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Verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge

Landgericht Augsburg: Raserei endet tödlich – Haftstrafe für illegales Tuning

In einem Fall des Landgerichts Augsburg (Az.: 1 KLs 600 Js 128210/22) wurde der Angeklagte Anthofer G. J. für schuldig befunden, an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen teilgenommen zu haben, das mit Todesfolge und fahrlässiger Körperverletzung endete. Die Teilnahme an einem illegalen Rennen, die überhöhte Geschwindigkeit, das Bewusstsein für die potenzielle Gefährdung anderer und der resultierende Unfall, der zum Tod einer Person führte und zwei weitere verletzte, führten zu einer Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, Führerscheinentzug und der Übernahme der Verfahrenskosten durch den Angeklagten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 KLs 600 Js 128210/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Angeklagte Anthofer G. J. wurde wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und fahrlässiger Körperverletzung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
  • Durch überhöhte Geschwindigkeit und bewusstes Ignorieren der Verkehrsregeln verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug, was zu einem tödlichen Unfall führte.
  • Ein Beifahrer starb, zwei weitere Personen wurden verletzt.
  • Der Führerschein des Angeklagten wurde entzogen, und eine neue Fahrerlaubnis darf ihm für mindestens vier Jahre nicht erteilt werden.
  • Der Angeklagte muss die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger tragen.
  • Technische Untersuchungen ergaben, dass Modifikationen am Fahrzeug die Betriebserlaubnis erlöschen ließen.
  • Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt lag weit über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
  • Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war zum Zeitpunkt der Tat nicht eingeschränkt.

Tödliche Raserei auf öffentlichen Straßen

Mit hoher Geschwindigkeit durch Städte und Dörfer rasen – was für manche ein Kick ist, kann für andere zur tödlichen Gefahr werden. Verbotene Kraftfahrzeugrennen auf öffentlichen Straßen sind keine Kavaliersdelikte. Sie stellen eine enorme Bedrohung für alle Verkehrsteilnehmer dar und enden nicht selten in fatalen Unfällen mit Todesfolge.

Solche Rennen sind per Gesetz verboten, da die Fahrzeugführer durch die bewusste Missachtung von Tempolimits vorsätzlich Leben und Gesundheit anderer aufs Spiel setzen. Die potenziellen Folgen sind immens: Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen jahrelange Haftstrafen, der Entzug der Fahrerlaubnis sowie Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe.

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➜ Der Fall im Detail


Der Fall: Verlust eines Lebens durch rücksichtslose Geschwindigkeit

Am 16. November 2023 fiel am Landgericht Augsburg das Urteil in einem erschütternden Fall von verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge.

Illegales Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge
illegales Autorennen: Strafmaß nach tödlichem Unfall verkündet (Symbolfoto: Vlasov Yevhenii /Shutterstock.com)

Der Angeklagte, Anthofer G. J., führte ein Fahrzeug mit unangepasster, deutlich zu hoher Geschwindigkeit, was schließlich zum Tod einer jungen Frau führte. Über Jahre hinweg betreute G. J. den Mercedes GL63 AMG der WHZ Immobilien UG & Co. KG und nahm unprofessionelle Modifikationen am Fahrzeug vor, welche die Höchstgeschwindigkeit auf 325 km/h steigerten, ohne dass eine offizielle Leistungssteigerung durch Brabus dokumentiert war. Diese Fahrlässigkeit kulminierte am 26. August 2022 in einem dramatischen Unfall.

Urteil und Sanktionen: Deutliche Konsequenzen für den Angeklagten

Das Gericht verurteilte G. J. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Zudem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen, und ihm wurde auferlegt, die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen. Dieses Urteil reflektiert die Schwere des Vergehens und die tragischen Konsequenzen seiner rücksichtslosen Handlungen.

Die Entscheidungsgrundlage: Juristische Bewertung des Falls

Die Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass der Angeklagte mit grober Fahrlässigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gehandelt hatte. Besonders hervorzuheben ist, dass der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit seines Handelns hinausging, indem er das Fahrzeug bewusst über die Grenzen der Beherrschbarkeit hinaus beschleunigte. Die juristische Bewertung des Falles beinhaltete die detaillierte Analyse der Geschwindigkeitsüberschreitung, der Modifikationen am Fahrzeug und des daraus resultierenden Verlusts der Betriebserlaubnis.

Die Beweisaufnahme: Technische und medizinische Gutachten

Für die Urteilsfindung waren insbesondere die technischen Untersuchungen des Fahrzeugs und die rechtsmedizinische Analyse der Verletzungen der verstorbenen Beifahrerin von Bedeutung. Die Gutachten bestätigten die unprofessionellen Modifikationen am Fahrzeug und die direkte Ursache der tödlichen Verletzungen durch die hohe Geschwindigkeit und den daraus resultierenden Kontrollverlust über das Fahrzeug.

Reflexion und Ausblick: Ein Präzedenzfall mit Botschaft

Dieses Urteil sendet eine klare Botschaft über die Verantwortung von Fahrzeugführern und die potenziell tödlichen Folgen von Fahrlässigkeit und Übermut im Straßenverkehr. Es verdeutlicht die Notwendigkeit einer strengen Regulierung und Überwachung von Fahrzeugmodifikationen sowie die Bedeutung der Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was sind die rechtlichen Konsequenzen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge?

Verbotene Kraftfahrzeugrennen sind seit 2017 durch § 315d StGB unter Strafe gestellt. Demnach macht sich strafbar, wer:

  1. ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt
  2. als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Rennen teilnimmt
  3. sich als Fahrer grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen

Das Strafmaß reicht bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Kommt es dabei zu einer konkreten Gefährdung von Leib, Leben oder fremden Sachen von bedeutendem Wert, erhöht sich die Strafe auf bis zu 5 Jahre.

Tritt bei einem verbotenen Rennen sogar der Tod eines Menschen ein, kann dies als Mord in Tateinheit mit einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge gewertet werden. In einem Urteil des LG Kleve wurde der Haupttäter zu lebenslanger Haft verurteilt, ein Mittäter zu 3 Jahren und 9 Monaten. Beiden wurde zudem für mehrere Jahre die Fahrerlaubnis entzogen.

Neben strafrechtlichen drohen auch führerscheinrechtliche Konsequenzen wie Fahrverbote oder der Entzug der Fahrerlaubnis. Auch die Einziehung des Tatfahrzeugs ist möglich, wenn der Straftatbestand erfüllt ist.

Die Einziehung des Tatfahrzeugs erfolgt immer dann, wenn das Gericht zu der Überzeugung gekommen ist, einen Raser vor sich zu haben, der sein Fahrzeug zur Begehung von Straftaten missbraucht. Dabei muss sich die Entscheidung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren.

Da es sich um einen recht neuen und komplexen Straftatbestand handelt, ist im Einzelfall die Beurteilung durch einen Fachanwalt für Strafrecht ratsam, um den Sachverhalt korrekt einzuordnen und den Beschuldigten bestmöglich zu beraten.

Zusammengefasst drohen bei einem illegalen Autorennen mit Todesfolge sehr harte Strafen bis hin zu lebenslanger Haft, da die Rechtsprechung hier ein klares Zeichen gegen die Raserei im Straßenverkehr setzen will. Neben dem Strafmaß kommen einschneidende Maßnahmen wie Führerscheinentzug und Fahrzeugbeschlagnahmung hinzu.

Wie wird fahrlässige Tötung im Straßenverkehr rechtlich bewertet?

Eine fahrlässige Tötung im Straßenverkehr wird nach § 222 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Täter die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, ohne dass er den Tod eines anderen vorsätzlich herbeiführen wollte.

Ob eine fahrlässige Tötung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich muss der Fahrer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt haben. Dafür gibt es verschiedene Anhaltspunkte:

  • Grobe Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung wie bedeutende Geschwindigkeitsüberschreitungen, Rotlichtmissachtung oder Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss
  • Riskante Fahrmanöver wie dichtes Auffahren, riskantes Überholen oder Fahren mit defekten Bremsen
  • Unaufmerksamkeit durch Ablenkung, etwa durch Smartphone-Nutzung am Steuer

Kommt es aufgrund solch eines Fehlverhaltens zu einem tödlichen Unfall, kann eine fahrlässige Tötung in Betracht kommen. Dabei prüft das Gericht, ob der Tod bei pflichtgemäßem Alternativverhalten vermeidbar gewesen wäre.

Neben der strafrechtlichen Sanktion drohen dem Verursacher auch führerscheinrechtliche Konsequenzen. Oft wird die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist verhängt. Die Länge bemisst sich an der Schwere des Verschuldens.

Zudem bestehen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Hinterbliebenen aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB. Auch Unterhaltsansprüche nach § 844 BGB können geltend gemacht werden.

Im Ergebnis setzt der Tatbestand der fahrlässigen Tötung ein hohes Maß an Sorgfaltspflichtverletzung voraus. Liegt ein entsprechend gravierendes Fehlverhalten vor, drohen dem Verursacher strafrechtliche Verurteilung, Führerscheinverlust und zivilrechtliche Haftung. Daher ist äußerste Vorsicht im Straßenverkehr geboten, um tödliche Unfälle zu vermeiden.

Welche Rolle spielen technische Modifikationen an Fahrzeugen bei der rechtlichen Bewertung von Unfällen?

Technische Modifikationen an Fahrzeugen können bei der rechtlichen Bewertung von Unfällen eine entscheidende Rolle spielen. Grundsätzlich gilt: Jede bauliche Veränderung am Fahrzeug muss von einer Prüforganisation wie dem TÜV abgenommen und in den Fahrzeugpapieren eingetragen werden.

Wird ein Fahrzeug ohne Abnahme und Eintragung umgebaut, erlischt die Betriebserlaubnis. Das bedeutet, es darf nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden. Geschieht dies trotzdem und es kommt zu einem Unfall, kann das gravierende Folgen haben:

  • Die Kfz-Versicherung kann die Leistung verweigern, da formell kein versichertes Fahrzeug mehr vorliegt. Der Fahrer bleibt dann auf dem Schaden sitzen.
  • Wenn die Modifikation ursächlich für den Unfall war, drohen dem Fahrer strafrechtliche Konsequenzen wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung.
  • Auch zivilrechtlich kann der Fahrer in Regress genommen werden, wenn andere geschädigt wurden.
  • Bei einem Unfall mit Personenschaden kommt zudem eine Strafbarkeit wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d StGB in Betracht, wenn die Modifikationen der Erzielung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit dienten.

Aber selbst legal abgenommene Umbauten können sich negativ auswirken: Manche Versicherungen schließen getunete Fahrzeuge in ihren Policen aus. Kommt es mit einem solchen Wagen zu einem Unfall, kann sich der Versicherungsschutz reduzieren.

Letztlich ist jeder Fahrzeughalter selbst dafür verantwortlich, nur mit einem vorschriftsmäßigen und versicherten Fahrzeug am Straßenverkehr teilzunehmen. Eigenmächtige Modifikationen ohne Abnahme sind ein hohes Risiko – nicht nur technisch, sondern auch rechtlich.

Inwiefern trägt die Geschwindigkeitsüberschreitung zur rechtlichen Einschätzung von Kraftfahrzeugrennen bei?

Die Geschwindigkeitsüberschreitung spielt eine zentrale Rolle bei der rechtlichen Einschätzung von verbotenen Kraftfahrzeugrennen. Sie ist ein wesentliches Kriterium für die Strafbarkeit nach § 315d StGB.

Schon das Erreichen einer höchstmöglichen Geschwindigkeit durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Fahren erfüllt den Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens, auch ohne Wettbewerbsabsicht. Dabei kommt es nicht auf eine absolute Geschwindigkeit an, sondern auf eine relative Überschreitung, die nach den konkreten Umständen nicht mehr beherrschbar ist.

Je höher die gefahrene Geschwindigkeit über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt, desto schwerer wiegt der Verstoß. Denn mit zunehmender Geschwindigkeit steigen die Anforderungen an Reaktionsvermögen, Fahrzeugbeherrschung und Bremsweg. Schon leichte Fahrfehler können fatale Folgen haben.

Kommt es aufgrund überhöhter Geschwindigkeit zu einer konkreten Gefährdung von Leib, Leben oder Eigentum, erhöht sich der Strafrahmen von 2 auf 5 Jahre. Treten sogar Verletzungen oder der Tod anderer ein, kann dies als gefährliche oder fahrlässige Körperverletzung bzw. Tötung gewertet werden.

Auch für die Strafzumessung ist die Geschwindigkeitsüberschreitung relevant. Je gravierender der Verstoß, desto höher fällt die Strafe aus. Dabei berücksichtigen Gerichte auch die Motive des Täters. Geschah die Raserei aus reiner Selbstüberschätzung und Imponiergehabe, wird dies strafschärfend gewertet.

Selbst wenn es nicht zum Unfall kommt, drohen empfindliche Geldbußen und Fahrverbote nach dem Bußgeldkatalog. Ab einer Überschreitung von 70 km/h außerorts oder 50 km/h innerorts gilt dies als Straftat und führt zum Entzug der Fahrerlaubnis.

Zusammengefasst ist die Geschwindigkeitsüberschreitung das zentrale Element für die rechtliche Bewertung verbotener Autorennen. Je höher die Geschwindigkeit und je gravierender die Folgen, desto härter fallen die strafrechtlichen und führerscheinrechtlichen Konsequenzen aus. Daher sollten Höchstgeschwindigkeiten unbedingt eingehalten werden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 315d Abs. 1 und 5 StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen und schwere Gesundheitsschädigung): Dieser Paragraph regelt die Strafbarkeit von verbotenen Kraftfahrzeugrennen. Besonders relevant ist hierbei die schwere Gesundheitsschädigung als Folge eines solchen Rennens, was im Falle des vorliegenden Unfalls zutrifft, da eine Person tödlich verletzt wurde.
  • § 222 StGB (Fahrlässige Tötung): Erklärt die Strafbarkeit bei der Verursachung des Todes eines Menschen durch Fahrlässigkeit. Im Kontext des Falles ist dies relevant, da der Fahrer durch sein rücksichtsloses Verhalten den Tod einer Beifahrerin verursachte.
  • § 3 Abs. 1 StVO (Geschwindigkeitsüberschreitung): Legt fest, dass Fahrzeugführer nur so schnell fahren dürfen, dass sie ihr Fahrzeug ständig beherrschen können. Im vorliegenden Fall wurde gegen dieses Gebot durch eine deutlich überhöhte Geschwindigkeit verstoßen.
  • § 21 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis): Im Urteil wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen, was die Relevanz dieses Paragraphen unterstreicht, insbesondere im Hinblick auf die zukünftige Verhinderung ähnlicher Taten.
  • § 69 StGB (Entziehung der Fahrerlaubnis): Dieser Paragraph regelt die Entziehung der Fahrerlaubnis bei bestimmten Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs stehen. Im Fall wurde die Fahrerlaubnis des Täters entzogen, was die Anwendung dieses Paragraphen zeigt.
  • § 226 Abs. 1 StGB (Schwere Körperverletzung): Obwohl im spezifischen Fall nicht direkt angewandt, ist dieser Paragraph dennoch relevant für die juristische Einordnung schwerer Gesundheitsschädigungen, die durch die Handlungen des Angeklagten verursacht wurden.


