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Beleidigung als Schwuchtel oder Pussy strafbar?

AG Frankfurt am Main – Az.: 907 Cs 7680 Js 229740/19 – Urteil vom 15.01.2021

Der Angeklagte ist der Beleidigung schuldig.

Er wird deswegen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Angeklagte ist am pp. in pp.. geboren. Nachdem er die Schule mit mittlerer Reife abschloss, absolvierte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Er ist Geschäftsführer der von ihm pp. gegründeten pp. GmbH. Diese bietet unter anderem in einem Online-Shop Uhren zu Preisen zwischen 1pp. € bis zu 2pp. € zum Kauf an. Der Angeklagte ist verheiratet und hat einen Sohn, der 6 Jahre alt ist. Seine Frau ist Rentnerin.

Der für den Angeklagten eingeholte Bundeszentralregisterauszug vom 23.01.2020 enthält keine Eintragungen.

II.

Der Geschädigte pp. kaufte im Januar 2019 von dem Angeklagten Produkte der Marke Audemars Piquet zu einem Preis von 580 €. Nach Überweisung des Geldes und Zusendung der Ware, kam es zu einem Streit über die Vollständigkeit der Lieferung bzw. Mangelfreiheit der Ware. Nachdem der Geschädigte dem Angeklagten eine Teilrückzahlung von 100 € vorschlug, antwortete der Angeklagte per SMS mit: „kleine pussy,lass dir einen blasen“. Als der Geschädigte seinen Unmut über die aus seiner Sicht beleidigende Äußerung zum Ausdruck brachte und unter anderem erklärte, dass er Strafanzeige stellen werde, antworte der Angeklagte mit: „mach das, schwuchtel“, „dein anwalt wird dich einliefern lassen !“ sowie „in der norderstrasse in hh-aktona nehmen sie so pussys wie dich gerne auf !“. Der Geschädigte fühlte sich durch die Äußerungen des Angeklagten in seiner Ehre verletzt, was der Angeklagte auch beabsichtigte.

III.

Der Sachverhalt steht nach der Hauptverhandlung aufgrund der Einlassung des Angeklagten sowie der in Augenschein genommenen und verlesenen Kurznachrichten zur Überzeugung des Gerichts fest.

Der Angeklagte hat die ihm zu Last gelegten Äußerungen in der Hauptverhandlung eingeräumt. Zudem ergeben diese sich aus den in Augenschein genommenen und auszugsweise verlesenen Kurznachrichten. Die übrigen Feststellungen zum Sachverhalt lassen sich ebenfalls den in Augenschein genommenen Kurznachrichten entnehmen.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf den Angaben des Angeklagten, denen das Gericht gefolgt ist, der Auskunft aus dem Bundeszentralregister sowie den in der Hauptverhandlung verlesenen Ausdrucken aus dem Internetauftritt der pp. GmbH.

IV.

Der Angeklagte hat sich daher wegen Beleidigung nach § 185 StGB strafbar gemacht.

1. Bei der Beurteilung der Strafbarkeit einer Äußerung nach § 185 StGB ist nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen zu unterscheiden, ob eine Schmähung, eine Formalbeleidigung bzw. ein Angriff auf die Menschenwürde vorliegt, oder ob keine dieser Fallgruppen einschlägig ist. Soweit eine der Ausnahmekonstellationen zu bejahen ist, bedarf es jedenfalls grundsätzlich keiner Abwägung zwischen der auf der einen Seite betroffenen Meinungsfreiheit des Äußernden mit dem widerstreitenden Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Falls eine der Ausnahmekonstellationen nicht eingreift, ist für die Frage der Beurteilung des Vorliegens einer Strafbarkeit immer eine grundrechtlich angeleitete Abwägung erforderlich, bei der eine umfassende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Einzelfalls und der Situation, in der die Äußerung erfolgte, vorzunehmen ist (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 19.05.2020 – 1 BvR 2397/19 – NJW 2020, 2622).

2. Zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich jedenfalls bei der Bezeichnung des Geschädigten als „Schwuchtel“ durch den Angeklagten um eine Formalbeleidigung, bei der es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen ausnahmsweise nicht bedarf.

a) Um Fälle der Formalbeleidigung kann es sich etwa bei mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung verwendeten, nach allgemeiner Auffassung besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern – etwa aus der Fäkalsprache – handeln. In diesen Fällen ist das Kriterium der Strafbarkeit nicht der fehlende Sachbezug einer Herabsetzung, sondern die kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit und damit die spezifische Form dieser Äußerung. Dem liegt zugrunde, dass die Bezeichnung anderer Personen mit solchen Begriffen sich gerade ihrer allein auf die Verächtlichmachung zielenden Funktion bedient, um andere unabhängig von einem etwaigen sachlichen Anliegen herabzusetzen. Sie ist daher in aller Regel unabhängig von den konkreten Umständen als Beleidigung zu werten (BVerfG, a.a.O., Rz.21).

b) Aus Sicht des Gerichts handelt es sich bei der Bezeichnung „Schwuchtel“ um eine solche Formalbeleidigung (so auch: AG Berlin-Tiergarten; Beschluss vom 19.11.2013 – 279 Ds 222 Js 1201/13, BeckRS 2015, 19213). Dabei ist nicht die damit verbundene Bezeichnung einer Person als homosexuell als ehrenrührig zu betrachten (vgl. LG Tübingen, Urteil vom 18.07.2012 – 24 Ns 13 Js 10523/11 – NStZ-RR 2013, 10). Vielmehr handelt es sich um eine Bezeichnung, die ihrem Ursprung nach Männer wegen ihrer (vermeintlichen) Homosexualität abwerten sollte und mittlerweile zum Teil auch ganz unabhängig von der Anknüpfung an die Sexualität als Beleidigung für männliche Personen verwendet wird. Die Bezeichnung als „Schwuchtel“ ist dabei gerade deshalb besonders zu missbilligen, weil mit ihr die Herabwürdigung einer Person alleine anknüpfend an ihre (vermeintlichen) sexuellen Präferenzen erfolgen soll und damit zugleich eine Geringschätzung homosexueller Männer im Allgemeinen einhergeht. Denn wer eine andere Person als „Schwuchtel“ betitelt, bringt damit in der Regel zum Ausdruck, dass ein anderer Mann homosexuell ist oder jedenfalls sein Verhalten darauf hindeutet und dass genau dieser Umstand diese Person geringwertiger macht.

Der Angeklagte hat, wie aus dem Kontext seiner Aussage ersichtlich wird, auch genau die üblicherweise mit der Bezeichnung einhergehende Geringschätzung durch die Verwendung des Begriffs „Schwuchtel“ zum Ausdruck gebracht. Er hat den Begriff nicht etwa ironisch oder in einer anderen die beleidigende Wirkung situationsbedingt entkräftenden Art und Weise verwendet. Vielmehr schrieb er, nachdem der Geschädigte ausführte, Strafanzeige zu stellen: „mach das, schwuchtel“. Der Angeklagte wollte den Geschädigten in dieser Situation erkennbar herabwürdigen und ihm zu verstehen geben, dass es ihn nicht interessiere, wenn der Geschädigte sich durch seine Äußerungen beleidigt fühle. Unter diesen Umständen sind keine Gründe erkennbar, wegen derer ausnahmsweise das Vorliegen einer Formalbeleidigung zu verneinen wäre.

c) Selbst wenn man die Bezeichnung „Schwuchtel“ nicht als Formalbeleidigung einordnen würde, kommt das Gericht auch bei hilfsweiser Abwägung zwischen Meinungsfreiheit des Angeklagten und Persönlichkeitsrecht des Geschädigten zur Einschätzung, dass vorliegend der Tatbestand des § 185 StGB verwirklicht wurde. Dafür spricht, dass die Bezeichnung als „Schwuchtel“ aus Sicht des Gerichts aufgrund oben aufgeführter Umstände als erheblich ehrschmälernd einzuschätzen ist. Der damit einhergehende abschätzige Inhalt bezieht sich auf den Geschädigten als ganzen und nicht lediglich auf einzelne Verhaltensweisen oder Tätigkeiten. Die Äußerung hat erkennbar alleine das Ziel, den Geschädigten herabzuwürdigen und leistet keinen Beitrag zu einer Sachdiskussion bzw. zu einer sachlichen Auseinandersetzung. Da die Äußerung schriftlich erfolgt ist, konnte von dem Angeklagten auch ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden, als dies bei einer mündlich kundgegebenen Äußerung der Fall wäre. Zwar erfolgte die Äußerung erkennbar als Reaktion auf die Ankündigung des Geschädigten Strafanzeige zu erstatten, so dass auf Seiten des Angeklagten durchaus zu berücksichtigen ist, dass er sich jedenfalls subjektiv durch diese Ankündigung provoziert fühlte und folglich ein aus seiner Sicht bestehender Anlass für die Äußerung zumindest grundsätzlich nicht abzusprechen ist. Unter einer Abwägung sämtlicher einzubeziehender Umstände führt dieser zugunsten der Meinungsfreiheit einzubeziehende Umstand jedoch nicht dazu, dass das Interesse des Angeklagten an der sanktionsfreien Äußerung gegenüber dem Persönlichkeitsrechtsschutz des Geschädigten überwiegen würde.

