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Corona-Soforthilfe – falsche Angaben – Subventionsbetrug

LG Rostock – Az.: 18 Qs 115/20 (2) – Beschluss vom 19.08.2020

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 28.05.2020, Az.: 34 Gs 1362/20, zuletzt geändert durch die Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 31.07.2020, mit dem der Vermögensarrest in Höhe von 15.000,00 € in das Vermögen des Beschuldigten angeordnet wurde, aufgehoben.

2. Die dem Beschuldigten durch das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die im Tenor zu Ziff. 1 bezeichnete Anordnung von Vermögensarrest auf einen Betrugsverdacht gemäß § 263 Abs. 1 StGB gegen den Beschuldigten gestützt.

Der Beschuldigte habe als Einzelunternehmer in … „an einem noch unbekannten Tag im April 2020 Mittel in Höhe von 15.000 € aus einem Corona-Soforthilfeprogramm der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern beantragt. Er habe dabei gemäß Ziff. 7.2. des Antragsformulars gegenüber dem Landesförderinstitut M-V versichert, die wirtschaftlich existenzbedrohliche Lage, in der er sich mit seinem in … ansässigen Gaststättenbetrieb … befinde, sei eine Folge der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Darüber hinaus habe der Beschuldigte bei der Antragstellung gemäß Ziff. 7.8 des Antragsformulars versichert, dass es sich bei seinem Unternehmen nicht um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ gemäß Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung der Europäischen Union (Verordnung Nr. (EU) 651/2014 der Kommission) handele.

Tatsächlich habe sich das Unternehmen des Beschuldigten jedoch spätestens seit Januar 2020 in finanziellen Schwierigkeiten befunden. Dies ergebe sich aus dem Kontoauszug des Geschäftskontos des Beschuldigten bei der … Rostock mit der IBAN …

Es lägen – so das Amtsgericht weiter – folgende Pfändungen vor:

17.01.2020 … In Höhe von 25.233,23 €.

22.01.2020 … Rostock in Höhe von 9.391,89 €,

23.01.2020 … Nordost in Höhe von 5.375,92 und

23.01.2020 … Nordost in Höhe von 10.259,45 €.

Aufgrund der falschen Angaben habe das Landesförderinstitut M-V am 23.04.2020 die Corona-Soforthilfe auf das „Privat-Girokonto“ des Beschuldigten bei der … Rostock mit der … ausgezahlt.

Gegen den Beschluss wendet sich der Beschuldigte mit der Beschwerdeschrift seines Verteidigers vom 08.06.2020 (Bl. 18 d. FE-Akte) und mit dessen weiterem Schriftsatz zur Begründung des Rechtsmittels vom 14.07.2020 (Bl. 25 d. FE-Akten). Wegen des Vorbringens verweist die Kammer auf diese beiden Schriftsätze.

Im Wissen um die Beschwerde hat das Amtsgericht Rostock mit der im Tenor zu Ziff. 1 bezeichneten Entscheidung vom 31.07.2020 an der Anordnung des Vermögensarrests unter Berichtigung einer kurzen Passage der Beschlussgründe festgehalten.

Corona-Soforthilfe – falsche Angaben - Subventionsbetrug
Symbolfoto: Von Tatjana Michaljova/Shutterstock.com

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde aus den aus ihrer Sicht zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Beschwerde des Beschuldigten ist statthaft und darüber hinaus im Übrigen zulässig, § 306 Abs. 1 StPO.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Die Anordnung eines Vermögensarrests erfordert nach § 111e Abs. 1 S. 1 StPO die begründete Annahme, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertansatz gemäß §§ 73, 73c StGB vorliegen. Eine solche Annahme lässt sich nur rechtfertigen, wenn gegen den Beschuldigten ein mindestens einfacher Verdacht besteht, eine rechtswidrige Tat begangen und dadurch zu Unrecht einen Vermögensvorteil erlangt zu haben.

Durch das bisherige Ergebnis der Ermittlungen wird ein solcher Tatverdacht jedoch nicht begründet.

Wegen Betruges kann sich nur strafbar machen, wer durch Falschangaben oder auf andere Weise eine andere Person über Tatsachen täuscht. Es bedarf daher einer unwahren Behauptung des Vorliegens tatsachenbezogener Umstände, die in Wirklichkeit nicht gegeben sind. Dabei bestimmt sich der Erklärungsinhalt einer Aussage im Rahmen der Verkehrsauffassung aus der Sicht des Empfängerhorizonts (Fischer, StGB-Komm., 67. Aufl., 2020, § 263 Rz. 18 mwN).

