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Einziehung eines Grundstücks nach Betrieb einer Indoorplantage

Az.: 22 KLs 6/22 – Beschluss vom 18.10.2022

Die Eröffnung des selbstständigen Einziehungsverfahrens wird aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Die Auslagen und die notwendigen Auslagen der Einziehungsbeteiligten fallen der Staatskasse zu Last.

Gründe:

I.

Mit der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Stralsund vom 06.03.2022 (Az. 514 Js 19859/19) wird beantragt, die Einziehung des im Eigentum der Einziehungsbeteiligten stehenden, beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Stralsund auf Blatt 44 des Grundbuchs von verzeichneten Grundstücks (Flurstücks-Nr. 14 der Flur 1 der Gemarkung nebst Zubehör und sämtlicher sich aus dem Eigentum ergebenden Rechte, insbesondere des Rechtes auf Besitz, anzuordnen.

Einziehung eines Grundstücks nach Betrieb einer Indoorplantage
(Symbolfoto: MR.Yanukit/Shutterstock.com)

Der Ehemann der Einziehungsbeteiligten, sei im gesonderten Verfahren 514 Js 14402/18 mit Urteil des Landgerichts Stralsund vom 09.07.2019 zum Aktenzeichen 22 Kls 10/19, lediglich im Strafausspruch und hinsichtlich der Einziehung des Personenkraftwagens und des iPhones mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und anschließend mit Urteil des Landgerichts Stralsund vom 14.05.2020 zum Aktenzeichen 23 Kls 5/20 wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Zudem sei u.a. das vorbezeichnete Grundstück mit Urteil vom 09.07.2019, rechtskräftig am 06.02.2020, eingezogen worden.

Der Verurteilung lagen folgende Feststellungen zugrunde:

„Mit notariellem Vertrag vom 26.07.2016 (UR-Nr. 1045/2016 der Notarin in erwarb der Angeklagte ein auf Blatt 44 des Grundbuchs von pp. unter lfd. Nummer 1 des Bestandsverzeichnisses verzeichnetes Grundstück (pp)).

Der Kaufpreis betrug 34.000,- €. Das Grundstück ist mit einem zweigeschossigen Bahnwärterhaus bebaut. Mutmaßlich bereits im Jahr 2017, spätestens aber im Jahr 2018, überließ der Angeklagte Grundstück und Gebäude dem in Berlin wohnhaften vietnamesischen Staatsbürger, der dort mit mehreren vietnamesischen sog. „Gärtnern“, u.a. dem pp., dem pp. und der pp., eine Indoorplantage für Cannabispflanzen einrichtete und betrieb.

(…)

Im Besitz einer Genehmigung i.S.v. § 3 BtMG waren weder der Angeklagte noch einer der Vietnamesen.

Ob der Angeklagte das Grundstück bereits mit dem Ziel erworben hatte, dort die Indoorplantage einzurichten bzw. das Gebäude für die Einrichtung einer solchen Plantage zur Verfügung zu stellen, konnte nicht festgestellt werden. Das vom Angeklagten nie selbst bewohnte Grundstück diente aber zu keinem Zeitpunkt einem anderen Zweck als dem Betrieb der Indoorplantage. Soweit die vietnamesischen Mittäter nach außen als Mieter des Grundstücks auftraten, erfolgte die Vermietung lediglich zum Schein bzw. zur Vortäuschung eines legalen Hintergrundes für die dem Angeklagten von Seiten der Vietnamesen regelmäßig zufließenden Geldleistungen.

(…)

Der Angeklagte beteiligte sich an dem Betrieb der Cannabisplantage auch insoweit, als er die vor Ort als Gärtner eingesetzten Vietnamesen mit Lebensmitteln versorgte und mit ihnen Einkaufsfahrten zu örtlichen Supermärkten unternahm. Der Angeklagte verfügte über einen Schlüssel zum Gebäude pp.straße 53 und suchte dieses regelmäßig zur Versorgung der dort eingesetzten Gärtner auf. Des Weiteren übernahm der Angeklagte bei mindestens drei Gelegenheiten den Transport und die Übergabe von jeweils mindestens 15 kg verkaufsfertigen Marihuanas an dritte Personen. Zwei dieser Fahrten fanden am 16.10.2018 und 05.12.2018 statt, (…)“