Das vorliegende Urteil

LG Augsburg – Az.: 1 KLs 600 Js 128210/22 – Urteil vom 16.11.2023

Leitsätze:

1. Für ein „Sich-Fortbewegen als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit“ ist in Anlehnung an § 3 Abs. 1 StVO grundsätzlich „jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit“ ausreichend. Eine grobe Verkehrswidrigkeit kann sich bereits aus dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung ergeben.

2. Ein Gefährdungsvorsatz iSd § 315d Abs. 2 StGB liegt dann vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet. Die Vorstellung des Täters muss sich hierbei nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen dem tatsächlich eingetretenen (Beinahe-) Unfall entspricht.

3. War dem Angeklagten eine mögliche Gefährdung der Fahrzeuginsassen bewusst, erkannte er gleichzeitig auch den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns (Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes), denn eine Gefährdung ist nichts anderes als die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung. Dagegen ist das gleichgültige Sich-Abfinden mit der Schaffung einer konkreten, kritischen Gefährdungslage gerade nicht mit dem Sich-Abfinden mit einer tatsächlichen Verletzung des gefährdeten Objekts gleichzusetzen (Willenselement).

4. Unter einer schweren Gesundheitsschädigung iSd § 315d Abs. 5 StGB sind Beeinträchtigungen zu verstehen, die den in § 226 Abs. 1 StGB bezeichneten schweren Folgen in Dauer und Schweregrad gleichkommen. Die in § 226 Abs. 1 StGB bezeichneten schweren Folgen müssen hierbei von längerer Dauer sein, wobei dies nicht mit Unheilbarkeit gleichzusetzen ist. Es genügt, wenn die Behebung bzw. nachhaltige Verbesserung des ‒ länger währenden ‒ Krankheitszustands nicht abgesehen werden kann.

I. Der Angeklagte Anthofer G. J., geb. am … 1968 in A., ist schuldig des verbotenen Kraftfahrzeugrennens in Tatmehrheit mit verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen.

II. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

5 Jahren

verurteilt.

III. Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis entzogen. Sein Führerschein wird eingezogen. Vor Ablauf von 4 Jahren darf ihm die Verwaltungsbehörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen.

IV. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, seine notwendigen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

A) Persönliche Verhältnisse

I. Lebensweg

Der Angeklagte wurde am … 1968 als erstes von zwei Kindern seiner verheirateten Eltern geboren. Seine Kindheit verlief harmonisch. Der Angeklagte wohnte fast sein gesamtes bisheriges Leben in der elterlichen Wohnung. Der Angeklagte hat eine sechs Jahre jüngere Schwester, welche einen 2004 geborenen Sohn hat. Der Neffe des Angeklagten lebte aufgrund einer Alkoholerkrankung seiner Mutter seit seiner Kindheit bei dem Angeklagten und seinen Eltern. Die Mutter des Angeklagten verstarb 2017 an Unterleibskrebs; er pflegte diese bis zu ihrem Tod zusammen mit seiner Familie. Zu seinem Vater und seinem Neffen bestand ein enges Verhältnis, er lebte mit diesen gemeinsam bis zuletzt in der elterlichen Wohnung. Nach der Tat im August 2022 bis November 2022 lebte er kurzzeitig mit seiner damaligen Verlobten in Bl., besaß aber nach wie vor ein Zimmer in der elterlichen Wohnung. Seine Verlobte, vor welcher der Angeklagte etwa 18 Jahre keine Beziehung führte, verließ ihn im November 2022. Der Angeklagte eröffnete mit 49 Jahren erstmals ein eigenes Girokonto; davor lief jeglicher digitaler Zahlungsverkehr über das gemeinsame Familienkonto.

Der Angeklagte besuchte in A. die Grundschule und die Hauptschule. Die Hauptschule verließ der Angeklagte ohne Abschluss bereits nach der 8. Klasse, um eine Lehre als KfzMechaniker zu beginnen, welche er erfolgreich abschloss. Nachdem er etwa vier Jahre in diesem Bereich tätig war, erhielt er von dem Personalchef einer Nähfadenfabrik, einem Freund der Familie, ein Jobangebot. Dieses nahm der Angeklagte an, weil er dort doppelt so viel verdiente wie vorher als Kfz-Mechaniker, nämlich knapp 3000 Mark. Dort arbeitete er 15 Jahre, bis er aufgrund einer Biszepssehnen-Ruptur länger ausfiel und deshalb den Betrieb mit einer Abfindung verließ. Nachdem er zwei Jahre bei einer Waschanlage gearbeitet hatte, wurde er im Kfz-Betrieb seines Vaters in A.-G. angestellt. Nach dem Tod seiner Mutter machte sich der Angeklagte 2017 mit einem eigenen Kfz-Betrieb selbständig, wofür er zum Preis von 425 Euro monatlich einen Teil einer Scheune in T. anmietete.

Er verdiente mit dieser Werkstatt bis zu seiner Inhaftierung 1400 Euro netto. Für sein Zimmer in der elterlichen Wohnung bezahlte er nur die Nebenkosten. Der Angeklagte hat weder Vermögen noch Schulden, wobei davon auszugehen ist, dass demnächst zivilrechtliche Forderungen aufgrund der gegenständlichen Tat an ihn gestellt werden.

II. Suchtmittelkonsum, Erkrankungen

Der Angeklagte raucht regelmäßig Nikotinzigaretten, seit er 18 Jahre alt ist, derzeit ca. 30 Zigaretten täglich. Der Angeklagte konsumierte Alkohol nur zu besonderen Anlässen, etwa zu Silvester und an seinem Geburtstag, hierbei jedoch nie hochprozentigen Alkohol. Betäubungsmittel konsumierte der Angeklagte noch nie.

Beim Angeklagten bestehen keine erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, mit Ausnahme seines Übergewichts. Bis vor zwei Jahren wog er 185 kg, derzeit 111 kg. Aufgrund seines Übergewichts leidet er an Knieschmerzen. Der Angeklagte nimmt keine Medikamente und befand sich noch nie in psychotherapeutischer oder psychiatrischer Behandlung. Zu keiner Zeit in seinem Leben kam es zu gravierenden Erkrankungen oder Unfällen, insbesondere nicht unter Beteiligung des Kopfes.

III. Voreintragungen

Der Auszug aus dem Bundeszentralregister des Angeklagten vom 16.08.2023 enthält keine Eintragung. Der Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 17.08.2023 enthält lediglich eine Eintragung aufgrund der wegen der Tat vom 26.08.2022 erfolgten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO. Der Führerschein des Angeklagten wurde insoweit am 30.08.2022 sichergestellt.

IV. Haftdaten

Der Angeklagte wurde am 11.05.2023 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 11.05.2023 aufgrund Untersuchungshaftbefehls des Landgerichts Augsburg vom 09.05.2023 ununterbrochen in Untersuchungshaft in der JVA A.-G..

B) Sachverhalt

I. Tatörtlichkeit

Bei beiden Taten befuhr der Angeklagten im Wesentlichen dieselbe innerorts gelegene Strecke, welche im Folgenden vorangestellt näher beschrieben wird:

Die Strecke beginnt an der Tankstelle (damals AR., jetzt Al.) am G1. Weg 83 in 8… A1.. Wenn das Tankstellengelände am G1. Weg nach rechts verlassen wird, mündet der G1. Weg nach wenigen Metern in die S1. Straße. Wenn man sodann an dieser Kreuzung links abbiegt, befindet man sich in einer Rechtskurve, welche in einem Kurvenradius von etwa 123 m verläuft – etwa auf Höhe der Mitte dieser Rechtskurve befindet sich eine Kreuzung mit Ampelanlagen, rechtsseitig mit Auffahrten auf die B17. Kurz nach der Kreuzung geht die Rechtskurve unmittelbar in eine Linkskurve mit einem Kurvenradius von etwa 138 m über. Nach dem Ende dieser Kurve verläuft die S1. Straße wieder gerade und an dieser Stelle beginnt, umzäunt durch einen Holzzaun, rechtsseitig neben dem Gehweg an der Straße der Parkplatz des Möbelhauses I…,O. Straße 99 in 8… G2.. Nach etwa 100 Metern befindet sich die Kreuzung mit der Ausfahrt aus dem I…-Parkplatz, durch eine Ampel gesichert. Nach weiteren etwa 500 Metern befindet man sich auf Höhe der I1. Schule A.(W. Straße 1a in 8… G2.).

Auf der gesamten Strecke galt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.

II. Vorgeschichte

Der Angeklagte wurde seit 2020 von der Halterfirma des Pkw Mercedes GL63 AMG (amtliches Kennzeichen … FIN: …), WHZ Immobilien UG & Co. KG, N.-Str. 10 in … U., damit beauftragt, fällige Wartungs- und Servicearbeiten an deren Pkws, unter anderem am dem genannten Pkw Mercedes, vorzunehmen, welche er in seiner Werkstatt in T. durchführte. Der Fuhrparkleiter und Teilhaber dieser Firma, H. T., beauftragte den Angeklagten etwa zwei Jahre vor der Tat zudem damit, bei dem Pkw Mercedes, welcher eine Leistung von 410 kW hat, was etwas mehr als 557 PS entspricht, ein Leistungssteigerungskit der Stufe 1 der Firma B1. einbauen zu lassen. Der Angeklagte gab gegenüber dem Zeugen T1. in der Folge bewusst wahrheitswidrig an, dass die Leistungssteigerung ordnungsgemäß eingebaut worden war. Tatsächlich waren lediglich unsachgemäß Modifikationen an Kennfeldern des Motorsteuergeräts durchgeführt worden, was zur Folge hatte, dass die maximal mögliche Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h auf 325 km/h angehoben wurde. Bereits mit der Basisversion des Fahrzeugs ist eine Beschleunigung von 0 km/h auf 100 km/h in nur 4,9 Sekunden möglich, wobei der Mercedes ein Leergewicht von 2.580 Kilogramm aufweist. Aufgrund dieser Modifikationen war, wie dem Angeklagten auch bewusst war, die Betriebserlaubnis des Pkws erloschen.

III. Fahrt im Oktober 2021

1. Tatgeschehen

Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt kurz nach dem 15.10.2021, jedenfalls noch im Oktober 2021, unternahm der Angeklagte in den Abendstunden zwischen 17:00 Uhr und 24:00 Uhr mit dem Zeugen J1. R1. als Beifahrer eine Fahrt mit dem Pkw Mercedes GL63 AMG. Der Angeklagte fuhr von der AR.-Tankstelle im G1. Weg 83 in 8… A1. los und bog an der Kreuzung G1. Weg / S1. Straße nach links ab, wobei er sogleich unter grober Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt das Gaspedal voll durchtrat, um dem Zeugen die enorme Beschleunigung des Fahrzeugs vorzuführen und die unter den in der Verkehrssituation gegebenen Umständen höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Der Angeklagte ließ hierbei aus völliger Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und aus Spaß am Posieren und nicht zuletzt um seines schnelleren Fortkommens willen von vornherein keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen.

Der Angeklagte fuhr sodann mit mindestens 100 km/h in die erste Rechtskurve ein. Erst nachdem der Zeuge R1., der in dieser Situation panische Angst verspürte, dem Angeklagten zurief, er solle bremsen, verlangsamte dieser seine rasante Fahrt etwas, wobei er zugleich herablassend und belustigt über die Reaktion seines Mitfahrers lachte.

Auf Höhe der I1. Schule A.in der W.-von-B. Straße 1a in 8… G2. wendete der Angeklagte schließlich den Pkw Mercedes, um zurück zur AR.Tankstelle zu fahren. Bei jener Rückfahrt beschleunigte der Angeklagte erneut unter grober Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Pkw Mercedes massiv, um ein weiteres Mal die Beschleunigung des Fahrzeugs vorzuführen und die unter den in der Verkehrssituation gegebenen Umständen höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Ein weiteres Mal ließ der Angeklagte aus völliger Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und aus Spaß am Posieren und um seines schnelleren Fortkommens willen von vornherein keine Bedenken gegen diese Fahrweise aufkommen.

An einer nicht näher bestimmbaren Stelle auf dieser Rückfahrt erreichte das Fahrzeug des Angeklagten kurzzeitig annähernd 200 km/h.

2. Nachtatverhalten

Als der Angeklagte und der Zeuge R1. wieder auf dem Tankstellengelände der AR.Tankstelle am G1. Weg angekommen waren, fragte der Angeklagte den Zeugen R1. in einem verächtlichen und herablassenden Ton, ob dieser jetzt etwa Angst gehabt habe.

IV. Fahrt am 26.08.2022

1. Vortatgeschehen

Am 26.08.2022 gegen 19:30 Uhr traf sich der zum damaligen Zeitpunkt 53 Jahre alte Angeklagte mit den Geschädigten J2. A2. (damals 21 Jahre alt) und An. D. (damals 26 Jahre alt) sowie der Geschädigten R2. S2. (damals 21 Jahre alt), welche er seit einem Monat flüchtig kannte, an der AR.-Tankstelle im G1. Weg 83 in 8… A1.. Hierbei kamen die beiden Geschädigten A2. und D1. sowie die Geschädigte S2. mit dem Angeklagten ins Gespräch und unterhielten sich über den o.g. stark motorisierten Pkw Mercedes GL63 AMG, mit welchem der Angeklagte kurz vorher an der Tankstelle angekommen war. Bei vergangenen Treffen an der AR.-Tankstelle hatte der Angeklagte den Geschädigten bereits von diesem Auto berichtet und hierbei angegeben, dass dieses aufgrund eines Tunings durch Brabus in sieben Sekunden von 0 km/h auf 200 km/h beschleunigen könne und 900 PS habe. Die Geschädigten sahen den Pkw Mercedes an diesem Abend jedoch zum ersten Mal und waren daher in der Vergangenheit bisher nie in jenem Fahrzeug mitgefahren.

Im Laufe des Gesprächs am 26.08.2022 kamen der Angeklagte und die Geschädigten A2. und D1. sodann überein, dass er mit ihnen eine Probefahrt durchführen würde, um ihnen die Kraft und das Beschleunigungspotenzial des Pkw Mercedes zu demonstrieren. Der Geschädigte A2. bat daraufhin seine Freundin, die Geschädigte S2., mitzufahren, da er sie nicht allein auf dem Tankstellengelände zurücklassen wollte. Daher nahmen die drei Geschädigten schließlich aus jugendlicher Neugier im P. M1. Platz, wobei sich die Geschädigte S2. auf den Beifahrersitz setzte, die Geschädigten A2. und D1. dagegen auf die Rückbank. Der Geschädigte A2. saß rechts im Fond, der Geschädigte D1. links. Der Geschädigten S2. war durch ihren Freund, den Geschädigten A2., der Platz auf dem Beifahrersitz angeboten worden, da es ihr in der Vergangenheit auf der Rückbank oftmals schlecht geworden war. Alle Insassen legten vor Fahrtbeginn die vorhandenen Sicherheitsgurte an.

2. Tatgeschehen

Entgegen der unausgesprochenen Erwartung der drei mit dem Angeklagten M2. von einer Probefahrt auf der Bundesstraße 17 und später auf der Bundesautobahn 8 bog der Angeklagte an der Kreuzung G1. Weg / S1. Straße nach links ab und gab sogleich unter grober Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt Vollgas (sogenannter „Kick Down“), um die Beschleunigung des Fahrzeugs vorzuführen und sodann die unter den in der Verkehrssituation gegebenen Umständen höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Sämtliche Insassen des Fahrzeugs wurden bei diesem Manöver aufgrund der enormen Beschleunigung stark in ihre Sitze gedrückt.

