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Strafbefehl – Einspruchsrücknahme durch Verteidiger ohne Vollmacht nach § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO

Rechtliche Irrungen: Unwirksame Rücknahme eines Einspruchs und ihre Konsequenzen

In dem vorliegenden Fall handelt es sich um eine rechtliche Auseinandersetzung, bei der ein Angeklagter wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einem Strafbefehl belegt wurde. Der Kern des Problems liegt in der Frage der Wirksamkeit der Rücknahme eines Einspruchs gegen diesen Strafbefehl durch einen Verteidiger, der ohne Vollmacht im Hauptverhandlungstermin anwesend war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 30 Cs 126 Js 27714/19 (2) >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Der Verteidiger war ohne Vollmacht nach § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO im Hauptverhandlungstermin anwesend; daher ist eine von ihm erklärte Rücknahme des Einspruchs gegen einen Strafbefehl unwirksam.
  • Das Verfahren gegen den Angeklagten wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 206a StPO eingestellt.
  • Der Beschluss zum vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis wurde aufgehoben, und die Fahrerlaubnis musste an den Angeklagten zurückgegeben werden.
  • Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, der Angeklagte muss seine notwendigen Auslagen selbst tragen.
  • Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Angeklagten, das zur Einstellung des Verfahrens führen musste, da die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen ist.
  • Der Fall betont die Bedeutung einer korrekten rechtlichen Vertretung und der Einhaltung von Verfahrensregeln.

Unzulässige Vertretung und ihre Folgen

Der Angeklagte erhielt einen Strafbefehl, welcher eine Freiheitsstrafe und den Entzug der Fahrerlaubnis beinhaltete. Der Pflichtverteidiger, der ohne Vollmacht erschien, legte einen Einspruch gegen den Strafbefehl ein, welcher später jedoch zurückgenommen wurde. Diese Rücknahme führte dazu, dass der Strafbefehl rechtskräftig wurde, obwohl der Verteidiger nicht dazu berechtigt war, solche Erklärungen für den Angeklagten abzugeben.

Verfahrenseinstellung und Fahrerlaubnis

Aufgrund der unwirksamen Vertretung des Angeklagten wurde das Verfahren gemäß § 206a StPO eingestellt. Zusätzlich wurde festgestellt, dass der Angeklagte die Fahrerlaubnis nicht wirksam entzogen wurde. Daher wurde der Beschluss zum vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis aufgehoben, und die Fahrerlaubnis musste an den Angeklagten zurückgegeben werden, soweit sie sich noch in amtlicher Verwahrung befand.

Kosten und Auslagen

Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt, während der Angeklagte seine notwendigen Auslagen selbst tragen musste. Unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls wurde davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

Verjährung und Verfahrenshindernisse

Da seit der Anberaumung der Hauptverhandlung keine weiteren verjährungsunterbrechenden Maßnahmen erfolgten, ist die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen. Dies stellt ein Verfahrenshindernis dar, das zur Einstellung des Verfahrens führen musste. Es wurde festgestellt, dass der Angeklagte mangels Vollmacht im Termin nicht wirksam vertreten war, sodass die Einspruchsrücknahme durch den Pflichtverteidiger im Termin nicht wirksam erfolgen konnte.

Dieser Fall illustriert die Komplexität und die möglichen Konsequenzen von Verfahrensfehlern und wirft Licht auf die Bedeutung einer korrekten rechtlichen Vertretung und der Einhaltung von Verfahrensregeln. Die unwirksame Rücknahme des Einspruchs hatte weitreichende Folgen, die von der Einstellung des Verfahrens bis zur Rückgabe der Fahrerlaubnis reichten.

