Abs. 5 der Strafprozessordnung (StPO), der auch für Bußgeldverfahren gilt, dass das Gericht klar darlegt, welchen Sachverhalt es als erwiesen ansieht und aus welchen konkreten Gründen die für eine Verurteilung notwendigen weiteren Feststellungen nicht getroffen werden konnten. Diese Begründung muss so lückenlos sein, dass ein höheres Gericht die Entscheidung auf Rechtsfehler überprüfen kann.

Im Zentrum des Konflikts steht das Vertrauen in moderne Technik. Die Justiz verlässt sich bei Geschwindigkeits- und Alkoholkontrollen auf sogenannte standardisierte Messverfahren. Die Idee dahinter ist Effizienz und Verlässlichkeit. Ein Gerät wie das Dräger Alcotest 9510 durchläuft ein aufwendiges Zulassungsverfahren bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Früher nannte man das Ergebnis dieses Prozesses „Bauartzulassung“, seit einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2015 spricht man von einer „Baumusterprüfbescheinigung“ nach dem Mess- und Eichgesetz (MessEG).

Diese offizielle Zulassung wirkt wie ein vorweggenommenes Sachverständigengutachten, ein sogenanntes antizipiertes Gutachten. Sie bestätigt, dass das Gerätemodell an sich zuverlässig misst. Kommen dann noch eine gültige Eichung des spezifischen Geräts und die korrekte Bedienung durch geschultes Personal hinzu, geht die Rechtsprechung grundsätzlich von einem korrekten Messergebnis aus. Ein Richter muss also nicht in jedem Fall die gesamte technische Dokumentation anfordern, um dem Ergebnis zu glauben.

Wann ist eine Atemalkoholmessung anfechtbar?

Eine Atemalkoholmessung ist dann anfechtbar, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorliegen. Die bloße Behauptung, die Messung könnte falsch sein, oder das Fehlen von Zulassungsdokumenten in der Gerichtsakte reicht nach ständiger Rechtsprechung nicht aus, um das Ergebnis zu erschüttern. Das BayObLG zerlegte die Entscheidung des Amtsgerichts Punkt für Punkt und legte dabei die Maßstäbe für den Umgang mit standardisierten Messverfahren offen.

Fehlten dem Urteil die nötigen Fakten?

Der erste und entscheidende Fehler des Amtsgerichts war prozessualer Natur. Das BayObLG stellte fest, dass die Urteilsbegründung so lückenhaft war, dass eine rechtliche Überprüfung unmöglich war. Gemäß § 267 Abs. 5 StPO hätte das Amtsgericht genau erklären müssen, was es wusste und was es nicht wusste.

Das Urteil erwähnte zwar, dass eine Messung stattgefunden hatte, ließ aber wesentliche Details offen: Welchen genauen Messwert hatte das Gerät angezeigt? War das spezifische Gerät zum Tatzeitpunkt gültig geeicht? Wurde es gemäß der Bedienungsanleitung von geschultem Personal bedient? All diese Informationen fehlten. Das Amtsgericht sprang direkt zu dem Schluss, dass es die Messung ohne die Bauartzulassung nicht überprüfen könne, ohne vorher die grundlegenden Voraussetzungen der Messung überhaupt darzulegen. Damit entzog es dem BayObLG die Grundlage für eine Nachprüfung.

Braucht das Gericht die Bauartzulassung im Original?

Der Kern des Streits war die Frage, ob das Gericht die physische Bauartzulassung oder die Baumusterprüfbescheinigung in der Akte haben muss. Das BayObLG erteilte dieser Ansicht eine klare Absage und folgte damit der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Oberlandesgerichte.