Der Angeklagte ließ – wie auch bei der Fahrt mit dem Zeugen R1. – aus völliger Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und aus Spaß am Posieren und nicht zuletzt um seines schnelleren Fortkommens willen von vornherein keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen.

Bereits nach Passieren der Kreuzung mit der Bundesstraße 17 in nördlicher Richtung quietschten die Reifen in der dortigen leichten Rechtskurve hörbar und der Pkw wankte und wippte.

Der Angeklagte nahm es bei dieser Fahrt zumindest billigend in Kauf, dass andere Verkehrsteilnehmer im Bereich der öffentlichen Straße und des angrenzenden Geh- und Radwegs, aber auch die bei ihm im Fahrzeug sitzenden Mitfahrenden an Leib oder Leben gefährdet werden könnten. Insbesondere war dem Angeklagten aus der Reaktion des Zeugen R1. während dessen Mitfahrt im Pkw Mercedes im Oktober 2021 und aufgrund seiner Kenntnis von der kurvenreichen Fahrtstrecke, klar, dass es zu derartigen Gefährdungen kommen könnte. Der Angeklagte kannte die drohenden Gefahren seiner rasanten Fahrweise und fand sich trotzdem mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage aus eigensüchtigen Motiven, insbesondere dem Spaß am Posieren, ab.

In der anschließenden Linkskurve verlor der Angeklagte dann endgültig die Kontrolle über sein Fahrzeug: Am Anfang der Kurve fuhr der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 112 km/h, wobei die Kurvengrenzgeschwindigkeit in dieser Linkskurve 112 km/h bis 120 km/h beträgt. Etwa 41 Meter nach den ersten – durch erfolglose Lenkmanöver des Angeklagten verursachten – Reifenspuren am Anfang der Kurve prallte der Angeklagte aufgrund seiner stark überhöhten Geschwindigkeit bei gleichzeitiger massiver Überschätzung der eigenen Fahrkünste mit seinem Fahrzeug mit den Vorderrädern wuchtig gegen die am rechten Fahrbahnrand befindliche Bordsteinkante.

Der Angeklagte überquerte mit seinem Pkw nach diesem heftigen Aufprall – unter mindestens zweimaligen Abhebens – zunächst einen Grünstreifen, dann einen Fuß- und Radweg, durchbrach daraufhin einen Holzzaun und flog eine annähernd senkrecht abfallende Böschung mit einer Höhe von etwa 1,4 Metern herab. Danach passierte der Angeklagte in seinem Fahrzeug noch die Z. straße zum Parkplatz des I…-Möbelhauses, wobei der Angeklagte an dieser Stelle immer noch mit einer Geschwindigkeit von 67 km/h bis 94 km/h fuhr. Anschließend fuhr er mit dem Pkw Mercedes gegen eine etwa 6 Zentimeter hohe Betoneinfassung, querte einen ca. 1,7 Meter breiten Grünstreifen, eine Parkgasse, einen weiteren Absatz mit einer Höhe von etwa 6 Zentimetern, noch einen Grünstreifen und eine weitere Parkgasse, um schließlich – mit einer Geschwindigkeit von immer noch 10 km/h bis 30 km/h – mit der Einfassung einer Einkaufswagensammelbox des Möbelhauses I… zu kollidieren.

Bei diesen sehr schnell ablaufenden Geschehnissen flogen Metall- und Holzteile des Holzzauns umher, durchbrachen die Windschutzscheibe des Pkw Mercedes und fügten – für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar – der Geschädigten R2. S2. tödliche Verletzungen am Kopf zu. Ein Teil des Holzzauns war nach dem Durchbruch der Windschutzscheibe auf der Fahrerseite vom Lenkrad in seinem Verlauf abgelenkt worden und traf deshalb die Geschädigte S2. seitlich von links im Bereich ihrer linken Schläfenschuppe. Dies hatte zur Folge, dass ihre knöcherne Schädelbasis frontal aufriss, bröckelig scherbenartig zerbrach und die harte Hirnhaut fransig zerrissen wurde, wobei diese teilweise abgelöst und teilweise durchlöchert wurde. Hierbei wurde das Großhirn aus dem Schädel geschleudert und landete im Fußraum der Fahrerseite. In dessen Überresten befanden sich nach dem Unfall mehrere Holzsplitter. Die Todesursache war ein zentrales Regulationsversagen bei offenem Schädelhirntrauma mit Verlust des Großhirns.

Der Geschädigte A2. erlitt durch den Unfall – für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar – Rückenschmerzen und eine Schnittverletzung am Fuß. Zudem trat bei dem Geschädigten A2. in der Folge des Unfalls eine posttraumatische Belastungsstörung auf. Diese äußerte sich bei dem Geschädigten dahingehend, dass er monatelang, teilweise bis heute, unter Schlaflosigkeit, die medikamentös behandelt werden musste, nächtlichen Angstzuständen und Dyspnoe (Atemnot oder Kurzatmigkeit) sowie unter Panikattacken litt. Auch traten bei ihm Flash-Backs auf, bei denen der Geschädigte die Abläufe des Unfalls – und damit den gewaltsamen Tod seiner Freundin R. Sch1 – vor seinen Augen ablaufen sah. Aufgrund des Vorfalls hatte der Geschädigte suizidale Gedanken und leidet bis heute unter Verlustängsten. Der Geschädigte war in der Folge mit kurzen Unterbrechungen bis Juni 2023 monatelang krankgeschrieben.

Der Geschädigte D1. erlitt durch den Unfall – für den Angeklagten ebenfalls vorhersehbar und vermeidbar – ein Schädel-Hirn-Trauma, eine HWS-Distorsion und Schürfungen am rechten Handgelenk und rechten Bein. Der Geschädigte war deshalb zwei Wochen krankgeschrieben und konnte die ersten Nächte nach dem Vorfall nicht schlafen.

Die Geschädigten A2. und D1. haben form- und fristgerecht Strafantrag gegen den Angeklagten gestellt.

Direkt hinter der o.g. Einkaufswagensammelbox des Möbelhauses I… standen unmittelbar vor dem Aufprall die Geschädigten S3. S4. und ihre Tochter I2. S4. mit ihrem vorwärts eingeparkten Pkw Opel Mokka (amtliches Kennzeichen …). Die Geschädigte S3. S4. befand sich kurz vor dem Zusammenstoß des Pkw Mercedes mit der Einkaufswagensammelbox neben der Fahrertüre des Pkw Opel, die Geschädigte I2. S4. stand an der geöffneten Beifahrertüre. Beide Geschädigten rannten, als der Pkw Mercedes sich rasant näherte, vom geparkten Pkw Opel weg. Die Geschädigte S3. S4. wäre von einem durch den Pkw Mercedes umgefahrenen Schild getroffen worden, wenn sie nicht so geistesgegenwärtig reagiert hätte. Wäre überdies die Einkaufswagensammelbox nicht an der fraglichen Stelle platziert gewesen und wären die beiden Geschädigten nicht so reaktionsschnell von dem herannahenden Pkw Mercedes davongelaufen, so hätten diese – für den Angeklagten ebenfalls vorhersehbar und vermeidbar – womöglich schwer verletzt oder gar getötet werden können.

Die Geschädigte S3. S4. war nach dem Unfall psychisch stark beeinträchtigt und musste sich für eine Woche krankschreiben lassen. Die Tat verfolgt die Geschädigte bis heute.

Der Angeklagte erlitt durch den Unfall eine Schnittwunde an der Hand, Prellungen im Brustbereich und eine leichte Verletzung im Bereich seiner Augen.

Der Angeklagte hat sich auch durch diese Taten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

Die Staatsanwaltschaft hat, soweit erforderlich, wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts für geboten gehalten.

C) Beweiswürdigung

Dem Urteil liegt keine Verständigung i.S.d. § 257c StPO zu Grunde.

I. Zu den persönlichen Verhältnissen

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen, von der Kammer als glaubhaft erachteten Ausführungen zu seinem Lebenslauf, zu seinem Suchtmittelkonsum und zu seinen Erkrankungen sowie auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Auszügen aus dem Bundeszentralregister vom 16.08.2023 sowie aus dem Fahreignungsregister vom 17.08.2023, welche der Angeklagte als zutreffend anerkannte. Darüber hinaus beruhen die Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten auch auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A3. zu den von dem Angeklagten diesbezüglich gemachten, überwiegend identischen Angaben im Rahmen der Exploration.

II. Zum Sachverhalt

Aufgrund des teilweisen Geständnisses des Angeklagten als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und aufgrund aller sonstiger aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung stammender Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der unter lit. B) festgestellte Sachverhalt tatsächlich so zugetragen hat.

1. Einlassung des Angeklagten

Der Angeklagte legte zunächst über eine Verteidigererklärung, welche er sich ausdrücklich zu eigen machte und als richtig bestätigte, ein teilweises Geständnis ab und räumte den unter lit. B) dargestellten Sachverhalt in objektiver Hinsicht im Wesentlichen ein.

Zur Tat unter lit B) III. führte er aus, dass die Fahrt mit dem Zeugen R1. stattgefunden habe und es richtig sei, dass die Fahrt durch das dortige Gewerbegebiet in Richtung des Möbelhauses I… führte. Hierbei sei zunächst eine Geschwindigkeit von über 100 km/h erreicht worden, bei der Rückfahrt zur AR.-Tankstelle dann eine Geschwindigkeit zwischen 100 km/h bis 200 km/h. Trotz dieser Geschwindigkeiten sei das Fahrzeug für den Angeklagten bei dieser Fahrt voll beherrschbar gewesen. Entgegen der Aussage des Zeugen R1. habe diese Fahrt aber nicht im Oktober 2021, sondern im Frühjahr 2021 stattgefunden.

Zu der Tat unter Ziff. B lit IV. führte der Angeklagte aus, dass er sich am 26.08.2022 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und seinem Neffen auf dem Weg nach Bl. befunden habe, und sie an der AR.-Tankstelle am G1. Weg in A. einen Halt gemacht haben, um sich dort etwas zu Essen zu kaufen. Hierbei sei er auf die Geschädigten A2., D. und Sch1 getroffen, die er einige Wochen vorher an dieser Tankstelle kennengelernt hatte. Er sei dann entweder durch den Geschädigte A2. oder D. gefragt worden, ob man denn eine Runde mit dem verfahrensgegenständlichen Pkw Mercedes fahren könnte, was der Angeklagte bejaht habe. Die Lebensgefährtin des Angeklagten habe hierbei darum gebeten, dass nur eine kurze Strecke gefahren werden solle, da sie nicht lange warten wolle. Vor Fahrtantritt habe er gegenüber den Geschädigten geäußert, dass das Fahrzeug abgehe „wie die Feuerwehr“. Insoweit wurde jedoch angemerkt, dass der Angeklagte das Fahrzeug mehrere Jahre lang gefahren habe, und es hierbei für ihn stets beherrschbar gewesen sei, auch bei hohen Geschwindigkeiten. Es sei dann zu der tragischen und folgenschweren Fahrt gekommen, die im Rahmen der Anklageschrift zutreffend umschrieben worden sei. Bestritten werde jedoch, dass alle Beteiligten „selbstverständlich und unausgesprochen“ davon ausgingen, dass die Fahrt über die B17 und die A8 erfolgen würde. Aufgrund der Tatsache, dass seine Lebensgefährtin an der Tankstelle gewartet habe, sollte vielmehr nur eine kurze Runde gedreht werden.

Richtig sei, dass der Vorfall am 26.08.2022 auf seine völlig überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sei.

2. Beweisaufnahme

An der Richtigkeit des Geständnisses des Angeklagten, soweit diesem gefolgt werden kann, bestehen für die Kammer keine Zweifel. Dieses steht weit überwiegend im Einklang mit den Ergebnissen der durchgeführten Beweisaufnahme.

An der Glaubwürdigkeit der im Folgenden genannten, nur beruflich mit dem Sachverhalt befassten polizeilichen Zeugen sowie an der Glaubhaftigkeit ihrer jeweils präzisen, sachlichen und gewissenhaften und aus eigener präsenter Erinnerung heraus getätigten Angaben bestehen seitens der Kammer keine Zweifel.

a. Tatörtlichkeit

Die Feststellungen betreffend der Tatörtlichkeit beruhen auf den Angaben der sich am Tatort befindlichen polizeilichen Zeugen PHM St. PHMin Kl., POM Al., PHK Fr., PMin Sch., PHM Em…, PHMin B…, durch Inaugenscheinnahme der hiervon getätigten Lichtbilder inklusive der von PHM Em… gefertigten Drohnenaufnahmen und auf den glaubhaften Angaben des sich zur Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens am Unfallort befindlichen Gutachters Dipl. Ing. (FH) Sch., welcher die Unfallstelle als auch die gefahrene Strecke wie unter lit. B) I. beschrieben schilderte.

b. Vorgeschichte

Die Feststellungen hinsichtlich der Tätigkeit des Angeklagten für die Halterfirma des Pkw Mercedes beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen H1. T1., welcher ein Teilhaber der Firma und gleichzeitig deren Fuhrparkleiter ist. Dieser gab insbesondere detailliert Auskunft über die Betreuung des Pkws Mercedes durch den Angeklagten sowie zu der von ihm beauftragten Leistungssteigerung dieses Pkws. Seine Angaben hinsichtlich der Tätigkeit des Angeklagten bei der Halterfirma wurden zudem bestätigt durch die Geschäftsführerin dieser Firma, der Zeugin D2. D3.. Diese gab glaubhaft an, dass sie den Angeklagten schon einige Jahre gekannt habe, da sie ein Auto von ihm gekauft hatte. Weil sie mit der folgenden Betreuung zufrieden gewesen sei, habe sie den Angeklagten gegenüber dem Zeugen T1. als Kfz-Mechaniker für die Wartung der Firmenautos empfohlen. An der Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen bestand für die Kammer kein Zweifel.

Die Feststellungen betreffend das Tatfahrzeug beruhen auf dem technischen Gutachten des Sachverständigen B. En.. O…. Insoweit wird auf die Ausführungen unter lit. C) II. Nr. 2 d. ii. (3) verwiesen.

c. Fahrt im Oktober 2021

Die Feststellungen betreffend die Fahrt des Angeklagten mit dem Zeugen R1. zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt kurz nach dem 15.10.2021, jedenfalls noch im Oktober 2021, beruhen – bis auf die Angabe zur Tatzeit – auf der im Übrigen glaubhaften Einlassung des Angeklagten sowie auf den glaubhaften Angaben des Zeugen J1. R1., welchen die Kammer für glaubwürdig erachtet. Insbesondere konnte kein besonderer Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten festgestellt werden.

Soweit der Angeklagte in seiner Einlassung angab, dass die Fahrt mit dem Zeugen R1. nicht im Oktober, sondern im Frühjahr 2021 stattgefunden habe, werden diese Angaben widerlegt durch die detaillierten, glaubhaften Angaben des Zeugen R1.. Dieser führte aus, dass er sich genau erinnern könne, dass die Fahrt kurz nach einer durch ihn durchgeführten Zaunreparatur bei seiner Mutter gewesen sei. Diese Reparatur sei am 15.10.2021 erfolgt, dies könne er anhand von Bildern auf seinem Mobiltelefon sicher bestimmen.

