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Betäubungsmittelabhängigkeit – verminderte Schuldfähigkeit

LG Aurich – Az.: 13 KLs 510 Js 11923/19 (15/20) – Urteil vom 12.02.2021

1. Die Angeklagte L. Z. ist schuldig

– des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 9 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln,

– des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 9 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln,

Sie wird zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

2. Der Angeklagte J.-U. S. ist schuldig der Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln.

Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

3. Hinsichtlich der Angeklagten Z. wird der Wert des Erlangten in Höhe von 18.580 € eingezogen.

4. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften:

Für die Angeklagte Z.: §§ 1, 105 JGG, §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, §§ 52, 53, 73, 73c, 73d StGB

Für den Angeklagten S.: §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, §§ 27, 52 StGB

Gründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO hinsichtlich des Angeklagten S.)

I. Zu den Personen

1. Angeklagte L. Z.

Die Angeklagte L. Z. ist 2000 in H. geboren. Sie ist ledig und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie hat keine Kinder und ist nunmehr wieder mit dem Angeklagten S. liiert. Sie lebten während der hiesigen Taten zusammen in einer gemeinsamen Wohnung, wobei die Angeklagte dort im Mai 2020 auszog. Während des Verfahrens zog nunmehr auch der Angeklagte S. wieder bei der Angeklagten ein. Die Angeklagte ist in K.-G., einem Ortsteil von H. aufgewachsen. Dort betreibt der Vater der Angeklagten ein Kieswerk und ihre Mutter einen Second-Hand-Laden. Sie hat eine jüngere Schwester. Bei der Angeklagten ist im Kindesalter ADHS diagnostiziert worden. Dies wurde zunächst mit Ritalin behandelt. Mit ca. 14. Jahren begann die Angeklagte, sich selbst mit Marihuana anstelle von Ritalin zu therapieren, was nach ihrem subjektiven Empfinden zu einer Besserung führte. Auch ihre schulischen Leistungen stabilisierten sich mit der Selbstmedikation. Sie konsumierte in dieser Zeit ca. 1g Marihuana innerhalb von 2 bis 3 Tagen. Sie besuchte die Hauptschule E., ohne eine Klasse wiederholen zu müssen, und schloss diese nach der 10. Klasse mit dem Hauptschulabschluss im Jahre 2017 ab. Im Anschluss zog sie am 01.07.2017 aufgrund des angespannten Verhältnisses zu ihrer Mutter nach N. in die Wohnung ihres Großvaters im M. in N.. Ab diesem Umzug konsumierte die Angeklagte ca. 1g Marihuana am Tag. Zum 15.07.2017 begann die Angeklagte ihre Ausbildung als Köchin im Restaurant „R. M.“ in N.. Wegen eines Konflikts mit einem der Zuköche wechselte die Angeklagte im September 2019 den Ausbildungsbetrieb. Wegen des Wechsels verlängerte sich ihre Ausbildungszeit um ein Jahr. Die Angeklagte setzt diese nunmehr im Restaurant „C. D.“ in G. fort. Dort erhält sie aktuell eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 700,00 € netto. Da die Angeklagte aufgrund einer verwaltungsrechtlichen Anordnung ihren Führerschein verloren hatte, zog sie aus der Wohnung im M. in N. zum 01.05.2020 in ihre jetzige Wohnung.

Bei der Angeklagten ist ein chronischer Fehlgebrauch von Cannabis in nicht süchtiger Ausprägung (ICD-10 F 12.1) und ein dringender Verdacht auf einfache Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ICD-10 F 90.0) diagnostiziert worden.

Strafrechtlich ist die Angeklagte bislang einmal auffällig geworden. Die Staatsanwaltschaft Aurich stellte am 07.12.2018 ein Verfahren wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 45 Abs. 1 JGG ein.

2. Angeklagter S.

Betäubungsmittelabhängigkeit – verminderte Schuldfähigkeit
(Symbolfoto: Marjan Apostolovic/Shutterstock.com)

Der Angeklagte ist 1995 in N. geboren. Er ist ledig und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hat keine Kinder und, wie oben genannt, ist nunmehr wieder mit der Angeklagten Z. liiert und während des Verfahrens auch wieder bei ihr eingezogen. Der Angeklagte machte nach seinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Straßenbauer und schloss daran noch einen Lehrgang zum Vorarbeiter an. In diesem Beruf arbeitet der Angeklagte S. aktuell bei der Fa. L. und verdient dort 1.500,00 € netto im Monat.

Der Angeklagte konsumierte im Alter von 16 Jahren gelegentlich an den Wochenenden Marihuana, wobei er dies zeitnah wieder einstellte und dann vier Jahre lang kein Marihuana konsumierte. In dieser Zeit kam es auch zu intensiverem Konsum von Alkohol, wobei der Angeklagte wegen einer Trunkenheitsfahrt seinen Führerschein verlor und nunmehr seit drei Jahren keinen Alkohol mehr konsumiert. Erst während der Beziehung mit der Angeklagten Z. begann auch der Angeklagte S., ab April 2018 wieder gelegentlich Marihuana zu konsumieren, wobei er eigentlich gegen den Konsum von Marihuana war. Dies beschränkte sich auf einen Joint alle zwei bis drei Wochen. Bei dem Angeklagten ist die Diagnose des Missbrauchs suchterzeugender Substanzen in Form von Alkohol und Cannabis (ICD-10 F 19.1) gestellt worden.

Strafrechtlich ist der Angeklagte einmal in Erscheinung getreten. Am 06.12.2017 verurteilte das Amtsgerichts Aurich den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtgeldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 30,00 €. Dem Angeklagten wurde eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 05.12.2018 erteilt. Die letzte Tat war am 03.09.2017 und die Rechtskraft trat am 23.12.2017 ein.

II. Feststellungen zur Sache

Nach durchgeführter Beweisaufnahme hat die Kammer die folgenden Feststellungen getroffen:

Nachdem die Angeklagte Z. im Juli 2017 nach N. gezogen war, begann sie zunächst über ihren Cousin, den Zeugen A. P., an Marihuana zum Eigenkonsum zu kommen. Über ihren Cousin lernte sie im Laufe des Jahres 2017 den gesondert verfolgten L. S. kennen. Die Angeklagte erwarb ab Mitte 2018 Marihuana zum Eigenkonsum von dem gesondert verfolgten L. S., wobei sie jeweils ca. 10g pro Woche erwarb. Diese Erwerbstaten (Anklagepunkte 1. – 39.) stellte die Kammer im Hinblick auf die verbliebenen Vorwürfe gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.

Auf die Nachfrage nach einem besseren Preis teilte der gesondert verfolgte S. der Angeklagten mit, dass ein besserer Preis nur bei Abnahme einer größeren Menge in Betracht komme. Weiterhin wurde die Angeklagte aus ihrem Bekanntenkreis angesprochen, ob sie in der Lage sei, Marihuana zu liefern. Um ihren eigenen Konsum zu finanzieren und um ihre geringen Einkünfte aus ihrem Ausbildungsverhältnis aufzubessern, entschloss sich die Angeklagte Z. ab Anfang des Jahres 2019, auch Marihuana in größeren Mengen für den gewinnbringenden Weiterverkauf von dem gesondert verfolgten L. S. zu erwerben und dieses an Annehmer aus ihrem Umfeld weiter zu verkaufen. Das Marihuana kaufte die Angeklagte jeweils bei dem gesondert verfolgten L. S. an. Entweder brachte der gesondert verfolgte das Marihuana bei ihr vorbei oder die Angeklagte fuhr nach M., dem Wohnort des gesondert verfolgten L. S., und traf sich an der dortigen Feuerwehr zur Übergabe des Marihuanas und des Geldes.

Das Marihuana lagerte die Angeklagte jeweils in der gemeinsamen Wohnung der beiden Angeklagten im M., N. im dortigen Wohnzimmer. Im Wohnzimmer befindet sich, wenn man vom Flur das Wohnzimmer betritt, gleich rechts neben der Tür ein Fernsehschrank, auf dem der Fernseher steht. Der Schrank hat auf Kniehöhe eine unverschlossene Schublade. In der Schublade befanden sich während der gesamten Tatzeit ein Handbeil mit einer Länge von 29,5 cm mit Handgriff, einer Breite von 12,3 cm und einer Klingenbreite von 7,8 cm sowie zwei Messer, und zwar ein einseitig geschliffenes Combat Messer mit einer Gesamtlänge von 26 cm und einer Klingenlänge von 12,5 cm und ein beidseitig geschliffenes Wurfmesser im Holster mit einer Gesamtlänge von 19 cm und einer Klingenlänge von 9 cm. Gegenüber dem Fernseher befand sich das Sofa der Angeklagten. Direkt links neben dem Sofa befand sich eine braue unverschlossene Holzkiste, in der sich 3 ungeladene Pistolen, nämlich ein Colt 1911 Softair 6mm mit einer Geschossenergie von 1 J mit einem „F“ im Fünfeck, eine Umarex Combat Zone Cop SK Softairpistole 6mm mit einer Geschossenergie von 2 J ohne das Kennzeichen „F“ im Fünfeck und eine Pistole Softair im Holster mit unbekannter Geschossenergie, sowie ein ungeladener Revolver Western Single Action PTB, befanden. Auf der Holzkiste hatte die Angeklagte zwei Plastikeimer abgestellt, in denen sie das Marihuana jeweils lagerte. Auch die Portionierung des Marihuanas erfolgte im Wohnzimmer auf dem Sofa an dem dortigen Wohnzimmertisch. Den Weiterverkauf des Marihuanas nahm die Angeklagte in der Wohnung vor, wenn es sich bei den Abnehmern um nähere Bekannte handelte. Soweit es sich bei den Abnehmern um entfernte Bekannte handelte, erfolgte der Verkauf im Treppenhaus oder vor der Haustür der Wohnung. Der Angeklagten war während des gesamten Tatzeitraums bewusst, dass sich die genannten Gegenstände in der Kiste bzw. der Schublade am Fernseher befanden und dass diese Gegenstände geeignet sind, als Droh- oder Verteidigungsmittel gegen Personen eingesetzt zu werden.

Im Einzelnen:

1. bis 9. (Anklagepunkte 40. bis 48.)

Zwischen dem 01.01.2019 und 03.03.2019 bestellte die Angeklagte Z. wöchentlich Marihuana bei dem gesondert verfolgten L. S., wobei sie in den ersten vier Wochen des Jahres, also bis zum 27.01.2019, in jeder Woche 20g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 12 % THC, mithin 2,4g THC, zu einem Grammpreis von 7,20 Euro bei dem gesondert Verfolgten L. S. erwarb. 10g der jeweiligen 20g Marihuana waren für den Eigenkonsum und die weiteren 10g Marihuana für den Verkauf an ihren Abnehmerkreis bestimmt.

Ab dem 28.01.2019 steigerte die Angeklagte ihren wöchentlichen Einkauf beim gesondert verfolgten L. S. um jeweils 10g Marihuana pro Woche. In der Woche vom 28.01.2019 bis 03.02.2019 kaufte sie 30g Marihuana, in der Woche vom 04.02.2019 bis zum 10.02.2019 40g Marihuana, in der Woche vom 11.02.2019 bis zum 17.02.2019 50g Marihuana, in der Woche vom 18.02.2019 bis zum 24.02.2019 60g Marihuana und in der Woche vom 25.02.2019 bis zum 03.03.2019 70g Marihuana. Das Marihuana hatte weiter jeweils ein Wirkstoffgehalt von mindestens 12 %. Von den angekauften Mengen hielt sie weiterhin 10g Marihuana für ihren Eigenkonsum zurück und den Rest veräußerte die Angeklagte an ihre Abnehmer.

