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Drogentransport über eine größere Strecke – Beihilfe oder Täterschaft?

AG Rudolstadt, Az.: 770 Js 31365/15 – 1 Ls, Urteil vom 12.03.2016

Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

§ 29 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG; §§ 25 Abs. 2, 27, 52, 56 Abs. 1 StGB.

Gründe

I.

Der heute 25 Jahre alte, kinderlose Angeklagte, der noch im Haushalt seiner Eltern lebt, hat einen qualifizierten Hauptschulabschluß erreicht und eine Lehre als Industriemechaniker bei der Firma H GmbH Schlauchleitungen in Plauen durchlaufen, die er im Februar 2015 erfolgreich abschloß. Seither war der Angeklagte, der in seinem Ausbildungsbetrieb keine berufliche Perspektive für sich erblickte, arbeitslos.

Der Angeklagte ist Raucher und konsumierte bis zu seiner Inhaftierung gelegentlich Cannabis.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

II.

Am 29.09.2015 gegen 14.30 Uhr führte der Angeklagte seinen Personenkraftwagen Skoda Fabia auf der Bundesautobahn 9 in Fahrtrichtung München, in dem mit Wissen des Angeklagten Betäubungsmittel transportiert wurden. Der Angeklagte fuhr in einem aus zwei Personenkraftwagen bestehenden Konvoi. In dem vorausfahrenden Fahrzeug Audi A6 befanden sich der 25jährige Fahrer Kay F. und der 31jährige Beifahrer Sven K.. In seinem nachfolgenden Fahrzeug Skoda Fabia saßen der Angeklagte als Fahrer und der 21jährige Philipp T. als Beifahrer. Das in fünf durchsichtige Folientüten verpackte und in zwei Plastiktüten verstaute Rauschgift war im Fußraum unter dem Beifahrersitz deponiert. Es handelte sich um 1.727,32 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 164,30 g Tetrahydrocannabinol, welches zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen war. Auf der Drogenverpackung befanden sich diverse Fingerabdrücke des Beifahrers Philipp T., jedoch keine von dem Angeklagten herrührenden DNA-Spuren oder Fingerabdrücke. Dem Angeklagten, welcher als Kurierfahrer fungierte und der wußte, daß er in seinem von ihm gesteuerten Fahrzeug rund 1,7 kg Marihuana transportierte, war klar, daß seine Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Drogenbesitzes diente sowie die mit der erheblichen Rauschgiftmenge beabsichtigten Drogengeschäfte förderte. Als das Drogentransportfahrzeug und sein Begleitfahrzeug, die beide um 13.43 Uhr an der Autobahntankstelle Eichelborn-Süd an der Bundesautobahn 4 mit Dieseltreibstoff betankt worden waren und seither eine Fahrtstrecke von mehr als 80 km zurückgelegt hatten, auf der Bundesautobahn 9 die Anschußstelle Dittersdorf passierten, nahmen zwei Streifenbesatzungen mit ihren zivilen Einsatzfahrzeugen die Verfolgung auf und unterzogen die Insassen der beiden Fahrzeuge auf dem Autobahnparkplatz Himmelsteiche einer Kontrollmaßnahme. Bei der anschließenden Nachschau in dem Fahrzeug Skoda Fabia wurden die Plastiktüten aufgefunden, in denen sich die Betäubungsmittel befanden. Gegenüber den Polizeibeamten Jens B. und Hubert T. äußerte der Angeklagte unmittelbar nach dem Drogenfund, daß sich in den beiden Tüten seines Wissens nach rund 1,9 kg Marihuana befänden. Dem Polizeibeamten Thomas M. erklärte er später gesprächsweise, daß er das aufgefundene Rauschgift „auf seine Kappe“ nehme.

III.

Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf seinen eigenen Angaben in der Hauptverhandlung.

