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Rechtsfolgen Fristüberschreitung im beschleunigten Strafverfahren – Protokoll heilt nicht

Weil das Gericht die strenge Sechs-Wochen-Frist im beschleunigten Strafverfahren deutlich überschritt, stand das gesamte Urteil wegen Fahrens ohne Führerschein in Frage. Die Richter mussten nun klären, inwiefern eine Nichteinhaltung dieser Beschleunigungsfristen tatsächlich ein Verfahrenshindernis begründet.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 203 StRR 59/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
  • Datum: 07. April 2025
  • Aktenzeichen: 203 StRR 59/25
  • Verfahren: Revision
  • Rechtsbereiche: Strafverfahrensrecht, Verfahrensrecht

  • Das Problem: Eine verurteilte Person rügte, ihr Strafverfahren sei ungültig. Das Amtsgericht hatte die Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren später als erlaubt angesetzt. Sie behauptete, dieser Fristverstoß müsse zur Aufhebung des Urteils führen.
  • Die Rechtsfrage: Macht es ein Strafurteil automatisch ungültig, wenn das Gericht eine Frist für die Hauptverhandlung überschreitet oder kein formaler Eröffnungsbeschluss in den Akten liegt?
  • Die Antwort: Nein. Eine Fristüberschreitung durch das Gericht ist nur ein Verfahrensfehler, der das Verfahren nicht automatisch beendet. Der Fehler muss fristgerecht und formal richtig gerügt werden, was hier nicht geschah.
  • Die Bedeutung: Die Nichteinhaltung von Beschleunigungsfristen durch das Gericht führt nicht zur automatischen Unwirksamkeit des Verfahrens. Wer einen Verfahrensfehler geltend machen will, muss die hierfür geltenden formalen und zeitlichen Vorgaben strikt einhalten.

Der Fall vor Gericht


Kann ein protokollierter Geist ein ganzes Strafurteil kippen?

Im Protokoll der Gerichtsverhandlung stand es schwarz auf weiß: Das Verfahren gegen eine Frau, die ohne Führerschein unterwegs war, wurde mit einem Beschluss vom 29. April ordnungsgemäß eröffnet. Nur ein Problem gab es – diesen Beschluss hat nie jemand gesehen.

Der Anwalt analysiert die Protokoll-Niederschrift auf Beweiskraft, um den fehlenden Eröffnungsbeschluss festzustellen.
Protokollierter Beschluss ersetzt fehlenden Aktenbeschluss nicht; Fristfehler nicht rechtzeitig gerügt, Revision erfolglos. | Symbolbild: KI

Er existierte nicht in den Akten. Für die verurteilte Frau und ihren Anwalt war dieser protokollierte Geist der Beweis für einen kapitalen Verfahrensfehler. Ein Fehler, der ihrer Meinung nach so schwer wog, dass die Verurteilung zu vier Monaten Haft keinen Bestand haben konnte. Das Bayerische Oberste Landesgericht musste klären, ob ein Eintrag im Protokoll die Realität der Gerichtsakten aushebeln kann.

Warum baute die Verteidigung ihre Strategie auf eine verpasste Frist?

Die Argumentation der Verteidigung war eine präzise Kette von Schlussfolgerungen. Am Anfang stand ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf ein sogenanntes Beschleunigtes Verfahren. Dieses Verfahren ist für klare Fälle gedacht und soll schnell zum Ziel kommen. Die Strafprozessordnung sieht dafür vor, dass die Hauptverhandlung spätestens sechs Wochen nach Eingang des Antrags bei Gericht beginnen soll, eine Regelung aus § 418 Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO).

Das Amtsgericht verpasste diese Frist. Es setzte den Termin erst nach Ablauf der sechs Wochen an. Hier setzte die Verteidigung an. Ihr Gedanke: Diese Fristüberschreitung war keine simple Schlamperei. Sie war eine stille Weichenstellung. Das Gericht habe durch das Verstreichenlassen der Frist den Antrag auf das schnelle Verfahren Konkludent – also durch schlüssiges Handeln – abgelehnt. Damit sei der Prozess automatisch vom beschleunigten Verfahren auf die Schienen des normalen Regelverfahrens gewechselt.