10. bis 17. (Anklagepunkte 49. bis 56.)

Ab der Woche vom 04.03.2019 bis zum 10.03.2019 steigerte die Angeklagte den Ankauf des Marihuanas wiederum um 10 g, so dass sie in dieser Woche insgesamt 80g Marihuana von dem gesondert verfolgten L. S. ankaufte, wobei weiter 10g für ihren Eigenkonsum bestimmt waren und sie 70g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 12 %, mithin einer THC-Menge von 8,4 g, für den Weiterverkauf bestimmt hatte. Zumindest die Lagerung und auch die Portionierung sowie in Teilen auch der Verkauf erfolgte, wie oben beschrieben, aus ihrer Wohnung heraus, wobei sich die Angeklagte bewusst war, dass die oben genannten Messer, Pistolen und das Handbeil sich weiter im Wohnzimmer befanden und sie diese zur Verletzung von Personen bestimmt hatte.

Auch in der Folgewoche vom 11.03.2019 bis zum 17.03.2019 steigerte die Angeklagte die Ankaufmenge erneut um 10 g, so dass sie neben den 10g für den Eigenkonsum nunmehr 80g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 12 %, mithin 9,6g THC zur Veräußerung ankaufte und dies anschließend, wie zuvor beschrieben, an ihre Abnehmer veräußerte. Eine erneute Steigerung auf dann insgesamt 100g Marihuana Ankaufmenge erfolgte in der Woche vom 18.03.2019 bis zum 24.03.2019. Auch von diesen 100g Marihuana waren 10g für den Eigenkonsum bestimmt. 90g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 12 %, mithin mit einer Wirkstoffmenge von 10,8g THC veräußerte die Angeklagte auf die zuvor benannten Weise. Nach dieser kontinuierlichen Steigerung auf 100g Marihuana Liefermenge pro Woche verblieb es auch in den folgenden Wochen vom 25.03.2019 bis zum 31.03.2019, vom 01.04.2019 bis zum 07.04.2019, vom 08.04.2019 bis zum 14.04.2019, vom 15.04.2019 bis zum 21.04.2019 und vom 22.04.2019 bis zum 28.04.2019, wobei die Angeklagte bis zum 28.04.2019 jeweils in der Lage war, bei der Lieferung des Marihuanas die entsprechende Menge bei dem gesondert verfolgten L. S. auch zu bezahlen, ohne dass sie bei dem gesondert verfolgten L. S. Schulden hatte bzw. Mengen auf Kommission nehmen musste.

18. (Anklagepunkte 57. bis 66.)

Dies änderte sich ab der Woche vom 29.04.2019 bis zum 05.05.2019. Auch in dieser Woche erhielt die Angeklagte von dem gesondert verfolgten L. S. eine Lieferung von 100g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 12%, wobei weiter 10g Marihuana für den Eigenkonsum bestimmt waren und die zum Verkauf bestimmte Menge Marihuana mindestens 10,8g THC enthielten. Die Angeklagte konnte jedoch nicht den kompletten Ankaufpreis von 720,00 € aufbringen. Der gesondert verfolgte L. S. überließ ihr dennoch die vollständige Menge. Soweit ein Teil der Bezahlung, deren genaue Höhe die Kammer nicht feststellen konnte, offenblieb, ließ der gesondert verfolgte L. S. der Angeklagten nach, diese Menge bei der nächsten Lieferung auszugleichen. Auch in den folgenden Wochen vom 06.05.2019 bis zum 12.05.2019, vom 13.05.2019 bis zum 19.05.2019, vom 20.05.2019 bis zum 26.05.2019, vom 27.05.2019 bis zum 02.06.2019, vom 03.06.2019 bis zum 09.06.2019 und vom 10.06.2016 bis zum 16.06.2019 lieferte der gesondert verfolgte jeweils 100g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 12 % an die Angeklagte, wobei weiter 10g Marihuana für den Eigenkonsum bestimmt waren. Die Angeklagte war in dieser Zeit jedoch jeweils nicht mehr in der Lage die offenen Forderungen des gesondert verfolgten L. S. auszugleichen, sondern sie leistete bei Lieferung des Marihuanas jeweils nur Teilzahlungen auf die offenen Forderungen. Vielmehr steigerten sich ihre Schulden bei dem gesondert verfolgten L. S. auf einen Betrag von 3.340,00 € am 26.06.2019. In der Woche vom 17.06.2019 bis zum 23.06.2019 erfolgte eine leichte Steigerung der Liefermenge auf 109g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 12% THC, wobei auch hier 10g für den Eigenkonsum bestimmt waren. In der Woche vom 24.06.2019 bis zum 30.06.2019 erfolgte eine erhebliche Steigerung der Liefermenge auf 219g Marihuana mit eine Wirkstoffgehalt von mindestens 12 % THC, wobei weiter 10g für den Eigenkonsum bestimmt waren und die Angeklagte weiterhin nicht alle offenen Schulden bei dem gesondert verfolgte L. S. beglichen hatte.

Aus der letzten Lieferung von 225g Marihuana zwischen dem 01.07.2019 und dem 04.07.2019 verfügte die Angeklagte am 04.07.2019 in ihrer Wohnung über den Handelsbestand von noch 215,78g (netto) Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 13,4 %, mithin 28,91 Gramm THC, wobei 10g erneut für den Eigenkonsum bestimmt waren. Die oben genannten Messer, Pistolen und das Handbeil lagen weiterhin an den oben genannten Stellen, wobei der Angeklagten weiterhin bewusst war, dass diese Gegenstände dort gelegen hatten. Die Angeklagte hatte diese Gegenstände auch zur Verletzung von Personen bestimmt, um ihren Betäubungsmittelhandel abzusichern.

Die jeweiligen Mengen Marihuana verkaufte die Angeklagte Z. an ihren Abnehmerkreis zu einem Verkaufspreis von jeweils 10,00 € pro Gramm ab. Lediglich an den Zeugen R. verkaufte sie 50g Marihuana zu einem Grammpreis von 8,00 € pro Gramm. Zu den Abnehmern, die die Angeklagte bereits in ihrer polizeilichen Vernehmung am 04.07.2019 namentlich benannte, gehörten unter anderem der Zeuge A. P., an den die Angeklagte in einem Fall 5g Marihuana und eine weitere Gesamtmenge von weiteren mindestens 20g veräußerte; Y. Y., an die die Angeklagte in mindestens 10 Fällen jeweils mindestens 10g Marihuana veräußerte; B. M., an den die Angeklagte mindestens 1 Gramm veräußerte, und S. M., an den die Angeklagte in einem Fall 10g veräußerte. Die weiteren Abnehmer blieben unbekannt. Insgesamt veräußerte die Angeklagte 1.868g Marihuana. 50g davon für 400 € an den Zeugen R. und 1.818g für jeweils 10 € pro Gramm an ihre übrigen Abnehmer. Insgesamt veräußerte die Angeklagte Marihuana im Wert von 18.580,00 €.

Der Angeklagte S. hatte Kenntnis davon, dass die Angeklagte Z. in der gemeinsamen Wohnung die Betäubungsmittel lagerte und sie aus der Wohnung auch Betäubungsmittel veräußerte. Da der Großteil der Waffen und Messer in der gemeinsamen Wohnung dem Angeklagten S. gehörte, wusste der Angeklagte auch um diese Gegenstände in der gemeinsamen Wohnung und war sich bewusst, dass die Angeklagte diese auch zur Verletzung von Personen bestimmt hatte, um ihren Betäubungsmittelhandel abzusichern. Weiter wusste der Angeklagte, dass der gesondert verfolgte L. S. der Marihuanalieferant der Angeklagten war. In Kenntnis dieser Umstände und in dem Bewusstsein, dass es sich um die Bezahlung eines Teils der offenen Forderungen aus der Lieferung von Marihuana handelte, übergab der Angeklagte in der Zeit zwischen Anfang Mai 2019 und Mitte Juni 2019 in zwei Fällen jeweils 600,00 € für die Angeklagte Z. an den gesondert verfolgten L. S.. Weiterhin übergab er am Nachmittag des 26.06.2019 einen Geldbetrag von 400,00 €, die er aus zwei Verkäufen von Marihuana für die Angeklagte Z. an zwei Personen erlangt hat, ebenfalls an den gesondert verfolgten L. S.. Dabei hatte er an eine Person Marihuana im Wert von 350,00 € und an eine weitere Person Marihuana im Wert von 50,00 € veräußert. Er wusste, dass er mit diesen Handlungen den Betäubungsmittelhandel der Angeklagten förderte.

II. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den Personen der Angeklagten beruhen auf den Angaben der beiden Angeklagten innerhalb der Hauptverhandlung, denen die Kammer umfassend folgte, zumal diese Angaben auch durch den Sachverständigen Dr. H. und hinsichtlich der Angeklagten Z. durch den Bericht der Jugendgerichtshilfe bestätigt wurden.

Auch die Feststellungen zur Sache beruhen maßgeblich auf den Angaben der beiden Angeklagten, die die oben festgestellten Taten letztlich umfassend eingeräumt haben. Diese geständigen Angaben der Angeklagten hat die Kammer anhand der verlesenen Chatprotokolle zwischen den beiden Angeklagten und zwischen der Angeklagten Z. und dem gesondert verfolgten L. S. sowie durch die Vernehmung der Abnehmer der Angeklagten Z. verifiziert. Die Angaben der beiden Angeklagten haben sich in der weiteren Beweisaufnahme bestätigt.

Die Feststellungen zum Wirkstoff des Marihuanas beruhen auf dem verlesenen Wirkstoffgutachten und dem Umstand, dass dies durch den gesondert verfolgten L. S. geliefert wurde, der Ankaufs- und Verkaufspreis konstant blieb und es keine Beschwerden zur Qualität seitens der Abnehmer gab. Weiter hat die Kammer die Feststellungen der Waffen und ihrer Bestimmung zur Verletzung von Personen aus der Art der Lagerung geschlossen.

Die Angeklagte Z. hat sich hinsichtlich des Tatgeschehens zuletzt umfassend geständig eingelassen, nachdem sie zunächst den Umfang der angekauften Mengen reduziert dargestellt hatte.