Das Gericht erklärte, dass der Sinn eines standardisierten Verfahrens gerade darin liegt, diesen Aufwand zu vermeiden. Die Verlässlichkeit wird durch das System aus Zulassung, Eichung und geschulter Bedienung sichergestellt. Nur wenn es „konkrete Anhaltspunkte für Messfehler“ gibt, muss das Gericht tiefer bohren und eventuell technische Unterlagen anfordern oder einen Sachverständigen beauftragen. Solche Anhaltspunkte wären beispielsweise Abweichungen im Messprotokoll, ungewöhnliche Umstände bei der Messung oder plausible Einwände des Betroffenen, die auf einen technischen Defekt hindeuten. Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht jedoch keinerlei solcher Anhaltspunkte in seinem Urteil benannt. Es hatte den Freispruch allein auf das Fehlen eines Dokuments gestützt, das es pauschal für notwendig hielt.

Warum der Verweis auf das falsche Dokument fatal war

Besonders fatal für die Argumentation des Amtsgerichts war, dass es ein veraltetes Dokument anforderte. Die „innerstaatliche Bauartzulassung“ wurde durch die Regelungen des Mess- und Eichgesetzes (MessEG) und der Mess- und Eichverordnung (MessEV) zum 1. Januar 2015 abgelöst. Für ein im Jahr 2018 eingesetztes Gerät war die „Baumusterprüfbescheinigung“ das relevante Dokument.

Das BayObLG merkte an, dass sich Seite 1 dieser neuen Bescheinigung sogar bereits in der Akte befand. Das Amtsgericht hatte also nicht nur ohne konkreten Anlass auf einem Dokument bestanden, sondern auch noch auf dem falschen, obwohl das korrekte bereits teilweise vorlag. Dies zeigte, dass die rechtliche Grundlage der amtsgerichtlichen Entscheidung fehlerhaft war. Das Prinzip des vorweggenommenen Gutachtens gilt unter der neuen Rechtslage unverändert weiter – nur eben auf Basis der neuen Konformitätsdokumente.

Das Argument der Staatsanwaltschaft als roter Faden

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Rechtsbeschwerde genau diese Punkte gerügt: Das Urteil sei nicht nachvollziehbar begründet und verletze die richterliche Aufklärungspflicht. Das BayObLG bestätigte diese Einschätzung vollständig. Es stellte klar, dass ein Gericht nicht einfach aufgeben darf, weil eine Behörde ein angefordertes Dokument nicht schickt. Es muss zunächst prüfen, ob dieses Dokument überhaupt für die Entscheidung erforderlich ist. Und diese Erforderlichkeit bestand hier nicht, da es keine konkreten Zweifel an der Messung gab.

Was muss ein Gericht bei einem Blitzer-Urteil angeben?

Ein Gericht muss bei einem Urteil, das auf einem standardisierten Messverfahren beruht – sei es eine Alkohol- oder Geschwindigkeitsmessung –, zumindest den verwendeten Gerätetyp und das konkrete Messergebnis mitteilen. Liegen keine besonderen Umstände oder Anhaltspunkte für Fehler vor, genügt dies, um das Ergebnis zu verwerten.

Mit seinem Beschluss hob das BayObLG den Freispruch des Amtsgerichts gemäß § 353 StPO auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Abteilung desselben Gerichts zurück (§ 79 Abs. 6 OWiG). Der Prozess beginnt damit von vorn. Für die neue Verhandlung gab der Senat dem Amtsgericht unmissverständliche Hinweise mit auf den Weg.

Es stellte klar, dass bei einer Messung mit einem zugelassenen und geeichten Gerät wie dem Dräger Alcotest 9510 die Angabe des Gerätetyps und des ermittelten Mittelwerts in den Urteilsgründen ausreicht. Ein weiterer Toleranzabzug vom Messwert ist dabei regelmäßig nicht erforderlich, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat. Nur wenn die neue Verhandlung konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler ergeben sollte, müsste das Gericht weitere Ermittlungen anstellen. Der pauschale Verweis auf ein fehlendes Zulassungsdokument wird für einen erneuten Freispruch nicht mehr genügen.

Die Urteilslogik

Die Gerichte definieren klar die hohen Anforderungen an die Anfechtung von Messergebnissen und stärken das Vertrauen in standardisierte behördliche Prüfverfahren.