Der Zeuge R1. führte weiter glaubhaft aus, dass er den Angeklagten bereits seit 15 Jahren kenne und diesen regelmäßig an der besagten AR.-Tankstelle getroffen habe. Hierbei habe er den Angeklagten auch bereits mehrmals mit dem verfahrensgegenständlichen Pkw Mercedes AMG gesehen. Bei einer dieser Gelegenheiten habe der Angeklagte ihm berichtet, dass es sich bei dem Pkw um eine Kundenfahrzeug handele, welches aufgrund einer durch die Firma B1. durchgeführten Leistungssteigerung 900 PS habe. Der Zeuge gab weiter an, dass er selbst sehr Mercedes begeistert sei und der Angeklagte ihn deshalb am besagten Tag gefragt habe, ob er denn einmal mit dem Pkw mitfahren wolle, woraufhin der Zeuge einwilligte und auf dem B2. Platz genommen habe. Der Angeklagte habe dann das Tankstellengelände verlassen und sei an der S1. Straße links abgebogen. Nach Passieren der sich kurz darauf befindlichen Ampelanlage sei der Angeklagte dann voll in das Gaspedal getreten, der Zeuge schilderte, dass es sich für ihn angefühlt habe, wie wenn man bei einer Steinschleuder das Gummiband loslasse; das Auto sei regelrecht loskatapultiert worden. Der Zeuge gab an, dass er aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit panische Angst bekommen und dem Angeklagten gesagt habe, er solle jetzt vom Gas gehen, als sich der Pkw auf Höhe des I…-Parkplatzes befunden habe. Als Reaktion hierauf habe der Angeklagte ihn spöttisch gefragt, ob er denn Angst habe und nochmal einen kurzen Gas-Stoß getätigt, dann sei er aber der Bitte nachgekommen und vom Gas gegangen.

Der Zeuge R1. führte weiter aus, dass er Angst bekommen habe, weil der Pkw eine Geschwindigkeit von über 100 km/h erreicht habe. Er habe die 100er Markierung auf dem Tacho gesehen, die Nadel des Tachos sei hiervon weit entfernt gewesen. Er schätzte die gefahrene Geschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt auf etwa 150 km/h bis 160 km/h. Zwar hat der Zeuge bei seinen polizeilichen Vernehmungen – glaubhaft wiedergegeben von der Zeugin K1. R3. – von einer Geschwindigkeit von 190 km/h bis 200 km/h gesprochen, welche er auf dem Digitaltacho gesehen habe. Aus Sicht der Kammer ist jedoch aufgrund einer Gesamtwürdigung der Angaben des Zeugen R1. zu der gefahrenen Geschwindigkeit und der Leistung des Pkws schon in der Basisversion nachgewiesen, dass der Angeklagte bei dieser Fahrt Richtung I… mindestens 100 km/h erreicht hatte:

Es ist nicht unüblich, dass sich Zeugen bei solch extrem schnellen Vorgängen, insbesondere wenn der Vorfall schon mehrere Jahre zurückliegt, nicht mehr an genaue Details wie die gesehene Geschwindigkeit auf einem Tacho erinnern können. Die Schilderung des Zeugen, der Angeklagte sei voll aufs Gas getreten und das Auto sei loskatapultiert worden, wie wenn eine Steinschleuder losgelassen werde, schilderte der Zeuge aber nach den Angaben der Zeugin K1. R3. bereits bei seinen polizeilichen Aussagen in identischer Weise. Diese konstanten Angaben zusammen mit der eigenen Angabe des Angeklagten zur gefahrenen Geschwindigkeit belegen zur Überzeugung der Kammer, dass das Auto eine Geschwindigkeit von mindestens 100 km/h erreicht haben muss. Untermauert wird dies zudem mit der Leistung des Pkws bereits in der Basisversion, wonach bei Vollgas – wie hier erfolgt – eine Beschleunigung auf 100 km/h bereits nach nur 4,9 Sekunden möglich ist. Dies belegt auch die Absicht des Angeklagten, die in der Situation höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen – denn wie kann das besser erreicht werden als mit einem vollständig durchgedrückten Gaspedal. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen R1. sei der Angeklagte auch erst vom Gas gegangen, kurz nachdem er ihn darum gebeten hatte.

Der Zeuge R1. schilderte ferner, dass der Angeklagte kurz nach dem I…-Parkplatz auf Höhe der Internationalen Schule A. den Pkw gewendet habe und denselben Weg wieder zurückgefahren sei. Hierbei habe der Angeklagte wiederum Vollgas gegeben, um so erneut kurzzeitig eine in der Situation höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Bestätigt wurde dies auch durch die Einlassung des Angeklagten, wonach er auf dem Rückweg eine Geschwindigkeit von 100 km/h bis 200 km/h erreicht habe.

Das verächtliche Verhalten des Angeklagten gegenüber dem Zeugen R1. nach Rückkunft an der Tankstelle wurde durch dessen glaubhafte Angaben nachgewiesen. Der Zeuge gab ferner an, dass dieses Verhalten ein Grund wäre, warum er jetzt keinen Kontakt mehr mit dem Angeklagten wünsche.

d. Fahrt am 26.08.2022

i. Vortatgeschehen

Die Feststellungen zum Vortatgeschehen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten – soweit dieser gefolgt werden kann – und insbesondere auf den glaubhaften Angaben der Zeugen A2., D. und Erdmann. Die Zeugen erachtet die Kammer für glaubwürdig. Insbesondere konnte kein besonderer Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten festgestellt werden.

Die Zeugin J3. E1., die damalige Lebensgefährtin des Angeklagten, schilderte glaubhaft, dass sie zusammen mit dem Angeklagten und dessen Neffen mit dem verfahrensgegenständlichen Pkw am Abend des 26.08.2022 auf das Gelände der AR.Tankstelle gefahren sei, um dort etwas zum Essen zu kaufen. Sie sei dann ausgestiegen, in Richtung der Tankstelle gelaufen und habe hierbei beobachtet, wie der Angeklagte auf die Geschädigten A2., D. und Sch1 getroffen sei und sich mit diesen unterhalten habe. Diese würden sie flüchtig von vergangenen Treffen auf dem Tankstellengelände kennen. Das Gespräch habe sie nicht mitbekommen, sie beobachtete aber kurz darauf, wie die drei Geschädigten zusammen mit dem Angeklagten in den Pkw Mercedes gestiegen und vom Tankstellengelände gefahren seien. Die Zeugin führte ferner aus, dass sie bereits bei vergangenen Treffen mitbekommen habe, dass die Geschädigten A2. und D1. I3. an dem Pkw Mercedes gezeigt hatten.

Die Zeugen A2. und D1. gaben glaubhaft und übereinstimmend an, dass sie den Angeklagten etwa einen Monat vor der Tat an der AR.-Tankstelle über einen gemeinsamen Freund, den Zeugen M3. L. – wie von diesem glaubhaft bestätigt – kennengelernt hätten und ihn in diesem Monat mehrere Male dort gesehen und mit ihm geredet hätten. Bei diesen Treffen habe der Angeklagte von dem verfahrensgegenständlichen Pkw erzählt und hierbei mehrmals angegeben, dass der Pkw 900 PS habe und von 0 km/h auf 200 km/h in sieben Sekunden beschleunigen könnte.

Die Geschädigten A2. und D1. gaben weiter glaubhaft übereinstimmend an, dass sie sich am Tattag zusammen mit der Geschädigten S2., der Freundin des Zeugen A2., an der AR.-Tankstelle aufgehalten hätten und dort auf den Angeklagten getroffen seien. Beide gaben zudem übereinstimmend an, dass der Angeklagte sie sodann gefragt habe, ob sie denn Interesse an einer Probefahrt hätten – das Angebot sei hierbei eindeutig von ihm ausgegangen. Der Angeklagte gab insoweit jedoch in seiner Einlassung an, dass die Geschädigten ihn um eine Probefahrt gebeten hätten und er lediglich eingewilligt habe. Wer schlussendlich wen um eine Probefahrt fragte, kann jedoch hier offenbleiben, da es darauf nicht ankommt. Nachgewiesen ist nach Überzeugung der Kammer jedenfalls unzweifelhaft, dass der Angeklagte mit den Geschädigten A2. und D1. übereingekommen ist, dass er mit ihnen eine Probefahrt mit diesem Pkw durchführt, um ihnen die zuvor geschilderte Beschleunigungskraft des Pkw vorzuführen.

Die Feststellung, dass sich der Angeklagte auf den Fahrersitz setzte sowie die Feststellungen, wo sich die Geschädigten im Pkw hinsetzten und dass sich alle Geschädigten anschnallten, beruht zunächst auf den übereinstimmenden glaubhaften Angaben der Zeugen A2. und D1.. Der Zeuge A2. gab an, dass er seiner Freundin, der Geschädigten S2., angeboten hatte, auf dem B2. Platz zu nehmen, weil es ihr hinten in der Vergangenheit oft schlecht geworden sei und dass er sich hinter sie gesetzt habe. Er sei sich auch sicher, dass sie vor Fahrtantritt ihren Sicherheitsgurt angelegt hatte. Dies wurde auch bestätigt durch die glaubhaften Angaben des Ersthelfers O. S., welcher angab, dass er verhindert hatte, dass die Geschädigte S2. abgeschnallt werde. Der für die Bergung der Leiche zuständige Bestatter M. B. gab zudem glaubhaft an, dass er die Leiche unmittelbar vor der Bergung abgeschnallt hatte. Dass sich die Geschädigte S2. auf dem Beifahrersitz befand, wurde zudem von sämtlichen Ersthelfern, polizeilichen Zeugen vor Ort als auch durch die beiden Bestatter bestätigt. Hiervon konnte sich die Kammer auch durch Inaugenscheinnahme der getätigten Lichtbilder überzeugen.

ii. Tatgeschehen

(1) Schilderung der Fahrzeuginsassen Ay. und D.

Die Feststellungen betreffend die Fahrt vom Tankstellengelände bis zur Kollision auf dem I…-Parkplatz beruhen zunächst auf den glaubhaften Angaben der beiden Fahrzeuginsassen Ay. und D., welche die Geschehnisse umfassend, ohne Widersprüche und übereinstimmend schilderten. Diese gaben zunächst beide glaubhaft an, dass sie mit dem Angeklagten nicht über die konkrete Fahrtstrecke gesprochen hätten, jedoch unausgesprochen davon ausgegangen seien, dass die Fahrt über die B17 auf die naheliegende Bundesautobahn A8 führen würde, da auf dieser nach wenigen Kilometern eine Fahrt ohne Geschwindigkeitsbegrenzung möglich gewesen wäre. Die Einlassung des Angeklagten, dass die Zeugin E1. allen Beteiligten gesagt habe, dass sie doch nur eine kurze Strecke fahren sollten, da sie nicht lange warten wollte, erachtet die Kammer für unglaubhaft, da die Zeugin diese Aussage auch auf Nachfrage hin nicht bestätigte. Im Gegenteil, sie bestritt eine solche Aussage ausdrücklich und betonte, dass sie zu diesem Zeitpunkt unter keinem Zeitdruck gestanden habe.

Die Zeugen A2. und D1. gaben weiter übereinstimmend an, dass sie deshalb überrascht gewesen seien, als der Angeklagte, nachdem er noch mit geringer Geschwindigkeit vom Tankstellengelände heruntergefahren sei, an der Kreuzung mit der S1. Straße, noch dazu, obwohl er sich auf der Rechtsabbiegerspur eingeordnet hatte, links in Richtung des I…-Parkplatzes abgebogen sei. Sie seien aber nicht in der Lage gewesen, hierzu etwas zu sagen, weil der Angeklagte in dem Moment, als er den Abbiegevorgang abgeschlossen hatte, voll auf das Gaspedal gedrückt habe, einen sogenannten „Kickdown“ vollzogen habe, um so das Fahrzeug so schnell wie möglich zu beschleunigen. Dies belegt nach Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte damit in der Absicht handelte, die situationsbedingt höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Die Zeugen gaben weiter glaubhaft an, dass sie durch diese massive Beschleunigung nach hinten in ihre Sitze gedrückt worden und nicht in der Lage gewesen seien, auch nur etwas zu sagen, sie seien wie betäubt gewesen. Der Zeuge A2. führte zur Verdeutlichung aus, dass er zwar schon öfters in hochmotorisierten Pkws mitgefahren sei – eine solche Beschleunigung vorher aber noch nie erlebt habe. Der Angeklagte sei sodann in die folgende Rechtskurve eingefahren, habe die folgende Kreuzung – deren Ampel grün zeigte – passiert und sei weiter dem Kurvenverlauf gefolgt. Hierbei habe das Fahrzeug angefangen zu wippen und wanken und die Reifen hätten gequietscht. Der Zeuge A2. führte hierzu ergänzend aus, dass er in diesem Moment bereits geglaubt habe, dass der Angeklagte die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren würde. Ein Durchfahren der Rechtskurve sei aber erfolgt und der Angeklagte sei dann in die unmittelbar folgende Linkskurve eingefahren. Die Zeugen gaben an, dass sie kurz darauf bemerkt hätten, dass das Auto nicht mehr dem Straßenverlauf folge, vielmehr sei der Pkw geradeaus gerutscht. Der Angeklagte habe hierbei versucht nach links zu lenken, der Pkw habe jedoch nicht reagiert. Hierbei hätten die Reifen gequietscht, Warnsignale seien jedoch nicht ertönt. Sodann sei der Pkw, begleitet von einem extrem lauten Knall, mit dem rechtsseitigen Bordstein kollidiert und sodann über den Grünstreifen und den Gehweg gefahren. Der Pkw habe dann den dortigen Holzzaun durchbrochen, sei kurz danach zweimal auf dem Boden aufgeschlagen, mit etwas kollidiert und so zum Stehen gekommen.

(2) Weitere Augenzeugen; insbesondere Angaben der Geschädigten S4.

Die Feststellungen betreffend die Fahrt wurden weiter bestätigt durch die glaubhaften Angaben der Zeugen Y. T2. und O. S5., an deren Glaubwürdigkeit die Kammer keine Zweifel hatte.

Der Zeuge T2. führte glaubhaft aus, dass er sich mit seinem Pkw an der Ausfahrt des I…-Parkplatzes befunden habe und als er gerade auf die S1. Straße hätte einbiegen wollen, habe er im Augenwinkel ein sehr schnell herannahendes Fahrzeug wahrgenommen, welches dann im angrenzenden Gebüsch verschwunden wäre. Kurz davor habe er ein laut krachendes Geräusch und im Anschluss nochmal zwei laute Geräusche wahrgenommen. Der Zeuge S5. gab glaubhaft an, dass er gerade über den I…-Parkplatz gegangen sei, als er wahrgenommen habe, wie ein Pkw regelrecht aus dem Gebüsch geflogen sei, es sei wie im Film gewesen. Der Pkw sei dann auf dem Boden aufgeschlagen, wieder abgehoben und dann mit dem Einkaufswagensammelbox kollidiert.

Daneben werden die Feststellungen zu dem Geschehen auf dem Parkplatz als auch hinsichtlich ihrer eigenen Gefährdung bestätigt durch die glaubhaften Angaben der Zeuginnen S3. und I2. S4.. Auch diese Zeuginnen erachtet die Kammer für glaubwürdig.