Dieser angenommene Wechsel war der Kern des Arguments. Ein Regelverfahren benötigt zwingend einen förmlichen Eröffnungsbeschluss, um überhaupt gültig zu sein. Da aber alle – Staatsanwaltschaft und Gericht – von einem beschleunigten Verfahren ausgingen, hatte niemand einen solchen Beschluss erlassen. Die Schlussfolgerung der Verteidigung war glasklar: Kein Eröffnungsbeschluss, kein gültiges Verfahren. Das Urteil musste aufgehoben werden. Der merkwürdige Eintrag im Protokoll über den angeblich existierenden Beschluss war für sie nur ein weiterer Beleg für das Durcheinander des Gerichts.

Wieso konnte ein Protokoll-Eintrag einen fehlenden Beschluss nicht heilen?

Das Gericht pulverisierte diese Argumentationskette Stück für Stück. Zuerst widmete es sich der verpassten Sechs-Wochen-Frist. Die Richter stellten klar, dass es sich hierbei um eine Soll-Vorschrift handelt. Das ist eine Art Zielvorgabe für das Gericht, keine unumstößliche Deadline, deren Verletzung automatisch alles zunichtemacht. Wolle ein Gericht ein beschleunigtes Verfahren ablehnen, müsse es das aktiv tun – mit einem förmlichen Beschluss nach § 419 Absatz 2 StPO. Bloßes Zuwarten oder eine späte Terminierung reichen dafür nicht aus. Die Weiche wurde also nie auf das Regelverfahren umgestellt.

Damit fiel der wichtigste Baustein der Verteidigung weg. Das Verfahren befand sich die ganze Zeit im beschleunigten Modus, der keinen separaten Eröffnungsbeschluss erfordert. Der Blick richtete sich auf den rätselhaften Protokolleintrag. Hier war das Gericht unmissverständlich: Ein Protokoll beweist nur, was während der Verhandlung passiert und gesagt wird. Das regelt § 274 StPO. Ein Protokolleintrag kann aber keinen Beschluss erschaffen, der außerhalb der Verhandlung in den Akten gar nicht existiert. Er kann die Realität nicht ersetzen. Der protokollierte Geist blieb ein Geist – ohne rechtliche Wirkung.

War der Fehler des Gerichts am Ende juristisch folgenlos?

Die Fristüberschreitung war ein Fehler. Das bestritt auch das Gericht nicht. Die entscheidende Frage war, welche Art von Fehler es war. Die Verteidigung sah darin ein sogenanntes Verfahrenshindernis – einen so schweren Mangel, dass das Gericht ihn in jeder Instanz von sich aus beachten und das Verfahren beenden müsste.

Das Bayerische Oberste Landesgericht sah das anders und schloss sich der herrschenden Meinung an. Die Nichteinhaltung der Frist ist lediglich ein einfacher Verfahrensfehler. Solche Fehler können ein Urteil zu Fall bringen, aber nur unter einer Bedingung: Sie müssen formal korrekt und vor allem fristgerecht gerügt werden. Die Verteidigung hätte diesen Fehler explizit als Verfahrensrüge geltend machen müssen, und zwar innerhalb der einmonatigen Frist zur Begründung der Revision, festgelegt in § 345 Absatz 1 StPO.

Das hatte sie versäumt. Die Rüge kam zu spät und entsprach nicht den formalen Anforderungen des § 344 Absatz 2 Satz 2 StPO. Der Fehler des Amtsgerichts war damit juristisch nicht mehr angreifbar. Er war gewissermaßen verjährt. Die Revision der Angeklagten wurde als unbegründet verworfen. Sie muss die Kosten des Rechtsmittels tragen.

Die Urteilslogik

Die StPO beurteilt die Gültigkeit eines Strafverfahrens nach aktiven Entscheidungen und strengen formalen Beweisregeln, nicht nach passiven Versäumnissen oder dem bloßen Anschein.