Drogentransport über eine größere Strecke – Beihilfe oder Täterschaft?
Symbolfoto: Fuss Sergei/Bigstock

Der Angeklagte, der im übrigen von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, hat den ihm gemachten Tatvorwurf durch eine Erklärung seines Verteidigers, der klargestellt hat, daß die vorgetragene Erklärung als Äußerung des Angeklagten zur Sache gelten soll, wobei dieser selbst auf Nachfrage des Gerichts bestätigt hat, daß er das Vorgetragene als seine mündliche Sacheinlassung verstanden wissen wolle, jedoch nicht dazu bereit sei, weitergehende Fragen oder Vorhalte zu beantworten, insofern eingeräumt und die von ihm begangene Tat entsprechend den getroffenen Feststellungen eingestanden, als er zugegeben hat, die in seinem, von ihm geführten Fahrzeug aufgefundene Rauschgiftmenge im Fahrgastraum seines Personenkraftwagens auf den Bundesautobahnen 4 und 9 zumindest von der Autobahntankstelle Eichelborn-Süd bis zu dem Autobahnparkplatz Himmelsteiche transportiert zu haben. Sein Geständnis ist, wenngleich ein von dem Verteidiger für den Angeklagten vorformuliertes und von diesem nur summarisch bestätigtes Geständnis generell besonders kritischer Betrachtung bedarf, weil es sich nicht um eine eigentliche, mündlich vor Gericht abgegebene Aussage, sondern um eine vorgetragene Verteidigererklärung handelte, die sich der Angeklagte, ohne Fragen zuzulassen, lediglich als Einlassung zu eigen machte (vgl. BGH, NStZ 2003, 498, 499; LR-Sander, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 73), und obschon einer solchen Einlassung des Angeklagten, die sich in einer schlichten Verteidigererklärung erschöpft, ohne daß Nachfragen beantwortet werden, ein allenfalls sehr untergeordneter Beweiswert zukommen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 21.10.2014 – 5 StR 296/14), gleichwohl glaubhaft, da es in sich stimmig ist und hinsichtlich seiner Substanz im Hinblick auf die in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt, sondern durch die Bekundungen der vernommenen Polizeibeamten bestätigt wurde. Der Polizeihauptmeister Hubert T. hat insoweit von der Anhaltung des Fahrzeugkonvois und dem anschließenden Drogenfund auf dem Autobahnparkplatz berichtet. Der Kriminalhauptmeister Thomas M. hat das nach erfolgter Belehrung über die Aussagefreiheit am Tattag mit dem Angeklagten in den Räumen der Kriminalpolizeiinspektion Saalfeld außerhalb seiner förmlichen Vernehmung geführte Gespräch anschaulich geschildert. Schließlich hat die Kriminalhauptmeisterin Katrin G. die weiteren Ermittlungen gegen den Angeklagten und die dabei erzielten Ergebnisse nachgezeichnet. An der Richtigkeit der Angaben dieser Zeugen hat das Gericht keine Zweifel. Danach war dem Angeklagten bekannt, daß die beiden Plastiktüten mindestens rund 1,7 kg Marihuana beinhalteten.

Bei einer Gesamtwürdigung aller einzelnen für ein Handeltreiben sprechenden Umstände läßt die gegebene Beweislage keinen anderen vernünftigen Schluß zu, als daß das aufgefundene Marihuana, welches angesichts des Preisgefüges auf dem bayerischen, sächsischen und thüringischen Abnehmermarkt gerichtsbekannt problemlos für 7,00 bis 12,00 Euro pro Gramm veräußert werden konnte, für eine gewinnbringende Weiterveräußerung in der Rauschgiftszene vorgesehen war. Daß das Rauschgift lediglich dem Eigenverbrauch diente, scheidet aufgrund der erheblichen Rauschgiftmenge aus. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewißheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen läßt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (BGH, Urt. v. 07.05.1986 – 2 StR 182/86; KK StPO-Ott, 7. Aufl., § 261 Rn. 4). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind. Dies führt auch hinsichtlich des insoweit schweigenden Angeklagten nicht zu einer mit dem Schuldprinzip kollidierenden Beweislastumkehr, sondern ist notwendige Folge der Verpflichtung des Gerichts, gemäß § 261 StPO seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen (BGHSt 51, 324, 325).