Im Ergebnis stellt sich die Bezeichnung als „Schwuchtel“ somit auch bei Abwägung der widerstreitenden Interessen als strafbare Beleidigung dar.

3. Auch die Äußerungen „kleine pussy,lass dir einen blasen“, „dein anwalt wird dich einliefern lassen !“ sowie „in der norderstrasse in hh-aktona nehmen sie so pussys wie dich gerne auf !“ erfüllen vorliegend zur Überzeugung des Gerichts den Tatbestand des § 185 StGB. Zwar erkennt das Gericht bei keiner dieser Äußerungen eine Formalbeleidigung, Schmähung oder einen Angriff auf die Menschenwürde. Allerdings spricht bei allen Äußerungen eine Abwägung für ein Überwiegen des Persönlichkeitsrechtsschutzes des Geschädigten gegenüber der Meinungsfreiheit des Angeklagten.

a) Aus Sicht des Gerichts stellt sich die Äußerung „kleine pussy,lass dir einen blasen“ unter Abwägung sämtlicher Umstände als strafbare Beleidigung dar. Zugunsten der Meinungsfreiheit des Angeklagte ist hier zwar zu berücksichtigen, dass es sich, wie sich in der Hauptverhandlung herausstellte, offensichtlich um die alltägliche Sprache des Angeklagten handelt. Denn der Angeklagte wiederholte immer wieder, dass die Bezeichnung als „Pussy“ in Frankfurt ein Begriff und nicht beleidigend sei. Tatsächlich handelt es sich, wie bereits ausgeführt, auch aus Sicht des Gerichts dabei um keine Formalbeleidigung, die grundsätzlich und unabhängig von den Einzelfallumständen ohne jegliche Abwägung als strafbar einzustufen ist. Allerdings handelt es sich dabei durchaus um eine Bezeichnung, die einen Angriff auf das Ehrgefühl darstellen kann. Das mag zwar zum Beispiel dann nicht der Fall sein, wenn der Begriff „Pussy“ unter Bekannten und Freunden in einer neckenden Art verwendet wird. Vorliegend liegen solche Umstände jedoch nicht vor. Vielmehr war der Angeklagte ganz offensichtlich genervt davon, dass der Geschädigte in Bezug auf das vorgenommene Geschäft weiterhin Beanstandungen hatte und eine Teilrückzahlung vorschlug. Der Angeklagte wollte dem Geschädigten somit sein Missfallen über dessen Vorschlag mit Nachdruck zum Ausdruck bringen und entschied sich dabei zu einer vulgären und objektiv die Ehre angreifenden Äußerung. Da die Äußerungsumstände weder eine ironische Kundgabe erkennen lassen, noch aus sonstigen Gründen zu erkennen wäre, dass der Angeklagte nicht wirklich seine Abneigung gegenüber dem Geschädigten zum Ausdruck bringen wollte, ist die Erklärung im Ergebnis als ehrenrührig einzustufen. Unerheblich ist dabei, dass der Angeklagte die Äußerung offensichtlich nicht als Beleidigung empfindet, da bei der Erfassung des Sinngehalts einer Äußerung weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums anzunehmende Sinngehalt maßgeblich ist (BVerfG Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 102/92, NJW 1995, 3303).