  • Der Richter bestimmt das Verfahrensregime: Die bloße Überschreitung einer gesetzlichen Beschleunigungsfrist wandelt ein beschleunigtes Verfahren nicht automatisch in ein Regelverfahren um; das Gericht muss einen solchen Übergang durch einen aktiven Ablehnungsbeschluss herbeiführen.
  • Protokolle schaffen keine Realität: Das Verhandlungsprotokoll bezeugt ausschließlich Vorgänge, die tatsächlich während der Hauptverhandlung stattfanden; es kann fehlende, außerhalb der Sitzung erforderliche Beschlüsse oder Akteninhalte niemals rechtlich erschaffen oder ersetzen.
  • Fehler müssen formalisiert werden: Verfahrensfehler, die kein zwingendes Verfahrenshindernis darstellen, verfallen und werden unbeachtlich, wenn die Revision sie nicht innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist mit den strengen formalen Anforderungen der Strafprozessordnung geltend macht.

Die Nichteinhaltung zwingender Rügefristen und Formvorschriften macht selbst schwerwiegende Fehler des Gerichts im Revisionsverfahren juristisch folgenlos.


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Experten Kommentar

Manche Fehler von Gerichten sehen auf den ersten Blick aus wie ein Sechser im Lotto für die Verteidigung. Hier wurde die Beschleunigungsfrist klar verpasst – eigentlich ein klarer Fehler, den das Gericht hätte vermeiden müssen. Das Urteil legt die Messlatte für die Praxis extrem hoch: Selbst ein echter Verfahrensfehler rettet den Mandanten nicht, wenn der Anwalt die Rügefristen der Revision verpasst. Es ist eine unerbittliche Erinnerung daran, dass im Strafverfahrensrecht die Form oft wichtiger ist als der Fehler selbst, wenn man ein Urteil kippen will.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Führt eine Fristüberschreitung des Gerichts zur automatischen Ungültigkeit meines Strafurteils?

Nein, die bloße Fristüberschreitung durch das Gericht führt in der Regel nicht zur automatischen Ungültigkeit eines Strafurteils. Eine solche Verspätung, beispielsweise bei der Anberaumung eines beschleunigten Verfahrens, wird meist nur als Soll-Vorschrift angesehen. Diese Zielvorgabe soll die Beschleunigung der Justiz fördern, begründet aber kein zwingendes Verfahrenshindernis, das das gesamte Verfahren ungültig macht.

Die Nichteinhaltung der Sechs-Wochen-Frist für das beschleunigte Verfahren (§ 418 StPO) gilt nur als einfacher Verfahrensfehler. Das Gericht muss das beschleunigte Verfahren aktiv per förmlichem Beschluss ablehnen, um es in ein Regelverfahren umzuwandeln (§ 419 Abs. 2 StPO). Bloßes Zuwarten oder eine späte Terminierung reichen dafür nicht aus. Die Richter stellen in der Rechtsprechung klar, dass die Verfahrensart nicht durch Untätigkeit oder Schlamperei wechselt.

Verpasst das Gericht eine solche Frist, muss die Verteidigung den Fehler unbedingt formal geltend machen, um ihn relevant zu machen. Die Nichtbeachtung der Frist wird nur dann zu einem Angriffspunkt gegen das Urteil, wenn dieser Mangel fristgerecht als formale Verfahrensrüge innerhalb der Revisionsbegründung eingebracht wurde. Geschieht dies nicht oder mangelt es an der formalen Präzision, bleibt der Fehler juristisch folgenlos.

Überprüfen Sie mit Ihrem Anwalt, ob der festgestellte Fristfehler formal korrekt als Verfahrensrüge in der Revisionsbegründung fristgerecht geltend gemacht wurde.


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Kann ein protokollierter, aber fehlender Beschluss mein Strafverfahren ungültig machen?

Nein, ein bloßer Eintrag im Verhandlungsprotokoll kann das Fehlen eines formal notwendigen Dokuments in den Akten nicht ersetzen. Protokolle beweisen ausschließlich, welche Aussagen und Vorgänge während der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Ein schriftlicher Beschluss, der physisch nicht in der Akte existiert, wird durch einen Protokolleintrag nicht nachträglich rechtlich wirksam. Juristen bezeichnen dies treffend als einen protokollierten Geist.