Im Einzelnen hat die Angeklagte Z. sich dahingehend eingelassen, dass sie nach N. gezogen sei, da sie sich mit ihrer Mutter nicht verstanden habe. Sie habe über ihren Cousin A. P. Marihuana von dem gesondert verfolgten L. S. bezogen und schließlich auch direkt bei L. S. Marihuana gekauft. Als sie nach einem geringeren Preis gefragt habe, habe L. S. ihr mitgeteilt, dass dies nur bei der Abnahme einer größeren Menge in Betracht komme. Weiter sei die Angeklagte aus ihrem Umfeld angesprochen worden, ob sie Marihuana liefern könne. Die Angeklagte hat sich hinsichtlich der erhöhten Einkaufmenge zunächst dahingehend eingelassen, dass dies stets zwischen 50g und 80g gewesen seien. Auf Vorhalt der Kammer, dass sie sowohl im Rahmen der polizeilichen Vernehmung am 04.07.2019 als auch im Rahmen der Exploration beim Sachverständigen Dr. H. am 13.01.2021, also keine 2 Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung, jeweils angegeben habe, dass sie bei dem L. S. regelmäßig 100g gekauft habe, erwiderte die Angeklagte zunächst, dass dies sowohl bei der Polizei als auch beim Sachverständigen, der bei der Einlassung der Angeklagten mit im Saal saß, falsch aufgenommen worden sei und sie dies nie so gesagt habe. Im Folgetermin gab die Angeklagte über ihren Verteidiger, dessen Erklärung sich die Angeklagte anschließend zu eigen machte, an, dass sich die Ankäufe ab Januar 2019 wöchentlich gesteigert hätten. Ab Mitte März 2019 seien es 100g pro Woche gewesen. Bis dahin hätten sich die Liefermengen gesteigert. Weiter habe sie bis Anfang Mai 2019 alle Lieferungen des gesondert verfolgten S. bezahlen können, erst ab Anfang Mai 2019 seien Schulden aufgelaufen, wobei sie die genaue Höhe nicht sicher sagen könne. Es sei zutreffend, dass am Ende auch größere Lieferungen erfolgt seien. Die sichergestellte Tüte mit der Aufschrift „225“ sei von L. S. gewesen und es seien auch tatsächlich 225g Marihuana geliefert worden.

Der Angeklagte S. hat seine Beteiligung im oben genannten Umfang eingeräumt, einen eigenen Handel mit Betäubungsmitteln hat der Angeklagte jedoch bestritten.

Im Einzelnen hat sich der Angeklagte S. dahingehen eingelassen, dass er die Angeklagte Z. auf einer Feier kennengelernt habe und zu der Zeit schon ein Kontakt zwischen ihr und dem gesondert verfolgten L. S. als Marihuanalieferant bestanden habe. Sie seien im April 2018 zusammengezogen und er könne bestätigen, dass ab Januar 2019 eine Steigerung der Ankaufsmenge erfolgt sei. Auch sei es zutreffend, dass er dem L. S. in zwei Fällen 600,00 € für die Angeklagte übergeben habe, zeitlich könne er es jedoch nicht einordnen. Auch die Übergabe der 400,00 € am 26.06.2019 für die Angeklagte an L. S. sei erfolgt, vorherige Verkäufe erinnere er nicht. Er selbst habe zwar gelegentlich einen Joint mit der Angeklagten geraucht. Er habe den Marihuanakonsum und auch den Verkauf jedoch dem Grunde nach abgelehnt, habe es aber der Angeklagten zuliebe mitgetragen.

Die Einlassungen der beiden Angeklagten waren glaubhaft. Die Angeklagten Z. hat sowohl ihre Ankäufe als auch die Art der Lagerung und Portionierung sowie die Art Verkäufe schlüssig und nachvollziehbar geschildert. Sie hat sich damit in einem Umfang selbst belastet, der mit sonstigen Beweismitteln nicht hätte festgestellt werden können. Weiterhin hat sie die Art der Beteiligung des Angeklagten S. nachvollziehbar und schlüssig beschrieben. Dies bestätigte auch der Angeklagte S., so dass die Einlassungen schlüssig und widerspruchsfrei zueinander passten.

Die Einlassungen der beiden Angeklagten werden durch die Aussagen der Abnehmer der Angeklagten Z. bestätigt. Es ist glaubhaft, dass die Angeklagte Z. ihre Ankäufe Anfang 2019 stetig von Woche zu Woche steigerte. Die Kammer verkennt nicht, dass die Angeklagte sowohl im Rahmen der polizeilichen Vernehmung am 04.07.2019 als auch im Rahmen der Exploration durch den Sachverständigen diese Differenzierung nicht vorgenommen hat, sondern nach den Angaben des Sachverständigen Dr. H. und auch der Zeugin PK F. sich dahingehend eingelassen habe, dass sie ab Anfang 2019 100g Marihuana pro Woche erworben habe. Vorliegend hielt die Kammer die Angaben der Angeklagten zu der Entwicklung der Steigerung der Ankaufmenge für glaubhaft. Es erscheint lebensnah, dass die Angeklagte die Verkaufsmenge langsam steigern musste, da sie zu dieser Zeit noch alle Lieferungen vollständig bezahlte. Die Angeklagte war zu der Zeit jedoch in der Ausbildung und es erscheint plausibel, dass die Angeklagte Anfang 2019 nicht gleich einen Betrag von 720,00 € für 100g Marihuana aufbringen wollte. Hinzu kommt, dass sie auch nachvollziehbar angab, dass sich der Abnehmerkreis nach und nach erweitert habe, was ebenso schlüssig erscheint und für eine langsamere Steigerung der Ankaufmenge spricht.

Dass die Angeklagte sich vorliegend mit der Angabe, dass sie doch jeweils 100g pro Woche von dem gesondert verfolgten L. S. bezogen habe, falsch belastete, war auszuschließen. Es sprach insoweit nichts dafür, dass ihre erste Einlassung in der Hauptverhandlung, in welcher sie angab, von dem gesondert verfolgten L. S. wöchentlich 50g bis 80g Marihuana erworben zu haben, zutreffend sein könnte. Die erste Einlassung der Angeklagten hinsichtlich der Ankaufmenge zwischen 50g und 80g Marihuana war nämlich unglaubhaft. Denn die Angeklagte konnte nicht plausibel erklären, warum sie bei der Polizei und gegenüber dem Sachverständigen abweichende Angaben gemacht hatte, sondern stellte ihre früheren Angaben, wonach sie wöchentlich 100g Marihuana von L. S. erworben habe, schlicht in Abrede und behauptete, dass sie dies nie gesagt habe. Dies mag bezüglich der Angabe vom 04.07.2019 gegebenenfalls noch eine im Ansatz nachvollziehbare Erklärung sein, da die Aussage schon länger zurücklag und die Angeklagte wegen der polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme und der anschließenden Vernehmung überrascht gewesen sein könnte. Da die Angeklagte diese Mengen, die sie bei der polizeilichen Vernehmung angegeben hatte, jedoch keine 2 Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung auch im Rahmen der Exploration des Sachverständigen bestätigte, ist das pauschale Bestreiten der vormaligen Angabe von einem Erwerb von wöchentlich 100g nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass sich auch aus den Chats zwischen der Angeklagten und dem gesondert verfolgten L. S. ergibt, dass die Angeklagte von dem gesondert verfolgten L. S. mehr als 50 – 80 g pro Woche bezog, so hat sie beispielsweise am 18.06.2019 109g Marihuana und für die Folgewoche 219g Marihuana geliefert bekommen. Weiter sind bei der Angeklagten am 04.07.2019 ausweislich des verlesenen Sicherstellungsprotokolls auch 215,78g Marihuana sichergestellt worden, wobei zusätzlich noch ein Zipbeutel mit der Aufschrift „225“ aufgefunden worden ist, was ebenfalls für eine größere Lieferung spricht.

Dieses Gesamtbild zu den objektiven Abläufen und zur Beteiligung des Angeklagten S. bestätigen auch die vernommenen Abnehmer der Angeklagten Z. und auch durch die verlesenen Chats stützen dieses Geschehen. Die Zeugen P., R., M., Y. und M. gaben alle an, dass sie jeweils bei der Angeklagten ihr Marihuana gekauft hätten und mit dem Angeklagten S. keinen Kontakt gehabt hätten. Sie hätten diesen auch nicht gekannt. Weiter hätten alle Zeugen bis auf den Zeugen R. bei der Angeklagten einen Grammpreis von 10,00 € pro Gramm bezahlt. Lediglich der Zeuge R. bekundete auf Vorhalt, dass er für seine 50g Marihuana, die er gekauft habe, lediglich 8,00 € pro Gramm gezahlt habe.

Die Aussagen dieser Zeugen, deren Verfahren überwiegend abgeschlossen waren und die sich daher nicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen konnten, waren glaubhaft. Insbesondere die Reaktion auf die Beteiligung des Angeklagten S. war authentisch, da einige der Zeugen ihn nicht einmal identifizieren konnten. Insoweit haben sich aus der weiteren Beweisaufnahme keine Anzeichen für eine stärkere Beteiligung des Angeklagten S. ergeben, als von den Angeklagten angegeben, was die Glaubhaftigkeit der Einlassungen beider Angeklagten bestätigt. Auch die Art der Ankäufe bestätigten die Zeugen, da beispielsweise der Zeuge M. bekundete, dass er ein Bekannter der beiden Angeklagten sei, dort zum Konsumieren hingegangen sei und sich erinnern könne, dass er einmal für eine Knospe gezahlt habe. Der Zeuge M., der ein Arbeitskollege der Angeklagten und damit ein entfernterer Bekannter war, bekundete hingegen, dass er nie in der Wohnung gewesen sei, die Geschäfte vielmehr im Treppenhaus oder vor der Tür stattgefunden hätten. Auch diese Schilderungen sind glaubhaft, da es nachvollziehbar erscheint, dass die Angeklagte ihre Bekannten in ihre Wohnung hineinlässt, wohingegen sie versucht, nicht so nahestehende Personen von der Wohnung fernzuhalten. Auch gaben alle Zeugen bis auf der Zeuge R. an, dass sie jeweils 10,00 € pro Gramm Marihuana hätten zahlen müssen. Allein der Zeuge R. bekundete auf Vorhalt, dass er seine 50g für einen Grammpreis von 8,00 € erhalten habe. Diese Verkaufspreise sind glaubhaft und in sich schlüssig, da es sich bei einem Verkaufspreis von 10,00 € pro Gramm um den der Kammer aus vielen Strafverfahren bekannten üblichen Straßenverkaufspreis handelt. Weiter ist die Abgabe an den Zeugen R. für 8,00 € pro Gramm bei einer Abnahmemenge von 50g schlüssig, da diese verkaufte Menge für die Angeklagte eine erhebliche Menge darstellte und der Zeuge R. beim Weiterverkauf auch eine Gewinnspanne haben sollte. Einen geringeren Preis konnte die Angeklagte jedoch auch nicht anbieten, da sie selbst zu einem Grammpreis von 7,20 € pro Gramm Marihuana ankaufte, was bei der Abnahme von letztlich 100g Marihuana ebenfalls als üblicher Preis anzusehen ist.

Die Tatbeiträge des Angeklagten S. vom 26.06.2019 ergeben sich auch unmittelbar aus dem verlesenen Chat zwischen den beiden Angeklagten, da der Angeklagte S. dort die Übergabe der 400,00 € an den gesondert verfolgten L. S. und den vorherigen Verkauf des Marihuanas für die Angeklagte Z. bestätigte. Auch ist durch den Chat belegt, dass es sich um das Geld der Angeklagten Z. handelte, da sich der Angeklagte S. die Weggabe des Geldes von der Angeklagten Z. genehmigen ließ.

Die Feststellungen zur Wirkstoffmenge beruhen im Ausgangspunkt auf den sichergestellten und untersuchten 215,78g Marihuana, welche bei der Angeklagten am 04.07.2019 beschlagnahmt worden waren. Dieses Marihuana hatte ausweislich des verlesenen Wirkstoffgutachtens des Landeskriminalamts Niedersachsen vom 02.03.2020 einen Wirkstoffgehalt von 13,4 %, was einer Wirkstoffmenge von 28,91g THC entspricht.