Das gilt gleichermaßen für die Erklärung „lass dir einen blasen“. Soweit der Angeklagte dazu erklärt, er wisse nicht, was das für eine Beleidigung sein solle, sind aus Sicht des Gerichts auch hier die Gesamtumstände bei der Auslegung entscheidend. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Äußerung selbst ihrem Inhalt nach bei strenger Betrachtung einen logischen Sinn erkennen lässt. Denn bei derartiger Auslegung dürfte auch eine anerkannte Beleidigung wie „fick dich“ nicht als Beleidigung zu qualifizieren sein. Jedenfalls aus dem Kontext und insbesondere der vorherigen Bezeichnung als „kleine pussy“ ist der folgende Satz „lass dir einen blasen“ bei verständiger Betrachtung in der konkreten Situation als ehrenrührig einzuordnen. Dafür spricht insbesondere, dass der Angeklagte plötzlich und als Reaktion auf einen sachlichen Vorschlag des Geschädigten zu vulgärer Sprache übergegangen ist.

Bei der vorzunehmenden Abwägung spricht, wie bereits ausgeführt, für die Meinungsfreiheit des Angeklagten, dass es sich offensichtlich für ihn um Alltagssprache handelt. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass bei ihm eine beschränkte Ausdrucksfähigkeit oder sonstige soziale Bedingtheit der Sprache vorläge, bei der aufgrund der Sozialisation festzustellen wäre, dass der Angeklagte nicht in der Lage wäre zu erkennen, dass andere Menschen sich durch seine Äußerung in ihrer Ehre angegriffen fühlen können. Das Gericht erkennt auch nicht, dass die Bezeichnung als „Pussy“ – wie der Angeklagte mehrfach betont hat – örtlich im Frankfurter Raum normal und keine Beleidigung sei. Alleine, dass der Angeklagte offensichtlich regelmäßig solche Begriffe verwendet und gegebenenfalls auch selbst oft so betitelt wird, führt nicht dazu, dass man in der Bezeichnung schon grundsätzlich keinen beleidigenden Inhalt erkennen könnte. Für die Meinungsfreiheit des Angeklagten ist weiterhin anzuführen, dass die Äußerung des Angeklagten die Reaktion auf eine geschäftliche Auseinandersetzung und die vorgeschlagene Teilrückzahlung war und der Angeklagte somit zumindest auch zum Ausdruck bringen wollte, dass er den Vorschlag ablehnt. Gegen die Meinungsfreiheit des Angeklagten ist einzuwenden, dass für den Angeklagten durchaus Möglichkeiten bestanden, seine Äußerung weniger angreifend vorzunehmen, indem er zum Beispiel hätte schreiben könne, dass der Geschädigte aufhören solle zu heulen bzw. zu jammern oder, soweit es um die Ablehnung der vorgeschlagenen Teilrückzahlung geht, indem er einfach „Nein“ geschrieben hätte. Die Sanktionierung der Wortwahl führt somit nicht dazu, dass der Angeklagte seine Meinung insgesamt nicht hätte zum Ausdruck bringen können. Ferner ist die schriftliche Kundgabe zulasten der Meinungsfreiheit einzubeziehen, da insoweit ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden kann, als dies bei einer mündlich kundgegebenen Äußerung der Fall wäre. Nicht zuletzt spricht maßgeblich für das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten, dass die Äußerung in keiner Weise zu einer sachlichen Auseinandersetzung beiträgt, sondern eine solche sogar bewusst beendet. Denn der Geschädigte hatte zuvor grundsätzlich in sachlicher Weise einen Vorschlag unterbreitet. Durch die Äußerung des Angeklagten hat dieser die Diskussion erkennbar auf eine andere, nämlich beleidigende, Ebene versetzt und damit jegliche Auseinandersetzung über das abgeschlossene Geschäft bewusst zu Nichte gemacht.

Unter Abwägung sämtlicher Umstände sieht das Gericht hier keine Anhaltspunkte dafür, dass die Freiheit zur Äußerung für den Angeklagten gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Geschädigten als schutzwürdiger einzustufen wäre. Mithin ist hierdurch der Tatbestand des § 185 StGB erfüllt.

b) Das gilt gleichermaßen für die weiteren Äußerungen „dein anwalt wird dich einliefern lassen !“ sowie „in der norderstrasse in hh-aktona nehmen sie so pussys wie dich gerne auf !“.

Durch die Erklärung, der Geschädigte werde von seinem Anwalt eingeliefert, will der Angeklagte bei verständiger Auslegung dem Geschädigten eine schwere psychische Störung bescheinigen, die dazu führt, dass dieser in eine psychiatrische Einrichtung eingeliefert werden muss. Die Äußerung gibt ihrem objektiven Sinngehalt nach somit zu verstehen, dass der Geschädigte aus Sicht des Angeklagten geistig derart starke Auffälligkeiten vorweist, dass er für jeden erkennbar von der Gesellschaft ferngehalten werden muss. Dieser eindeutig erkennbare objektive Sinngehalt der Äußerung stellt sich ohne Frage als Angriff auf die Ehre dar.