Dabei wird die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass die dem Beschuldigten nach der Entscheidung des Amtsgerichts zum Vorwurf gemachten Angaben formularmäßig von Seiten des Landesförderinstituts M-V im Zuge der Beantragung der Corona-Soforthilfe abgefragt wurden. Dies hat zur Folge, dass der Empfängerhorizont auf Seiten des Landesförderinstituts M-V bezüglich der Angaben des Beschuldigten spiegelbildlich dem Verständnis entspricht, das der Beschuldigte seinerseits hinsichtlich der vom Landesförderinstitut M-V im Antragsformular vorformulierten Erklärungsinhalte haben durfte, als er das Formular ausfüllte. Denn wer als Verwalter über Vermögen seine Entscheidung, einer Person davon etwas zukommen zu lassen, von bestimmten Angaben jener Person abhängig macht, die er selbst in der Weise vorformuliert, dass jene Person sich diese Vorformulierungen nur noch durch Ankreuzen und Unterzeichnen zu eigen machen muss, führt sich selbst in einen Irrtum, wenn er dem Vorformulierten einen weitergehenden Erklärungsinhalt beimisst, als ihm nach der Verkehrsauffassung aus der Perspektive der Person tatsächlich beizumessen war, die das Formular auszufüllen hatte.

Dies nimmt die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend in den Blick, soweit sie den Betrugsverdacht darauf stützt, dass die bisherigen Ermittlungen tatsächliche Anhaltspunkte erbracht hätten, die Erklärung des Beschuldigten sei mit Blick auf Ziff. 7.2 des von ihm am 27.03.2020 unterzeichneten Antragsformulars (Bl. 59ff., (61 oben) d.A.) falsch.

Ziff. 7.2 des vorformulierten Antragsformulars lautete:

„Ich versichere, dass die existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw. der Liquiditätsengpass eine Folgewirkung der Coronapandemie vom Frühjahr 2020 ist“.

Diese von Seiten des Landesförderinstituts M-V formularmäßig vom Beschuldigten angefragte Versicherung enthielt als Aussageinhalt aufgrund der Bedeutung des Wortes „Folgewirkung“ nach allgemeinem Sprachverständnis die Bestätigung eines Ursache-Wirkungs- Zusammenhangs zwischen der „Coronapandemie vom Frühjahr 2020“ (Ursache) und einer „existenzbedrohlichen Wirtschaftslage“ bzw. eines „Liquiditätsengpass [es]“ (Wirkungsereignis) im Unternehmen des Beschuldigten.

Demgegenüber enthielt diese Versicherung nach allgemeinem Sprachverständnis nicht als Aussageinhalt, dass die „Coronapandemie vom Frühjahr 2020“ die alleinige Ursache für die besagte wirtschaftliche Situation im Unternehmen des Beschuldigten war oder dass die besagte wirtschaftliche Situation erst seit der „Coronapandemie vom Frühjahr 2020“ bestand. Ein die abgefragte Versicherung auf diese oder ähnliche Weise in ihrem Sinngehalt zuspitzendes Attribut enthielt die oben zitierte Vorformulierung des Landesförderinstituts M-V zu Ziff. 7.2 des Antragsformulars und damit auch die Versicherung des Beschuldigten gerade nicht.

Eines solchen Attributs hätte es aber bedurft, um den Aussageinhalt der abgefragten Versicherung in dieser Weise zuzuspitzen. Denn nach den hergebrachten Grundsätzen der Logik ist die Richtigkeit eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs zwischen zwei Ereignissen nicht dadurch in Frage gestellt, dass das bewirkte Ereignis noch auf weitere Ursachen zurückgeht.

An der Sicht auf den Aussagegehalt der Versicherung zu Ziff. 7.2 ändert sich auch nichts, wenn man den Eindruck berücksichtigt, der insgesamt vom vorformulierten Antragsformular aus der Perspektive des Beschuldigten ausging. Denn auch der Gesamteindruck deutete für denjenigen, der das Formular auszufüllen hatte, nicht darauf hin, dass es dem Landesförderinstitut M-V mit der abgefragten Versicherung zu Ziff. 7.2 darum ging, sicherzustellen, dass die „Coronapandemie vom Frühjahr 2020“ alleinige Ursache für die „existenzbedrohliche Wirtschaftslage“ bzw. für den „Liquiditätsengpass“ war.