Diese gaben übereinstimmend und glaubhaft an, dass sie sich neben ihrem auf dem I…Parkplatz geparkten Pkw befunden hätten, die Geschädigte S3. S4. hierbei neben der Fahrertür, ihre Tochter, die Geschädigte I2. S4., neben der Beifahrertür. Der Pkw Opel der Geschädigten habe sich hierbei unmittelbar hinter der Einkaufswagensammelbox, mit der der Pkw Mercedes kollidiert sei, befunden. Beide gaben an, dass sie in Richtung der S1. Straße gestanden und plötzlich laute Schleuder- und Motorengeräusche und dann ein lautes, krachendes Geräusch wahrgenommen hätten. Die Geschädigte I2. S4. gab an, dass sie genau in die Richtung des Holzzauns geblickt und deshalb gesehen habe, wie der Pkw den Holzzaun durchbrochen habe. Sodann haben beide Geschädigte gesehen, wie ein großer Pkw auf sie zugeflogen sei. Übereinstimmend mit dem Zeugen S5. schilderten beide, dass das Gesehene wie aus einem Film gewirkt habe. Der Pkw sei dann auf dem Boden aufgeschlagen und wieder abgehoben.

Die Geschädigte S3. S4. gab an, dass sie ihrer Tochter in diesem Moment zugeschrien habe, dass sie wegrennen solle. Beide seien sodann in entgegensetzende Richtungen schräg nach hinten weggerannt, aber nur wenige Meter weit gekommen als sie das Geräusch der Kollision des Pkws mit dem Einkaufswagenständer wahrgenommen haben. Die Geschädigten gaben weiter übereinstimmend und glaubhaft an, dass aufgrund der Kollision das Schild der Einkaufswagensammelbox genau dort hingefallen war, wo sich die Geschädigten S3. S4. gerade noch befunden habe. Beide gaben an, dass die Geschädigte S3. S4. von dem Schild getroffen worden wäre, wenn sie nicht weggerannt wäre. Die Geschädigte I2. S4. gab weiter an, dass sie genau in der Flug- bzw. Fahrtrichtung des Pkws weggerannt sei, und daher ohne die vorhandenen Hindernisse von dem Pkw getroffen hätte werden können.

Diese Schilderungen beider Geschädigter wurden bestätigt durch die glaubhaften Angaben des Zeugen O. S5., welcher ausführte, dass er die Geschädigten S4. in der Flug/Fahrtrichtung des Pkws Mercedes habe stehen sehen und ihnen deshalb noch zugerufen habe, sie sollten wegrennen, was sie auch kurz daraufhin getan hätten. Die Geschädigten S4. haben ihre Angaben jeweils durch Erläuterung einer bei der Polizei angefertigten Skizze verdeutlicht, auf welcher jeweils zu sehen war, wo sich die Geschädigten genau befunden haben und in welche Richtung sie weggerannt seien. Ferner konnte sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme eines Lichtbilds des umgefahrenen Schilds überzeugen, dass dieses genau neben der Fahrertüre, wo sich kurz vorher noch die Geschädigte S3. S4. befand, auf dem Boden aufgeschlagen war.

(3) Ausführungen der Sachverständigen Dipl. Ing. S6. und B. En. O. zur Unfallursache

Die Kammer ließ sich bei der Unfallrekonstruktion von den DE…-Sachverständigen Dipl. Ing. Sch. und B. En.. O. sachverständig beraten.

a) Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. S6.

Der Sachverständige Dipl. Ing. S6. stützte sein unfallanalytisches Gutachten auf sämtliche Anknüpfungstatsachen, die sich aus der Hauptverhandlung, seinen Beobachtungen während dieser Hauptverhandlung und der Kenntnis der zur Verfügung gestellten Ermittlungsakten sowie seinen Beobachtungen während der Ortsbesichtigung an der Unfallstelle am 26.08.2022 ergaben.

Der Sachverständige führte zunächst aus, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Pkw um einen Pkw Mercedes AMG, amtliches deutsches Kennzeichen …, Erstzulassung 03/2014, Fahrzeugidentnummer …, handle. Das Fahrzeug habe als Hauptbeschädigungszone die Fahrzeugfront und die Vorderachse aufgewiesen. Die gesamte Stoßfängerpartie sei vom Fahrzeug abgerissen gewesen. Das Kühlsystem der Antriebsaggregate sei erheblich beschädigt gewesen, ein Teil davon habe gefehlt. Des Weiteren seien die Räder und Reifen der Vorderachse erheblich beschädigt gewesen. Zudem habe die Motorhaube eine langgezogene Eindellung aufgewiesen und sei mehrfach aufgerissen gewesen. Das Lenkrad habe am höchsten Punkt (in Normallage) eine markante Beschädigung aufgewiesen und sei in diesem Bereich leicht nach hinten gebogen gewesen. Die Kopfstütze des Beifahrersitzes sei abgerissen gewesen. Die Sicherheitsgurte der äußeren Sitzplätze seien ordnungsgemäß aufgerollt gewesen.

Die Straßenverhältnisse der Unfallstrecke schilderte der Sachverständige wie unter lit. B) I. wiedergegeben. Ergänzend hierzu erläuterte der Sachverständige auch die entlang der Fahrtstrecke bis zur Endposition des Pkws gefundenen Spuren, insbesondere die vorhandenen Reifenspuren. Die ersten Spuren des Unfallgeschehens seien etwa 158 m vor der Endlage des Pkw und 41 m vor der Kollision mit dem Bordstein im Bereich der Mittellinie zwischen den beiden Fahrspuren auf der S1. Straße in nördlicher Richtung erkennbar gewesen. Dort habe im Bereich der Mittellinie eine deutliche Reifenspur begonnen. Von dort habe sich eine schwach gezeichnete Reifenspur in Form eines Linksbogens mit einem Kurvenradius von 250 m nach rechts in Richtung des rechten Fahrbahnrandes gezogen. Etwa 34 m nach Beginn der Spur sei diese über den rechten Bordstein in den Grünstreifen zwischen Fahrbahn und Rad- und Fußweg rechts neben der Fahrbahn verlaufen. Nach dem Grünstreifen sei die Reifenspur nun in Form einer langgezogenen Rechtskurve über den Fuß- und Gehweg in Richtung des daran anschließenden Grünstreifens verlaufen. In dem Bereich, in dem die Spur auf den Fuß- und Radweg übergegangen sei, seien am Bordstein Reifenanstoßspuren erkennbar gewesen. Weiter erläuterte der Sachverständige ausführlich die vorhandenen Spuren vom Bordstein, über den angrenzenden Grünstreifen, über den Fuß- und Radweg sowie über den daran angrenzenden Grünstreifen, welcher durch einen Holzzaun zum Grundstück der Firma I… abgegrenzt werde. Unmittelbar hinter diesem Geländer befinde sich ein Abhang mit einer Tiefe von etwa 1,4 m. Die Reifenspuren seien über diesen Grünstreifen und über die Betonkante des Abhangs hinweg verlaufen. Der Holzzaun sei über eine Strecke von 7 m durchbrochen. Des Weiteren schilderte der Sachverständige die weiteren vorhandenen Spuren, insb. Reifen-, Kratz- und Flüssigkeitsspuren, entlang des I…Parkplatzes bis zum Kollisionspunkt mit der Einkaufswagensammelbox.

Anhand dieser festgestellten Spuren konnte der Sachverständige Dipl. Ing. S6. den Unfallhergang als auch die Ausgangsgeschwindigkeit ermitteln. Der Sachverständige führte insoweit zunächst aus, dass das gegenständliche Fahrzeug nach rechts von der Fahrbahn abgekommen sei, sodann den Bordstein mit anschließendem Grünstreifen und Fuß- und Radweg überfahren habe, dann ein Geländer mit einem Holzzaun zu einer etwa 1,4 m tiefen, senkrechten Böschung durchgeschlagen habe und etwa 13 m nach Beginn der Böschung auf einer dort befindlichen Parkplatzzufahrt aufgeschlagen sei. Von dort habe das Fahrzeug eine anschließende Parkgasse mit beidseitig angebrachten Parktaschen sowie nach dem Überfahren einer weiteren kurzen Böschung eine zweite Parkgasse mit rechts und links angebrachten Parktaschen überquert. Schließlich sei das Fahrzeug an einer Einkaufswagensammelbox zum Stillstand gekommen.

Die Ermittlung der Ausgangsgeschwindigkeit des Fahrzeugs erfolgte nach Ausführung des Sachverständigen Dipl. Ing. S6. zunächst im Rahmen einer Rückwärtsrechnung. Hierzu wurde erläutert, dass er ausgehend vom Stillstand des Fahrzeugs unter Berücksichtigung der auftretenden Verzögerungen über die einzelnen Bereiche hinweg auf die Geschwindigkeit bei Beginn der Spurenzeichnung zurückgerechnet habe. Zunächst müsse dabei berücksichtigt werden, wie viel Geschwindigkeit das Fahrzeug bei der Kollision mit der Einfassung der Einkaufswagensammelbox verloren habe. Da die Schäden an der Front des Fahrzeuges nicht mehr eindeutig auf diese Kollision zurückführbar seien und für einen solchen Anstoß keine ausreichend vergleichbaren Versuche zur Verfügung stehen würden, sei aus sachverständiger Sicht davon auszugehen, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision noch eine Geschwindigkeit von etwa 10 km/h bis 30 km/h innehatte. Die dann erfolgte Rückberechnung erläuterte der Sachverständige ausführlich unter Einbeziehung aller festgestellten Spuren und kam schlussendlich zu einer Ausgangsgeschwindigkeit des Pkws bei Beginn der geschilderten Spurenzeichnung von 111 bis 145 km/h.

Der Sachverständigte Dipl. Ing. S6. führte zur Feststellung der konkreten Unfallursache weiter aus, dass die auf der Straße bis zum Bordstein verlaufenden Reifenspuren keine Unstetigkeiten aufgewiesen haben, und so nur durch ein Rad mit ausreichendem Druck erzeugt hätten werden können. Erst ab dem Anstoß des Fahrzeugs gegen den rechts neben der Fahrbahn befindlichen Bordstein hätten die Reifenspuren auf dem Fuß- und Radweg deutliche Unstetigkeiten aufgewiesen, wie sie durch entlüftete Fahrzeugreifen erzeugt werden würden. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass die Vorderräder des Pkw Mercedes erst durch den Anstoß gegen den Bordstein entlüftet worden seien. Weiter führte der Sachverständige aus, dass die Linkskurve, welche der Angeklagte unmittelbar vor dem Unfall durchfuhr, einen Kurvenradius von 138 m aufgewiesen habe und die maximale Querbeschleunigung, welche selbst sportlich ausgelegte Fahrzeuge auf normalen Fahrbahnen erreichen könnten, bei 7 bis 8 m/s2 liege. Damit ergebe sich eine Kurvengrenzgeschwindigkeit dieser Linkskurve von 112 bis 120 km/h. Dieses Geschwindigkeitsintervall befinde sich im oben ermittelten Bereich der Ausgangsgeschwindigkeit des Pkws. Damit sei es aus technischer Sicht nachvollziehbar, dass das Fahrzeug aufgrund zu hoher Geschwindigkeit dem Fahrbahnverlauf nicht mehr folgen konnte und dadurch aus der Kurve getragen worden sei.

b) Ausführungen des Sachverständigen B. En.. O.

Der Sachverständige B. En.. O. stützte sein technisches Gutachten auf sämtliche Anknüpfungstatsachen, die sich aus der Hauptverhandlung, seinen Beobachtungen während dieser Hauptverhandlung und der Kenntnis der zur Verfügung gestellten Ermittlungsakten sowie seinen Untersuchungsergebnissen bei der technischen Begutachtung des Fahrzeugs am 15.09.2022 ergeben haben.

Der Sachverständige führte zunächst aus, dass die technische Begutachtung in Form einer Sicht- und Funktionsprüfung erfolgt sei, soweit die Beschädigungen am Fahrzeug dies zugelassen haben. Des Weiteren sei eine Fahrzeugdiagnose der elektrischen Systeme auf Werkstattebene durchgeführt worden. Weiter sei das Fahrzeug hinsichtlich der am 26.08.2022 durch den TÜV … bescheinigten Leistungssteigerung untersucht worden.

Die technische Untersuchung habe ergeben, dass bei der Bremsanlage, bei der Lenkanlage, bei den Reifen sowie bei der Baugruppe des Fahrwerks keine Hinweise auf unfallursächliche Mängel festgestellt werden konnten. Auch im Bereich der Sicherheitssysteme des Innenraums seien keine Defekte oder Fehlfunktionen ersichtlich gewesen. Es sei auch insbesondere kein Defekt im Bereich der Airbags ersichtlich. Dass diese bei der Kollision nicht ausgelöst haben, sei bei der festgestellten Aufprallgeschwindigkeit von 10 km/h bis 30 km/h nicht zwingend zu erwarten.

Der Sachverständige B. En.. O. erläuterte weiter, dass im Zuge der technischen Untersuchung das Fahrzeug auf leistungssteigernde Maßnahmen hin inspiziert worden sei. Insoweit seien im Bereich der Abgasturbolader und der Abgasanlage bei der Sichtprüfung keine baulichen Veränderungen festgestellt worden. Die durch Änderungsabnahme unmittelbar vor dem Unfall am 26.08.2022 nach § 19 (3) StVZO durch den TÜV … bescheinigte Leistungssteigerung sei nicht festgestellt worden. Bei dieser Leistungssteigerung sollte es sich um ein Einbaukit des Herstellers Brabus gehandelt haben. Als Prüfgrundlage sei dem TÜV … hierzu vom Angeklagten ein Teilegutachten vorgelegt worden. Bei Überprüfung dieses Teilegutachtens sei festgestellt worden, dass dieses nicht für das vorliegende Fahrzeug herangezogen werden könne. So sei dieses Teilegutachten nur für die Fahrzeugausführung ML mit einer Serienleistung von 386 kW gültig; das vorliegende Fahrzeug habe jedoch eine Serienleistung von 410 kW und sei von der Modellversion GL. Weiter sei festgestellt worden, dass die Abnahme nach § 19 (3) StVZO des TÜV … lückenhaft sei, da keine Nennung der Seriennummer des zu verbauenden Zusatzsteuergeräts und der Kennzeichnung des Motorsteuergeräts für die Vmax – Anhebung vermerkt worden sei, was jedoch zur späteren Kontrolle und Nachvollziehbarkeit unabdinglich sei. Des Weiteren habe eine Untersuchung des Motorraums ergeben, dass das in einem solchen Einbaukit enthaltene Zusatzsteuergerät für die Leistungssteigerung tatsächlich nicht verbaut worden sei. Auch auf dem Motorsteuergerät sei das vorgeschriebene Typschild, welches die Vmax-Anhebung angeben würde, nicht aufgefunden worden. Es habe sich vielmehr nach wie vor um das originale Motorsteuergerät gehandelt, insoweit wurde zur Bestätigung Rücksprache mit Mercedes gehalten. Im Nachgang der Besichtigung sei zudem Rücksprache mit der B1. GmbH gehalten worden. Diese hätten angegeben, dass ihnen das gegenständliche Fahrzeug unbekannt sei, obwohl im Rahmen des Bestellprozesses eines solchen Leistungssteigerungskits in aller Regel die Fahrgestellnummer verlangt werde, um den Garantie- und Gewährleistungsanspruch zu erhalten.

Aus technischer Sicht sei daher davon auszugehen, dass das Fahrzeug die dokumentierte Leistungssteigerung nicht aufweise.