Bei der Abwägung ist dabei ergänzend zulasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass ihm aufgrund der vorherigen Ankündigung des Geschädigten Strafanzeige zu stellen, bewusst war, dass der Geschädigte nicht seine eigene Vorstellung von normaler Sprache teilte und ihm somit auch klar sein musste, dass der Geschädigte sich durch die Erklärung in seiner Ehre verletzt fühlen würde. Zudem ist die Äußerung in Hinblick auf den Angriff auf den geistigen Zustand des Geschädigten auch durchaus eine schwerwiegende Ehrverletzung. Auch hier erfolgte die Äußerung schriftlich und ohne jeglichen Beitrag zu einer sachlichen Auseinandersetzung, sondern schlichtweg mit dem Ziel des Ausdrucks von Missachtung. Auch bei Berücksichtigung, dass solche Ausdrücke durchaus auch zum typischen Jargon vom Angeklagten zählen können, überwiegt bei der Abwägung sämtlicher Umstände das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten, so dass insofern gleichfalls eine strafbare Beleidigung vorliegt.

Gleiches gilt für die erneute Verwendung des Wortes „Pussy“, wobei hierbei auf obige Ausführungen Bezug genommen werden kann. Dabei ist erschwerend für den Angeklagten einzubeziehen, dass er jedenfalls bei der erneuten Verwendung des Begriffs wusste, dass der Geschädigte sich dadurch beleidigt fühlen würde, da er dies zu dem Zeitpunkt bereits zum Ausdruck gebracht und auch Strafanzeige angekündigt hatte. Die Einlassung des Angeklagten, es handle sich dabei nicht um eine Beleidigung, kann insofern jedenfalls bei der erneuten Verwendung nicht mehr zugunsten der Meinungsfreiheit berücksichtigt werden, da ihm mittlerweile klar war, dass der Geschädigte sich durch die Bezeichnung durchaus in seiner Ehre verletzt fühlte. Auch dem Angeklagten musste und muss klar sein, dass es für die Beurteilung der Entscheidung, ob eine Äußerung als Beleidigung zu qualifizieren ist, nicht alleine auf seine eigene Einschätzung bzw. vermeintliche sprachliche Gewohnheiten im Frankfurter Raum ankommt.

4. Auch der subjektive Tatbestand des § 185 StGB ist erfüllt, da der Angeklagte die Absicht hatte, den Geschädigten durch seine Äußerungen zu beleidigen. Denn der Geschädigte gab dem Angeklagten zu verstehen, dass er sich durch die erste Äußerung angegriffen fühlte und dass er sogar Strafanzeige erstatten wolle. Dass der Angeklagte auch danach weiter ehrverletzende Bemerkungen machte, spricht klar für seine Absicht, genau diese Wirkung bei dem Geschädigten mit den Äußerungen zu erzielen.

5. Der Angeklagte handelte auch schuldhaft. Selbst wenn man zugunsten des Angeklagten annehmen würde, dass dieser sich in einem Verbotsirrtum nach § 17 S.1 StGB befand, weil er jedenfalls nach seiner Einlassung nicht zu verstehen scheint, dass die von ihm geäußerten Inhalte rechtlich den Tatbestand der Beleidigung erfüllen, wäre ein solcher Irrtum in jedem Fall vermeidbar gewesen. Wie bereits oben ausgeführt, konnte und kann der Angeklagte nicht davon ausgehen, dass seine eigenen sprachlichen Gewohnheiten den Maßstab für die rechtliche Einordnung der Strafbarkeit einer Äußerung bilden. Wenn er dementgegen bei der Tatbegehung genau davon ausgegangen sein sollte, wäre es ihm bei geringfügiger geistiger Auseinandersetzung mit der Thematik in jedem Fall möglich gewesen, diese Feststellung zu treffen und zu der entsprechenden Einsicht zu gelangen.