Die Einziehungsbeteiligte habe am 06.06.2019 im eigenen Namen und als vollmachtlose Vertreterin ihres jetzigen Ehemanns einen notariellen Grundstücksüberlassungsvertrag, in welchem auch die Auflassung erklärt wurde, geschlossen. Das Grundstück sollte auf die Einziehungsbeteiligte schenkungsweise übergehen. Der jetzige Ehemann der Einziehungsbeteiligten habe durch am 02.07.2019 in der JVA Stralsund notariell bekundete Genehmigungserklärung die Genehmigung des Grundstücksüberlassungsvertrages erklärt. Mit Schreiben vom 04.07.2019, eingegangen beim Grundbuchamt am 11.07.2019 um 08:00 Uhr (vgl. Bd II, Bl. 18 der Grundbuchakte), habe die Notarin die Eintragung der Auflassungsvormerkung sei am 11.09.2019 erfolgt. Mit Antrag vom 12.12.2019, eingegangen beim Grundbuchamt am 18.12.2019, 08:00 Uhr, sei die Eigentumsumschreibung begehrt worden (vgl. Bd II, Bl. 20 der Grundbuchakte). Die Eintragung der Einziehungsbeteiligten als Eigentümerin sei am 19.12.2019 erfolgt.

Das Gericht hat die Grundbuchakte Bl. 44 beigezogen.

II.

Gemäß §§ 435, 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des selbständigen Einziehungsverfahrens, wenn dies gesetzlich zulässig ist.

Die selbständige Einziehung ist gem. §§ 74, 74a Nr. 2, 76a Abs. 1 StGB, §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 33 BtMG zulässig, wenn eine Anknüpfungstat vorliegt, der Einziehungsgegenstand ein Tatmittel ist, die Einziehungsbeteiligte Eigentümerin zum Zeitpunkt der Entscheidung ist und den Einziehungsgegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erlangt hat. Zudem muss gem. § 76a StGB die Unmöglichkeit der Durchführung eines subjektiven Straf- oder Bußgeldverfahrens bestehen.

1. Hier hatte die Einziehungsbeteiligte zum Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung noch kein Eigentum an dem beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Stralsund auf Blatt 44 des Grundbuchs von verzeichneten Grundstück (Flurstücks-Nr. 14 der Flur 1 der Gemarkung pp) erlangt.

Die Einziehung beim Täter oder Teilnehmer gem. § 74 StGB und die Einziehung bei anderen Personen gem. § 74a StGB schließen sich denknotwendig aus, da für die jeweilige Einziehung auf die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist, §§ 74 Abs. 3, § 74a S. 1 StGB.

Insoweit ist auch nicht auf schuldrechtliche Übertragungsansprüche oder allein auf den Besitz oder auf die Erlangung eines Anspruchs auf Übertragung des Eigentums abzustellen, sondern auf die formale Eigentumsposition oder eine quasidingliche Rechtsposition (MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl. 2020, StGB § 74a Rn. 12; Schönke/Schröder, StGB § 74a Rn. 6-8, beckonline; Lohse in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 74a Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen).

Es kommt zudem auf den Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung unabhängig vom Eintreten der Rechtskraft an. Sowohl § 74 Abs. 3, als auch § 74a StGB stellen darauf ab, wem „zur Zeit der Entscheidung“ das Tatmittel gehört. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich zwischen der Einziehungsentscheidung und deren Rechtskraft unterschieden. Dies wird in § 75 StGB deutlich. Insoweit ist in § 75 Abs. 1 StGB auf die Rechtskraft der Einziehungsentscheidung und in Abs. 3 hingegen auf die Einziehungsentscheidung abzustellen.