Die Protokollbeweiskraft ist gemäß § 274 StPO klar auf die Wiedergabe des Geschehens in der Hauptverhandlung beschränkt. Das Protokoll legt Rechenschaft über Anträge, Zeugenaussagen und Erklärungen ab, die unmittelbar vor Gericht erfolgten. Es ist nicht dazu geeignet, Entscheidungen oder Dokumente zu erschaffen, die außerhalb der mündlichen Verhandlung hätten erstellt werden müssen. Die physische Aktenlage hat somit Vorrang vor einem nachträglichen Eintrag, wenn dieser die Existenz früherer richterlicher Verfügungen belegen soll.

Dieser Mangel wird nur dann relevant, wenn das Gericht das Verfahren im Modus des Regelverfahrens führte. Ein Regelverfahren benötigt zwingend einen förmlichen Eröffnungsbeschluss, um überhaupt gültig zu sein. Das beschleunigte Verfahren ist von dieser Pflicht jedoch explizit ausgenommen. Ein protokollierter Hinweis auf einen vermeintlich existierenden Beschluss, der nicht in der Akte zu finden ist, kann daher das Urteil nicht automatisch zu Fall bringen.

Verlangen Sie eine akribische, physische Einsichtnahme in die gesamten Gerichtsakten, um sicherzustellen, dass die gesamte Aktenführung den formalen Anforderungen des jeweiligen Verfahrens entspricht.


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Wie und wann muss ich einen Verfahrensfehler rügen, um mein Urteil anzufechten?

Um einen Verfahrensfehler erfolgreich anzufechten, müssen Sie extrem strenge formale Vorgaben einhalten. Die Rüge muss fristgerecht und explizit erfolgen, da das Revisionsgericht formlose Hinweise oder allgemeine Beschreibungen ignoriert. Juristisch gesehen ist der teuerste Fehler eine mangelhafte Ausgestaltung der Rüge. Vertrauen Sie niemals darauf, dass das Gericht den Fehler automatisch korrigiert.

Sie müssen den einfachen Verfahrensfehler spätestens innerhalb der einmonatigen Frist zur Einreichung der Revisionsbegründung geltend machen. Diese Frist ist in § 345 Absatz 1 StPO festgelegt. Verpassen Sie diese kurze Zeitspanne, gilt der Mangel als nicht gerügt. Der Fehler ist dann gewissermaßen „verjährt“ und das höhere Gericht darf ihn nicht mehr prüfen. Die formellen Anforderungen an diesen Schriftsatz sind äußerst hoch.

Die Verfahrensrüge erfordert eine hochpräzise Formdarstellung nach § 344 Absatz 2 Satz 2 StPO. Sie müssen die genaue verletzte Rechtsnorm, den konkreten Verfahrensablauf und die Kausalität zwischen dem Fehler und dem ergangenen Urteil belegen. War der festgestellte Fehler ursächlich für Ihre Verurteilung? Eine unvollständige oder zu allgemeine Beschreibung des Mangels führt ebenso zur Unbeachtlichkeit des Fehlers.

Lassen Sie Ihren Anwalt die exakte Einhaltung der Revisionsfrist und die Präzision der Verfahrensrüge anhand des eingereichten Schriftsatzes dringend überprüfen.


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Ist ein Strafurteil ohne formalen Eröffnungsbeschluss überhaupt noch gültig?

Die Gültigkeit eines Strafurteils ohne förmlichen Eröffnungsbeschluss hängt entscheidend von der Art des geführten Verfahrens ab. In der Praxis ist das Urteil gültig, wenn das Gericht den Prozess im Modus des beschleunigten Verfahrens geführt hat. Diese spezifische Verfahrensart ist von der Pflicht eines gesonderten, formalen Beschlusses explizit ausgenommen, da der Fokus auf Geschwindigkeit liegt.