Seine Überzeugung, daß die sichergestellten Betäubungsmittel zum Handeltreiben bestimmt waren, stützt das Gericht auf folgende objektiv abgesicherte und aussagekräftige Umstände: Bereits die in seinem Personenkraftwagen von dem Angeklagten beförderte Rauschgiftmenge, die den Eigenbedarf eines Drogenkonsumenten bei weitem überstieg und bei der der Grenzwert für die nicht geringe Menge von Cannabisprodukten, welcher sich auf 500 Konsumeinheiten mit einem Wirkstoffgehalt von je 15 mg Tetrahydrocannabinol bezieht, um fast das Zweiundzwanzigfache überschritten war, legt ohne weiteres nahe, daß dieses Rauschgift zur gewinnbringenden Weiterveräußerung vorgesehen war. Es erscheint schon deshalb äußerst unwahrscheinlich, daß Täter, die sich im Besitz großer Mengen von Marihuana befinden, jene Mengen zum Eigenverbrauch erworben haben, weil sich der Tetrahydrocannabinol-Gehalt durch Lagerung erfahrungsgemäß innerhalb weniger Wochen um die Hälfte verringert (vgl. BGH, NStZ 1995, 193), was regelmäßig nicht im Interesse eines Drogenkonsumenten, welcher erhebliche Mittel zur Beschaffung des Rauschgifts aufbringen mußte, liegt. Bei einer Gesamtwürdigung dieser für ein Handeltreiben sprechenden Umstände ist es deshalb auszuschließen, daß die aufgefundenen 1.727,32 g Marihuana lediglich zum Zwecke des Eigenverbrauchs der Tatbeteiligten dienten.

Zum Gewicht und Wirkstoffgehalt der sichergestellten Betäubungsmittel folgt das Gericht dem verlesenen Gutachten des Landeskriminalamts Thüringen vom 19.10.2015.

IV.

Der Angeklagte hat sich damit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

Der Grenzwert der nicht geringen Menge für Cannabis beträgt 7,5 g Tetrahydrocannabinol (BGHSt 33, 8, 14; BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Menge 4; K/P/V-Patzak, BtMG, 8. Aufl., § 29 a Rn. 64; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 a Rn. 88), so daß das Tatbestandsmerkmal der nicht geringen Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG demzufolge unzweifelhaft erfüllt ist.

In subjektiver Hinsicht war auch das Qualifikationsmerkmal der nicht geringen Menge vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt. Insoweit genügt – wie zu den Grundtatbeständen – bedingter Vorsatz (Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 29 a Rn. 42). Die „nicht geringe Menge“ ist ein normatives Tatbestandsmerkmal, bei dem die Parallelwertung in der Laiensphäre genügt. Zwar muß sich der Vorsatz des Täters auf dieses Tatbestandsmerkmal erstrecken; es ist jedoch nicht erforderlich, daß er die genaue rechtliche Bedeutung des Begriffs erkannt hat. Vielmehr reicht es aus, wenn sich seine Vorstellung auf die Menge und die Qualität des Betäubungsmittels sowie in laienhafter Weise auf das sich daraus ergebende größere Unrecht erstreckt und er sich damit der sozialen Tragweite seines Handelns bewußt ist (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 a Rn. 167). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil dem Angeklagte die Größenordnung der tatsächlich tatbefangenen Menge bekannt war, so daß sein Vorsatz die von ihm transportierte Menge erfaßte. Dies gilt auch für den Wirkstoffgehalt der Betäubungsmitteln, weil derjenige, der Umgang mit Drogen hat, ohne ihren konkreten Wirkstoffgehalt zu kennen, beim Fehlen sonstiger Anhaltspunkte regelmäßig mit jedem Reinheitsgrad einverstanden ist, der nach den Umständen des Falles in Betracht kommt (BGH, NStZ-RR 1997, 121; BGH, NStZ 2004, 494).

