Ein gesetzlicher Betreuer legte im Namen seines Schützlings eine Beschwerde gegen dessen Gefängnisaufenthalt wegen Bewährungswiderrufs ein. Doch gerade bei der Vertretung in Strafverfahren gab es eine überraschende Hürde für den engagierten Helfer.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Darf ein Betreuer einfach so im Strafverfahren für seinen Schützling kämpfen?
- Warum wurde die Beschwerde des Betreuers sofort abgewiesen?
- Spielte die neue Betreuungsrechtsreform dabei eine Rolle?
- Hätte die Beschwerde denn in der Sache Erfolg gehabt?
- Reicht eine Geldstrafe aus einem Strafbefehl für einen Bewährungswiderruf?
- Wer bezahlt das gescheiterte Verfahren?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was muss ich tun, um als Betreuer im Strafverfahren handeln zu dürfen?
- Kann mein Betreuer mich im Strafverfahren auch gegen meinen Willen vertreten?
- Wer vertritt meinen Schützling, wenn ich als Betreuer nicht dazu befugt bin?
- Welche weiteren persönlichen Konsequenzen drohen mir als Betreuer ohne Befugnis?
- Wie sorge ich dafür, dass mein Aufgabenkreis zukünftig präzise genug ist?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Ws 178/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Celle
- Datum: 18.07.2025
- Aktenzeichen: 2 Ws 178/25
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Betreuungsrecht
- Das Problem: Ein Mann bekam nach einer Haftstrafe eine Bewährung, beging aber neue Straftaten. Als seine Bewährung widerrufen wurde, legte sein Betreuer Beschwerde dagegen ein.
- Die Rechtsfrage: Darf ein Betreuer eigenständig Beschwerde dagegen einlegen, dass die Bewährung seines Klienten widerrufen wurde?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Beschwerde als unzulässig ab. Dem Betreuer war die Befugnis zur Vertretung in Strafverfahren nicht ausdrücklich übertragen worden.
- Die Bedeutung: Diese Entscheidung stellt klar, dass Betreuer nur mit ausdrücklicher Ermächtigung in Strafverfahren für ihre Klienten auftreten dürfen. Allgemeine Aufgabenbereiche reichen hierfür nicht aus.
Der Fall vor Gericht
Darf ein Betreuer einfach so im Strafverfahren für seinen Schützling kämpfen?

Ein gesetzlicher Betreuer ist dafür da, zu helfen. Er kümmert sich um Finanzen, Gesundheit und „Rechtsangelegenheiten“. Als sein Schützling, ein Mann auf Bewährung, nach neuen Straftaten wieder ins Gefängnis muss, handelt der Betreuer: Er legt Beschwerde ein. Es scheint der logische nächste Schritt zu sein. Das Oberlandesgericht Celle sah das jedoch völlig anders. Die Richter blickten nicht auf die gute Absicht, sondern auf eine präzise Liste von Befugnissen – und fanden dort eine entscheidende Lücke.
Warum wurde die Beschwerde des Betreuers sofort abgewiesen?
Die Richter prüften nicht einmal die Argumente des Betreuers zur Sache. Sie stoppten schon bei einer formalen Vorfrage. Ist dieser Betreuer überhaupt berechtigt, im Namen des Verurteilten eine sofortige Beschwerde einzulegen? Die Antwort des Gerichts war ein klares Nein.
Das Gesetz regelt die Vertretung durch einen Betreuer streng. Ein Betreuer darf nur in den Bereichen handeln, die ihm vom Betreuungsgericht ausdrücklich zugewiesen wurden. Diese Bereiche nennt man Aufgabenkreise. Im vorliegenden Fall umfasste die Bestellung des Betreuers zwar die Vermögens- und Gesundheitssorge sowie den Punkt „Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten“. Der entscheidende Aufgabenkreis fehlte aber: die Vertretung in Strafverfahren.
Das Gericht stellte klar, dass eine so allgemeine Formulierung wie „Rechtsangelegenheiten“ nicht ausreicht. Die Vertretung in einem Strafverfahren ist ein hochspezialisierter Bereich. Sie erfordert besondere Kenntnisse und greift tief in die Rechte des Betroffenen ein. Eine solche Befugnis muss das Betreuungsgericht explizit in der Bestellungsurkunde anordnen. Ohne diesen klaren Auftrag handelt der Betreuer ohne Vollmacht. Seine Beschwerde war damit von vornherein unzulässig.