6. Eine Erklärung für straffrei nach § 199 StGB kommt nicht in Betracht. Unabhängig davon, dass der Angeklagte lediglich pauschal und ohne Konkretisierung des Inhalts erklärt hat, er sei von dem Geschädigten auch selbst beleidigt worden, fehlt es jedenfalls an einer Erwiderung auf der Stelle. Denn der Vorschlag des Geschädigten auf Teilrückzahlung, auf die der Angeklagte mit dem Satz „kleine pussy,lass dir einen blasen“ reagierte, stellt keine vorangegangene Beleidigung durch den Geschädigten dar. Ob der Geschädigte den Angeklagten gegebenenfalls irgendwann zuvor am Telefon beleidigt hat, woran erhebliche Zweifel bestehen, kann dahinstehen, da insofern die Voraussetzungen des § 199 StGB unter keinen Umständen erfüllt wären.

V.

Für die Bemessung der Strafhöhe wurde der Regelstrafrahmen des § 185 StGB zugrunde gelegt, welcher eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht.

Innerhalb dieses Strafrahmens war zugunsten des Angeklagten insbesondere zu berücksichtigen, dass er nicht vorbestraft ist und dass er in seiner Einlassung die Äußerungen einräumte.

Zulasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass mehrere und wiederholte Beleidigungen vorliegen und dass der Angeklagte die Ehrverletzung des Geschädigten gezielt beabsichtigte. Weiterhin berücksichtigt das Gericht zulasten des Angeklagten aufgrund seines aus der Hauptverhandlung erkennbaren Unverständnisses über die mögliche Einordnung seiner Äußerungen als strafbar, dass es bei diesem vollständig an einer Unrechtseinsicht fehlt und somit auch trotz der Verurteilung in Zukunft weitere Beleidigungen durchaus zu erwarten sind.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtet das Gericht eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.

Die Höhe eines Tagessatzes war entsprechend der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Angeklagten auf vom Gericht gem. § 40 Abs.3 StGB geschätzte 50 € festzusetzen.

Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe derzeit gar kein Einkommen. Das Gericht hält diese Einlassung jedoch nicht für glaubhaft. Insbesondere hat der Angeklagte ursprünglich auf Frage des Gerichts, ob er auch online Uhren verkaufe, verneint. Erst auf Vorhalt des Gerichts, dass seine Homepage durchaus einen Online-Shop enthalte, hat der Angeklagte dies eingeräumt und dann ausgeführt, dass darüber kaum bis keine Einkünfte erzielt würden. Aus dem Aussageverhalten zeigt sich, dass der Einlassung des Angeklagten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nur wenig Glauben geschenkt werden kann, da er erst auf Vorhalt überhaupt eingestand, auch online zu verkaufen. Im Übrigen ist die schlichte Einlassung, wegen Corona gar keine Einkünfte zu erzielen, nicht überzeugend. Insbesondere hat der Angeklagte, auch trotz vorheriger schriftlicher Aufforderung durch das Gericht, überhaupt keine Unterlagen eingereicht oder mitgebracht, durch die seine Einkommensverhältnisse annähernd belegt würden. Seine angeblichen Umsatzeinbrüche sollten sich jedoch mit Sicherheit nachweisen lassen. Da bekanntermaßen während der Pandemie das Online-Geschäft sogar mehr Umsätze erzielt, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte in den letzten Monaten überhaupt keine Verkäufe getätigt hat.

Aufgrund der unzureichenden bzw. unglaubhaften Angaben des Angeklagten, war die Tagessatzhöhe nach § 40 Abs.3 StGB zu schätzen (Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019 Rn. 20, StGB § 40 Rn.20 m.w.N.). Abstellend auf die Verkaufspreise der angebotenen Uhren, hält das Gericht unter Berücksichtigung, dass der Angeklagte einen Sohn hat, einen Tagessatz von 50 € für angemessen. Dabei bezieht das Gericht auch ein, dass der Angeklagte durchaus keine geringen Vermögenswerte zu besitzen scheint, wenn man bedenkt, dass er seit fast pp. Jahren selbständig im Uhrengeschäft tätig ist und hochpreisige Uhren verkauft. Da das Vermögen des Angeklagten nach § 40 Abs.3 StGB ebenfalls ausdrücklich bei der Schätzung der Tagessatzhöhe mit einzubeziehen ist, ist dieser Umstand bei der vorzunehmenden Schätzung vorliegend mit einzubeziehen.

V.

Da der Angeklagte verurteilt wurde, hat er die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen, § 465 Abs. 1 StPO.

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