Die Feststellungen zu den Wirkstoffgehalten des übrigen Marihuanas aus den vorherigen wöchentlichen Lieferungen beruhen auf der zusammenfassenden Würdigung der Einlassung der Angeklagten, den verlesenen Chats zwischen der Angeklagten und dem gesondert verfolgten L. S. sowie den Aussagen der Zeugen P., R., M., Y. und M. insbesondere zu Herkunft, Preis, Verpackung und Qualität des Marihuanas.

Die Herkunft des Marihuanas ist durch die Einlassung der Angeklagten Z. und die verlesenen Chatprotokolle belegt. Danach hat die Angeklagte während des gesamten Tatzeitraums ihr Marihuana von dem gesondert verfolgten L. S. bezogen. Aus den Chats war auch ersichtlich, dass der gesondert verfolgte L. S. eine konstante Bezugsquelle hatte, da der gesondert Verfolgte mehrfach darauf hinweist, dass er Geld von der Angeklagten benötige, da „die“ sonst zu ihm kommen würden. Hieraus war auf eine konstante Bezugsquelle der Angeklagten zu schließen, da „die“ die Lieferanten des gesondert verfolgten L. S. waren. Da sich aus dem Chat ergab, dass er bei diesen Lieferanten Schulden hatte, konnte der Schluss gezogen werden, dass auch der gesondert verfolgte L. S. bei seinen Lieferanten auf „Kommission“ gekauft hatte und damit auch konstant von ihnen sein Marihuana bezog.

Auch blieben die Verkaufspreise zwischen der Angeklagten und dem gesondert verfolgten L. S. durchgängig konstant, da die Angeklagte spätestens ab der Steigerung der wöchentlichen Liefermenge auf 100g 7,20 € pro Gramm Marihuana zahlte. Zwar versuchte die Angeklagte bei den Lieferungen Ende Juni 2019 bzw. Anfang Juli 2019 einen Preis von 6,80 € pro Gramm mit dem gesondert verfolgten L. S. auszuhandeln, doch hing dies nicht mit einem Abfall der Qualität zusammen. Der Grund war, dass die Angeklagte nunmehr Mengen von über 200g abnahm. Auch die Verkaufspreise an die Abnehmer der Angeklagten blieben konstant. Wie bereits ausgeführt, bekundeten alle Abnehmer bis auf den Zeugen R., dass sie an die Angeklagte einen Preis von 10,00 € pro Gramm Marihuana zahlen mussten. Der Grammpreis des Zeugen R. von 8,00 € pro Gramm Marihuana bei der Abnahme von 50g spricht ebenfalls nicht für einen Abfall der Qualität, sondern ist mit der größeren Abnahmemenge erklärbar.

Feststellungen zu den Verpackungen des Marihuanas aus den vorherigen Lieferungen waren nicht möglich. Die Angeklagte hat sich hierzu nicht eingelassen und eine Sicherstellung der Verpackung konnte nur hinsichtlich der letzten Menge erfolgen. Jedoch haben sich auch keine Anzeichen dafür ergeben, dass das Marihuana aus anderen Quellen stammen könnte.

Schließlich haben sich aus den Aussagen der Abnehmer der Angeklagten keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Qualitätsunterschieden ergeben. Soweit die Angeklagte angegeben hat, dass sie bei einer der Lieferungen einen Qualitätsabfall bemerkt haben will, hat sich dies im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Schon der Angeklagte S. hat sich dahingehend eingelassen, dass er während der Zeit keinen Qualitätsunterschied bemerkt habe. Er habe zwar nur gelegentlich konsumiert, könne sich aber an keinen Abfall in der Qualität erinnern. Auch die Zeugen P. und R., also zwei regelmäßige Abnehmer der Angeklagten, konnten bekunden, dass sie keine Schwankungen in der Qualität des Marihuanas hätten feststellen können. Da die beiden Zeugen durchaus regelmäßig Marihuana konsumierten und diese keine Schwächen in der Qualität haben feststellen können, war es letztlich allein die Angeklagte, die einen Qualitätsabfall beschrieb. Dies war unglaubhaft und als Schutzbehauptung der Angeklagten zu werten. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Verkaufspreis gleich blieb und sie die Qualitätsmängel nicht offenlegte. Wenn die Angeklagte gemerkt hätte, dass die Qualität schlecht ist, hätte es nahegelegen, dass sie dieses Marihuana zu einem geringen Preis an ihre Abnehmer verkauft und dies mit der minderwertigen Qualität begründet. Dies haben die Abnehmer der Angeklagten aber gerade nicht berichtet.

Zusammenfassend steht damit fest, dass das Marihuana über den gesamten Tatzeitraum eine gleichbleibende Qualität aufwies, die der des sichergestellten Marihuanas entspricht. Die Angeklagte bezog das Marihuana konstant über den gesondert verfolgten L. S. zum gleichbleibenden Preis und veräußerte dies auch zu einem gleichbleibenden Preis. Beanstandungen seitens des Kundenstammes hat es nicht gegeben. Aus diesen Umständen zieht die Kammer den Schluss, dass das im Übrigen erworbene Marihuana eine nahezu gleiche Qualität hatte. Angesichts dessen, dass geringfügige Abweichungen jedoch nicht ausgeschlossen werden können, hat die Kammer ausgehend von dem bei dem sichergestellten Marihuana festgestellten Wirkstoffgehalt von 13,4 % THC hier einen Sicherheitsabschlag von 10 % vorgenommen. Somit ergibt sich für die vorherigen Lieferungen ein durch die Kammer geschätzter Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 12 % THC.

Anzahl, Art, und Lagerort der von der Angeklagten verwahrten Waffen ergeben sich aus der verlesenen Sicherstellungsniederschrift, den in Augenschein genommenen Lichtbildern und dem verlesenen Ermittlungsbericht vom 05.05.2019. Auch ist erwiesen, dass die Angeklagte die im Wohnzimmer gelagerten Messer und Pistolen zur Verletzung von Personen bestimmt hatte. Dies gilt zunächst für die zwei Messer und das Handbeil im Fernsehschrank, aber auch für die ungeladenen Softairwaffen in der Holzkiste unter den mit Marihuana gefüllten Plastikeimern. Der Fernsehschrank befindet sich direkt im Wohnzimmer neben der Tür zum Flur. Die Lagerung der Messer an diesem Ort erscheint für sich genommen schon ungewöhnlich, da an dieser Stelle nicht mit einem Kampf- bzw. Wurfmesser zu rechnen war. Allein der Lagerort im Fernsehschrank spricht schon dafür, dass die Messer und das Handbeil dort zu einem weiteren Zweck aufbewahrt worden sind. Die Kammer ist sich insoweit bewusst, dass es sich um keine gekorenen Waffen handelte, da die Klingen der Messer jeweils feststehend waren. Dennoch liegt insbesondere bei dem beidseitig geschliffenen Wurfmesser eine Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen nahe, da sich dieses Messer gerade auch zum Wurfeinsatz eignet. Maßgebend für die Bestimmung zur Verletzung von Personen spricht aber die Verwahrung in einer Schublade des Fernsehschranks. Dieser Fernsehschrank steht direkt neben der Tür vom Flur zum Wohnzimmer und die Gegenstände in der Schublade des Schranks sichern insoweit den Zugang zum Wohnzimmer ab. Sie erlauben auch aus dem vor dem Wohnzimmer befindlichen Flur einen schnellen Zugriff auf die Messer und das Handbeil. Da sie sich damit an der Tür zu dem Zimmer befanden, in dem die Angeklagte das Marihuana lagerte, zog die Kammer schon aus der Art der Lagerung den sicheren Schluss, dass die Angeklagte die zwei Messer und auch das Beil zur Verletzung von Personen bestimmt hatte. Dafür spricht insbesondere auch, dass es für die Verwahrung eines Handbeils in einer Schublade eines Fernsehschranks keine andere naheliegende Erklärung gibt.

Dies gilt auch für die ungeladenen Pistolen in der unverschlossenen Holzkiste, da die Angeklagte ihre Betäubungsmittel ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder und des verlesenen Sicherstellungsprotokolls auf dieser Kiste in einem Eimer lagerte und damit beim Zugriff auf die Betäubungsmittel auch unmittelbar Zugriff auf die ungeladenen Softairwaffen hatte. Auch wenn die Angeklagte diese Gegenstände mangels Munition nicht zeitnah schussbereit machen konnte, so waren diese zunächst als Drohwerkzeug, aber auch als Schlagwerkzeug geeignet, Personen zu verletzen. Auch für diesen Schluss spricht die unmittelbare Lagerung des Marihuanas auf der Kiste mit den ungeladenen Softairwaffen. Soweit die Angeklagten sich dahingehend eingelassen haben, Waffen zu sammeln und nicht im Zusammenhang mit den Betäubungsmitteln zu nutzen, ist dies angesichts der konkreten griffbereiten Lagerung unerheblich. Auch der Umstand, dass die Angeklagten sich „Waffensammler“ ansahen, spricht nicht gegen den Schluss, dass die Angeklagte diese Waffen zur Verletzung von Personen und zur Sicherung ihres Betäubungsmittelhandels bestimmt hatte.

Dies lässt für die Kammer den sicheren Schluss zu, dass die Angeklagte zunächst die Messer und das Beil als Waffe aber auch die ungeladenen Pistolen als Droh- bzw. Schlagwerkzeug für den Fall eines Konflikts bei der Abwicklung eines Betäubungsmittelgeschäfts zur Verletzung von Personen bestimmt hatte.

Zuletzt ging die Kammer zugunsten des Angeklagten S. davon aus, dass die zwei Geldübergaben von jeweils 600,00 € nach Mai 2019 erfolgt sind und sich damit als Gehilfenhandlung zur letzten Tat der Angeklagten Z. darstellen. Der Angeklagte selbst konnte eine zeitliche Einordnung der Geldübergaben nicht mehr vornehmen und weitere Beweismittel standen der Kammer nicht zur Verfügung, so dass die Kammer von einer Übergabe nach Mai 2019 ausgegangen ist, da dies für den Angeklagten der günstigere Zeitpunkt ist, da sich diese Handlungen, ebenso wie die weiteren Gehilfenhandlungen, auf die letzte Tat der Angeklagten Z. beziehen und mangels Einordnung beide Zeitpunkte möglich waren.

In der Gesamtschau haben sich die Einlassungen der beiden Angeklagten hinsichtlich der einzelnen Tathandlungen durch die Zeugenaussagen und die Chats bestätigt. Hinsichtlich der Bewaffnung ergeben sich die Feststellungen aus den Sicherstellungsprotokollen und den in Augenschein genommenen Lichtbildern, die auch den Schuss hinsichtlich der Bestimmung zur Verletzung von Personen zulassen. Zuletzt ergeben sich die Feststellungen zum Wirkstoff aus der Einlassung der Angeklagten, den Aussagen der Abnehmer und dem verlesenen Gutachten bezüglich der sichergestellten Marihuanamenge. Auch war es in der Gesamtschau glaubhaft, dass die Angeklagte jeweils 10g Marihuana pro Woche für den Eigenkonsum einsetzte.