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Strafbefehl – kurz erklärt


Ein Strafbefehl ist ein vereinfachtes Verfahren im deutschen Recht, das zur Bewältigung leichter Kriminalität dient. Es ermöglicht den Strafverfolgungsbehörden, eine Strafe zu verhängen, ohne dass eine Hauptverhandlung erforderlich ist. Der Strafbefehl wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen und ist im Ergebnis eine strafrechtliche Verurteilung ohne Verhandlung. Er kommt bei kleineren Straftaten in Betracht, bei denen als Strafe eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, in Aussicht steht.

Der Strafbefehl dient der einfachen und schnellen Ahndung einfacherer Kriminalität und kann nur für Vergehen, nicht jedoch für Verbrechen, verwendet werden. Wenn der Beschuldigte gegen den Strafbefehl keinen Einspruch einlegt, wird dieser rechtskräftig, und es kommt zu einer Verurteilung ohne mündliche Hauptverhandlung.

Ein Einspruch gegen den Strafbefehl ist möglich, führt jedoch zu einer Hauptverhandlung und birgt das Risiko einer höheren Bestrafung. Viele Beschuldigte legen trotz der Einspruchsmöglichkeit keinen Einspruch ein, um das Risiko zu vermeiden.

Es ist wichtig, bei Erhalt eines Strafbefehls sorgfältig zu prüfen, ob ein Einspruch sinnvoll ist, und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen. Ein Strafbefehl ist eine ernste Angelegenheit und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

§ 411 Abs. 2 Satz 1 StPO

§ 411 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) in Deutschland besagt, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen kann. Dies bedeutet, dass der Angeklagte nicht persönlich anwesend sein muss, wenn er durch einen bevollmächtigten Verteidiger vertreten ist. § 420 StPO ist in diesem Zusammenhang ebenfalls anzuwenden.

Dieser Paragraph ist besonders relevant, wenn ein Angeklagter gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt hat und es zu einer Hauptverhandlung kommt. Der Strafbefehl ermöglicht ein vereinfachtes Verfahren bei geringfügigen Straftaten, bei dem keine Hauptverhandlung erforderlich ist, es sei denn, es wird Einspruch eingelegt.

Wenn der Einspruch gegen den Strafbefehl nicht fristgerecht oder in sonstiger Weise unzulässig ist, wird er gemäß § 411 Abs. 1 StPO ohne Hauptverhandlung durch Beschluss verworfen.

Die Regelungen des § 411 StPO sind Teil des deutschen Strafprozessrechts und dienen dazu, das Verfahren bei Strafbefehlen zu strukturieren und zu vereinfachen, insbesondere wenn Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt wird.


Das vorliegende Urteil

AG Regensburg – Az.: 30 Cs 126 Js 27714/19 (2) – Beschluss v. 18.08.2023

Leitsatz:

Ist der Verteidiger ohne Vollmacht nach § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO im Hauptverhandlungstermin anwesend, ist eine von ihm erklärte Rücknahme des Einspruchs gegen einen Strafbefehl unwirksam.


1. Das Verfahren wird hinsichtlich des Angeklagten mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 206a StPO eingestellt.

2. Der Beschluss nach § 111a StPO des Amtsgerichts Regensburg vom 08.01.2020 wird aufgehoben. Die Fahrerlaubnis ist wieder an den Angeklagten herauszugeben – soweit diese sich aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Regensburg vom 08.01.2020 noch in amtlicher Verwahrung befindet.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Der Angeklagte hat seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.

