LG Regensburg – Az.: StVK 341/13 – Beschluss vom 28.01.2014
1. Die mit Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 18.10.2012 (Az.: 1 Ds 14 Js 9151/11) festgesetzte Bewährungszeit wird um 1 Jahr auf insgesamt 4 Jahre verlängert.
2. Die Dauer der Unterstellung der Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung des zuständigen Bewährungshelfers wird auf die Dauer der verlängerten Bewährungszeit erweitert.
3. Die Weisung unter Ziffer 3. des Beschlusses vom 18.10.2012 wird aufgehoben.
4. Die Verurteilte wird angewiesen, jeden Wechsel ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltes unverzüglich der Strafvollstreckungskammer und dem Bewährungshelfer unter Angabe des Aktenzeichens des Verfahrens mitzuteilen.
5. Die Verurteilte wird angewiesen, alles zu unterlassen, was in von ihr zu vertretender Weise zum Abbruch des seit dem 26.07.2013 im Bezirksklinikum Regensburg derzeit durchgeführten Maßregelvollzuges führt.
6. Die Verurteilte wird weiter angewiesen, sich jeglichen Kontakts mit Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zu enthalten.
7. Die Erteilung weiterer Weisungen, insbesondere im Hinblick auf eine sich dem Maßregelvollzug anschließende ambulante Nachsorge und deren Ausgestaltung, bleibt ausdrücklich vorbehalten.
8. Der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Weiden i.d.OPf. wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Probandin wurde durch die genannte Entscheidung schuldig gesprochen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, des Diebstahls in drei Fällen, des Erschleichens von Leistungen in drei Fällen, des Betruges lind des versuchten Betruges.
Sie wurde wegen des am 22.07.2011 begangenen Diebstahls unter Einbeziehung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 27.10.2011 (Az.: 1 Cs 25 Js 7570/11) und der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 22.12.2011 (Az.: 1 Cs 25 Js 9139/11) verhängten Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Monaten und 2 Wochen verurteilt. Weiterhin wurde die Probandin wegen des am 06.11.2011 begangenen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und des am 13.03.2012 begangenen Diebstahls unter Einbeziehung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Schwandorf vom 19.03.2012 (Az.: 4 Cs 113 Js 1468/12) verhängten Strafe unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Wegen der übrigen Taten wurde die Probandin zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Mit Beschluss vom selben Tag wurde die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt, die Probandin der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und darüber hinaus angewiesen, sich unverzüglich einer stationären Entgiftungsbehandlung und anschließend einer stationären Langzeittherapie zu unterziehen.
Das Urteil ist seit dem 26.10.2012 rechtskräftig.
Die Probandin befand sich sodann in Vorbereitung für die Aufnahme in einer stationären Langzeittherapie von 07.01.2013 bis 05.02.2013 zur Entgiftung im Bezirkskrankenhaus W. Zum Aufnahmetermin in die Langzeittherapieeinrichtung Bischofsried am 18.02.2013 erschien die Probandin nicht. Gegenüber der Bewährungshelferin räumte sie am 11.03.2013 Sichtmittelrückfälligkeit ein.
Am 13.03.2013 erließ das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. (Az.: 1 Gs 320/13) gegen die Probandin Haftbefehl wegen des Verdachtes des versuchten Betruges in drei Fällen und des Diebstahls in zwei Fällen. Die Probandin wurde am 13.03.2013 in der Justizvollzugsanstalt Regensburg zur Vollziehung der Untersuchungshaft aufgenommen.
Mit Verfügung vom 19.03.2013 beantragte die beteiligte Staatsanwaltschaft im gegenständlichen Verfahren beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf. den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. Die Probandin wurde durch das Amtsgericht Weiden am 10.04.2013 angehört. Eine Entscheidung erging nicht.
Mit Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Weiden i.d.OPf. vom 18.07.2013 (Az.: 3 Ls 25 Js 2390/13), rechtskräftig seit dem 26.07.2013, wurde die Probandin schuldig gesprochen des Diebstahls in vier Fällen, des Betruges in achtunddreißig Fällen und des versuchten Betruges in zwölf Fällen und
a) unter Einbeziehung der gegen sie mit Urteil des Amtsgerichts Weiden vom 18.10.2012 (Az.: 1 Ds 14 Js 9151/11) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten unter Auflösung in die dort verhängten Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und
b) zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Die Probandin befindet sich aufgrund dieser Verurteilung seit dem 26.07.2013 durchgehend im Maßregelvollzug im Bezirkskrankenhaus Regensburg.