Wer nicht nur eine ganz kurze Hilfstätigkeit beim Betäubungsmitteltransport als Besitzdiener vornimmt, sondern rund 1,7 kg Marihuana in seinem von ihm selbst gesteuerten Personenkraftwagen über eine größere Fahrtstrecke transportiert, erlangt unerlaubten Besitz als Täter und nicht als Gehilfe. Er leistet nicht lediglich Hilfe zu einer Straftat eines anderen, sondern begeht sie – gemeinschaftlich mit anderen, möglicherweise nur in deren Interesse – selbst (vgl. BGHSt 38, 315, 316). Eine kurze Hilfstätigkeit eines bloßen Besitzdieners, der ebenfalls bereits regelmäßig das tatherrschaftliche Herrschaftsverhältnis über die Sache ausübt, liegt nicht mehr vor, wenn der am Handeltreiben beteiligte Gehilfe das Rauschgift über eine längere Strecke, wenn auch im Beisein des Haupttäters, befördert (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 4). Die Fahrt verfolgt in einem solchen Fall vielmehr den Zweck, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten beziehungsweise abzusichern. Diese Tatausführung, die dazu diente, die Betäubungsmittel zu transportieren und an einen sicheren Ort zu bringen, beherrschte und lenkte der Angeklagte, da er als Führer des Transportfahrzeugs als Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens (vgl. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 9. Aufl., S. 25) fungierte. Tatherrschaft hat jeder Mitwirkende, der in der tatsächlichen und ihm bewußten Lage ist, die Tatbestandsverwirklichung je nach seinem Willen ablaufen lassen, hemmen oder abbrechen zu können (LK-Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 25 Rn. 9).

Der stattgehabte Drogentransport war, was unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge anbelangt, indes lediglich als Beihilfe zum Handeltreiben zu bewerten. Die Frage, ob die Beteiligung an der Tat Mittäterschaft oder Beihilfe ist, beurteilt sich auch bei dem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Strafbar ist nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nicht hingegen – isoliert – das Transportieren derselben (vgl. BGHSt 51, 219, 222; BGH, NStZ-RR 2007, 246, 247). Maßgebend für die Wertung, ob ein Beteiligter lediglich fremdes Tun fördert oder eine Tat gemeinschaftlich mit einem anderen als eine auch für ihn eigene begeht, muß in jedem Falle eine Gesamtbetrachtung sein, die den Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, den Umfang der Tatbeteiligung und die Frage der Teilhabe an der Tatherrschaft oder doch des Willens dazu einbezieht. Abzustellen ist darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 77). Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, daß der Beteiligte nur Gehilfe ist (BGH, NStZ 2007, 531). Der Angeklagte, dessen Rolle sich auf Fahrdienste beschränkte, wirkte nur beim Transport des Rauschgifts mit. Einen irgendwie gearteten Einfluß auf die Beschaffung oder den weiteren Umsatz der Betäubungsmittel hatte er nach den in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen nicht. Der Angeklagte wußte vielmehr, daß seine Aufgabe mit dem Abschluß der Beschaffungsfahrt beendet war. Als bloßem Kurier kam ihm insoweit keinerlei Tatherrschaft zu. Vor diesem Hintergrund war der Angeklagte, der nur eine untergeordnete Funktion innehatte, nicht Mittäter, sondern lediglich Gehilfe des Handeltreibens (vgl. BGH, NStZ 2006, 454, 455; BGH, NStZ 2007, 288, 289).

V.