  • Vertrauen in das standardisierte Messverfahren: Die Justiz vertraut grundsätzlich auf Messergebnisse, die durch behördlich zugelassene und geeichte Geräte erzielt werden, weil die Zulassung die technische Zuverlässigkeit der Methode bereits bestätigt.
  • Keine pauschale Dokumentenpflicht: Gerichte müssen die Baumusterprüfbescheinigung oder andere technische Zulassungsdokumente nicht pauschal in die Gerichtsakte aufnehmen, da der Sinn des standardisierten Verfahrens gerade darin liegt, diesen Aufwand zu vermeiden.
  • Beweislast bei Messfehlern: Wer die Verwertbarkeit eines standardisierten Messergebnisses erfolgreich anfechten will, muss konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler darlegen; das bloße Fehlen eines Dokuments oder die Forderung nach umfassenden Sachverständigengutachten erschüttert das Ergebnis nicht.

Das Rechtssystem fordert eine effiziente und fundierte Beweiswürdigung, die den Fortschritt der Messtechnik anerkennt und einem Freispruch nur bei nachgewiesenen Verfahrens- oder Messfehlern stattgeben darf.


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Experten Kommentar

Wenn ein Gericht Freispruch erteilt, weil ein Stück Papier fehlt – und nicht, weil die Messung an sich fehlerhaft war – ist das ein Signalfehler in der Justiz. Das BayObLG stellt hier unmissverständlich klar: Die Gerichte können und sollen standardisierten Messverfahren, wie dem Dräger Alcotest 9510, grundsätzlich vertrauen, solange das Gerät geeicht und zugelassen ist. Die praktische Konsequenz ist deutlich: Allein die fehlende Baumusterprüfbescheinigung in der Akte zu bemängeln, ist keine ausreichende Grundlage für die Anfechtung einer Messung. Wer einen Freispruch will, muss konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler liefern, denn bloße Spekulation über fehlende Dokumente wird nicht zum Ziel führen.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann ist meine Atemalkoholmessung (Alcotest) vor Gericht anfechtbar oder ungültig?

Die Anfechtung einer Atemalkoholmessung ist nur erfolgreich, wenn Sie konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorlegen. Die Rechtsprechung stuft den Alcotest als standardisiertes Messverfahren ein, dessen Ergebnisse grundsätzlich als zuverlässig gelten. Gerichte vertrauen diesem Verfahren, sodass die bloße Behauptung, die Messung sei falsch, oder das Fehlen genereller Zulassungsdokumente in der Gerichtsakte nicht ausreicht.

Geräte, wie der Dräger Alcotest 9510, werden durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassen und gelten deshalb als antizipiertes Gutachten. Dies bedeutet, dass Richter nicht in jedem Einzelfall die Funktionsweise des Geräts technisch überprüfen müssen. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) stellte klar, dass die Behörden nicht verpflichtet sind, die allgemeine Baumusterprüfbescheinigung in der Akte vorzulegen, wenn keine Zweifel bestehen.

Der entscheidende Hebel zur erfolgreichen Anfechtung liegt in festgestellten Abweichungen vom vorgeschriebenen Standard. Anfechtungen müssen sich daher auf konkrete Fehler stützen: Beispielsweise wenn die vorgeschriebene Wartezeit vor dem Pusten nicht eingehalten wurde, das Messprotokoll fehlerhaft dokumentiert ist oder das spezifische Gerät zum Tatzeitpunkt keine gültige Eichung besaß. Das BayObLG hob einen Freispruch auf, der allein auf dem Fehlen der Bauartzulassung basierte, weil kein tatsächlicher Messfehler nachgewiesen war.

Prüfen Sie sofort das polizeiliche Messprotokoll akribisch auf Ungereimtheiten, bevor Sie in die Verhandlung gehen.