Der Eröffnungsbeschluss ist nur im klassischen Regelverfahren der Strafprozessordnung zwingend vorgeschrieben. Er markiert den Übergang vom Ermittlungsverfahren in das Hauptverfahren. Im Gegensatz dazu wird das beschleunigte Verfahren (§§ 417 ff. StPO) direkt durch die Anberaumung des Hauptverhandlungstermins eröffnet. Dadurch erspart sich die Justiz diesen formalen Zwischenschritt, was die schnelle Durchführung des gesamten Prozesses sicherstellt.

Der fehlende Beschluss wird erst dann zu einem relevanten Mangel, wenn das Gericht das beschleunigte Verfahren aktiv abgelehnt und somit auf das Regelverfahren umgestellt hat (§ 419 StPO). Wichtig: Eine Fristüberschreitung des Gerichts, etwa bei der Terminierung, führt nicht automatisch zu dieser Umstellung. Solange das Gericht den Wechsel nicht formal beschließt, bleibt der Prozess im beschleunigten Modus, welcher den Beschluss nicht voraussetzt.

Prüfen Sie deshalb umgehend anhand des Antrags der Staatsanwaltschaft, ob Ihr Verfahren als beschleunigtes Verfahren oder als formpflichtiges Regelverfahren geführt wurde.


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Wann ist ein Verfahrensfehler des Gerichts juristisch verjährt und nicht mehr anfechtbar?

Die Anfechtbarkeit eines gerichtlichen Fehlers hängt entscheidend von seiner juristischen Kategorisierung ab. Ein einfacher Verfahrensfehler ist juristisch „verjährt“ und damit nicht mehr anfechtbar, sobald die Revisionsfrist abgelaufen ist. Diese Frist beträgt einen Monat für die Einreichung der Revisionsbegründung (§ 345 StPO). Hat die Verteidigung den Fehler nicht formal als Verfahrensrüge eingebracht, gilt er als unbeachtlich.

Die Strafprozessordnung unterscheidet streng zwischen einfachen Fehlern und zwingenden Verfahrenshindernissen. Fehler wie die Nichteinhaltung gerichtsinterner Soll-Vorschriften oder Fristüberschreitungen fallen in die erste Kategorie. Das Revisionsgericht prüft solche einfachen Mängel nicht von Amts wegen. Die Verteidigung muss den Verfahrensfehler aktiv, formal korrekt und vor allem innerhalb der gesetzlichen Frist rügen. Unterbleibt diese formal korrekte Rüge, kann der Fehler das Urteil später nicht mehr zu Fall bringen.

Eine wichtige Ausnahme bilden jedoch sogenannte Verfahrenshindernisse, welche die Justiz jederzeit von Amts wegen beachten muss. Hierzu gehören beispielsweise die fehlende sachliche Zuständigkeit des Gerichts oder die bereits eingetretene Verjährung der angeklagten Tat. Diese schweren Mängel führen zur zwingenden Einstellung des Verfahrens und „verjähren“ nicht aufgrund einer versäumten Rügefrist der Verteidigung.

Wenn die gesetzliche Rügefrist verstrichen ist, lassen Sie den entdeckten Mangel dringend daraufhin prüfen, ob er als zwingendes, jederzeit beachtliches Verfahrenshindernis eingestuft werden kann.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Beschleunigtes Verfahren

Das beschleunigte Verfahren (§§ 417 ff. StPO) ist eine spezifische Verfahrensart im Strafrecht, die darauf abzielt, klare und einfache Sachverhalte ohne unnötige Formalien besonders schnell abzuhandeln. Durch den Wegfall formaler Zwischenschritte, wie dem gesonderten Eröffnungsbeschluss, spart die Justiz wertvolle Zeit und sorgt für eine zeitnahe Reaktion auf die angeklagte Tat.

Beispiel: Im vorliegenden Fall beantragte die Staatsanwaltschaft ein beschleunigtes Verfahren, weil die Sachlage der Fahrt ohne Führerschein als einfach und beweisbar galt.