Gründe

Gegen den Angeklagten erging am 08.01.2020 unter dem Aktenzeichen 31 b Cs 126 Js 27714/19 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ein Strafbefehl durch das Amtsgericht Regensbürg, der eine Freiheitsstrafe von vier Monaten enthielt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ferner wurde die Fahrerlaubnis dem Angeklagten im Rahmen eines Beschlusses gleichlautenden Datums nach § 111 a StPO vorläufig entzogen. Der Strafbefehl enthielt neben dem Entzug der Fahrerlaubnis eine Wiedererteilungssperre von 8 Monaten. Dem Strafbefehl vorangegangen war eine formlose Anfrage vom 16.12.2019 an den Angeklagten, im Rahmen derer dem Angeklagten Gelegenheit gegeben wurde, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Nachdem sich der Angeklagte nicht geäußert hat, wurde gemäß § 408 b StPO ein Pflichtverteidiger vom Gericht bestimmt und der Strafbefehl sodann an diesen – unter formloser Übermittlung an den Angeklagten – zugestellt. Nach form- und fristgerechter Einspruchseinlegung durch den Pflichtverteidiger wurde dieser sowie der Angeklagte zum Hauptverhandlungstermin am 13.07.2020 geladen. Dem Angeklagten ging die Ladung nachweislich am 19.06.2020 zu. Im Hauptverhandlungstermin erschien der Angeklagte nicht. Der Verteidiger war ohne eine Vollmacht nach § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO anwesend und selbiges im Termin auch festgestellt. Trotzdem erklärte der Verteidiger eine Einspruchsrücknahme für den Angeklagten. Der Strafbefehl wurde daraufhin mit dem 13.07.2020 rechtskräftig geschrieben. Am 18.12.2020 erließ das Amtsgericht Regensburg sodann einen Gesamtstrafenbeschluss und führte die o.g. Strafe mit der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Erlangen vom 10.03.2020 (Az: Cs 915 Js 145923/19) auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten unter Aufrechterhaltung der Bewährung samt zugehörigem Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Regensburg aufrecht. Der Beschluss wurde dem Angeklagten am 22.12.2020 nachweislich zugestellt. Das Verfahren wurde sodann an das für den Wohnort des Angeklagten zuständige Amtsgericht Leverkusen abgegeben.

Mit Schreiben vom 05.12.2022 beantragte der nunmehrige Pflichtverteidiger nunmehr im Zuge eines zwischenzeitlich erfolgten, rechtskräftigen Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung 19.07.2022 durch das Amtsgericht Leverkusen (Az. 53 AR10/20), beim Amtsgericht Regensburg die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Hinweis auf die fehlenden Übersetzungen der zuzustellenden Schriftstücke an den Angeklagten und mangels Vertretungsvollmacht im Termin vom 13.07.2020 vor dem Amtsgericht Regensburg. Mit Schreiben vom 07.08.2023 beantragte er zudem die Einstellung des Verfahrens und legte Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis am 08.01.2020 ein.

Nach Prüfung der beigezogenen Akten des Amtsgerichts Erlangen sowie des Amtsgerichts Regensburg war eine Wiedereinsetzung mangels Übersetzung nicht zu gewähren, da der Angeklagte zur Überzeugung des Gerichts über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Aus den beiden Akten ergeben nicht eine Vielzahl von Polizeikontakten bis zum Widerruf, ohne dass sich den Akten Vermerke zu Sprachschwierigkeiten entnehmen lassen. Insofern wird auf die beigezogenen Akten Bezug genommen.

Allerdings war festzustellen, dass der Angeklagte mangels Vollmacht im Termin nicht wirksam vertreten war, so dass die Einspruchsrücknahme durch den Pflichtverteidiger im Termin nicht wirksam erfolgen konnte. Ein rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens ist damit bislang nicht erfolgt. Seit Anberaumung der Hauptverhandlung am 17.06.2020 sind keine weiteren verjährungsunterbrechenden Maßnahmen im Sinne des § 78 c StPO erfolgt. Mithin ist die dreijährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB am 16.06.2023 abgelaufen.

Es besteht damit ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Angeklagten, § 206a StPO, das zur Einstellung des Verfahrens führen muss.

Ferner wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis nicht wirksam entzogen. Aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs war der Beschluss zum vorläufigen Entzug gemäß § 111 a StPO vom 08.01.2020 aufzuheben und die Aushändigung der Fahrerlaubnis anzuordnen, soweit sich diese aufgrund des genannten Beschlusses noch in amtlicher Verwahrung befindet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 3 StPO.

Unter Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls wird daher davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

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