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Führt das Fehlen der Bauartzulassung oder der Eichung des Messgeräts zwingend zum Freispruch?

Nein, das Fehlen der Bauartzulassung oder Baumusterprüfbescheinigung in der Gerichtsakte bewirkt keinen automatischen Freispruch. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) stellte klar, dass die Verlässlichkeit durch das gesamte System aus Zulassung und Eichung garantiert wird. Ein Freispruch darf nicht allein auf dem Fehlen dieses generellen Dokuments basieren, das den Gerätetyp betrifft.

Die Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) gilt als vorweggenommenes Sachverständigengutachten für den Gerätetyp. Dieses antizipierte Gutachten bestätigt die grundsätzliche Messzuverlässigkeit. Die physische Anwesenheit des Zulassungsdokuments in der Akte ist daher nicht erforderlich, wenn das Gericht keine konkreten Anhaltspunkte für Messfehler hat. Das Gericht muss bei einem standardisierten Messverfahren nur dann tiefer in die technischen Details einsteigen, wenn begründete Zweifel vorliegen.

Grundlegend notwendig für die Verwertbarkeit ist hingegen die Überprüfung der gültigen Eichung des konkret verwendeten Messgeräts. Ohne diesen Nachweis, der sich auf die individuelle Seriennummer des Geräts bezieht, darf die Messung nicht als Beweis verwertet werden. Das BayObLG hob ein Urteil auf, weil das Amtsgericht den Freispruch allein auf das Fehlen des generellen Zulassungsdokuments stützte.

Lassen Sie umgehend prüfen, ob die gültige Eichung des bei Ihnen eingesetzten Geräts (Seriennummer) zum Zeitpunkt der Messung vorlag.


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Welche konkreten Beweise oder Anhaltspunkte sind nötig, um ein standardisiertes Messverfahren anzufechten?

Die Rechtsprechung akzeptiert keine pauschalen Zweifel an standardisierten Messverfahren. Sie müssen konkrete Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Messfehler vorlegen. Diese Anhaltspunkte müssen entweder prozessuale oder technische Mängel betreffen. Reine Spekulationen oder das Verlangen nach allgemeinen Zulassungsdokumenten, wie im BayObLG-Fall, sind nicht ausreichend.

Wenn Sie die Messung anfechten möchten, müssen Sie nachweisen, dass die polizeiliche Durchführung von den vorgeschriebenen Standards abgewichen ist. Prüfen Sie dafür akribisch das Messprotokoll auf prozessuale Mängel. War die vorgeschriebene Wartezeit vor dem Alcotest-Gerät (z.B. Dräger Alcotest 9510) eingehalten? Gab es Abweichungen bei den Umgebungstemperaturen oder wurde das Gerät von ungeschultem Personal bedient? Solche formalen Protokollfehler sind anerkannte Anfechtungsgründe.

Besonders starke Anhaltspunkte liegen vor, wenn Sie gerätespezifische Mängel nachweisen können. Ein häufiger Ansatzpunkt ist die Eichung des individuell verwendeten Geräts: War die Eichfrist für dieses spezifische Gerät zum Tatzeitpunkt bereits abgelaufen? Oder existieren dokumentierte Abweichungen im Messprotokoll, die plausible Hinweise auf einen technischen Defekt liefern? Nur wenn Sie diese konkreten Fakten benennen, muss das Gericht von seinem Vertrauen in das standardisierte Verfahren abrücken.

Legen Sie alle Unterlagen, insbesondere das polizeiliche Protokoll und den Bescheid, unverzüglich einem spezialisierten Anwalt oder Sachverständigen vor, um diese Details mit den PTB-Anforderungen abzugleichen.


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Welche Mindestangaben zur Messung muss das Gericht in seinem Bußgeldurteil feststellen?

