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Fahrerlaubnisentziehung Trunkenheitsfahrt – bei Behebung Eignungsmangel durch Nachschulung

AG Tiergarten – Az.:  (306 Cs) 3034 Js 18492/18 (18/19) – Urteil vom 05.06.2019

Der Angeklagte wird auf der Grundlage des im Schuldspruch rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 24.01.2019 zu einer Geldstrafe von … 40 (vierzig) Tagessätzen zu je 40,00 (vierzig) € … verurteilt.

Dem Angeklagten wird für die Dauer von 4 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot ist durch die Dauer der Einbehaltung des Führerscheins bereits abgegolten. Für die darüber hinausgehende Zeit steht ihm keine Entschädigung zu.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

§§ 316 Abs. 1, Abs. 2,44 StGB

Gründe

I.

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 30-jährige ledige Angeklagte wurde in Russland geboren, ist aber mittlerweile deutscher Staatsbürger. Er übt den Beruf des Krankenpflegers aus, wobei er bis zur vorläufigen Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht Tiergarten (Beschluss vom 11.12.2018, Beschlagnahme am 16.01.2019) in der mobilen Krankenpflege tätig war. Danach musste er seine Arbeitsstelle wechseln und arbeitet nun in der stationären Krankenpflege. Dort bezieht er ein monatliches Nettogehalt von ungefähr 1.500,00 Euro. Er hat selbst keine Kinder, lebt aber mit seiner Partnerin zusammen, die ein Kind mit in die Beziehung gebracht hat.

Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 29.04.2019 enthält für den Angeklagten keine Eintragungen. Der Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 15.11.2018 enthält folgende Eintragungen:

Am 15.07.2008, rechtskräftig seit dem selben Tage, erteilte das Amtsgericht Tiergarten dem Angeklagten wegen Vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Richterliche Weisung. Am 04.12.2008, rechtskräftig seit dem 25.12.2008, verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro und setzte eine isolierte Sperrfrist bis zum 24.12.2009 fest. Am 26.05.2010, rechtskräftig seit dem 03.06.2010, verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten wegen Vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einem Jugendarrest von 4 Wochen und setzte eine isolierte Sperrfrist bis zum 02.06.2012 fest. Am 29.10.2014 wurde dem Angeklagten eine neue Fahrerlaubnis erteilt.

II.

Der Angeklagte befuhr am 23.10.2018 gegen 04:15 Uhr mit dem Pkw … die Joachimstaler Straße in 10585 Berlin, obwohl eine ihm um 05:40 Uhr entnommene Blutprobe 1,45 Promille Alkohol enthielt. Im Übrigen wird auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 24.01.2019 verwiesen (§ 267 Abs. 4 Satz 1, HS. 2 StPO).

III.

Mit diesem Strafbefehl setzte das Amtsgericht Tiergarten eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30,00 Euro fest, entzog dem Angeklagten die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen und setzte eine Sperrfrist für die Wiedererteilung von 15 Monaten fest.

Gegen diesen Strafbefehl hat der Angeklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und den Einspruch sogleich auf die Rechtsfolgen beschränkt. Damit ist der Schuldspruch rechtskräftig und die ihn tragenden Feststellungen für das Gericht bindend geworden.

IV.

Im Rahmen der nunmehr noch zu treffenden Entscheidung über die Rechtsfolgen hat das Gericht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass sein Auszug aus dem Bundeszentralregister keine Eintragungen enthält (§ 51 Abs. 1 BZRG). Ferner hat er sich bereits durch die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen geständig gezeigt. Seine in der Hauptverhandlung vorgetragene Einlassung war zudem von erkennbarer Reue geprägt. Auch hat das Gericht bereits im Rahmen der Strafzumessung das Verhalten des Angeklagten nach der Tat berücksichtigt. Der Angeklagte nimmt bereits seit dem 01.11.2018 – eine knappe Woche nach der Tat – an einer verkehrspsychotherapeutischen Maßnahme des IVT-HÖ Berlin-Brandenburg teil und hat in diesem Rahmen ca. 10 Stunden Beratung, ca. 20 Einzeltherapiestunden und ca. 50 Gruppentherapiestunden absolviert sowie zusätzlich 8 Stunden in der IVT-Hö Selbsthilfegruppe. Zudem hat er vom 05.11.2018 bis zum 04.05.2019 an einem Alkohol-Abstinenzprogramm der … GmbH teilgenommen, das 4 unangekündigte Urinscreenings umfasste.

Tat- und schuldangemessen erschienen aus Sicht des Gerichts daher 40 Tagessätze.

Die Tagessatzhöhe hat das Gericht gemäß § 40 Abs. 2 StGB anhand der Angaben des Angeklagten auf 40,00 Euro festgesetzt und hierbei auch berücksichtigt, dass sich im Haushalt des Angeklagten ein Kind befindet.

Das Gericht hat davon abgesehen, dem Angeklagten gemäß § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach den genannten Vorschriften entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, was etwa im Falle des § 316 StGB regelmäßig der Fall ist.

Allerdings ist der für die Beurteilung der Eignung des Angeklagten maßgebliche Zeitpunkt der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung. Daher können zwischen der Tat und dem Urteil liegende Umstände berücksichtigt werden, wenn vom Täter keine weiteren Straftaten im Rahmen des Kfz-Verkehrs zu erwarten sind. Diese Erwartung kann ihren Grund etwa darin haben, dass der Täter durch schwere berufliche Nachteile bereits ausreichend gewarnt ist oder dass er durch eine Nachschulung den Eignungsmangel inzwischen behoben hat (vgl. mwN Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 69, Rdnr. 55).

Das Gericht ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung wieder geeignet ist, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Er hat durch seine Tat berufliche Nachteile – wenn auch keine schweren – erlitten, da er sich eine neue Arbeitsstelle suchen musste.

Vor allem aber hat er durch seine Bemühungen, nahezu unmittelbar nach der Tat therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, aus Sicht des Gerichts bewiesen, dass es sich bei dem von ihm im Rahmen der Hauptverhandlung vorgetragenen Wunsch nach einer umfassenden Verhaltensänderung im Straßenverkehr um ein ernsthaftes Unterfangen handelt. Dies schließt das Gericht nicht nur aus dem genannten erheblichen Zeitumfang, sondern auch aus den bis jetzt für die Therapie eingesetzten finanziellen Mitteln von 2.877,00 Euro. Der Angeklagte gab außerdem glaubhaft an, auch an den von der Einrichtung angebotenen Nachsorgeterminen teilnehmen zu wollen. Dabei war das Gericht sich durchaus bewusst, dass es für die Beurteilung der Eignung auch die im BZR gelöschten, aber im FAER noch vorhandenen Eintragungen berücksichtigen darf (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BZRG). Angesichts des erheblichen Zeitablaufs von über 8 Jahren ist das Gericht aber der Ansicht, dass diesen früheren Eintragungen im Rahmen der Beurteilung der Eignung nur ein geringes Gewicht beizumessen ist.

Da das Gericht von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen hat, hat es ein Fahrverbot von 4 Monaten gegen den Angeklagten verhängt (§ 44 Abs. 1 Satz 3 StGB), das durch die Zeit der Einbehaltung seines Führerscheins jedoch vollstreckt ist.

Eine Entschädigung für die darüber hinaus gehende Zeit kam nicht in Betracht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 464 Abs. 1, § 465 Abs. 1 StPO.

 

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