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Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr

Fahruntüchtigkeit bei Cannabiskonsum und Medikamenten

AG Oberhausen – Az.: 23 Cs – 161 Js 64/18 – 620/18 – Urteil vom 13.03.2019

Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 EUR (= 300,00 EUR) verurteilt.

Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis entzogen. Der Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf einer Sperrfrist von noch drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.

Gründe

I.

Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger und geschieden. Er hat keine Kinder. Er bezieht als Rentner eine Rente in Höhe von knapp über 900,00 EUR.

Strafrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Der Angeklagte befuhr am 00.00.0000 gegen xx.xx Uhr in W mit einem Personenkraftwagen der Marke Y mit dem Kennzeichen XX-XX000 in rauschmittelbedingt fahruntüchtigem Zustand u.a. die A Straße in W. Der Angeklagte gab während der Fahrt auf der Autobahn 000 Gas und verzögerte die Fahrt im Anschluss wieder. Der Angeklagte geriet sodann nach Abfahrt von der Autobahn bei einem Abbiegevorgang nach rechts auf die Gegenfahrbahn. Ein Autofahrer auf der Gegenspur musste bremsen und dem Angeklagten ausweichen. Nach Auffahrt auf die A00 beachtete er bei einem Spurwechsel nach links nicht die notwendige Sorgfalt und veranlasste den Führer eines Pkws auf der linken Spur zu einem abrupten Bremsen. Die Zeugin S saß als Beifahrerin im Fahrzeug hinter dem Angeklagten. Die von der Zeugin wegen des Fahrverhaltens des Angeklagten hinzugerufene Polizei stoppte den Angeklagten. Der Angeklagte sprach stark verwaschen und war redselig. Er zeigte nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug eine unsichere, schwankende Motorik. Die Untersuchung der dem Angeklagtem am 00.00.0000 um xx.xx Uhr entnommenen Blutprobe ergab, dass er unter Einwirkung von Cannabisprodukten und des Schlaf- und Beruhigungsmittels Lorazepam stand. Der Angeklagte wurde positiv getestet auf 2,9 ng/ml THC (Tetrahydrocannabiol), auf 2,2 ng/ml 11-OH-THC (THC Metabolit 1), auf ca. 210 ng/ml THC-COOH (THC-Metabolit 2), auf Quetiapin, auf 43 ng/ml Lorazepam und Venlafaxin. Die Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen. Durch diese Trunkenheitsfahrt hat der Angeklagte sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

III.

Die Feststellungen beruhen auf den in der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen, insbesondere auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, sowie den Aussagen der Zeugen S, M sowie B. Außerdem wurden das toxikologische Gutachten vom 00.00.2018 (Bl. 25 d.A.) sowie der ärztliche Bericht vom 00.00.2018 (Bl. 8 d.A.) und die ergänzenden polizeilichen Feststellungen (Bl. 9 d.A.) zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.

Der Angeklagte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass er tatsächlich das Cannabis sowie die Medikamente – wie festgestellt – zu dem Zeitpunkt der Tat genommen konsumiert bzw. eingenommen hatte. Zu seinem Fahrverhalten hat er sich jedoch abweichend von den getroffenen Feststellungen dahingehend eingelassen, dass er keine Unfall habe riskieren wollen, er sei deswegen langsam gefahren und habe sich dem fließenden Verkehr angepasst. Es habe tatsächlich einen Fahrspurwechsel gegeben, dieser sei jedoch ohne Probleme erfolgt. Als er von der Polizei angehalten worden sei, sei er nervös und ängstlich gewesen und habe wohl aus diesem Grund, sich festhalten müssen und unsicher gezeigt. Der Angeklagte schilderte weiter, dass er jetzt nur noch eins der Medikamente nehme.

Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr
(Symbolfoto: Von ambrozinio/Shutterstock.com)

Die Einlassung ist widerlegt, soweit sie von den Feststellungen abweicht. Die Zeugin S hat das Fahrverhalten des Angeklagten glaubhaft als sehr auffällig beschrieben. Sie konnte die Situation mit dem Detailreichtum schildern, der nach der verstrichenen Zeit noch zu erwarten gewesen ist. Sie konnte die gefahrene Strecke in den wesentlichen Punkten benennen. Die Zeugin konnte die Gesamtsituation (Hinterherfahren hinter dem Angeklagten mit der Polizei am Telefon) noch einprägsam schildern. Sie hat nach einem Gespräch mit der Fahrerin des Fahrzeugs die Polizei angerufen, weil das Fahrverhalten des Angeklagten so auffällig war. Es habe immer wieder Gas gegeben und dann wieder die Fahrt verzögert. Sie konnte insbesondere zwei spezielle Situationen noch eindrücklich schildern. Zunächst beschrieb sie, dass der Angeklagte mit dem von ihm geführten Fahrzeug bei einem Abbiegevorgang in die Gegenfahrbahn geriet. Ein Autofahrer habe ganz stark bremsen und ausweichen müssen. Außerdem schilderte sie einen unaufmerksamen Fahrspurwechsel auf der Autobahn, welcher ein anderes Fahrzeug zum Abbremsen zwang. Die Zeugin ist mit dem Angeklagten weder verwandt noch sonst bekannt. Die Aussage weist keine Belastungstendenz auf. Sie hat beschrieben, dass sie die Situation insgesamt als weniger dramatisch beurteilt hat, als die mit ihr im Fahrzeug sitzende Fahrerin, welche zur Dramatik neige. Dennoch hat auch sie Auffälligkeiten im Fahrverhalten feststellen können und diese beschrieben. Die Zeugin hat sich auf einen neutrale Schilderung der Ereignisse beschränkt. Dies zeigt sich unter anderem, wenn sie die Geschwindigkeit als „nicht rasend; nicht besonders schnell“ beschreibt. Sie hat Erinnerungslücken offen zugegeben.