Bei der Strafzumessung hat sich das Gericht vor allem von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Die gegen den Angeklagten zu verhängende Strafe war aus § 29 a BtMG zu entnehmen. Es liegt jedoch jeweils ein minder schwerer Fall des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor, so daß dem Strafausspruch der Sonderstrafrahmen des § 29 a Abs. 2 BtMG zugrundezulegen war, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 29 a Rn. 49; K/P/V-Patzak, BtMG, 8. Aufl., § 29 a Rn. 121). Das Gericht hat aufgrund einer Gesamtschau – trotz der erheblichen Menge des transportierten Marihuanas – jeweils einen minder schweren Fall des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bejaht. Tatbild und Täterpersönlichkeit weichen von den erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen so sehr ab, daß eine Gesamtabwägung aller Umstände jeweils die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigt. Hierbei war zu bedenken, daß der nicht vorbestrafte Angeklagte sich zu dem ihm gemachten Tatvorwurf geständig gezeigt hat. Für den Angeklagten sprach weiter vor allem, daß die Betäubungsmittel vollständig sichergestellt und aus dem Verkehr gezogen werden konnten, weshalb es nicht zu einer Gefährdung von Drogenkonsumenten zu kommen vermochte. Dies ist ein bestimmender Strafmilderungsgrund, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 10; BGH, NStZ-RR 2012, 153, 154; BGH, NStZ 2013, 50; BGH, Beschl. v. 24.10.2012 – 4 StR 377/12; BGH, Urt. v. 22.05.2014 – 4 StR 514/13; BGH, Beschl. v. 30.09.2014 – 2 StR 286/14). Auch wenn er als Mittäter beim Drogentransport anzusehen ist, weil er eine faktische (Mit-)Verfügungsmacht über das Rauschgift in Form des Mitbesitzes ausübte, erschöpfte sich der Tatbeitrag des Angeklagten, der lediglich die Aufgabe eines Kuriers erfüllte, also die eigentlichen Rauschgiftgeschäfte nicht selbst in der Hand hatte, doch in einer Mithilfe bei der Beförderung des Rauschgifts, weshalb die Gesamtwürdigung ergab, daß sich die Tat so deutlich von den gewöhnlich vorkommenden Fälle abhebt, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.

§ 29 a Abs. 1 BtMG entfaltete vorliegend schon deshalb keine Sperrwirkung hinsichtlich der höheren Mindeststrafe tateinheitlich verwirklichter Gesetze nach § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB, weil schon angesichts des vertypten Milderungsgrundes nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB auch insoweit ein minder schwerer Fall gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG gegeben ist (vgl. BGH, StV 2003, 285).

Ausgehend von dem so gefundenen Strafrahmen hat das Gericht bei seiner konkreten Strafzumessung insbesondere folgende Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe beachtet:

Zu Lasten des Angeklagten war vor allem die Menge und Qualität der Betäubungsmittel zu berücksichtigen. Der Wirkstoffgehalt des beförderten Marihuanas überschritt den Grenzwert der nicht geringen Menge um fast das Zweiundzwanzigfache. Im Hinblick auf die durch das Betäubungsmittelgesetz geschützte Volksgesundheit ist anerkannt, daß die Wirkstoffmenge ein wesentlicher Umstand zur Beurteilung der Schwere der Tat und zur Bestimmung des Schuldumfangs ist. Nichts anderes gilt für die Rauschgiftmenge als solche. Unabhängig von dem Wirkstoffgehalt lassen sich der Gesamtmenge nämlich wesentliche Anhaltspunkte für den Umfang der dem Täter zuzurechnenden Rauschgiftgeschäfte und das Maß der von ihm entfalteten kriminellen Energie entnehmen, die regelmäßig für die Zumessung der wegen Betäubungsmittelstraftaten zu verhängenden Strafen bestimmend sind (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18).

Für den Angeklagten sprachen dagegen sein vollumfängliches, den gesamten ihm gemachten Tatvorwurf umfassendes Geständnis sowie die Tatsache, daß er nicht vorbestraft ist. Jedoch war bei dem zur Sache schweigenden Angeklagten, dessen Sacheinlassung dem Gericht durch seinen Verteidiger übermittelt worden ist, gleichzeitig zu bedenken, daß dieses Geständnis nicht von echter Reue und Schuldeinsicht getragen, sondern, schon weil der Angeklagte es sonst selbst abgelegt sowie keine Nachfragen und Vorhalte verweigert hätte, überwiegend prozesstaktischen Überlegungen geschuldet war, und deshalb auch im Hinblick auf präventive Strafzumessungsaspekte geringere Bedeutung hat (vgl. SSW StGB-Eschelbach, 2. Aufl., § 46 Rn. 126). Zugunsten des Angeklagten wirkte ferner, daß es sich bei dem Rauschgift um eine sogenannte weiche Droge handelte, weil Cannabisprodukte auf der Schwereskala der Gefährlichkeit von Betäubungsmitteln nur einen unteren Rang einnehmen. Der chronische Cannabiskonsum kann zwar zu einer psychischen Abhängigkeit führen oder erhebliche Psychosen bei dem Konsumenten verursachen oder verstärken. Bei dem Konsum von Cannabis kommt es aber nicht zu tödlich verlaufenden Intoxikationen, zu bedrohlich verlaufenden Überdosierungsfällen oder zu schwerwiegenden Entzugserscheinungen, die eine internistische Behandlung erfordern. Das Verlangen nach Cannabis ist zudem in aller Regel weniger stark als bei einer Abhängigkeit von Heroin, Opioiden, Kokain oder Barbituraten. Strafmildernd fiel weiter ins Gewicht, daß die zum Handeltreiben bestimmten Betäubungsmittel sichergestellt werden konnten und damit nicht mehr in den Verkehr gelangt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 28.03.2006 – 4 StR 42/06; BGH, Beschl. v. 23.05.2012 – 5 StR 185/12; BGH, Beschl. v. 10.09.2014 – 5 StR 383/14).