Der Gesamteindruck ließ ganz im Gegenteil darauf schließen, dass etwaige zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Liquiditätsbedarfe im Unternehmen, die seit Beginn des Jahres 2020 aber noch vor dem 11.03.2020 und somit noch vor den sog. „Lock-Down“-Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie entstanden waren, nach der Vorstellung des Landesförderinstituts M-V für die Gewährung der Soforthilfen nicht hinderlich sein sollten, sofern nach dem 11.03.2020 coronabedingt weitere zur existenzbedrohlichen Wirtschaftslage des Unternehmens beitragende Liquiditätsbedarfe in Höhe der erstrebten Finanzhilfen hinzugekommen waren oder in den folgenden drei Monaten, also bis Juni 2020, hinzukommen würden.

Dieser Gesamteindruck wurde maßgeblich durch folgende drei Passagen des Antragsformulars hervorgerufen:

1 .- Kopf des Antragsformulars -:

„Nicht gefördert werden Unternehmen in Schwierigkeiten zum Stichtag 31.12.2019 gemäß Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung.“

2. – Ziff. 5 des Antragsformulars -:

„Höhe des durch die Coronapandemie bedingten Liquiditätsengpasses für 3 Monate

(Nicht förderfähig sind Liquiditätsbedarfe, die bis zum 11. März 2020 entstanden sind.):“

Und

3. – Ziff. 7.8 des Antragsformulars -:

„Ich erkläre, dass es sich bei meinem Unternehmen per 31.12.2019 nicht um ein Unternehmen in Schwierigkeiten gemäß Art. 2 Nr. 18 Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung gehandelt hat.“

Wäre es dem Landesförderinstitut M-V mit dem Antragsformular darum gegangen, deutlich zu machen, dass nur solche Unternehmen die Soforthilfen bekommen sollen, die allein oder erst aufgrund der Coronapandemie im Frühjahr 2020 in eine existenzbedrohliche Wirtschaftslage und in dementsprechende Liquiditätsengpässe geraten waren, hätte es nahegelegen, im Kopf des Antragsformulars jedes Unternehmens von der Förderung auszunehmen, das sich am 11.03.2020 bereits in Schwierigkeiten gemäß Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung Nr. (EU) 651/2014 der Kommission) befand. Ebenso hätte es unter dieser Prämisse zu Ziff. 7.8 des Antragsformulars für das Landeförderinstitut M-V nahegelegen, vom Antragsteller auch die entsprechende Versicherung zu verlangen, dass es sich bei seinem Unternehmen per Stichtag 11.03.2020 nicht um ein Unternehmen in solchen Schwierigkeiten handelt.

Indem das Landesförderinstitut M-V demgegenüber jedoch als Stichtag für den Ausschluss wirtschaftlich bereits vor der Pandemie bedrohter Unternehmen den 31.12.2019 bestimmte und im Übrigen bis zum 11.03.2020 auftretende Liquiditätsbedarfe – lediglich – als nicht förderfähig bezeichnete, gab das Landesförderinstitut M-V in der Gesamtschau des Antragsformulars auch abseits von Ziff. 7.2. zu erkennen, dass die existenzbedrohliche Wirtschaftslage im Frühjahr 2020 des die Hilfen beantragenden Unternehmens nicht allein coronabedingt entstanden sein musste, um die Soforthilfe bewilligt zu bekommen.

Angesichts dessen geht die Argumentation der Staatsanwaltschaft zur Begründung des Betrugsverdachts gegen den Beschuldigten, der sich das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung angeschlossen hat, ins Leere, soweit dem Beschuldigten vorgeworfen wird, er habe mit der Versicherung gemäß Ziff. 7.2 des von ihm am 27.03.2020 unterzeichneten Antragsformulars eine falsche Versicherung abgegeben, weil sich sein Unternehmen bereits spätestens im Januar 2020 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe. Denn mit der Versicherung gemäß Ziff. 7.2 erklärte der Beschuldigte – wie dargelegt – gerade nicht, dass für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage seines Unternehmens nicht auch Liquiditätsbedarfe (mit-)ursächlich seien, die vor der Coronapandemie entstanden waren.