Wenn Sie ein Bußgeldurteil anfechten wollen, müssen Sie die formellen Feststellungen des Amtsgerichts genau prüfen. Das Urteil muss die Grundlagen des Beweises zwingend benennen. Nach Vorgabe des Bayerischen Obersten Landesgerichts muss das Gericht mindestens den verwendeten Gerätetyp und den konkreten Messwert feststellen. Fehlen diese essentiellen Angaben, liegt ein prozessualer Fehler vor, der die Begründung lückenhaft macht und zur Aufhebung des Urteils führen kann.

Diese Anforderungen dienen der Überprüfbarkeit durch höhere Instanzen und basieren auf § 267 Abs. 5 der Strafprozessordnung (StPO). Die Urteilsbegründung muss so lückenlos sein, dass ein höheres Gericht die Entscheidung auf Rechtsfehler überprüfen kann. Wenn ein standardisiertes Messverfahren angewendet wurde, geht die Justiz grundsätzlich von einem korrekten Ergebnis aus, sofern die elementaren Voraussetzungen (wie Eichung und korrekte Bedienung) erfüllt sind.

Das Gericht muss jedoch nicht pauschal die Bauartzulassung oder die Baumusterprüfbescheinigung in die Urteilsgründe aufnehmen. Das BayObLG stellte fest, dass die Angabe des Messergebnisses, also des ermittelten Mittelwerts, zwingend notwendig ist. Die Richter müssen feststellen, ob das spezifische Gerät zum Tatzeitpunkt gültig geeicht war und ob geschultes Personal es bedient hat. Ein Amtsgericht, das diese Details nicht feststellt, bevor es die Verwertbarkeit der Messung verneint, begeht einen klaren Rechtsfehler.

Überprüfen Sie sofort die Urteilsgründe gegen die Anforderungen des § 267 Abs. 5 StPO, um formelle Rechtsfehler aufzudecken und eine formelle Rechtsbeschwerde vorzubereiten.


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Was ist der Unterschied zwischen Bauartzulassung und Baumusterprüfbescheinigung bei Alkoholtests?

Der Unterschied zwischen diesen Begriffen liegt primär im Datum und der zugehörigen Gesetzeslage. Die Bauartzulassung ist die veraltete Bezeichnung aus dem früher gültigen Eichgesetz. Zum 1. Januar 2015 ersetzte eine umfassende Gesetzesänderung diesen Standard. Seitdem spricht man von der Baumusterprüfbescheinigung nach dem neuen Mess- und Eichgesetz (MessEG).

Die juristische Funktion beider Dokumente ist identisch: Sie bestätigen die technische Verlässlichkeit eines bestimmten Gerätemodells und wirken wie ein vorweggenommenes Sachverständigengutachten. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) erteilt diese Zulassungen, um sicherzustellen, dass Geräte wie das Dräger Alcotest 9510 verlässliche Ergebnisse liefern. Probleme entstehen, wenn in einem laufenden Verfahren das falsche Dokument angefordert wird, da dies Rechtsunkenntnis beweist.

Ein konkretes Beispiel hierfür lieferte der Fall vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG). Das Amtsgericht forderte die „innerstaatliche Bauartzulassung“, obwohl die Messung lange nach der Gesetzesumstellung stattfand. Da das Amtsgericht auf dem veralteten Dokument beharrte, rügte das BayObLG diesen Fehler und hob den Freispruch auf. In einem aktuellen Bußgeldverfahren muss die Baumusterprüfbescheinigung nach MessEG eingefordert werden, da die Bauartzulassung keine Gültigkeit mehr besitzt.

Prüfen Sie bei der Anforderung technischer Unterlagen das Messdatum und verlangen Sie bei neueren Messungen präzise die Baumusterprüfbescheinigung.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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antizipiertes Gutachten

Ein antizipiertes Gutachten bezeichnet die juristische Vorentscheidung, dass die allgemeine Zuverlässigkeit eines Gerätemodells bereits durch ein behördliches Zulassungsverfahren bestätigt wurde. Dieses Prinzip erspart es Gerichten, in jedem Einzelfall die Funktionsweise eines wissenschaftlich anerkannten Verfahrens erneut durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen, was die Justiz enorm entlastet.
Beispiel: Da die Physikalisch-Technische Bundesanstalt die Funktionsweise des Alcotest-Geräts geprüft hat, wirkt deren Zulassung wie ein antizipiertes Gutachten, das Richter grundsätzlich zur Verwertung des Messwerts berechtigt.