Unter Abwägung der aufgezeigten und aller übrigen gemäß § 46 StGB maßgeblichen, für und wider den Angeklagten streitenden Strafzumessungsgesichtspunkte hielt das Gericht danach unter besonderer Berücksichtigung der den Unrechtsgehalt der Tat wesentlich prägenden Menge der Betäubungsmittel in Übereinstimmung mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für tat- und schuldangemessen, zur Erreichung aller Strafzwecke erforderlich, aber auch ausreichend.

VI.

Die Vollstreckung dieser Strafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, weil das Gericht davon ausgeht, daß der Angeklagte bereits durch die Verhängung der Strafe und die von ihm erlittene Untersuchungshaft so nachhaltig beeindruckt ist, daß er in Zukunft keine einschlägigen Straftaten mehr begehen wird.

Der nicht vorbestrafte Angeklagte, der die Tatbegehung eingeräumt und sechs Monate Untersuchungshaft verbüßt hat, wird erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der erforderlichen umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände, die Rückschlüsse auf das künftige Verhalten erlauben, kam hier insbesondere dem Umstand gewichtige Bedeutung zu, daß für den Angeklagten, der zuvor noch keinem Freiheitsentzug ausgesetzt war, die wegen des anhängigen Verfahrens erlittene Untersuchungshaft, die einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) darstellte, mit einem der Strafhaft gleichkommenden nachhaltigen Warneffekt verbunden war, der bei der Prognose in Rechnung zu stellen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29.05.1990 – 5 StR 174/90; BGH, StV 1995, 414, 415; BGH, StV 1996, 207), weil von einem „Erstverbüßer“ allgemein erwartet werden kann, daß das der bloßen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe nicht vergleichbare Erlebnis von deren Vollstreckung seine Wirkung nicht verfehlt und den Täter befähigt, künftigen Tatanreizen zu widerstehen (vgl. KG, StV 1999, 605).

Auch gebietet hier nicht die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der erkannten Strafe. Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf die schwerwiegenden Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich erscheinen müßte und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen erschüttert werden könnte (BGHSt 24, 40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; BGH, NStZ 2001, 319; LK-Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 56 Rn. 49; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 56 Rn. 14). Mit Rücksicht auf die angeführten, gravierenden Milderungsgründe ist auszuschließen, daß die Rechtstreue der über die Besonderheiten des Einzelfalls unterrichteten Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigt und es von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen wird, daß die Vollstreckung der Strafe im vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wird, zumal die Möglichkeit der Strafaussetzung keinesfalls für bestimmte Gruppen von Straftaten (Rauschgiftdelikte) generell ausgeschlossen werden darf (vgl. BGH, NStE Nr. 27 zu § 56 StGB).

VII.

Eine förmliche Einziehungsanordnung bezüglich der von der Polizei sichergestellten Betäubungsmittel war nicht erforderlich, weil der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren unwiderruflich auf die Herausgabe des aufgefundenen Rauschgifts verzichtet hat (vgl. BayObLG, NStZ-RR 1997, 51; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 33 Rn. 369).

VIII.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 Abs. 1 StPO.

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