Mit Verfügung vom 24.09.2013 beantragte die Staatsanwaltschaft Weiden i.d.OPf. erneut und nunmehr gegenüber der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der nicht in vorgenanntes Urteil einbezogenen Gesamtstrafen von 3 Monaten und 2 Wochen und 4 Monaten.
Mit Schriftsatz vom 17.10.2013 zeigte sich Rechtsanwalt von K. für die Probandin an und beantragte mit Schriftsatz vom 11.11.2013, die Bewährung nicht zu widerrufen sowie eine Stellungnahme der behandelnden Therapeuten des Bezirksklinikums einzuholen.
Mit Schreiben vom 19.11.2013 nahm das Bezirksklinikum Regensburg zu der Auswirkung eines möglichen Bewährungswiderrufes Stellung.
Darüber hinaus nahm die Probandin mit Schreiben vom 19.11.2013 ergänzend Stellung zu dem Widerrufsantrag mit der Zielsetzung, die Gesamtfreiheitsstrafen nicht zu widerrufen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der Probandin und auf die Stellungnahme des Bezirksklinikums Regensburg vom 19.11.2013 Bezug genommen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 28.11.2013 trug der Verteidiger der Verurteilten weitere Gründe gegen eine Widerrufsentscheidung vor und beantragte die Einholung einer aktuellen Stellungnahme der behandelnden Therapeutin Dr. S. dazu, dass ein Zwischenvollzug das bisher im Maßregelvollzug von der Verurteilten Erreichte zunichte machen würde.
Das Bezirksklinikum Regensburg (Dipl.-Psych. Dr. S.) nahm durch Übersendung einer Abschrift der Stellungnahme gemäß § 67 e StGB im Maßregelvollzugsverfahren zu dem Vorbringen des Verteidigers Stellung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf diese Stellungnahme verwiesen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 12.12.2013 trug der Verteidiger der Verurteilten ergänzend vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Der beteiligten Staatsanwaltschaft wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zum weiteren Verlauf des Widerrufsverfahrens gegeben. Die Staatsanwaltschaft hielt mit Verfügung vom 16.01.2014 den Widerrufsantrag aufrecht.
Davor hatte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 07.01.2014 weiter vorgetragen.
Nach telefonischer Auskunft der behandelnden Dipl.-Psych. Dr. S. vom 23.01.2014 befindet sich die Verurteilte nunmehr in der Stufe C des mehrstufigen Therapieprogramms (unbegleiteter Ausgang bis zu maximal 24 Stunden pro Woche). Darüber hinaus wird die Verurteilte aufgrund des positiven Therapieverlaufes in Kürze in die Resozialisierungsphase (Wiedereingliederung durch Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche) aufgenommen werden.
II.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg ist gemäß §§ 462 aI, 463 I StPO für die Entscheidung sachlich und örtlich zuständig, da die Verurteilte sich nunmehr im Maßregelvollzug im Bezirksklinikum Regensburg befindet.
Die Voraussetzung für den Widerruf der mit Urteil des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 18.10.2012 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung ist grundsätzlich gegeben, da die Verurteilte in der Bewährungszeit eine Vielzahl von Straftaten begangen und dadurch gezeigt hat, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat (§ 56 f I Nr. 1 StGB).
So hat die Verurteilte nach dem Urteil des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 18.10.2012 in der Zeit vom 24.10.2012 bis zu ihrer Inhaftierung am 13.03.2013 eine Vielzahl von Straftaten begangen, die zu einer Verurteilung durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Weiden i.d.OPf. am 18.07.2013 u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten geführt haben.
Demzufolge liegen die Widerrufsvoraussetzungen des § 56 f I Nr. 1 StGB vor.
Im konkreten Fall kann aber gemäß § 56 f II StGB vom Widerruf abgesehen werden. Denn es reicht in Ansehung aller Umstände des Einzelfalles aus, die Bewährungs- und Unterstellzeit zu verlängern, sowie der Verurteilten weitere Weisungen zu erteilen.
Entscheidend ist insoweit, ob (nunmehr) aufgrund von milderen Maßnahmen der Widerrufsgrund ausgeräumt und ein straffreies Leben der Probandin erwartet werden kann.