Hier wurde die Einziehungsentscheidung am 09.07.2019 verkündet. Zu diesem Zeitpunkt war der jetzige Ehemann der Einziehungsbeteiligten, Eigentümer des vorbezeichneten Grundstückes, da dieser im Grundbuch eingetragen war. Das Eigentum an Grundstücken geht erst mit Einigung (Auflassung) und der Eintragung im Grundbuch über, §§ 925, 873 BGB. Zwar hatte die Einziehungsbeteiligte bereits durch den notariellen Grundstücksüberlassungsvertrag einen schuldrechtlichen Übertragungsanspruch. Hierauf kommt es im Rahmen der Einziehung jedoch gerade nicht an (s.o.). Auch eine quasidingliche Rechtsposition hatte die Einziehungsbeteiligte zu diesem Zeitpunkt nicht inne. Von dem Vorliegen einer solchen kann frühstens ab Eingang des entsprechenden Antrags bei Grundbuchamt ausgegangen werden. Es kann insoweit offenbleiben, ob der Eingang des Antrages auf Eintragung der Auflassungsvormerkung für die Begründung einer solchen quasidinglichen Rechtsposition ausreichend ist, da bereits dieser nach der am 09.07.2019 verkündeten Einziehungsentscheidung erst am 11.07.2019 beim Grundbuchamt einging.

2. In vorliegendem Fall ist auch nicht aufgrund der vom Gesetzgeber gewollten, möglichst lückenlosen Möglichkeit der Einziehung (vgl. Drs. 18, 9525, S. 57 ff.) auf einen anderen Zeitpunkt des Eigentumserwerbs abzustellen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob dies im Einzelfall zu erfolgen hat, wenn die gegen den Täter oder Teilnehmer gem. § 74 StGB angeordnete Einziehung ins Leere läuft, weil die im BGB enthaltenen Gutglaubenvorschriften auf den Zeitpunkt des Antragseinganges auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt und die strafrechtlichen Vorschriften auf das Eigentum zzt. der Einziehungsentscheidung abstellen.

Die gegen den jetzigen Ehemann der Einziehungsbeteiligten mit Urteil vom 09.07.2019, rechtskräftig seit 06.02.2020, angeordnete Einziehung läuft nicht ins Leere.

Mit der Einziehungsentscheidung am 09.07.2019 entstand gem. § 75 Abs. 3 StGB ein Veräußerungsverbot iSd § 136 BGB. Dies führt zu einer relativen Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung an die Einziehungsbeteiligte. Daher kann die Einziehungsbeteiligte das Eigentum allenfalls gutgläubig erwerben, iÜ greift die relative Unwirksamkeit des Veräußerungsverbotes. Die Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs, §§ 136, 135 Abs. 2, 892 f. BGB sind entsprechend anzuwenden, d.h. der gute Glaube muss sich auf das Nichtbestehen des Verbots beziehen (Ellenberger in: Grüneberg, 81. Auflage, § 136 Rn. 9). Nach § 892 Abs. 2 BGB ist maßgebender Zeitpunkt für diese Beurteilung der Eingang des Antrages auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt. Ein Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung ist erst am 11.07.2019 und somit nach der Verkündung der Einziehungsentscheidung beim Grundbuchamt eingegangen. Es kann dahinstehen, ob auf diesen Antrag oder erst auf den Antrag zur Eintragung der Eigentumsumschreibung vom 12.12.2019, eingegangen beim Grundbuchamt am 18.12.2019, abzustellen ist, da beide Anträge nach der verkündeten Einziehungsentscheidung beim Grundbuchamt eingegangen sind. Zu diesem Zeitpunkt entfaltete das Veräußerungsverbot bereits seine Wirkung.

Im Übrigen überschneiden sich die jeweiligen Voraussetzungen, da einerseits die fehlende Gutgläubigkeit der Einziehungsbeteiligten gem. §§ 136, 135 Abs. 2, 892 BGB erforderlich ist und anderseits gem. § 74a Nr. 2 StGB der Erwerb in verwerflicher Weise in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, erfolgt sein muss. Mit Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, liegt immer auch eine fehlende Gutgläubigkeit iSd §§ 136, 135 Abs. 2, 892 BGB vor.

Somit kann gegen die Einziehungsbeteiligte der Zivilrechtsweg beschritten werden, um die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs zu fordern (vgl. § 61 Abs. 4 StVollstrO). Soweit kein gutgläubiger Erwerb seitens der Einziehungsbeteiligten vorliegt, ist ihre Eigentumserlangung relativ unwirksam und der Eigentumserwerb gem. § 75 Abs. 1 StGB entfaltet seine Wirkung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 472b Abs. 3 StPO.

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