III. Rechtliche Würdigung

Die Angeklagte Z. hat sich hinsichtlich der Taten zu den Ziffern II.1. bis II.9. des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 9 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG, §§ 52, 53 StGB, hinsichtlich der Taten zu den Ziffern II.10. bis II.18. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 9 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, §§ 52, 53 StGB schuldig gemacht, wobei sie jeweils gewerbsmäßig handelte und hinsichtlich der Taten 57. bis 66. der Anklage der Staatsanwaltschaft Aurich vom 12.08.2020 eine natürliche Handlungseinheit vorliegt.

Der Angeklagte S. hat sich hinsichtlich der Tat zu Ziffer II.18. der Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, §§ 27, 52 StGB schuldig gemacht.

Die Angeklagte handelte bezüglich sämtlicher Taten gewerbsmäßig. Gewerbsmäßig handelt ein Täter, wenn er die Absicht hat, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (vgl. BGHSt 1, 383; BGH NStZ 1998, 89; BGH NStZ-RR 2008, 212; BGH, Urteil vom 26.10.2015, 1 StR 317/15, BeckRS 2015, 19172). Diese Voraussetzung liegt hier vor, da die Angeklagte die Betäubungsmittel jeweils veräußerte, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihren fortgesetzten Konsum von Marihuana zur Selbstmedikation zu finanzieren.

Hinsichtlich der ursprünglichen Taten zu den Ziffern 57. bis 66. der Anklage der Staatsanwaltschaft Aurich vom 12.08.2020, hier Tat zu Ziffer II.18., hat die Kammer eine natürliche Handlungseinheit angenommen, so dass die Taten in Tateinheit zueinander stehen, denn die Bezahlung zuvor „auf Kommission“ erhaltener Rauschgiftmengen aus Anlass der Übernahme weiterer Rauschgiftmengen verbindet die Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit, wenn keine teilidentische Ausführungshandlung feststellbar ist (vgl. BGH GS, NJW 2018, 2905 Rn. 28, beck-online). Das bedeutet, dass in diesen Fällen die Tatbestände des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) bzw. hier das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in der jeweiligen Anzahl der Einzelgeschäfte tateinheitlich verwirklicht sind (vgl. BGH, NStZ-RR 2018, 351, beck-online). Da hinsichtlich der letzten Tat die jeweiligen Lieferungen des L. S. nicht vollständig gezahlt worden waren und diese an die Anschrift der Angeklagten geliefert worden sind, waren diese Taten in Tateinheit als natürliche Handlungseinheit zusammenzufassen.

Hinsichtlich des Angeklagten S. liegt nur eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor. Die Kammer verkannte dabei nicht, dass allein die Mitbewohnereigenschaft nicht ausreichend ist, um eine Beihilfe zu begründen. Hier lagen jedoch neben der reinen Mitbewohnereigenschaft bei umfassender Kenntnis des Angeklagten S. über die Tatumstände mit der Übergabe des Drogengeldes an den gesondert verfolgten L. S., sowie der teilweise Verkauf von Betäubungsmitteln für die Angeklagte Z. noch weitere Handlungen vor, die auf die Förderung des Handels mit Betäubungsmitteln der Angeklagten Z. gerichtet waren. Dabei leistete der Angeklagte S. auch Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, da er von dem tatbezogenen Merkmal der Waffen in der gemeinsamen Wohnung Kenntnis hatte und bei dieser Tat der Angeklagten Z. auch Hilfe leisten wollte.

IV. Strafen

1. Angeklagte Z.

Die Taten der Angeklagten Z. sind nach Jugendrecht zu ahnden. Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG lagen bei ihr vor, zumal die Angeklagte bei den nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Erwerbstaten noch jugendlich war und die Wurzel der Taten damit ihren Ursprung im jugendlichen Alter der Angeklagten hatte.

Die Angeklagte war zum Tatzeitpunkt Heranwachsende. Aufgrund ihres bisherigen Werdeganges und des von ihr in der Verhandlung gewonnenen Eindrucks besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der Angeklagten Z. um eine damals noch in der Entwicklung befindliche, prägbare Person gehandelt hat, bei der erhebliche Reife- und Entwicklungsrückstände bestanden und die nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand. Bei der Angeklagten Z. handelt es sich um eine Person, der es bislang nicht gelungen ist, ihre eigene Persönlichkeit zu finden und zu entwickeln. Insbesondere hat eine normale Abnabelung aus dem Elternhaus noch nicht stattgefunden, da sie aus dem häuslichen Umfeld eher geflohen ist. Jugendtümliche Züge wie Mangel an Besonnenheit und Hemmungsvermögen sowie Leben im Augenblick sind unübersehbar. Bei der Angeklagten Z. war insoweit prägend, dass die Angeklagte nach der Schule zu früh das Elternhaus verlassen hat. Dies geschah gerade nicht, weil die Angeklagte bereits selbstständig war und bereits mit 17 Jahren ihr eigenes Leben leben konnte. Grund war vielmehr die „Flucht“ der Angeklagten vor dem Konflikt mit der Mutter. Die Angeklagte konnte mit der neu gewonnenen Freiheit gerade nicht umgehen, sondern hätte noch weiterer erzieherischer Anbindung bedurft. Gerade das war an dem neuen Wohnort in N. nicht gewährleistet. Eine erzieherische Einflussnahme der Eltern der Angeklagten in N. war aufgrund der Entfernung nicht mehr möglich.

Zur erzieherischen Einwirkung auf die Angeklagte Z. ist die Verhängung einer Jugendstrafe geboten, da bei ihr schädliche Neigungen vorliegen. Bei den hier zur Aburteilung gelangten Taten handelt es sich nicht um bloße Gelegenheitstaten, sondern die Angeklagte hatte über einen Zeitraum von 6 Monaten ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Betäubungsmitteln aufgebessert. Die Angeklagte Z. handelte mit den Betäubungsmitteln, obwohl der Angeklagte S., der älter ist als die Angeklagte, eigentlich nicht damit einverstanden war und nur ihr zuliebe mitgemacht hat. Sie unterhielt die Kontakte zu den Abnehmern und bestimmte Zeit und Ort der Übergaben. Die Absprachen über An- und Verkauf über WhatsApp liefen über sie. Bei der Angeklagten sind auch jetzt noch erhebliche, durch ungünstige Umwelteinflüsse und durch unzulängliche Erziehung hervorgerufene, schon vor der Begehung der Taten entwickelte Persönlichkeitsmängel vorhanden, die auf die Taten Einfluss genommen haben und die ohne längere Gesamterziehung der Angeklagten für die Zukunft weitere Straftaten befürchten lassen. Auch hier war erneut einzubeziehen, dass die Angeklagte zu früh aus dem elterlichen Umfeld ausgezogen ist und die Erziehung der Angeklagten nicht zu Ende geführt worden ist. Hinzu kommt, dass bei der Angeklagte eine faktisch unbehandelte ADHS-Erkrankung vorliegt, die die Angeklagte selbst mit Marihuana behandelte. Hier musste auch berücksichtigt werden, dass die Angeklagte eine auf Betäubungsmittelentwöhnung gerichtete Therapiemaßnahme im Dezember 2020 zwar auf den Rat der Ärzte, aber dennoch unbehandelt, abgebrochen hat. Diese beiden Umstände sind als konstellative Faktoren bei der Angeklagte weiterhin vorhanden. Weder die durchaus positive Entwicklung im Hinblick auf den Wechsel der Ausbildung noch der Umstand, dass die Angeklagte wieder mit dem Angeklagten S. zusammengezogen ist, sind geeignet, die schädlichen Neigungen derzeit entfallen zu lassen. Die Kammer berücksichtigte durchaus, dass der Angeklagte S. gegen den Konsum von Marihuana war. Er war jedoch trotz des höheren Alters nicht in der Lage, die Angeklagte von dem Handel mit Betäubungsmitteln bzw. vom Konsum von Betäubungsmitteln abzuhalten. Faktisch befindet sich die Angeklagte in der gleichen Situation wie zu der Zeit der Begehung der Taten, da sie weiterhin unbehandelt an ADHS erkrankt ist und neben der Behandlung ihrer ADHS-Erkrankung flankierend und absichernd eine drogentherapeutische Maßnahme benötigt, damit die Angeklagte nicht erneut beginnt, ihre ADHS-Erkrankung selbst mit Marihuana zu therapieren.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 JGG war gegen die Angeklagte eine Jugendstrafe zu verhängen. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob die „Schwere der Schuld“ Jugendstrafe erfordert, ist das objektive Tatunrecht. Dabei kann die Bewertung des Tatunrechts, die in den gesetzlichen Strafdrohungen ihren Ausdruck findet, berücksichtigt werden (BGH NStZ 2009, 450, 451; KG StV 2013, 35, 36). Das objektive Tatunrecht muss, da bereits das Gesetz von „schwerer“ Schuld spricht, von einiger Erheblichkeit sein (vgl. BeckOK JGG/Brögeler, 14. Ed. 1.8.2019, JGG § 17 Rn. 16).

So liegt es hier. Die Angeklagte ist des bewaffneten Betäubungsmittelhandels in 9 Fällen schuldig, was im Erwachsenenrecht eine Mindeststrafandrohung von jeweils 5 Jahren hat. Zudem hat die Angeklagte in 9 Fällen gewerbsmäßig mit Betäubungsmitteln gehandelt. Die Kammer verkannte dabei nicht, dass die Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren erhebliche Angaben gemacht hat und auch dazu beigetragen hat, dass viele weitere Taten, die mit ihren Taten im Zusammenhang stehen, aufgeklärt werden konnten und damit die Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG vorliegen. Weiter ist nicht übersehen worden, dass hinsichtlich der Angeklagten Z. bei Anwendung des Erwachsenenrecht auch die Anwendung des minder schweren Falls in Betracht gekommen wäre.

Dennoch erscheint die Schwere der Schuld angesichts der Dauer und des Umfangs des Handeltreibens zumindest so erheblich, dass der Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist.

Unter Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände, insbesondere ihrer Persönlichkeit und ihrer charakterlichen Haltung sowie der von ihr erstellten Sozialprognose hält die Kammer eine

Einheitsjugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten

für erforderlich, um zu ihrem Wohl in dem gebotenen Maße erzieherisch auf die Angeklagten Z. einzuwirken. Die Verhängung einer Jugendstrafe ist aus erzieherischen Gründen notwendig, um bei der Angeklagten einen Lebensweg ohne weitere Straftaten zu erreichen und sie entspricht auch dem Unrechtsgehalt der festgestellten Taten. Die erheblichen Persönlichkeitsdefizite bei der Angeklagten begründen einen nicht unerheblichen Erziehungsbedarf.

Dem äußeren Unrechtsgehalt der Taten ist den jugendstrafrechtlichen Vorstellungen entsprechend zwar kein zu großes Gewicht beigemessen worden. Neben dem Erziehungszweck sind bei der Bemessung der Jugendstrafe allerdings auch die persönliche Vorwerfbarkeit des strafrechtlichen Verhaltens sowie das Erfordernis eines angemessenen Schuldausgleichs berücksichtigt worden. Die Kammer hat dabei zugunsten der Angeklagten bedacht, dass die Angeklagte die Taten weitgehend und auch frühzeitig und, wie oben ausgeführt, mit weiterer Aufklärung eingeräumt hat, so dass die Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG bei der Angeklagten vorliegen. Weiter war zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass sie strafrechtlich noch nicht erheblich in Erscheinung getreten ist und dass sie auf die bei ihr sichergestellten Gegenstände verzichtet hat. Zudem war zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Marihuana um eine Weichdroge handelte und die 215,78 g Marihuana sichergestellt und nicht in den Handel gekommen sind.