Die Versicherung des Beschuldigten gemäß Ziff. 7.2 wäre daher nur als falsch anzusehen, wenn die „Coronapandemie vom Frühjahr 2020“ – ungeachtet anderer Ursachen – in keiner Weise ursächlich für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage im Unternehmen des Beschuldigten gewesen wäre. Dafür gibt das bisherige Ergebnis der Ermittlungen jedoch nichts her. Vielmehr liegt es aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließungen während der Lock-Down-Maßnahmen, die die gesamte Gaststättenbranche betroffen haben, nahe, dass die Coronapandemie im Frühjahr 2020 zumindest mitursächlich für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw. den Liquiditätsengpass im Unternehmen des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Antragstellung war. So gibt es keinen Hinweis in den Akten, dass der Betrieb des Beschuldigten bereits vor dem Inkrafttreten der „Lock-Down-Maßnahmen“, die zur branchenweiten Schließung aller Gaststätten in Mecklenburg-Vorpommern geführt haben, eingestellt war.

Daher bemerkt die Kammer in diesem Zusammenhang nur ergänzend, dass die vom Amtsgericht aus dem Arrestantrag der Staatsanwaltschaft übernommene Darstellung, auf dem Geschäftskonto des Unternehmens des Beschuldigten sei es im Januar 2020 zu jenen vier im angefochtenen Beschluss aufgeführten Pfändungen gekommen, durch die entsprechenden Kontounterlagen (Bl. 11f. (12) d.A.) nur hinsichtlich drei der vier angeblichen Pfändungen gestützt wird. Bei der betragsmäßig höchsten angeblichen Pfändung des Geschäftskontos durch die E.ON Energie Deutschland GmbH am 17.01.2020 über 25.233,23 € handelte es sich ausweislich der Kontounterlagen in Wirklichkeit um eine Gutschrift auf dem Geschäftskonto.

Auch auf die bereits oben wiedergegebene weitere Erklärung des Beschuldigten zu Ziff. 7.8 des Antragsformulars lässt sich bislang auf Grundlage des Ergebnisses der bisherigen Ermittlungen kein Betrugsverdacht gegen den Beschuldigten stützen. Auch hier nimmt das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung den Aussagegehalt der Erklärung des Beschuldigten nicht hinreichend in den Blick, indem es unberücksichtigt lässt, dass die Erklärung stichtagsbezogen für die wirtschaftliche Lage des Unternehmens am 31.12.2019 abgegeben wurde. Berücksichtigt man dies, steht die Argumentation des Amtsgerichts, tatsächlich habe sich das Unternehmen des Beschuldigten „spätestens seit Januar 2020 in finanziellen Schwierigkeiten“ befunden, nicht im Widerspruch zur Erklärung des Beschuldigten.

Das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen zeigt keine tatsächlichen Anhaltspunkte auf, nach denen sich der Beschuldigte mit seinem Unternehmen am 31.12.2019 in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung Nr. (EU) 651/2014 der Kommission) befand. Insofern dürfte aufgrund der Tatsache, dass der Beschuldigte sein Unternehmen als Einzelkaufmann führt, auch nur Art. 2 Nr. 18 lit. c) der Verordnung als Tatbestandsvariante in Betracht kommen. Danach ist ein Unternehmen als in Schwierigkeiten befindlich anzusehen, das bereits Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sei oder das die nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger erfüllt.

Es gibt keine Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass über das Vermögen des Beschuldigten als Einzelkaufmann am 31.12.2019 ein Insolvenzverfahren eröffnet war.

Es liegen auch keine tragfähigen Anhaltspunkte vor, nach denen der Beschuldigte bereits am 31.12.2019 zahlungsunfähig war. Ermittlungen über die Liquiditätslage des Beschuldigten zum Stichtag 31.12.2019, die zur Widerlegung oder Bestätigung der Erklärung des Beschuldigten zu Ziff. 7.8. des Antragsformulars mit Blick auf Art. 2 Nr. 18 lit. c) der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung dienen könnten, sind bislang nicht unternommen worden. Dass es im Januar 2020 zu drei – im Ergebnis erfolgreichen – Pfändungen auf dem Geschäftskonto kam, ist kein Anhaltspunkt dafür, dass der Beschuldigte bereits einige Wochen zuvor zahlungsunfähig war. Es liegt vielmehr nahe, dass der Beschuldigte jedenfalls im Januar 2020 über liquide Mittel verfügte, und zeigt, dass er seine Zahlungen bis dahin noch nicht eingestellt hatte.

Dass die … im Rahmen ihrer angeblich auf das Geldwäschegesetz gestützten Anzeige vom 11.05.2020 (Bl. 4 d.A.) mitgeteilt hat, dass der Beschuldigte „schon seit geraumer Zeit mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen“ habe, gegen ihn „derzeit vier Pfändungen über insgesamt rd. TEUR 73,0“ aktiv seien und das Konto „aktuell“ gesperrt sei, gibt für die Frage, ob der Beschuldigte am 31.12.2019 zahlungsunfähig war, ebenfalls nichts her, weil sich von einer Liquiditätslage, die mehr als vier Monate nach dem Stichtag besteht, nicht ohne Weiteres Anhaltspunkte für die Liquiditätslage am Stichtag ableiten lassen, solange nicht erkennbar ist, seit wann die nun offenen Forderungen bereits fällig sind.