Soweit der Verteidiger des Angeklagten zusätzlich die Vernehmung der Fahrerin T (Anm. Im Antrag sowie in den Beschlussgründen lediglich irrtümlich mit S bezeichnet) beantragt hat, musste das Gericht dem nicht nachgehen. Insoweit hat der Verteidiger bereits keine konkrete Beweistatsache benannt, zu der die Zeugin hätte vernommen werden sollen. Aus Aufklärungsgesichtspunkten war die Vernehmung nicht geboten. Die Auffälligkeiten im Fahrverhalten des Angeklagten stehen aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin S bereits zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Zeugin T und die Zeugin S. Sie saßen gemeinsam im Auto, sodass die gleichen Wahrnehmungen möglich gewesen sind.

Die glaubhaften Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten B sowie M stützen das Bild des in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkten Angeklagten durch ihre Aussagen weiter. Beide Zeugen schildern übereinstimmend, dass sie zunächst angenommen hatten, der Angeklagte sei stark alkoholisiert. Er habe auf sie wie ein Betrunkener gewirkt aufgrund seiner Redseligkeit sowie der verwaschenen Sprache. Dies ist zusätzlich in den polizeilichen Feststellungen (Bl. 9 der Akte), welche durch Verlesung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde, vermerkt. Der Zeuge M schildert zusätzlich, dass sich der Angeklagte habe festhalten müssen, um das Gleichgewicht halten zu können. Die Einlassung des Angeklagten insoweit, dass er sich aus Nervosität habe festhalten müssen, ist widerlegt. Der Zeuge M schildert nicht nur den Vorgang des Festhaltens als solches, sondern beschreibt auch, dass er mit dem Angeklagten über seinen Gleichgewichtsproblem gesprochen habe. Der Angeklagte habe dieses Problem eingeräumt, aber beschwichtigt.

Der Konsum der Medikamente sowie des Cannabis wird durch das toxikologische Gutachten (Bl. 25 d.A.) belegt.

IV.

Der Angeklagte hat sich durch die Tat gemäß § 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig gemacht. Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt relativ fahruntüchtig. Die relative Fahruntüchtigkeit ergibt sich aus der Konzentration der festgestellten eingenommenen berauschenden Mittel, der Fahrweise sowie des Verhaltens des Angeklagten.

Eine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung konnte nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme belegt nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 1 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte zu einem oder mehreren Zeitpunkten während seines Fahrvorgangs so in den Wirkbereich der schadensträchtigen Tathandlung gelangt ist, dass der Eintritt eines Schadens nicht mehr gezielt abgewendet werden konnte und sein Ausbleiben folglich nur noch von bloßen Zufälligkeiten abhing (vgl. BGH, Beschluss vom 16. 4. 2012 – 4 StR 45/12).

V.

Im Rahmen der Strafzumessung hatte das Gericht vom Strafrahmen des § 316 Abs. 1 StGB auszugehen, welcher Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht. Innerhalb dieses Strafrahmens war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Er hat sich außerdem hinsichtlich des Konsums von Marihuana sowie der Einnahme der Medikamente geständig gezeigt. Strafschärfend wirkt sich aus, dass zwei der Fahrmanöver des Angeklagten während dessen Fahrt andere Verkehrsteilnehmer zu konkreten Gegenmaßnahmen (Bremsmanöver). Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält das Gericht die Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 EUR tat- und schuldangemessen.

Durch die Trunkenheitsfahrt hat der Angeklagte sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Die Ungeeignetheit bestand auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung fort. Umstände, die die Regelwirkung von § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausräumen, sind nicht ersichtlich. Es genügt insoweit insbesondere nicht, dass der Angeklagte die Medikamente inzwischen (teilweise) nicht mehr nimmt oder diese zum Tatzeitpunkt ärztlich verordnet waren. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend diese Frage konnte abgelehnt werden. Die Beweisfrage lässt zunächst außer Betracht, dass durch das toxikologische Gutachten auch der Konsum von Cannabis nachgewiesen ist. Im Übrigen kann das Nachtatverhalten allein (hier: Abstellen der Einnahme der Medikamente) die Regelvermutung nach § 69 Abs. 2 StGB ohnehin nicht widerlegen. Es kann nur dann von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Verstoß in günstigerem Licht erscheinen lassen. Eine langjährige unbeanstandete Fahrpraxis oder das Vorliegen der ersten Verfehlung allein reichen nicht aus (vgl. BeckOK StGB, 41. Edition, Stand: 01.02.2019 mit Verweis auf Rechtsprechung).

Unter Berücksichtigung der seit der Sicherstellung des Führerscheins am 00.00.2018 verstrichenen Zeit erscheint gemäß § 69a Abs. 1, Abs. 4, Abs. 6 StGB noch eine Sperrfrist von 3 Monaten als tat- und schuldangemessen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.

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