Eine Auswertung des Motorsteuergeräts des Fahrzeugs habe jedoch ergeben, dass sich die Software nicht im Originalzustand befinde. Es seien 150 Kennfelder im Vergleich zum Serienzustand verändert worden, wobei die Veränderungen den Anschein hätten, dass diese unprofessionell erfolgt seien. Zum großen Teil haben die Veränderungen eine Leistungssteigerung bewirkt, indem interne Überwachungen ausgeschaltet worden seien, damit die Höchstgeschwindigkeit nicht erkannt werde. Weiter sei die maximale Variantencodierte Höchstgeschwindigkeit (Vmax-Anhebung) verändert worden. Die maximal mögliche Höchstgeschwindigkeit sei von 280 km/h auf 325 km/h angehoben worden.

c) Abschließende Einschätzung beider Sachverständiger

Zusammenfassend gaben beide Sachverständige an, dass alleinige Unfallursache die überhöhte Geschwindigkeit, womöglich in Verbindung mit einem Fahrfehler, gewesen sei. Ein geplatzter Reifen oder ein sonstiger technischer Mangel des Fahrzeugs, der als Unfallursache in Frage käme, seien auszuschließen. Das Fahrzeug befand sich vielmehr in einem guten technischen Zustand. Die vorhandenen Beschädigungen der vorderen rechten Radaufhängung und des rechten Reifens seien als Unfallfolge zu werten. Daneben sei die dokumentierte Leistungssteigerung der Firma B1. GmbH nicht verbaut gewesen. Die unprofessionell durchgeführten Softwareveränderungen, welche die maximal mögliche Höchstgeschwindigkeit auf 325 km/h anhoben, hätten dazu geführt, dass die Betriebserlaubnis des Pkws damit erloschen sei, und so zum Zeitpunkt des Unfalls keine Betriebserlaubnis für den Pkw mehr bestanden habe.

d) Würdigung der Kammer

Die Kammer konnte uneingeschränkt die schlüssigen und ohne weiteres verständlichen Ausführungen der Sachverständigen Dipl. Ing. S6. und B. En.. O., die sie sich vollumfänglich zu eigen gemacht hat, nachvollziehen. Die Sachverständigen sind jeweils von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Beide Sachverständige konnten zudem ihr Gutachten besonders anschaulich anhand der mit den Prozessbeteiligten in Augenschein genommenen Lichtbildern der Unfallörtlichkeit und des verunfallten Pkw erstatten. Auch deckten sich die Ausführungen der Sachverständigen, soweit sie auf Anknüpfungstatsachen bzw. Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung Bezug nahmen, mit den eigenen Feststellungen der Kammer, hierbei insbesondere mit den Aussagen der Fahrzeuginsassen Ay. und D., welche genaue Angaben zu der massiven Beschleunigung des Pkws sowie zu dessen Fahrtverlauf bis zur Kollision sowie zum Kontrollverlust des Pkws tätigten. Der Zeuge D1. gab zudem an, dass die Behauptung des Angeklagten am Unfallort, ihm sei der Reifen geplatzt und er habe deshalb die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, nicht stimmen könne, da er dies mit Sicherheit akustisch gehört hätte. Den ersten Knall habe er jedoch erst bei der Kollision mit dem Bordstein, daher erst nach dem bereits erfolgten Kontrollverlust über das Auto, wahrgenommen.

Auch die vom Sachverständigen B. En.. O. getätigten Ausführungen betreffend die nicht vorhandene Leistungssteigerung der Firma B1. konnten anhand des verlesenen Teilegutachtens wie auch der Abnahme nach § 19 (3) StVZO des TÜV … vollständig nachvollzogen werden. So war es auch bei bloßem Überfliegen des Teilegutachtens selbst für einen Laien erkennbar, dass das Teilegutachten nicht auf das gegenständliche Fahrzeug passte, da eindeutig aufgeführt ist, dass es nur für die Variante „ML“ gelte.

Die Kammer ist anhand der umfassenden Ausführungen des Sachverständigen B. En.. O. davon überzeugt, dass die dokumentierte Leistungssteigerung der Firma B1. nicht vorhanden war, eine Leistungssteigerung jedoch mittels unprofessioneller Softwareveränderungen erfolgte, was dazu führte, dass die Betriebserlaubnis des Pkw erloschen war. Die Kammer ist zudem davon überzeugt, dass dies dem Angeklagten bekannt war, denn alles andere wäre aufgrund der Umstände entgegen jeder Lebenswahrscheinlichkeit. Nach Ausführung der Zeugen T1. und D3. betreute der Angeklagte das verfahrensgegenständliche Fahrzeug seit dem Jahre 2020, führte insoweit sämtliche Wartungsarbeiten aus. Zudem wurde er wie oben geschildert von dem Zeugen T1. etwa zwei Jahre vor der Tat vom 26.08.2022 damit beauftragt, eine Leistungssteigerung der Firma B1. einbauen zu lassen; woraufhin der Angeklagte dem Zeugen T1. die erfolgte Leistungssteigerung bestätigte und dieser den Angeklagten mit dem Pkw deshalb zur Eintragung dieser Änderung zum TÜV schickte. Es konnte zwar nicht festgestellt werden, wer die Softwareveränderung durchgeführt hat – dass der Angeklagte davon wusste, steht aber außer Frage.

iii. Tatfolgen

(1) Feststellungen zu den Verletzungen und der Todesursache der Geschädigten S2.

Bei den Feststellungen zu den Verletzungen und der Todesursache hinsichtlich der Geschädigten S2. ließ sich die Kammer zunächst von der Rechtsmedizinerin Dr. H2. vom Institut für Rechtsmedizin an der L.-M.-Universität M. sachverständig beraten, welche die Sektion der Geschädigten am 31.08.2022 durchführte. Daneben stützte die Sachverständige ihr Gutachten auf die durchgeführte Beweisaufnahme sowie die sonstigen Inhalte der Hauptverhandlung.

a) Ausführungen der Sachverständigen Dr. H2.

Im Rahmen ihrer Gutachtenserstattung führte die Sachverständige Dr. H2. aus, dass die Geschädigte S2. an einem zentralen Regulationsversagen bei offenem Schädel-HirnTrauma mit Verlust des Großhirns sehr schnell verstorben sei. Es hätten sich bei der Sektion keine weiteren Veränderungen, insbesondere keine Vorschädigungen, die für den Todeseintritt wesentlich mitverantwortlich hätten sein können, ergeben. Die gefundene Verletzung entspreche einer massiven, überwiegend ungeformten Gewalteinwirkung, die den Schädel im Bereich der linken Schläfenschuppe von links seitlich getroffen und zu einer Zertrümmerung der rechten frontalen und seitlichen Schädelbasis mit Hirnverlust geführt habe.

Diese Verletzung sei mit dem sich aus der Hauptverhandlung ergebenden Unfallmechanismus, wobei die Getötete Beifahrerin in dem verunglückten Pkw gewesen sei, gut in Einklang zu bringen, wenn man davon ausgehe, dass ein Holzbalken durch die zerborstene Windschutzscheibe in des Fahrzeug eingedrungen sei, dabei womöglich durch Fahrzeuginnenteile wie das Lenkrad in seinem Verlauf abgelenkt wurde und den Kopf der Verstorbenen von der linken Seite her getroffen habe, wobei die Gewalteinwirkung von links auf die Schläfenschuppe erfolgt sei. Zu diesem Unfallmechanismus würden auch die von ihr im Gehirn aufgefundenen Holzteile passen.

b) Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. S6.

Zur Todesursache der Geschädigten S2. legte der Sachverständige Dipl. Ing. S6. ergänzend eine vom ihm erstellte und in Augenschein genommene Skizze vor, anhand welcher er anschaulich erklärte, wie Teile des durchbrochenen Holzzauns in das Innere des Pkws gedrungen sein könnten. Danach sei wahrscheinlich, dass nach Durchbrechen eines der Querbalken des Holzzauns, welcher durch das Fahrzeug zur Seite gedrückt wurde, ein daneben liegender Querbalken durch die Windschutzscheibe auf Fahrerseite des Pkws in das Fahrzeuginnere eingedrungen sei. Hierbei sei dieser Querbalken wahrscheinlich vom Stützbalken des Zauns abgerissen und Teile des Balkens dann durch Fahrzeuginnenteile wie das Lenkrad zur Seite in Richtung des Beifahrersitzes abgelenkt worden. Dies sei mit der am Lenkrad vorhandenen Beschädigung, der auf Fahrerseite großflächig durchbrochene Windschutzscheibe als auch mit der Schramme auf der Motorhaube sehr gut in Einklang zu bringen. Die Beschädigung am Lenkrad deute darauf hin, dass ein Gegenstand an dieser Stelle massiv dagegen geschrammt sein müsse.

c) Würdigung der Kammer

Dr. H2. ist der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als außerordentlich erfahrene und kompetente Sachverständige bekannt. Diese ist auch von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Insgesamt waren die differenzierten, sehr gut verständlichen und schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen für die Kammer ohne weiteres logisch nachvollziehbar, weshalb sich die Kammer diese zu eigen macht. Dasselbe gilt für die weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S6.. Auch deckten sich die Ausführungen der beiden Sachverständigen, soweit sie auf Anknüpfungstatsachen bzw. Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung Bezug nahmen, mit den eigenen Feststellungen der Kammer. So schilderten die Zeugen A2. und D1., dass sie, nachdem sie ausgestiegen seien, nach der Geschädigten S2. geschaut haben, diese sei insbesondere am Kopf blutüberströmt gewesen; der Zeuge A2. schilderte, dass er Teile ihres Gehirns im Fußbereich des Fahrersitzes und Holztrümmer daneben als auch im ganzen Fahrzeug gesehen habe. Dies wurde auch von den am Unfallort befindlichen polizeilichen Zeugen PHM St. PHK Fr. und PHMin Kl. als auch durch den Bestatter, den Zeugen B4., so glaubhaft bestätigt. Der Zeuge PHK Fr. führte hierzu ergänzend aus, dass die Windschutzscheibe des Autos auf Fahrerseite großflächig gebrochen gewesen sei, dass das Lenkrad eine Beschädigung aufgewiesen habe und dass das Kopfteil des Beifahrersitzes abgerissen worden sei. Hiervon konnte sich die Kammer auch durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder des verunfallten Fahrzeugs überzeugen. Die Zeugin K1. R3. führte insoweit ergänzend aus, dass sie bei einer nachträglichen Besichtigung des Fahrzeugs im ganzen Fahrzeuginnenraum verteilt Holzteile, Blut- und Gewebeanhaftungen sowie Teile der Schädeldecke der Geschädigten S2. aufgefunden habe.

Auch wenn das konkrete Holzteil, dass die Geschädigte S2. an der linken Schläfe traf, nicht aufgefunden bzw. identifiziert werden konnte, ist die Kammer bei einer Gesamtschau davon überzeugt, dass sich das Geschehen, dass zu der massiven Verletzung mit unmittelbarem Ableben der Geschädigten S2. geführt hat, wie unter lit. B) IV. geschildert und von Dipl. Ing. Sch. im Detail dargelegt, so zugetragen hat. Insbesondere ist hierbei hervorzuheben, dass die Feststellungen des unfallanalytischen und rechtsmedizinischen Gutachtens übereinstimmend sind bzw. sich schlüssig ergänzen.

(2) Feststellungen zu den Tatfolgen betreffend den Geschädigte A2., D. und S. S. und des Angeklagten

Die F. betreffend die körperlichen und psychischen Tatfolgen der Geschädigten A2., D. und S. S. beruhen auf deren glaubhaften Angaben. Hinsichtlich des Geschädigten A2. weiter auf dem verlesenen Arztbericht des Neurozentrums am K2.platz in A. vom 06.04.2023 sowie auf seinen verlesenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 30.08.2022, 19.09.2022, 29.09.2022, 24.11.2022, 19.01.2023, 09.02.2023, 21.02.2023, 08.03.2023, 06.04.2023, 04.05.2023 und 02.06.2023. Hinsichtlich des Geschädigten D1. weiter auf dem verlesenen Arztbrief des Universitätsklinikums A. vom 26.08.2022.

Zu der konkreten Gefährdung der Geschädigten S4. ergänzte die Sachverständige R4. Dr. H2. glaubhaft und für die Kammer nachvollziehbar, dass Kollisionen von Fußgängern mit Pkws selbst mit einer Geschwindigkeit von nur 10 km/h bis 30 km/h zu erheblichen Verletzungen bis zum Tod führen könnten.

Die Feststellung betreffend die Verletzungen des Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin E1., welche den Angeklagten nach der Tat ins Krankenhaus begleitete.

3. Gesamtwürdigung

Nach abschließender Betrachtung und Würdigung der in der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnisse in einer Gesamtschau, nach Abgleich mit dem Geständnis des Angeklagten und insbesondere nach einer Gesamtwürdigung der Zeugenaussagen, der in Augenschein genommenen Lichtbilder, der verlesenen Urkunden sowie der erstatteten Gutachten ergab sich für die Kammer ein in sich stimmiges Gesamtbild, weshalb das Gericht zweifelsfrei davon überzeugt ist, dass sich der Sachverhalt wie unter lit. B) dargestellt ereignet hat.

D) Schuldfähigkeit des Angeklagten

Die durch den Sachverständigen Dr. A3. sachverständig beratene Kammer gelangte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und Würdigung der vollumfänglich nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen sowie eigener umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner Einlassung sowie seiner begangenen Taten zu dem Ergebnis, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht erheblich vermindert oder gar aufgehoben war (§§ 20, 21 StGB).

I. Ausführungen des Sachverständigen

Der Sachverständige Dr. A3., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, welcher im Vorfeld ein schriftliches Gutachten zur Frage einer Einschränkung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne der §§ 20, 21 StGB bei Begehung der Taten sowie zu dem Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt nach §§ 63, 64 StGB erstellt hatte, erstattete der Kammer mündlich sein Gutachten.

Der Sachverständige Dr. A3. führte aus, dass er sein Gutachten auf sämtliche Anknüpfungstatsachen, die sich aus der Hauptverhandlung, seinen Beobachtungen während dieser Hauptverhandlung, der Kenntnis der zur Verfügung gestellten Ermittlungsakte sowie auf die bei der in der Justizvollzugsanstalt A.-G. am 21.07.2023 stattgefundenen Exploration persönlich erhobenen und gewonnenen Angaben, Befunde und Beobachtungen stütze. Darüber hinaus stütze der Sachverständige seine Erkenntnisse aus der mit Einverständnis des Angeklagten beigezogenen Gesundheitsakte der Justizvollzugsanstalt A.-G..

Der Sachverständige gab an, dass die Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration zu seiner Biografie im Wesentlichen denjenigen entsprechen würden, die der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung gemacht habe. In diesem Zusammenhang ging der Sachverständige nochmals summarisch auf die Angaben des Angeklagten hinsichtlich seiner Biografie, seiner sozialen Situation, seiner somatischen und psychiatrischen Anamnese, seiner Suchtanamnese sowie auf seine Angaben zu den ihm zur Last gelegten Straftaten ein. Gestützt auf diese Erkenntnisse und der durchgeführten Exploration des Angeklagten führte der Sachverständige aus, dass bei dem Angeklagten zu keinem Zeitpunkt, damit auch nicht zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Taten, psychiatrische Erkrankungen oder eine Suchterkrankung festgestellt werden konnten.