Weitere vertypte Strafmilderungsgründe kamen für die Angeklagte Z. nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen des § 21 StGB lagen bei der Angeklagten Z. hingegen nicht vor. Hierzu hat die Kammer sich durch den Sachverständigen Dr. H. beraten lassen. Dieser hat ausgeführt, dass bei der Angeklagten keine sichere Diagnose betreffend eine Suchterkrankung gestellt werden kann, da das Motiv des Konsums nicht im Rauscheffekt, sondern in der Selbstmedikation im Hinblick auf die ADHS-Erkrankung liege. Es seien bei den Tathandlungen keine Symptome ersichtlich, die darauf hindeuten würden, dass sich der Konsum des Marihuanas bei der Angeklagten während der Taten ausgewirkt haben könnte.

Dieser Einschätzung des Sachverständigen schloss sich die Kammer nach eigenständiger Prüfung der mit großer Sachkunde vorgetragen Ausführungen an. Selbst bei Vorliegen einer Betäubungsmittelabhängigkeit begründet diese nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich genommen noch keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit. Diese Folge ist auch bei einem Rauschgiftsüchtigen ausnahmsweise nur dann gegeben, wenn entweder langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, das Delikt in einem aktuellen Rauschzustand verübt worden ist, der Täter unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat und durch diese dazu getrieben worden ist, sich mittels Straftaten Drogen zu verschaffen, oder infolge der Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er früher schon einmal als äußerst unangenehm erlebt hat, was insbesondere bei Heroin- und Alkoholabhängigkeit in Betracht kommen kann, seine Hemmschwelle davor herabgesetzt ist, sich mittels Straftaten Drogen zu verschaffen.

Diese Voraussetzungen liegen bei der Angeklagten nicht vor. Eine Veränderung der Persönlichkeit hat bei der Angeklagten nicht stattgefunden. Es finden sich dafür keine Anhaltspunkte. Weiterhin ist nicht ersichtlich, dass die Angeklagte sich während der Taten in akuten Rauschzuständen befunden haben könnte. Der gesamte Konsum der Angeklagten war gerade nicht auf den Rausch, sondern auf die Selbstmedikation ausgerichtet. Weiter haben sich weder aus den Chatnachrichten zwischen den beiden Angeklagten noch aus den Nachrichten zwischen der Angeklagten und dem gesondert verfolgten L. S. Anzeichen ergeben, dass die Angeklagte schwer berauscht gewesen sein könnte. Auch sprechen die Taten gegen einen akuten Rausch, da sowohl der Ankauf, als auch der Abverkauf des Marihuanas mit erhöhten intellektuellen Leistungen verbunden ist, was gegen einen akuten Rausch während der Taten spricht, da dies der Angeklagten jeweils gelungen ist.

Zuletzt gab es keine Anzeichen dafür, dass die Angeklagte Angst vor schweren Entzugserscheinungen gehabt haben könnte. Zum einen hat die Angeklagte nie von Entzugserscheinungen berichtet, zum anderen hatte die Angeklagte während der Taten auch stets ausreichend Marihuana zur Verfügung, so dass kein Grund für die Angeklagte bestand, Angst vor einem Entzug zu haben.

Die Vollstreckung der Jugendstrafe konnte gemäß § 21 JGG zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer hat die Erwartung, dass das Strafverfahren ihr deutlich vor Augen geführt hat, dass sie sich von solchen Handlungen distanzieren und zukünftig straffrei leben muss. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass die Angeklagte Z. zuvor strafrechtlich nicht erheblich in Erscheinung getreten war. Auch der Wechsel der Ausbildungsstelle und der Versuch der Therapie stellen Umstände dar, die eine positive Sozialprognose begründen.

2. Angeklagter S.

Die Kammer entnahm die Strafe hinsichtlich des Angeklagten S. dem Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG. Dieser sieht Freiheitstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren als Strafrahmen vor.

Für den Angeklagten S. lag unter Einbeziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 StGB ein minder schwerer Fall im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG vor.

Ein minderschwerer Fall liegt vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit bei Gesamtbetrachtung aller wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in so erheblichem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 29, 319, 321). Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind nicht nur diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die der Tat vorausgehen oder sie begleiten, sondern auch diejenigen, die ihr nachfolgen (vgl. BGH, NJW 1988, 2749). Entscheidend ist, dass der Fall, nicht die Tat insgesamt minderschwer wiegt (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 1108).

Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine weitere Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den allein wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27.04.2010 – 3 StR 106/10).

Vorliegend stellte sich die Tat für den Angeklagten S. in der Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung eines vertypten Strafmilderungsgrundes als minder schwer dar. Hierfür sprach, dass er seine Tatbeiträge umfassend eingeräumt hatte. Weiter war er strafrechtlich lediglich wegen eines Verkehrsdelikts in Erscheinung getreten. Bei den Drogen handelte es sich mit Marihuana um eine sogenannte weiche Droge und eine Teilmenge von 215,78 g konnte sichergestellt werden. Auch war zu berücksichtigen, dass die Tatbeiträge zwar als Beihilfehandlung zu werten waren, diese aber relativ gering waren, zumal es sich jeweils um Tatbeiträge handelte, die die Tat nur beschleunigten. Die Tat wäre bei Wegfall des Tatbeitrages des Angeklagten S. nicht verhindert worden, da die Angeklagte Z. diese Handlungen dann später selbst vorgenommen hätte. Dies gilt insbesondere für die Geldübergaben an den gesondert verfolgten L. S.. Auch wenn die Tat für sich genommen, insbesondere wegen der doch erheblichen Menge an Marihuana noch nicht minder schwer war, da es auch mehrere Tatbeiträge waren, so stellt sich die Tat jedoch unter Einbeziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 StGB als minder schwer dar, der für sich eine zwingende Strafmilderung enthält. In der Gesamtschau der zuvor genannten Strafzumessungserwägungen vermögen die für den Angeklagten sprechenden Tatumstände einschließlich des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 StGB die nicht unerhebliche Gesamtmenge an Marihuana zu überwiegen und lassen seine Tat insgesamt als minder schwer erscheinen.

Unter erneuter Berücksichtigung der zuvor genannten Strafzumessungserwägungen hielt die Kammer eine Freiheitstrafe von 1 Jahr für tat- und schuldangemessen.

Die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Hier war zu erwarten, dass der Angeklagte sich diese Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und künftig keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Der Angeklagte hat eine positive Sozialprognose, da er weiterhin einen festen Job hat und es sich bei der Strafe um die erste Freiheitstrafe des Angeklagten handelte. Hinzu kommt, dass er die Taten in erster Linie begangen hat, um seiner Freundin zu helfen.

V. Unterbringung

Für keinen der beiden Angeklagten kam die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in Betracht, da weder bei der Angeklagten Z. noch bei dem Angeklagten S. ein Hang vorliegt, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren.

Ein Hang im Sinne von § 64 StGB liegt vor, wenn der Täter eine – auf psychische Disposition oder durch Übung erworbene – intensive Neigung hat, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren und somit eine psychische Abhängigkeit besteht, aufgrund derer er sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Den Grad der körperlichen (physischen) Abhängigkeit muss die Neigung noch nicht erreicht haben; auch brauchen keine Entzugserscheinungen vorzuliegen. Sind solche körperlichen Erscheinungen gegeben, wird in aller Regel aber ein „Hang“ bestehen. Eine soziale Gefährdung oder soziale Gefährlichkeit kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Beschaffungskriminalität; aber auch das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt einen Hang nicht zwingend aus. Sowohl die Substitutionsbehandlung über einen längeren Zeitraum als auch die Begehung von Beschaffungsdelikten stellen Umstände dar, die indiziell für einen Hang zum Betäubungsmittelkonsum sprechen können. Den Grad einer seelischen Störung im Sinne des §§ 20, 21 StGB muss die notwendige psychische Abhängigkeit nicht erreicht haben. Dagegen reicht gelegentliches oder häufiges Sichbetrinken auch in Verbindung mit im Rausch begangenen Straftaten nicht aus; ebenso wenig der gelegentliche oder häufige Rauschgiftkonsum. Ein „grundsätzlich täglicher“ Konsum von 0,5g Cannabis legt – zumindest bei jahrelangem Konsum – die Annahme eines Hanges nahe, auch wenn der Täter sozial engagiert lebt und kurzzeitig in der Lage ist, seinen Rauschmittelkonsum zu verringern oder einzustellen. Ein Hang setzt keine Depravation voraus, doch kommt dem Vorliegen – wie umgekehrt dem Fehlen – eine nicht unerhebliche indizielle Bedeutung zu. Dasselbe gilt für die Beeinträchtigung der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit. Bei regelmäßigem Betäubungsmittelkonsum über einen langen Zeitraum kann ein Hang nicht allein deshalb verneint werden, weil der Täter immer wieder in der Lage war, seinen Konsum kurzzeitig zu verringern oder einzustellen. Unterzieht sich der Täter einer Methadonbehandlung, legt dies einen Hang zum Opiatkonsum nahe. Wenn der Tatrichter die Voraussetzungen des § 35 BtMG für gegeben erachtet, legt dies die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB nahe (vgl. BeckOK StGB/Ziegler, 48. Ed. 1.11.2020, StGB § 64 Rn. 3 m.w.N.).

Für den Angeklagten S. liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da der Angeklagte lediglich gelegentlich in unregelmäßigen Abständen einen Joint geraucht hatte, ohne dass sich dies in irgendeiner Weise körperlich noch sozial auf den Angeklagten ausgewirkt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschloss, liegen bei dem Angeklagten keine Anzeichen für einen Hang vor, da der Konsum viel zu gering war und in keiner Weise eine soziale Gefährdung oder Gefährlichkeit des Angeklagten begründete. Der Angeklagte war vielmehr gegen den Konsum von Marihuana und hat nur bei einzelnen Gelegenheiten selbst einen Joint konsumiert. Auch wirkte sich der Konsum nicht auf die Arbeitsfähigkeit des Angeklagten aus.

Auch bei der Angeklagten Z. liegen die Voraussetzungen eines Hanges nicht vor. Hierzu hat die Kammer sich durch den Sachverständigen Dr. H. beraten lassen. Dieser hat ausgeführt, dass der Konsum des Marihuanas bei der Angeklagten auf einer Besonderheit beruhe. Denn die Angeklagte habe zwar im jugendlichen Alter begonnen Marihuana zu konsumieren, jedoch sei das Motiv gewesen, dass die Angeklagte bemerkt habe, dass ihr das Marihuana als Selbstmedikation gegen ADHS geholfen habe. Die Angeklagte habe das Marihuana insoweit auch im Jugendalter nicht als Rauschmittel genutzt, sondern um ihre eigene Leistungsfähigkeit in der Schule zu steigern. Das habe ihr tatsächlich geholfen und so habe sich auch der Konsum nach der Schule und während der Ausbildung fortgesetzt. Auch die Probleme bei ihrer ersten Ausbildungsstelle hätten keinen Zusammenhang mit dem Konsum von Marihuana gehabt, sondern es seien zwischenmenschliche Probleme gewesen. Sie habe sowohl bei der ersten Ausbildungsstelle als auch bei der zweiten Ausbildungsstelle ganz normal ihre Leistungen erbringen können. Weiter habe die Angeklagte auch bereits eine Entwöhnungstherapie begonnen, die die Angeklagte jedoch auf Anraten der Ärzte abgebrochen habe, da bei ihr nicht die Abhängigkeit von Marihuana, sondern die ADHS-Erkrankung im Vordergrund stehe und der Konsum von Marihuana sich lediglich als Begleiterscheinung darstelle.