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Förmlicher Eröffnungsbeschluss

Ein förmlicher Eröffnungsbeschluss ist eine richterliche Entscheidung, die im normalen Regelverfahren das Ende des Ermittlungsverfahrens markiert und damit das Hauptverfahren formell einleitet. Juristen benötigen diesen Beschluss zwingend, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und klarzustellen, welche konkreten Anklagepunkte vor Gericht verhandelt werden dürfen.

Beispiel: Da die Verteidigung argumentierte, der Prozess sei auf das Regelverfahren umgestellt worden, war das Fehlen eines förmlichen Eröffnungsbeschlusses der zentrale Angriffspunkt gegen die Gültigkeit des Urteils.

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Konkludent

Wenn Juristen von konkludentem Handeln sprechen, meinen sie eine Willenserklärung, die nicht ausdrücklich durch Worte, sondern stillschweigend durch das Verhalten oder schlüssiges Handeln abgegeben wird. Dieses Prinzip erlaubt es dem Recht, Situationen zu bewerten, in denen eine Absicht klar erkennbar ist, selbst wenn keine formale Mitteilung vorliegt.

Beispiel: Die Verteidigung versuchte, die Fristüberschreitung des Amtsgerichts als konkludente Ablehnung des schnellen Verfahrens und somit als automatische Umstellung auf das Regelverfahren zu interpretieren.

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Protokollbeweiskraft

Die Protokollbeweiskraft legt fest, dass ein Gerichtsprotokoll gemäß § 274 StPO nur beweist, was tatsächlich während der Hauptverhandlung geschah, gesagt oder beschlossen wurde. Das Gesetz sichert damit die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit des schriftlichen Verlaufs der mündlichen Verhandlung, kann aber keine Dokumente erschaffen, die außerhalb des Saales hätten existieren müssen.

Beispiel: Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte fest, dass die Protokollbeweiskraft den angeblich existierenden Beschluss, der nur als „protokollierter Geist“ in den Akten fehlte, nicht nachträglich heilen konnte.

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Soll-Vorschrift

Eine Soll-Vorschrift definiert eine Zielvorgabe oder einen Richtwert für das Gericht, dessen Nichteinhaltung zwar einen Fehler darstellt, aber nicht automatisch zur Ungültigkeit des gesamten Verfahrens führt. Im Gegensatz zu einer zwingenden Muss-Vorschrift hat die Justiz bei der Einhaltung der Frist einen gewissen Ermessensspielraum, sodass der Verfahrensfehler heilbar bleibt.

Beispiel: Die Frist von sechs Wochen für die Anberaumung des beschleunigten Verfahrens ist lediglich eine Soll-Vorschrift, weshalb die spätere Terminierung das Verfahren nicht automatisch beendete.

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Verfahrenshindernis

Ein Verfahrenshindernis ist ein so schwerwiegender Mangel im Prozess, dass er die Durchführung des Verfahrens unmöglich macht und vom Gericht zu jeder Zeit von Amts wegen beachtet werden muss. Diese schweren Mängel dienen dem Schutz grundlegender Prozessprinzipien; ein Verfahren muss beispielsweise bei eingetretener Verjährung oder fehlender Zuständigkeit zwingend eingestellt werden.

Beispiel: Die Verteidigung sah in der Fristüberschreitung des Amtsgerichts ein Verfahrenshindernis, um eine zwingende Aufhebung des Urteils in jeder Instanz zu erreichen.

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Verfahrensrüge

Als Verfahrensrüge bezeichnen wir ein formal extrem anspruchsvolles Rechtsmittel in der Revision, mit dem die Verteidigung die Verletzung einer konkreten prozessualen Vorschrift im Urteilsprozess geltend macht. Sie dient dazu, einfache Verfahrensfehler, die nicht automatisch beachtet werden, für das Revisionsgericht überprüfbar zu machen und erfordert die präzise Darstellung der Kausalität zum Urteil.

Beispiel: Die Revision der Angeklagten scheiterte, weil die Verteidigung den einfachen Verfahrensfehler nicht formal korrekt und fristgerecht als Verfahrensrüge innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist geltend gemacht hatte.

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Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 203 StRR 59/25 – Beschluss v. 07.04.2025


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