Zu möglichen psychiatrischen Erkrankungen führte der Sachverständige aus, dass bei dem Angeklagten nach der Tat vom 26.08.2022 zwar affektive Belastungen mit im Vordergrund stehenden Schuldgefühlen und Sorgen bezüglich seiner Familie und seiner Zukunft aufgrund der zu erwartenden Haftstrafe festgestellt werden konnten. Dies sei jedoch aus gutachterlicher Sicht eine normale und nachvollziehbare Reaktion auf das Tatgeschehen und den Tod einer jungen Frau. Die Beurteilung der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten hätte keine Hinweise auf eine zugrundeliegende Persönlichkeitsstörung ergeben. In diesem Zusammenhang habe der Proband insbesondere eine adäquate Einsicht in das Unrecht seiner Taten gezeigt.

Ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB sei daher beim Angeklagten nicht festzustellen. Im relevanten Tatzeitraum hätten alle bei der Erstattung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens differentialdiagnostisch in Erwägung zu ziehenden Störungen ausgeschlossen werden können. Insbesondere lägen keine Hinweise auf eine Intelligenzminderung oder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vor. Es hätten sich auch keine Anhaltpunkte für eine Intelligenzminderung oder Hinweise auf eine sonstige psychische Erkrankung ergeben.

Im Ergebnis, so resümierte der Sachverständige, seien bei dem Angeklagten keine psychiatrischen Diagnosen zu stellen. Auch Anhaltspunkte für eine Suchterkrankung oder für eine akute Intoxikation des Angeklagten zu den Tatzeiten hätten sich nicht ergeben. Beim Angeklagten sei bei der Tat am 26.08.2022 eine Atemalkoholkonzentration von 0,0 mg/l festgestellt worden. Es hätten sich auch keinerlei Hinweise auf eine sonstige Intoxikation mit zentralnervösen Medikamenten oder Suchtmitteln zu den Tatzeiten ergeben.

Eine erhebliche Verminderung oder gar Aufhebung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten sei daher mit Sicherheit ausgeschlossen, weswegen die medizinischen Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB zu verneinen seien.

II. Eigene Würdigung der Kammer

Die Kammer machte die äußerst differenzierten, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. A3. zur Grundlage ihrer selbst vorgenommenen Würdigung und schloss sich nach eigener Wertung der maßgeblichen Faktoren der Einschätzung des Sachverständigen an. Die Ausführungen des Sachverständigen konnten insbesondere aufgrund der Angaben des Angeklagten und auch aufgrund der Ergebnisse der Beweisaufnahme vollumfänglich nachvollzogen werden. Soweit der Sachverständige A4. als Zeuge tätigte, waren diese sachlich, äußerst differenziert, ohne jeglichen Belastungseifer vorgetragen und glaubhaft.

Bei dem Angeklagten liegt nach Überzeugung der Kammer keine psychische Störung vor. Im Rahmen der gesamten Hauptverhandlung, insbesondere auch bei seinen eigenen Angaben zu seiner Biografie und seinem Suchtmittelkonsum, konnte die Kammer keine Anhaltspunkte hierzu feststellen.

Auch Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit bei Begehung der Taten konnten von der Kammer nicht festgestellt werden. Aus der Hauptverhandlung ergaben sich für die Kammer insbesondere keinerlei Hinweise für psychopathologische Ausfallerscheinungen infolge einer Intoxikation zu den Tatzeitpunkten, die zu einer erheblichen Verminderung oder gar Aufhebung der Steuerungsfähigkeit geführt hätten. Der Angeklagte gab selbst an, dass er nur zu besonderen Anlässen, wie seinem Geburtstag oder an Silvester geringe Mengen Alkohol konsumiere. Betäubungsmittel habe er noch nie konsumiert. Es zeigten sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte an einer Suchterkrankung leidet oder zu den Tatzeiten unter dem Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln stand. Wie bereits vom Sachverständigen ausgeführt, wurde durch die Beweisaufnahme festgestellt, dass der Angeklagte bei der Tat am 26.08.2022 nicht unter dem Einfluss von Alkohol stand. So gab der Zeuge PHM St. glaubhaft an, dass ein durch ihn beim Angeklagten am 26.08.2022 um 19:57 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest einen Wert von 0,0 mg/l ergeben habe. Darüber hinaus gaben die unmittelbar am Tatort befindlichen polizeilichen Zeugen PHM St. PHMin Kl. und PHK Fr. glaubhaft an, dass sie beim Angeklagten keinerlei Zeichen für eine Intoxikation festgestellt hätten. Der Angeklagte wirkte im Gegenteil gefasst und bewusstseinsklar. PHK Fr. führte insoweit ergänzend aus, dass er sehr nah an den Angeklagten herangetreten sei und dabei keinen Alkoholgeruch oder eine sonstige Intoxikation wahrgenommen habe.

Dass beim Angeklagten keine Suchterkrankung vorliegt wurde bestätigt durch die glaubhaften Angaben der Zeugen A2. und D1., welche übereinstimmend ausführten, dass sie den Angeklagten an der AR.-Tankstelle nie Alkohol trinkend gesehen hätten. Auch die Zeugin J3. E1. gab glaubhaft an, dass der Angeklagte, ihr Verlobter zum damaligen Zeitpunkt, keinen Alkohol trinke, und auch keine Betäubungsmittel, sondern lediglich Tabak, konsumiere.

Im Ergebnis sieht daher auch die Kammer keine Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte oder gar aufgehobene Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne der §§ 20, 21 StGB bei Begehung der Taten, so dass der Angeklagte voll verantwortlich ist.

E) Rechtliche Würdigung

Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte wie im Tenor festgestellt schuldig gemacht.

I. Vorliegen zweier strafbarer „Rennen gegen sich selbst“ gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB

(1) Sowohl bei der Fahrt im Oktober 2021 als auch am 26.08.2022 liegt ein sog. „Rennen gegen sich selbst“ i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Für ein „Sich-Fortbewegen als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit“ ist in Anlehnung an § 3 Abs. 1 StVO grundsätzlich „jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit“ ausreichend (BGH, Beschluss vom 17.2.2021 – 4 StR 225/20).

Nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb der geschlossenen Ortschaft 50 km/h. Die vom Angeklagten zurückgelegte Fahrtstrecke war in Gänze innerorts gelegen. Der Angeklagte ist bei beiden Fahrten mit mindestens 100 km/h (bei der zweiten mit mindestens 112 km/h) gefahren, was jeweils einen besonders eklatanten Fall des Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit darstellt.

Der Angeklagte handelte bei beiden Fahrten auch grob verkehrswidrig. Darunter ist ein objektiv besonders schweres, d.h. typischerweise besonders gefährliches, gegen eine Verkehrsvorschrift verstoßendes Verhalten erforderlich. Vorliegend begründet sich die grobe Verkehrswidrigkeit bereits aus dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung. Nach der Rechtsprechung ist hierfür eine „besondere Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes“ ausreichend (BGH, Beschluss vom 17.2.2021 – 4 StR 225/20). Die Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes war vorliegend so erheblich, dass der Angeklagte am 26.08.2022 die Kurvengrenzgeschwindigkeit überschritt und deshalb aus der Kurve geschleudert wurde. Auch bei seiner Fahrt mit dem Zeugen R1. war die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit so massiv, dass der Zeuge panische Angst hatte.

(2) Der Angeklagte hatte hierbei Vorsatz hinsichtlich der genannten objektiven Tatbestandsmerkmale. Bezüglich des sich Fortbewegens mit nicht angepasster Geschwindigkeit handelte der Angeklagte absichtlich (dolus directus 1. Grades), da es ihm zielgerichtet darauf ankam, den Mitfahrenden durch diese extreme Fahrweise jeweils die extreme Beschleunigungskraft des Pkws vorzuführen. Von der groben Verkehrswidrigkeit seines Verhaltens hatte der Angeklagte zumindest sicheres Wissen (dolus directus 2. Grades), da er ortskundig war und ihm die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h bekannt war. Überdies handelte der Angeklagte subjektiv rücksichtslos, da er sich aus eigensüchtigen oder gleichgültigen Gründen über die bewusste Pflicht zur Vermeidung unnötiger Gefährdungen anderer hinwegsetzte (vgl. BGH, Beschluss vom 17.2.2021 – 4 StR 225/20). Bei beiden Fahrten ging es dem Angeklagten primär darum, seine jeweils jüngeren Mitfahrenden zu beeindrucken und ihnen die Leistung des Pkws zu demonstrieren. Das schnellere Fortkommen war vom Angeklagten ebenfalls erwünscht, stellte jedoch eher einen angenehmen Nebeneffekt dar. Der Angeklagten wusste zu jedem Zeitpunkt um seine Pflicht, sich auf der jeweils befahrenen Strecke mit höchstens 50 km/h fortzubewegen.

Auch die erforderliche überschießende Innentendenz, dass das Verhalten eines Täters von der Absicht getragen ist, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, liegt vor: Bei beiden Fahrten war es gerade die zugrundeliegende Motivation und damit Absicht des Angeklagten, den Mitfahrenden aus eigensüchtigen Motiven eine unter den konkreten situativen Gegebenheiten maximal mögliche Beschleunigung zu demonstrieren.

II. Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB

Hinsichtlich der bei der Fahrt am 26.08.2022 objektiv gefährdeten Fahrzeuginsassen Sch1, Ay. und D. handelte der Angeklagte mit Gefährdungsvorsatz gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB.

(1) Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Rennen gegen sich selbst i.S.d. § 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB fährt, verwirklicht den Qualifikationstatbestand des § 315 d Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht, wenn er durch sein Fahrverhalten während des Alleinrennens eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verursacht und zwischen seinem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urt. v. 18.08.2022 – 4 StR 377/21). Diese Voraussetzungen liegen hier eindeutig vor: Der Angeklagte hat, wie festgestellt, durch sein Fahrverhalten, die massiv überhöhte Geschwindigkeit, eine konkrete Gefahr für sämtliche Fahrzeuginsassen geschaffen, welche kausal für den eingetretenen Gefährdungserfolg – die Verletzungen der Geschädigten A2. und D1. und dem Tod der Geschädigten R2. S2. – war.

(2) Ein Gefährdungsvorsatz i.S.d. § 315d Abs. 2 StGB liegt dann vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet (BGH, Urt. v. 16.02.2023 – 4 StR 211/22, NZV 2023, 361 Rn. 28 mwN). Die Vorstellung des Täters muss sich hierbei nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen dem tatsächlich eingetretenen (Beinahe)-unfall entspricht (BGH, Urt. v. 18.08.2022 – 4 StR 377/21).

Aufgrund der Lage und des Verlaufs der Fahrtstrecke (innerorts, zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h, zwei sich unmittelbar anschließende Kurven), der extremen Beschleunigung, der enormen erzielten Geschwindigkeit des Fahrzeugs durch den Angeklagten und der Tatzeit abends um 19:30 Uhr nahm es dieser zumindest billigend in Kauf, dass seine Mitfahrenden oder auch andere Verkehrsteilnehmer in unmittelbarer Nähe (im Bereich der öffentlichen Straße und Wege) Schaden nehmen könnten. Nach seiner Ortskenntnis sowie seinen Vorerfahrungen mit der Fahrtstrecke mit dem Zeugen R1. war diesem klar, dass es aufgrund der massiv überhöhten Geschwindigkeit zu einer kritischen Verkehrssituation kommen könnte, bei der er auch aufgrund des Streckenverlaufs die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren könnte und dadurch alle Fahrzeuginsassen als auch unmittelbar in der Nähe befindliche Personen und Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden könnten. Zudem wurde von den Zeugen D1. und A2. geschildert, dass der Pkw bereits in der Rechtskurve wippte und wankte, der Angeklagte die Fahrt aber nicht verlangsamte. Der tatsächlich eingetretene Unfall in Form des Kontrollverlusts über das Fahrzeug entspricht auch dieser Vorstellung des Angeklagten. Hiermit hat sich der Angeklagte zumindest abgefunden, um die enorme Beschleunigungskraft seines Fahrzeugs zu demonstrieren.

(3) Eine mögliche Einwilligung der Geschädigten A2., D. und Sch1 durch das freiwillige Einsteigen in den Pkw Mercedes ist mangels Dispositionsbefugnis über das Rechtsgut der allgemeinen Verkehrssicherheit ausgeschlossen. Bei § 315d Abs. 1 StGB ist eine Einwilligung deshalb ohnehin nie denkbar. Anderes kann für §§ 315d Abs. 2 ff. StGB gelten, allerdings nur, sofern es sich bei den Geschädigten um Teilnehmer handelt. Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Geschädigten wussten nicht, welche Strecke der Angeklagte nehmen würde. Während oder vor der Fahrt fand überdies keinerlei anfeuernde o.ä. Kommunikation zwischen dem Angeklagten und den Mitfahrenden statt. Somit scheiden diese als Anstifter oder Beihelfende aus.

III. Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 5 StGB

(1) Der Angeklagte hat hinsichtlich der Geschädigten R2. S2. den Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 5 StGB erfüllt. Für die eingetretene schwere Folge in Form des Versterbens der Geschädigten S2. genügt nach § 18 StGB Fahrlässigkeit. Für den Angeklagten war es aufgrund der früheren Fahrt und der Gesamtumstände am 26.08.2022, insbesondere der Massivität des Verkehrsverstoßes und dem kurvigen Verlauf der Straße, mit der er bestens vertraut war, vorhersehbar und vermeidbar, dass die Geschädigte S2. aufgrund eines Unfalls zu Schaden kommen – und im hier eingetretenen Extremfall – auch versterben könnte. Der Angeklagte handelte insoweit mit bewusster Fahrlässigkeit. Die fahrlässige Tötung der Geschädigten S2. gemäß § 222 StGB wird insoweit von § 315d Abs. 5 verdrängt.

(2) Die Feststellungen tragen dagegen keinen (bedingten) Tötungsvorsatz i.S.d. § 212 Abs. 1 StGB. Bedingter Tötungsvorsatz ist dann gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Urt. v. 24.6.2021 – 4 StR 79/20, SVR 2021, 471).

Anknüpfend an die oben erfolgten Ausführungen zum Gefährdungsvorsatz i.S.d. § 315d Abs. 2 StGB ist das Vorliegen des Wissenselements beim Angeklagten jedoch noch zu bejahen. Da dem Angeklagten eine mögliche Gefährdung der Fahrzeuginsassen bewusst war, erkannte er gleichzeitig auch den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns, denn eine Gefährdung ist nichts anderes als die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung (BGH, Urt. v. 31.01.2019 – 4 StR 432/18, BeckRS 2019, 1667). Dass der Angeklagte den Todeseintritt billigte oder sich damit abfand, konnte jedoch nicht festgestellt werden. Das gleichgültige Sich-Abfinden mit der Schaffung einer konkreten, kritischen Gefährdungslage ist nämlich gerade nicht mit dem Sich-Abfinden mit einer tatsächlichen Verletzung des gefährdeten Objekts gleichzusetzen (Kulhanek, NStZ 2023, 108). Der Angeklagte vertraute vorliegend nachvollziehbar darauf, dass eine tatsächliche Verletzung der Fahrzeuginsassen ausbleibt. Diese Überzeugung stützte die Kammer maßgeblich darauf, dass sich der Angeklagte selbst im Fahrzeug befand. Der Angeklagte verneinte jedoch gegenüber dem Sachverständigen Dr. A3. glaubhaft Suizidgedanken oder Suizidversuche in der Vergangenheit. Auch für die Kammer haben sich in Laufe der Hauptverhandlung hierfür keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Weiter war zu berücksichtigen, dass es sich bei dem gegenständlichen Pkw Mercedes GL63 AMG um einen sehr großen, massiven Geländewagen mit umfassenden Sicherheitssystemen handelte. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Angeklagte darauf vertraute, dass er und die übrigen Fahrzeuginsassen bei einem tatsächlichen Unfall zwar gefährdet, aber zumindest vor schwersten Verletzungen bis hin zum Tode geschützt waren. Der Angeklagte handelte daher hinsichtlich des Todes der Geschädigten S2. wie oben ausgeführt bewusst fahrlässig.