Die Kammer schließt sich nach eigenständiger Prüfung den mit großer Sachkunde vorgetragenen Ausführungen des Sachverständigen an. Bei der Angeklagten liegt zum einen keine Neigung vor, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren. Weiter ergibt sich aus dem Betäubungsmittelkonsum der Angeklagten keine soziale Gefährdung oder Gefährlichkeit. Das Fehlen des Konsums im Übermaß ergibt sich bei der Angeklagten insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des Konsums. Denn die Angeklagte hat das Marihuana in erster Linie nicht als Rauschmittel konsumiert, sondern als Eigenmedikation. Dies führte bei ihr auch zu keiner Sedierung, sondern nach ihrem subjektiven Empfinden zu einer Leistungsstabilisierung in der Schule. Bereits hier zeigt sich, dass gerade kein typischer Konsum vorliegt, sondern der Konsum durch die kontrollierte Eigenmedikation geprägt ist. Ein übermäßiger Konsum hat bei der Angeklagten gerade nicht stattgefunden. Dies wird auch gestützt durch die Begründung des Abbruchs der Entwöhnungstherapie, weil bei der Angeklagten die ADHS-Erkrankung im Vordergrund steht. Dies ist auch schlüssig, da die Angeklagte sich mit dem Marihuana gerade selbst gegen ADHS therapiert hat. Weiter hat der Konsum des Marihuanas bei der Angeklagten nicht zu einer sozialen Gefährdung, sondern zu einer sozialen Stabilisierung geführt, da sie es unter dem Konsum von Marihuana schaffte, ihre schulischen Leistungen zu stabilisieren. Nicht verkannt wurde, dass die Angeklagte nach dem Umzug nach N. begann, neben dem Eigenkonsum auch mit Marihuana zu handeln. Der Grund für den beginnenden Handel liegt jedoch nicht in der sozialen Gefährdung der Angeklagten, sondern darin, dass die Angeklagte nach dem Auszug aus dem elterlichen Umfeld finanziell auf sich gestellt war. Unter diesen Umständen begründet selbst der tägliche Konsum von Marihuana keinen Hang im Sinne des § 64 StGB. Dieser Wertung steht auch nicht entgegen, dass die Kammer der Angeklagten als Bewährungsauflage die Teilnahme an einer ambulanten Drogenentzugstherapie und die Abgabe von Urinkontrollen aufgegeben hat. Der Grund für diese beiden Auflagen liegt nicht in einer Abhängigkeitserkrankung. Ziel dieser Auflagen ist es vielmehr, die Behandlung der ADHS-Erkrankung abzusichern und zu flankieren. Insbesondere soll durch die Bewährungsauflagen verhindert werden, dass die Angeklagte erneut beginnt, ihre ADHS-Erkrankung mit Marihuana selbst zu behandeln.

VI. Einziehung

Vorliegend war die Einziehung des Wertes des Erlangten gemäß § 73, 73c, 73d StGB in Höhe von 18.580,00 € anzuordnen. In dieser Höhe hat die Angeklagte aus dem Verkauf des Marihuanas Erlöse erzielt, die bei der Angeklagten einzuziehen sind. Dies hat zwingend zu erfolgen und steht auch im Falle der Anwendung des Jugendrechts nicht im Ermessen der Kammer.

Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung durch das Gesetz vom 13.04.2017 (BGBl. I S. 872) gibt keinen Anlass zu einer Neubewertung der Einziehung von Taterträgen bzw. deren Wert (§ 73 Abs. 1, § 73 c Satz 1 StGB) in dem Sinne, dass die Anordnung im jugendgerichtlichen Verfahren nunmehr im Ermessen der Jugendgerichte stünde. Die Statuierung einer Ermessensanordnung findet keinen Anhalt im Gesetz und widerstreitet dem Willen des Gesetzgebers.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes waren die Verfallsvorschriften in der bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung (§§ 73 ff. StGB aF) über § 2 Abs. 2 JGG in vollem Umfang auch im Jugendstrafrecht anwendbar (vgl. BGH, Urteile vom 17.06.2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 177 f.; vom 08.05.2019 – 5 StR 95/19). Inbegriffen war der Grundsatz der obligatorischen Anordnung des Verfalls, und zwar auch in Fällen, in denen der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Jugendlichen oder Heranwachsenden vorhanden war. Der Vermeidung von Härten diente – wie im allgemeinen Strafrecht – allein die Vorschrift des § 73 c StGB aF. Der Bundesgerichtshof hat betont, dass diese gesetzgeberische Wertentscheidung nicht unter Berufung auf erzieherische Interessen unterlaufen werden dürfe (vgl. BGH, Urteile vom 17.06.2010 – 4 StR 126/10, aaO; vom 08.05.2019 – 5 StR 95/19).

Der Reformgesetzgeber hat in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung das JGG im Wesentlichen unberührt gelassen. Bereits die von ihm vorgenommene redaktionelle Änderung in § 76 Satz 1 JGG erweist, dass er das Jugendstrafrecht nicht etwa „vergessen“ hat, sondern den neuen Regelungen auch insoweit uneingeschränkte Geltung verschaffen wollte. Aus dem diesbezüglichen Schweigen der Gesetzgebungsmaterialien kann deshalb nicht abgeleitet werden, dass der das Jugendstrafrecht beherrschende Erziehungsgedanke übersehen worden sein könnte (vgl. Köhler, NStZ 2018, 730, 731; Korte, NZWiSt 2018, 231, 232 f.; Schumann, StraFo 2018, 415, 416 f.). Vielmehr ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass erzieherischen sowie resozialisierenden Belangen nach neuem Recht ohne Weiteres Rechnung getragen werden kann, dies jedoch – wie im allgemeinen Strafrecht – künftig im Vollstreckungsverfahren (§ 459 g StPO) statt wie bisher (§ 73 c StGB aF) im Erkenntnisverfahren (vgl. auch BGH, Urteil vom 08.05.2019 – 5 StR 95/19). Andernfalls wären bereichsspezifische Regelungen zur Ermessensausübung gerade für die (Wertersatz-)Einziehung im JGG zwingend zu erwarten gewesen.

Solche sind auch im Zuge späterer gesetzgeberischer Maßnahmen betreffend das Jugendstrafrecht nicht erfolgt. Das gilt für das Gesetz vom 17.08.2017 (BGBl. I S. 3202), in dem § 8 Abs. 3 JGG lediglich eine Ergänzung zur Höchstdauer des Fahrverbots erfahren hat (dazu BGH, Beschluss vom 17.07.2019 – 4 StR 62/19, Rn. 13). Mit dem Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 09.12.2019 (BGBl. I S. 2146) sind einschlägige Regelungen ebenfalls nicht in das JGG aufgenommen worden, obwohl im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums bereits erhebliche Kritik an der zwingenden Anordnung der Einziehung im Jugendstrafverfahren geäußert worden war (vgl. neben dem Anfragebeschluss z. B. LG Münster NStZ 2018, 669; AG Frankfurt/Main ZJJ 2018, 249; 251; Schady/Sommerfeld, ZJJ 2018, 219; siehe ferner Eisenberg, JR 2019, 598; Höynck, Festschrift Eisenberg, 2019, S. 245).

Es kann daher ausgeschlossen werden, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, die ansonsten obligatorisch ausgestaltete Einziehung fortan in das freie Ermessen der Jugendgerichte zu stellen. Dies gilt umso mehr, als Ermessensspielräume nach der Gegenauffassung selbst in Fällen eröffnet werden sollen, in denen der Jugendliche oder Heranwachsende noch im Besitz der Tatbeute ist. Dass es unter dem Aspekt der Resozialisierung bzw. der Erziehung geboten oder auch nur gerechtfertigt sein könnte, dem jugendlichen oder heranwachsenden Straftäter die aus der Straftat gezogenen Vorteile zu belassen, ist nicht überzeugend begründbar. Im Gegenteil drängt auch der Erziehungsgedanke zu einer Abschöpfung von Deliktserträgen (vgl. auch BGH, Urteile vom 17.06.2010 – 4 StR 126/10, aaO, S. 179; vom 08.05.2019 – 5 StR 95/19). Für die Eröffnung eines gerichtlichen Ermessensspielraums ist daher kein Raum.

Die Vorschriften des JGG stehen der obligatorischen Anordnung einer (Wertersatz-) Einziehung verbunden mit einer Härtefallregelung im Vollstreckungsverfahren nicht entgegen.

Aus § 2 Abs. 1 JGG ergibt sich kein die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB überlagernder Rechtssatz, der es erlauben würde, die zwingende Anwendung dieser Bestimmungen auszuschließen. Zwar hat die Auslegung des JGG dem primären Ziel des Jugendstrafrechts zu folgen, dass sich Jugendliche oder Heranwachsende künftig gesetzestreu verhalten und nicht erneut straffällig werden (Spezialprävention, § 2 Abs. 1 Satz 1 JGG; vgl. BGH, Urteil vom 13.07.1954 – 1 StR 465/53, BGHSt 6, 258, 259 zu § 401 Abs. 2 RAbgO). Dies rechtfertigt es aber nicht, § 2 Abs. 1 JGG zu einer Art „Auffangunzulässigkeitsklausel“ (vgl. Schady/Sommerfeld, ZJJ 2018, 219, 222) umzufunktionieren.

§ 2 Abs. 1 JGG bietet neben der inhaltlichen Bestimmung der Eigenart jugendstrafrechtlicher Sanktionen eine Orientierungshilfe für die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe im JGG (vgl. BT-Drucks. 16/6293, S. 9). Die Formulierung „vor allem“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 JGG macht dabei deutlich, dass neben spezialpräventiven Zielen auch andere Sanktionszwecke zu berücksichtigen sind. Entsprechendes gilt für § 2 Abs. 1 Satz 2 JGG. Die Vorschrift enthält das Bekenntnis zum „Erziehungsgedanken als Leitprinzip“, an dem die Rechtsfolgen und das Verfahren zur Erreichung des Ziels künftiger Legalbewährung „vorrangig“ auszurichten sind (BT-Drucks. 16/6293, S. 9 f.). Durch den Zusatz „vorrangig“ wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht durchgehend auf helfende und fördernde Maßnahmen ausgerichtete erzieherische Erwägungen maßgeblich sein können.

Der Gesetzgeber verfolgt mit §§ 73 ff. StGB (wie bislang) das auch im Jugendstrafrecht legitime Ziel, möglichen Beeinträchtigungen des Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu begegnen, die sich ergeben können, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögenswerte dauerhaft behalten dürften (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 45, 65; BVerfGE 110, 1, 29; siehe auch BGH, Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 651/17, NStZ-RR 2018, 241, 242). Mit der Entziehung des deliktisch Erlangten wird dem Täter ebenso wie der Rechtsgemeinschaft vor Augen geführt, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden. Das gilt gleichermaßen gegenüber jugendlichen oder heranwachsenden Straftätern und entspricht der Lage im Zivilrecht. Auch dort besteht kein Anlass, dem (beschränkt geschäftsfähigen) Minderjährigen die Folgen der verschärften Haftung des § 819 BGB zu ersparen, wenn und soweit er sich Vorteile durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verschafft hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.01.1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 136 f.; Köhler, aaO, S. 731). Für volljährige junge Erwachsene versteht sich dies von selbst.