Zwar sind insoweit strengere Voraussetzungen an die Sozialprognose als im Fall der Strafaussetzung zur Bewährung nicht zu stellen, jedoch verlangt die zu stellende Prognose stets eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit zukünftiger straffreier Führung (vgl. Fischer, § 56 StGB, Rnr. 4; § 56 f StGB, Rnr. 14).
Eine solche Prognose kann der Probandin derzeit bereits gestellt werden.
Die Probandin befindet sich nunmehr seit dem 26.07.2013 im Maßregelvollzug im Bezirksklinikum Regensburg. Der bisherige Therapieverlauf stellt sich nach der Stellungnahme des Bezirksklinikums als außergewöhnlich positiv dar, sodass die Probandin bereits seit dem 09.01.2014 in die Stufe C mit Lockerungen (unbegleiteter Ausgang) aufgenommen wurde. In Anbetracht des positiven Therapieverlaufes wird in Kürze bereits die Resozialisierungsphase erreicht sein.
Diese Entwicklung der Probandin, wie sie umfassend in den Stellungnahmen des Bezirksklinikums Regensburg und zuletzt aktuell mitgeteilt wurde, begründet die Wahrscheinlichkeit zukünftiger straffreier Führung der Probandin – auch außerhalb des Maßregelvollzuges.
Dabei verkennt die Strafvollstreckungskammer nicht, dass die Probandin zwischen dem 18.01.2012 (Strafbefehl des Amtsgerichts Schwandorf vom 19.03.2012, BZR Nr. 4) und der Tat vom 12.03.2013 (am 13.03.2013 gegen sie Haftbefehl, der vollzogen wurde) eine Fülle von (suchtbedingten) Straftaten begangen hat, wobei aber nicht unberücksichtigt zu bleiben hat, dass es sich bei den Straftaten insgesamt um solche gehandelt hat, die keineswegs in den Bereich der schweren Kriminalität reichen. Es handelt sich vielmehr nahezu durchgängig um Vermögensdelikte mit Schäden von deutlich unter 100,00 Euro.
Zu sehen war auch, dass sich die Probandin vor der Aufnahme in den Maßregelvollzug bereits mehr als vier Monate in Untersuchungshaft befunden hat.
Der derzeit stattfindende Maßregelvollzug ist für die Probandin die erste stationäre Langzeittherapie. Aus den Stellungnahmen des Bezirksklinikums ergibt sich, dass sich nach nunmehr sechs Monaten bereits erkennen lässt, dass eine greifbare Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Therapiebehandlung gegeben ist.
Damit weicht die Strafvollstreckungskammer nicht von ihrer gängigen Rechtsprechung ab, dass mit der Entscheidung über einen Widerrufsantrag nicht zuzuwarten ist, bis eine Therapie im Maßregelvollzug so weit fortgeschritten ist, dass bereits von einer günstigen Legalprognose gesprochen werden kann.
Der hier zu entscheidende Fall ist insoweit anders gelagert, als auch aufgrund der vorangegangenen Untersuchungshaft die Therapiewilligkeit und die Therapiebereitschaft der Probandin derart positiv zu bewerten sind, dass ein tatsächlicher Therapieerfolg bereits absehbar ist. Dafür spricht der Umstand, dass die Probandin bereits die Lockerungsstufe C erreicht hat und nach Auskunft der behandelnden Psychologin der Beginn der Resozialisierungsphase unmittelbar bevor steht.
Aufgrund dieser Überlegungen konnte im konkreten zu entscheidenden Fall vom grundsätzlich gebotenen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung mit der Folge eines Zwischenvollzuges abgesehen werden.
Es war jedoch gemäß § 56 f II StGB die Bewährungszeit um 1 Jahr und die Unterstellzeit auf die Dauer der verlängerten Bewährungszeit zu verlängern. Weiter waren der Probandin zusätzliche Auflagen und Weisungen im Rahmen des § 56 f II Nr. 1 StGB zu erteilen.
Darüberhinaus bleibt die Erteilung weiterer Weisungen im Hinblick auf die Zeit nach einem erfolgreichen Abschluss des Maßregelvollzuges ausdrücklich vorbehalten.
Der weitergehende Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung war zurückzuweisen.