IV. Strafbarkeit des Angeklagten gemäß §§ 229, 230 Abs. 1 StGB

Auch bezüglich der durch den Unfall verletzten Geschädigten A2. und D1. handelte der Angeklagte bzgl. des Verletzungserfolgs fahrlässig (§§ 229, 230 Abs. 1 StGB). Kommt es bei einem Kraftfahrzeugrennen zu Körperverletzungen, besteht aus Klarstellungsgründen Tateinheit zwischen § 315d Abs. 2 StGB und den Körperverletzungsdelikten, da eine Gefährdung auch ohne eingetretenen Verletzungserfolg möglich wäre. Hinsichtlich der Geschädigten S3. S4. konnte das Vorliegen einer ausschließlich auf die Tat zurückführenden kausalen Körperverletzung i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB dagegen nicht festgestellt werden. Die Zeugin gab zwar an, dass sie das Geschehene nach wie vor psychisch belaste und dass sie seit April 2023 krankgeschrieben und in psychischer Behandlung sei. Sie gab jedoch auch an, dass dies nicht nur auf den Unfall zurückzuführen sei, sondern sie auch aufgrund anderer Belastungen psychische Probleme habe.

Hinsichtlich der psychischen Folgen der Tat für den Geschädigten A2. konnte keine schwere Gesundheitsschädigung i.S.d. § 315 Abs. 5 Alt. 2 StGB festgestellt werden. Auch wenn diese Tatfolgen von einigem Gewicht sind und den Geschädigten A2. sehr belasten, ist das Vorliegen einer solchen schweren Gesundheitsschädigung an sehr hohe Voraussetzungen geknüpft. Unter einer schweren Gesundheitsschädigung sind Beeinträchtigungen zu verstehen, die den in § 226 Abs. 1 StGB bezeichneten schweren Folgen in Dauer und Schweregrad gleichkommen. Die in § 226 Abs. 1 StGB bezeichneten schweren Folgen müssen hierbei von längerer Dauer sein, wobei dies nicht mit Unheilbarkeit gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15.08.2023 – 4 StR 514/22, BeckRS 2023, 23529, Rn. 16). Es genügt, wenn die Behebung bzw. nachhaltige Verbesserung des ‒ länger währenden ‒ Krankheitszustands nicht abgesehen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2019 – 5 StR 677/18, juris Rn. 21 mwN). Diese hohen Voraussetzungen ergeben sich auch aus systematischen Überlegungen – die schwere Gesundheitsschädigung ist bei § 315d Abs. 5 StGB, anders als etwa bei § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB, hinsichtlich des Strafrahmens der schweren Folge des Todes gleichgestellt.

Vorliegend leidet der Geschädigte A2. zwar weiterhin an psychischen Belastungen – welche grundsätzlich auch erfasst sind – aufgrund des Miterlebens des gewaltsamen Todes seiner Freundin. Er war auch über mehrere Monate krankgeschrieben und damit arbeitsunfähig. Aus den vorgelegten und verlesenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergibt sich jedoch, dass er nicht durchgehend arbeitsunfähig war, sondern im Zeitraum zwischen der Tat und Juni 2023 immer wieder arbeitsfähig war. Zudem arbeitet er jetzt seit Juni 2023 wieder durchgehend. Eine nachhaltige Verbesserung war daher schon zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung ersichtlich, womit die oben erläuterten Voraussetzungen nicht gegeben sind.

V. Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4 StGB

In Bezug auf die beiden auf dem Parkplatz befindlichen Geschädigten S3. S4. und I2. S4. hat die Kammer das Vorliegen eines Gefährdungsvorsatzes i.S.d. § 315d Abs. 2 StGB verneint, da nicht sicher feststellbar war, dass der Angeklagte auch diesbezüglich die Umstände kannte, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls gerade als naheliegende Möglichkeit haben erscheinen lassen. Zwar erkannte der Angeklagte wie oben ausgeführt eine mögliche Gefährdung der Fahrzeuginsassen wie auch sonstigen sich in unmittelbarer Nähe auf der öffentlichen Straße als auch den angrenzenden Geh- und Fahrtwegen befindlichen Verkehrsteilnehmern. Die Geschädigten S befanden sich aber auf dem I4.platz, dessen Lage an der Fahrtstrecke dem Angeklagten zwar bestens bekannt war, welcher aber weitgehend durch einen Holzzaun umzäunt war und sich 1,4 Meter unterhalb der Straße befand. Die Geschädigten befanden sich zudem zwar im ersten Drittel des großen Parkplatzes, aber nicht in unmittelbarer Nähe zur Straße; dazwischen lagen noch mehrere Parkbuchten, Grünflächen als auch die E2. straße zum Parkplatz. Die Gefährdung war zwar nicht völlig fernliegend und damit vorhersehbar, jedoch konnte sich die Kammer aus den angeführten Gründen nicht ausreichend davon überzeugen, dass der Angeklagte eine Gefährdung von Personen auf dem Parkplatz als naheliegende Möglichkeit erkannte.

Damit liegt insoweit eine Strafbarkeit gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4 StGB vor. Der Angeklagte verursachte eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der beiden Geschädigten S4., wobei zwischen seinem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer Zusammenhang besteht: Die der vorliegenden Tatverwirklichung innewohnende, latente Gefährlichkeit war vorliegend das Risiko eines Kontrollverlusts über dem Pkw auf Höhe des I…-Parkplatzes. Dieses Risiko hat der Angeklagte durch seine massiv überhöhte Geschwindigkeit selbst geschaffen. Letztlich hing es nur noch vom Zufall ab, ob die beiden Geschädigten durch den Pkw oder auch durch das umgefallene Verkehrsschild (Geschädigte S3. S4.) (schwer) verletzt werden. Der Unfall und seine Folgen waren wie bereits ausgeführt sowohl objektiv als auch für den Angeklagten in dessen subjektiver Situation vorhersehbar und vermeidbar. Diese Bedenken stellte der Angeklagte jedoch hinter seinen Wunsch an, den Mitfahrenden die Beschleunigungskraft des Fahrzeugs vorzuführen. Die Annahme einer Gefahr wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, etwa weil sich die Gefährdeten noch in Sicherheit bringen konnten (vgl. BGH, Urt. v. 18.08.2022 – 4 StR 377/21, NStZ 2023, 108f.).

F) Strafzumessung

I. Tat lit. B) III.

Die Strafe für die unter lit. B) III. festgestellte Tat entnahm die Kammer dem Strafrahmen des § 315d Abs. 1 StGB.

Die Voraussetzungen eines vertypten Milderungsgrundes lagen hierbei nicht vor. Insbesondere war der Angeklagte bei Begehung der Taten voll schuldfähig, weswegen der vertypte Strafmilderungsgrund des § 21 StGB nicht in Betracht kam. Diesbezüglich wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen unter lit. D).

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht für die erste Fahrt zu Gunsten des Angeklagten insbesondere berücksichtigt,

– dass der Angeklagte ein in objektiver Hinsicht weitgehend vollständiges und werthaltiges Geständnis abgelegt hat,

– dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, und

– dass das Fahreignungsregister des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat keine Eintragungen aufwies.

Strafschärfend kam zum Tragen,

– dass der Angeklagte mit einem Fahrzeug fuhr, für das, wie der Angeklagte wusste, aufgrund einer Leistungssteigerung mittels unprofessioneller Softwareveränderungen die Betriebserlaubnis erloschen war, und

– dass der Angeklagte sowohl während als auch nach der Tat den Zeugen R1. aufgrund dessen berechtigter Angst verächtlich machte.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hielt die Kammer für die Tat unter lit. B) III. nach umfassender Gesamtabwägung unter Anwendung des Regelstrafrahmens eine Einzelstrafe von 150 Tagessätzen á 5 EUR für tat- und schuldangemessen.

II. Tat lit. B) IV.

Die Strafe für die unter lit. B) IV. festgestellte Tat entnahm die Kammer dem Strafrahmen des § 315d Abs. 5 StGB. Die Voraussetzungen eines vertypten Milderungsgrundes lagen wie soeben ausgeführt auch hinsichtlich dieser Tat nicht vor.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht für die Tat am 26.08.2022 strafmildernd insbesondere berücksichtigt,

– dass der Angeklagte in objektiver Hinsicht ein weitgehend vollständiges und werthaltiges Geständnis abgelegt hat,

– dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist,

– dass sich der Angeklagten bei den Nebenklägern entschuldigt und Reue gezeigt hat,

– dass das Fahreignungsregister des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat keine Eintragungen aufwies, und

– dass der Angeklagte – wenn auch nur sehr leicht – bei der Tat selbst verletzt wurde.

Zu Lasten des Angeklagten kam insbesondere zum Tragen,

– dass die Geschädigten A2. – welcher den gewaltsamen Tod seiner Lebensgefährtin miterleben musste – und die Geschädigte S3. S4. aufgrund der Tat unter teils massiven psychischen Problemen gelitten haben und teilweise bis heute unter den psychischen Folgen leiden,

– dass der Angeklagte mit einem Fahrzeug fuhr, für das, wie der Angeklagte wusste, aufgrund einer Leistungssteigerung mittels unprofessioneller Softwareveränderungen die Betriebserlaubnis erloschen war, und

– dass der Angeklagte durch die panische Reaktion des Zeugen R1. bei der Fahrt im Oktober 2021 hinsichtlich der Gefährlichkeit einer solche Fahrt gewarnt war.

Die Kammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung alle tat- und täterbezogenen, insbesondere die oben genannten Strafzumessungsgesichtspunkte umfassend abgewogen. Nach Gesamtabwägung dieser Umstände hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten für tat- und schuldangemessen.

III. Gesamtstrafenbildung

Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung hat die Kammer nochmals sämtliche für die Strafzumessung bedeutsamen Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen, dabei ihr Augenmerk nochmals auf die weitgehend geständige Einlassung des Angeklagten gerichtet und letztlich eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet.

G) Keine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt

137

Die Kammer hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht angeordnet, da die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht gegeben sind.

Im Zusammenhang mit dem unter lit. D) dargestellten Gutachtensinhalt legte der Sachverständige Dr. A3. auch das Ergebnis seiner Begutachtung im Hinblick auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB dar. Der Sachverständige Dr. A3. führte insoweit aus, dass bei dem Angeklagten keine Suchterkrankung festgestellt werden konnte, sodass bereits das Vorliegen einer Substanzkonsumstörung ausscheidet, weshalb beim Angeklagten schon kein Hang i.S.d. § 64 S.1 StGB vorliegt.

Die Kammer schließt sich aufgrund dieser vollumfänglich nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen und eigener sorgfältiger Gesamtwürdigung und Gesamtabwägung der Beweisergebnisse, der Angaben des Angeklagten sowie der Persönlichkeit des Angeklagten dieser Einschätzung an. Nach dem Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts vom 26.07.2023, in Kraft getreten am 01.10.2023, liegt ein Hang dann vor, wenn eine Substanzkonsumstörung besteht, die sich in einer dauernden und schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder Leistungsfähigkeit manifestiert hat, wobei die Merkmale „dauernd“ und „schwerwiegend“ kumulativ vorliegen müssen, jedoch die Beeinträchtigung mindestens eines der genannten Bereiche der Lebensführung ausreichend ist. Eine Substanzkonsumstörung liegt hierbei dann vor, wenn der Substanzkonsum nach Art und Grad behandlungsbedürftig ist. Hiervon erfasst sind substanzbezogene Abhängigkeitserkrankungen im medizinischen Sinne als auch Fälle, in denen der Schweregrad des Substanzmissbrauchs unmittelbar unterhalb einer Abhängigkeit einzuordnen ist. Damit ist ein Missbrauch gemeint, der nach ICD-10 als eine schwere Form des „Schädlichen Gebrauchs“ (ICD-10-GM F10 bis F19, Erweiterung .1: „Schädlicher Gebrauch“) einzuordnen ist (BT-Drs. 20/5913, S. 44f.). Ein Substanzmissbrauch liegt beim Angeklagten jedoch nicht vor, insoweit wird ergänzend auf die umfassenden Ausführungen unter lit. D) verwiesen.

H) Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten und Anordnung einer Sperrfrist zur Wiedererteilung

Dem Angeklagten war gemäß § 69 StGB seine Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a StGB wird aufgrund der verurteilten Taten vorliegend vermutet, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die diese Indizwirkung ausnahmsweise beseitigen. Im Gegenteil kommt hier erschwerend hinzu, dass der Angeklagte tatmehrheitlich zwei Katalogtaten gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB begangen hat. Diese Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ist zwischenzeitlich auch nicht weggefallen, sondern besteht bis heute fort.

Entscheidend für die Dauer der Sperrfrist ist die voraussichtliche Ungeeignetheit des Angeklagten. Die Schwere der Tatschuld ist dabei nur insoweit von Bedeutung, als sie Hinweise auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Täters und den Grad seiner Ungeeignetheit zu geben vermag (vgl. BGH, Beschl. vom 20.11.1990 – 4 StR 502/90). Hierbei zu berücksichtigen ist auch die Dauer und Wirkung eines langjährigen Strafvollzugs (vgl. BGH, Urt. vom 01.03.2018 – 4 StR 399/17; Beschluss vom 08.07.1997 – 4 StR 271/97).

Eine Sperre zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 4 Jahren nach § 69a StGB erachtet die Kammer, insbesondere unter Berücksichtigung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere seiner Zuverlässigkeit, seines Vorlebens, seines Verhaltens bei und nach der Tat sowie der gesamten Tatumstände als angemessen, ausreichend, aber auch erforderlich, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sein Verhalten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr zu überdenken und zu einem verantwortungsbewussten Kraftfahrer heranzureifen.

Vorliegend zeigten sich durch die Taten erhebliche charakterliche Mängel des Angeklagten. Der Angeklagte verursachte durch seine Verhaltensweise mehrfach eine weit überdurchschnittliche Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Angesichts des Umstands, dass eine Einwirkung auf die Persönlichkeit des Angeklagten, der sich entschuldigt hat, durch den Strafvollzug möglich erscheint, erachtet die Kammer eine befristete Sperre von 4 Jahren aber zur Abwendung der Gefahr auch als ausreichend. Berücksichtigt wurde hierbei auch, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat keine Eintragungen im Fahreignungsregister hatte und für die Ausübung seines Berufs als Kfz-Mechaniker auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, wodurch zu erwarten ist, dass die Maßregel für ihn eine besondere Warnung darstellt, (BayObLG Beschluss vom 25.8.1999 – 2 St RR 137/99, BeckRS 1999, 7082).

I) Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465, 472 StPO.

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