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Gesamtstrafenbildung – Begründungserfordernis

OLG Dresden – Az.: 1 OLG 13 Ss 191/14 – Beschluss vom 12.08.2014

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts  Chemnitz vom 13. November 2013 mit den zugrundeliegenden Feststellungen im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Chemnitz zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Chemnitz hat den Angeklagten mit Urteil vom 14. März 2013 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 92 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 720 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Chemnitz mit Urteil vom 13. November 2013 das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 89 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 600 Tagessätzen zu jeweils 30,00 € verurteilt. Im Übrigen wurde der Angeklagte vom Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in drei Fällen gegenüber der XXX in den Monaten Januar, Februar und März 2006 freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 13. November 2013 gemäß § 349 Abs. 2 StPO kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat, soweit sie den Gesamtstrafausspruch betrifft, Erfolg. Sie führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Ausspruch über die Gesamtgeldstrafe.

Im Übrigen ist das Rechtsmittel, soweit es die Schuldsprüche sowie die verhängten  Einzelstrafen betrifft, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils hat insoweit keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit wird  auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden in ihrer Antragsschrift vom 23. Juni 2014 verwiesen.

Der Gesamtstrafausspruch hält jedoch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat Einzelstrafen von zehn Tagessätzen á 30,00 € bei vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen unter 500,00 € und Einzelstrafen (Einsatzstrafe) in Höhe von 20 Tagessätzen á 30,00 € bei vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen über 500,00 € verhängt. Unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 20 Tagessätzen hat es sodann „unter nochmaliger Abwägung aller einzelnen für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände“ eine Gesamtgeldstrafe von 600 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen gehalten.

Diese lediglich formelhafte Begründung des Gesamtstrafausspruchs hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Bildung der Gesamtstrafe ist ein eigenständiger und zu begründender Strafzumessungsakt, der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB durch die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) erfolgt und sich nicht an der Summe der Einzelstrafen oder an rechnerischen Grundsätzen zu orientieren hat, sondern an gesamtstrafenspezifischen Kriterien (st. Rspr., vgl. BGH JR 2012, 35; NJW 2010, 3176; wistra 2010, 264; BGH NStZ 2003, 295). Die Erhöhung der Einsatzstrafe kann dabei  geringer ausfallen, wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht, da die wiederholte Begehung gleichartiger Taten der Ausdruck einer niedriger werdenden Hemmschwelle sein kann. Andererseits kann hierin aber je nach den Umständen des Einzelfalles auch ein Indiz für eine besondere kriminelle Energie (§ 46 Abs. 2 StGB) gesehen werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 2 Ss 142/13 -). Kommt die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe, ist eine eingehende Darlegung erforderlich, aus welchen Gründen der durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB vorgesehene Rahmen für die Gesamtstrafenbildung nahezu ausgeschöpft wurde (BGH wistra 2010, 264; BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 7).

Diesen Anforderungen wird die Begründung des Landgerichts nicht gerecht. Sie lässt eine Überprüfung der Bildung der Gesamtstrafe, insbesondere der sie tragenden Strafzumessungserwägungen nicht zu. Obwohl sich die Gesamtstrafe deutlich von der Einsatzstrafe entfernt, hat sich die Kammer auf eine formelhafte Begründung beschränkt. Die erfolgte Verhängung einer Gesamtstrafe im oberen Bereich des zur Verfügung stehenden Gesamtstrafrahmens lässt im vorliegenden Fall besorgen, das Gericht habe sich in zu starkem Maße von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (BGH, NStZ-RR 2013, 108). Die Ausführungen des Landgerichts lassen darüber hinaus auch nicht erkennen, dass gesamtstrafenspezifische strafmildernde Umstände, wie der hier gegebene besonders enge zeitliche, sachliche und situative Zusammenhang der gleichartigen Taten, berücksichtigt worden wäre.

Der Gesamtstrafausspruch hat daher keinen Bestand. Die Gesamtstrafe muss erneut bemessen werden.

Die Entscheidung erging einstimmig gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO.

 

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