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Aufklärungspflicht (Richterliche)

Die richterliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verpflichtet das Gericht, den relevanten Sachverhalt umfassend und von Amts wegen zu erforschen und alle notwendigen Beweise zu erheben, um zur Wahrheitsfindung zu gelangen. Das Gesetz stellt damit sicher, dass kein Urteil aufgrund unvollständiger Ermittlung ergeht und die materielle Gerechtigkeit Vorrang hat.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft rügte, das Amtsgericht habe seine richterliche Aufklärungspflicht verletzt, indem es den Freispruch vorschnell auf das Fehlen eines Dokuments stützte, anstatt die elementaren Messvoraussetzungen zu prüfen.

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Baumusterprüfbescheinigung

Die Baumusterprüfbescheinigung ist das offizielle Dokument nach dem aktuellen Mess- und Eichgesetz (MessEG), das die Konformität und technische Eignung eines Gerätemodells, wie dem Dräger Alcotest 9510, bescheinigt. Dieses Zertifikat belegt, dass der Gerätetyp alle strengen behördlichen Tests der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) erfolgreich durchlaufen hat und somit grundsätzlich messsicher ist.
Beispiel: Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte klar, dass das Amtsgericht das falsche, veraltete Dokument angefordert hatte, da die Bauartzulassung durch die moderne Baumusterprüfbescheinigung abgelöst wurde.

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Eichung

Juristen und Techniker verstehen unter Eichung die behördliche Bestätigung, dass ein spezifisches Messgerät mit individueller Seriennummer die gesetzlich vorgeschriebene Genauigkeit und Zuverlässigkeit für einen definierten Zeitraum einhält. Während die Baumusterprüfbescheinigung den Gerätetyp zulässt, garantiert die Eichung, dass das konkret eingesetzte Gerät korrekt funktioniert und für die Beweisführung tauglich ist.
Beispiel: Die Gültigkeit der Eichung des konkret verwendeten Atemalkoholmessgeräts zum Tatzeitpunkt ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der festgestellte Messwert als Beweis verwertet werden darf.

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Rechtsbeschwerde

Eine Rechtsbeschwerde ist das außerordentliche Rechtsmittel, das in Bußgeldverfahren (Ordnungswidrigkeiten) gegen Urteile des Amtsgerichts eingelegt wird, wobei höhere Gerichte ausschließlich die Verletzung von Rechtsnormen überprüfen. Dieses Verfahren dient dazu, Verfahrensfehler oder die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts durch das Amtsgericht korrigieren zu lassen, es werden jedoch keine neuen Tatsachen verhandelt.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsbeschwerde beim BayObLG ein, weil sie der Auffassung war, der Freispruch des Amtsgerichts basiere auf einem fehlerhaften Verständnis des standardisierten Messverfahrens.

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standardisiertes Messverfahren

Als standardisiertes Messverfahren gilt eine behördlich zugelassene und technisch genormte Methode zur Ermittlung von Werten, deren Ergebnisse unter Einhaltung der Vorgaben als wissenschaftlich exakt und zuverlässig anerkannt sind. Das Verfahren wurde entwickelt, um eine effiziente und rechtssichere Beweisführung in Massenverfahren (wie Alkohol- und Geschwindigkeitskontrollen) zu ermöglichen.
Beispiel: Die Atemalkoholmessung mit dem Dräger Alcotest 9510 zählt zur ständigen Rechtsprechung als standardisiertes Messverfahren und genießt daher einen hohen Vertrauensvorschuss bei den Gerichten.

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Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 201 ObOWi 1683/20 – Beschluss vom 07.01.2021


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