Neben der Rechtsgemeinschaft muss dem jugendlichen oder heranwachsenden Einziehungsbetroffenen vor Augen geführt werden, dass er rechtswidrig erlangte Vermögensvorteile nicht behalten darf und auch im Fall der Entreicherung dafür regelmäßig (vgl. aber § 459 g Abs. 5 StPO) einzustehen hat. Demgegenüber wohnt der (Wertersatz-) Einziehung zugleich eine spezialpräventive Funktion inne.

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 1 JGG ist entgegen der Gegenauffassung kein tauglicher Ausgangspunkt für die Statuierung einer Ermessensanordnung der Wertersatzeinziehung. Sie ist in ihrem – auch aus der amtlichen Überschrift ersichtlichen und durch den Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegten (vgl. schon BGH, Urteil vom 13.07.1954 – 1 StR 465/53, BGHSt 6, 258, 259) – engen Anwendungsbereich betreffend (nur) die Zulässigkeit der Verbindung (auch) von Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB gerade mit Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe nicht geändert worden. Es ist nicht ersichtlich, dass und aus welchem Grund die Norm trotz ihres vor und nach der Reform der Vermögensabschöpfung identischen Wortlauts und mangels eines in diese Richtung zielenden gesetzgeberischen Willens einen grundlegenden Bedeutungswandel erfahren haben könnte.

Ein Ermessensvorbehalt folgt auch nicht aus der Möglichkeit der jugendgerichtlichen Gewinnabschöpfung durch Erteilung einer Geldauflage gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4, Abs. 1 Satz 2 iVm Abs. 2 Nr. 2, auch iVm § 23 Abs. 1 Satz 2 JGG. Wie § 8 Abs. 3 Satz 1 JGG hat die – durch die Reform abermals nicht tangierte – Vorschrift des § 15 JGG nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich. Schon im Blick darauf kann ihr kein die Vorteilsabschöpfung im Jugendstrafrecht durchgängig begrenzendes Prinzip entnommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17.06.2019, aaO, Rn. 15).

Bei der Schaffung des JGG (BGBl. 1953 S. 751) übernahm der Gesetzgeber nicht den bis dahin im Bereich des Jugendstrafrechts zugelassenen Verfall (§ 16 Abs. 2 RJGG), sondern überließ es der allgemeinen Strafrechtsreform, die mit dem Verfall zusammenhängenden Rechtsprobleme insgesamt zu lösen. Um der Entwicklung nicht vorzugreifen, wurde die genannte Verfallsvorschrift aufgehoben. Stattdessen wurde für die Gewinnabschöpfung die im Ermessen des Jugendrichters stehende Möglichkeit einer Geldauflage geschaffen (BT-Drucks. I/3264, S. 40). Im Zuge der Reform (auch) der Verfallsvorschriften durch das Zweite Strafrechtsreformgesetz vom 04.07.1969 (BGBl. I S. 717, 734 f.) wurde § 15 Abs. 2 Nr. 2 JGG zwar beibehalten. Wie unter anderem aus der seinerzeit neu eingeführten Vorschrift des § 76 Satz 1 JGG hervorgeht (BGBl. I 1974 S. 469, 526), hat der Gesetzgeber die Anwendung des Verfalls umfassend auch für das Jugendstrafverfahren eröffnet. Dementsprechend ist der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ohne Weiteres von der Zulässigkeit der Anordnung des Verfalls von Wertersatz neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe ausgegangen (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.2010 – 4 StR 126/10, aaO, S. 178 f.).

Mithin hat es der Gesetzgeber in den Anwendungsfällen des § 15 JGG bewusst bei einem Nebeneinander der beiden Rechtsinstitute belassen. Dass er einen etwa daraus resultierenden „Zielkonflikt“ (vgl. BGH, Beschluss vom 17.06.2019 – 4 StR 62/19, Rn. 15) im Sinne eines das Recht des Verfalls bzw. der Einziehung insgesamt erfassenden Vorrangs insbesondere des in § 15 Abs. 2 Nr. 2 JGG enthaltenen Rechtsgedankens lösen wollte, liegt fern. Das gilt in gleicher Weise für die Zeit vor und nach der Reform der Vermögensabschöpfung. Sehr viel näher liegt die Annahme, dass den später eingefügten, auch für das Jugendstrafrecht zwingend ausgestalteten Regelungen zum Verfall bzw. der Einziehung – vorbehaltlich etwaiger Absehensentscheidungen nach § 421 StPO – der Vorrang gegenüber einer „Gewinnabschöpfung“ durch eine Geldauflage nach § 15 JGG gebührt.

Darüber hinaus würde eine Verallgemeinerung vor allem der in § 15 Abs. 2 Nr. 2 JGG enthaltenen Regelung zum Entzug von „Gewinnen“ für das Jugendstrafrecht auf die Wiedereinführung des vom Gesetzgeber in Bezug auf die gesamte Strafrechtsordnung bereits 1992 aufgegebenen Nettoprinzips hinauslaufen. Dabei wäre die Gewinnabschöpfung sogar noch auf die Fälle beschränkt, in denen keine Entreicherung eingetreten ist. Dem Gesetz und dem dahinterstehenden Willen auch des Reformgesetzgebers, der das Bruttoprinzip nochmals stärken wollte (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 55), liefe eine solche Anschauung offensichtlich zuwider (vgl. Köhler, aaO, S. 731).

Auch etwaige Bedenken betreffend § 459 g Abs. 5 StPO führen zu keinem anderen Ergebnis.

Durch § 459 g Abs. 5 Satz 1 StPO ist der Einziehungsbetroffene ebenso wirkungsvoll vor übermäßigen Eingriffen geschützt wie durch § 73 c StGB aF (vgl. BGH, Urteile vom 15.05.2018 – 1 StR 651/17, NStZ-RR 2018, 241, 242; vom 08.05.2019 – 5 StR 95/19; Beschluss vom 22.03.2018 – 3 StR 577/17, wistra 2018, 427). Dies gilt auch für Jugendliche und Heranwachsende (vgl. BGH, Beschluss vom 17.06.2019 – 4 StR 62/19, Rn. 17; Köhler, aaO, S. 732). Bei einer Entreicherung oder sonstigen Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung stellt sich die Neuregelung für den Angeklagten sogar günstiger dar, weil nach § 459 g Abs. 5 Satz 1 StPO eine Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Urteile vom 27.09.2018 – 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23; vom 08.05.2019 – 5 StR 95/19, Rn. 6; Beschluss vom 22.03.2018 – 3 StR 577/17, a.a.O.). Dabei ermöglicht es die allgemeine Verhältnismäßigkeitsklausel, eine „erdrückende Wirkung“ (BTDrucks. 18/9525, S. 94) der (Wertersatz-) Einziehungsentscheidung auch jenseits der Entreicherung auf der Vollstreckungsebene zu vermeiden (vgl. BGH, Urteile vom 15.05.2018 – 1 StR 651/17, a.a.O., 243; vom 08.05.2019 – 5 StR 95/19).

Die gemäß § 459 g Abs. 5 Satz 1 StPO durch das Gericht vorzunehmende Härtefallprüfung ist bei Jugendlichen und Heranwachsenden dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter übertragen (§ 82 Abs. 1 JGG). Damit ist gewährleistet, dass außer dem Umstand der Entreicherung sowie sonstigen für die Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Gesichtspunkten auch erzieherischen Erwägungen sowie dem Gedanken der Resozialisierung Rechnung getragen werden kann (vgl. KK-StPO/Appl, 8. Aufl., § 459 g Rn. 16; Korte, a.a.O., S. 233). Es ist nicht zu befürchten, dass der Jugendrichter zur Bewertung der Auswirkungen vermögensrechtlicher Maßnahmen auf den Jugendlichen oder Heranwachsenden im Vollstreckungsverfahren generell weniger in der Lage sein könnte als im Erkenntnisverfahren. Hiergegen spricht auch, dass ihm – je nach Zeitablauf – hinsichtlich des Entwicklungsstandes und der sonstigen Situation des Betroffenen etwa nach Jugendstrafvollzug sogar eine breitere Beurteilungsbasis zur Verfügung stehen kann.

Die Möglichkeit der Wiederaufnahme nach § 459 g Abs. 5 Satz 2 StPO für den Fall, dass nachträglich Umstände bekannt werden oder eingetreten sind, die der Absehensentscheidung den Boden entziehen, macht keine abweichende Beurteilung notwendig. Aufgrund der Anlehnung an § 459 g Abs. 5 Satz StPO wird die Vollstreckung nur wieder aufgenommen, wenn sie sich als Kehrseite der Anordnung des Unterbleibens darstellt. Erzieherische Gesichtspunkte können bei der – als „actus contrarius“ ebenfalls durch den Jugendrichter zu treffenden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO 62. Aufl., § 459 g Rn. 14) – Entscheidung hier wiederum Berücksichtigung finden. Auch bei etwaigen Maßnahmen nach § 459 g Abs. 3 StPO, die nur in Betracht kommen, wenn eine begründete Erfolgsaussicht besteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, a.a.O., § 459 g Rn. 9), können und müssen die Belange der jugendlichen bzw. heranwachsenden Einziehungsbetroffenen beachtet werden. Damit verlieren die geltend gemachten Bedenken auch unter dem Blickwinkel langer Verjährungsfristen wesentlich an Gewicht.

Zusammenfassend stellt es demnach eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die Verhältnismäßigkeitsprüfung aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern, § 459 g Abs. 5 Satz 1 StPO. Sie ist als solche bis zur Grenze einer Verfassungswidrigkeit von der Judikative hinzunehmen. Einwände gegen das gesetzliche Grundkonzept oder Rechtsprobleme, die sich aus Detailregelungen ergeben könnten, berechtigen die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht, das gesetzgeberische Konzept durch ein eigenes zu ersetzen. Demgemäß scheidet es auch im Lichte der am „Vollstreckungsmodell“ geübten Kritik aus, die Einziehungsanordnung per „Richterrecht“ dem Ermessen der Jugendgerichte zu überantworten, die gesetzgeberische Entscheidung für das Jugendstrafrecht mithin umzukehren und die für das Vollstreckungsverfahren neu geschaffenen Vorschriften in der Folge im Wesentlichen leerlaufen zu lassen. „Die Strafgerichte sind gehalten, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen; ihn zu korrigieren, ist ihnen verwehrt“ (BGH, Beschluss vom 24.10.2019 – 1 StR 173/19, Rn. 6) (vgl. insgesamt BGH, Beschluss vom 06.02.2020, 5 ARs 20/19, NZWiSt 2020, 166, beck-online)

VII. Kosten

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 465 StPO. Ein Absehen von der Auferlegung von Kosten gemäß § 74 JGG kam bei der Angeklagten Z. nicht in Betracht. Vorliegend hat die Kammer nicht verkannt, dass sich die Angeklagte noch in Ausbildung befindet, jedoch hat sie zumindest ein Einkommen von 700,00 € im Monat. Eine wirtschaftliche Gefährdung der Angeklagten liegt durch die Kosten des Verfahrens nicht vor.

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