Auch die bei den Akten befindlichen Kontounterlagen ergeben stichtagsbezogen für den 31.12.2019 keine tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit des Beschuldigten. Ungeachtet dessen, dass Kontounterlagen, solange ein Unternehmen seine Zahlungen nicht bereits eingestellt hat, regelmäßig zur stichtagsbezogenen Bestimmung des Liquiditätsstatus eines Unternehmens ohne sonstige Erkenntnisse über den Kassenbestand des Unternehmens nur erste Hinweise liefern können, liegen bezüglich des Geschäftskontos des Beschuldigten für das maßgebliche vierte Quartal 2019 auch keine Kontounterlagen vor.

Die durch die Staatsanwaltschaft von der … Rostock eingeholte Auflistung zu Pfändungsmaßnahmen in das Geschäftskonto des Beschuldigten (Bl. 4f. SH Bankauskunft) deutet zwar bezogen auf den 31.12.2019 darauf hin, dass der Beschuldigte mit seinen Zahlungen zum Stichtag 31.12.2019 ins Stocken geraten war. Da die beiden zum 31.12.2019 offenen Pfändungen aus dem November 2019 über insgesamt ca. 19.500,00 € (Pfändung des … Rostock vom 07.11.2019 – Bl. 4 letzte Zeile SH Bankauskunft und Pfändung der … Nordost vom 08.11.2019 – Bl. 5 erste Zeile SH Bankauskunft) allerdings noch im Januar 2020 bedient wurden, lässt sich daraus kein Anhaltspunkt herleiten, dass bereits zum Jahreswechsel Zahlungsunfähigkeit eingetreten war. Zudem zeigt jene Auflistung, dass jene vier zum Zeitpunkt der Anzeige der … am 11.05.2020 aktiven Pfändungen in das Geschäftskonto des Beschuldigten erst nach dem Jahreswechsel 2019/2020 ausgebracht wurden.

Schließlich gibt auch die durch § 31a Abs. 1 Nr. 1b) bb) AO legitimierte Auskunft des Finanzamts Schwerin vom 13.05.2020 (Bl. 25 d. A.) keine weitergehenden tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkte zum Liquiditätsstatus des Beschuldigten am 31.12.2019 her. Dort ist zwar von Steuerrückständen des Beschuldigten und seiner mit ihm zur Einkommensteuer veranlagten Ehefrau in Höhe von 76.000,00 € die Rede. Ob diese zum 31.12.2019 bereits bestanden und ob diese zum 31.12.2019 fällig gestellt oder ob diese damals gestundet waren, lässt sich der mehr als vier Monate nach dem Stichtag erteilten Auskunft jedoch nicht entnehmen.

Das Fehlen einer auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützten Verdachtslage wegen des Vorwurfs einer rechtswidrigen Tat zwingt zur Aufhebung des Vermögensarrests. Darauf, dass der angefochtenen Entscheidung weder zu entnehmen ist, ob sich das Amtsgericht seines Anordnungsermessens gemäß § 111e Abs. 1 S. 1 StPO bewusst war noch wie es dieses Ermessen ausgeübt hat, kam es daher für die Entscheidung nicht an.

Nur ergänzend weist die Kammer für den Fall, dass die Ermittlungen gegen den Beschuldigten fortgesetzt werden darauf hin, dass zu prüfen sein dürfte, ob vorrangig eine Strafbarkeit des Beschuldigten wegen Subventionsbetruges nach § 264 StGB in Betracht kommt. Der Strafbestand des Subventionsbetruges ginge dem Betrugstatbestand gemäß § 263 Abs. 1 StGB als spezielleres Gesetz vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Auch das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde ist im Umkehrschluss aus § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht statthaft, weil die Entscheidung keinen Vermögensarrest über einen Betrag von mehr als 20.000 Euro betrifft. Andererseits schließt diese Entscheidung nicht aus, dass auf Grundlage neuer Erkenntnisse gegen den Beschuldigten in dieser Sache erneut ein Vermögensarrest angeordnet wird.

Mehr Urteile zur Corona Pandemie auf: www.ra-kotz.de/corona-krise

 

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