Spielte die neue Betreuungsrechtsreform dabei eine Rolle?
Ja, und zwar eine verstärkende. Das Gericht betonte, dass die seit 2023 geltende Reform des Betreuungsrechts dieses Prinzip zementiert hat. Das Gesetz verlangt nun noch deutlicher, dass die Aufgabenkreise einzeln und präzise benannt werden. Eine weite Auslegung, bei der man eine Vertretungsbefugnis in Strafsachen aus allgemeinen Formulierungen ableitet, ist damit ausgeschlossen. Der Gesetzgeber will Klarheit. Und diese Klarheit besagt: Was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten.
Hätte die Beschwerde denn in der Sache Erfolg gehabt?
Obwohl die Beschwerde schon aus formalen Gründen scheiterte, gaben die Richter einen klaren Hinweis. Selbst wenn der Betreuer vertretungsbefugt gewesen wäre, hätte sein Anliegen keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Widerruf der Bewährung war in den Augen des Gerichts völlig korrekt.
Der verurteilte Mann hatte eine klare Chance bekommen. Die Aussetzung seiner Reststrafe war an die Erwartung geknüpft, dass er keine neuen Straftaten begeht. Genau das hat er aber getan. Innerhalb der Bewährungszeit wurde er dreimal erneut verurteilt – wegen Drogenbesitzes, Beleidigungen und einer Bedrohung.
Die Häufigkeit und die Art der Taten pulverisierten die positive Prognose, die einst zur Strafaussetzung geführt hatte. Die neuen Verurteilungen zeigten dem Gericht, dass die Warnfunktion der Bewährung den Mann nicht erreicht hatte. Er hatte bewiesen, dass die in ihn gesetzte Erwartung enttäuscht wurde.
Reicht eine Geldstrafe aus einem Strafbefehl für einen Bewährungswiderruf?
Dieser Punkt ist für viele überraschend. Ein Bewährungswiderruf kann auch durch Straftaten ausgelöst werden, die „nur“ mit einer Geldstrafe und per Strafbefehl – also ohne mündliche Verhandlung – geahndet wurden. Entscheidend ist nicht die Art des Verfahrens, sondern das Gewicht der Tat.
Im Fall des Mannes summierte sich allein eine der neuen Verurteilungen auf 180 Tagessätze. Das ist weit entfernt von einer Bagatelle. Die Richter sahen darin einen klaren Beleg für die fortbestehende kriminelle Energie. Die Argumente des Betreuers, der Mann sei nun psychisch stabil und konsumiere keine Drogen mehr, verfingen nicht. Solche Behauptungen allein, ohne handfeste Beweise, konnten die Tatsache der wiederholten Straftaten nicht entkräften. Für mildere Maßnahmen, etwa eine Verlängerung der Bewährungszeit, fehlte jede Grundlage.
Wer bezahlt das gescheiterte Verfahren?
Die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens muss der Betreuer tragen. Die Logik des Gerichts ist einfach: Wer ohne die nötige Befugnis handelt und dadurch Kosten verursacht, haftet dafür persönlich. Die Kostenentscheidung fiel daher zu Lasten des Betreuers als Beschwerdeführer, nicht zu Lasten des Verurteilten.
Die Urteilslogik
Gerichte legen präzise fest, wie Bevollmächtigungen für Rechtsangelegenheiten auszusehen haben und welche Konsequenzen Bewährungsverstöße ziehen.
- Explizite Aufgabenkreise: Ein gesetzlicher Betreuer vertritt seinen Schützling nur in den Aufgabenkreisen, die das Betreuungsgericht ausdrücklich und spezifisch festlegt; allgemeine Formulierungen reichen für Strafverfahren nicht aus.
- Gesetzliche Präzision: Die jüngste Betreuungsrechtsreform zwingt dazu, die Aufgabenbereiche von Betreuern noch genauer zu benennen und schließt weitreichende Interpretationen aus.
- Bewährungspflicht: Wer während einer laufenden Bewährung erneut Straftaten begeht, riskiert deren Widerruf; selbst mittels Strafbefehl geahndete Delikte mit erheblicher Tagessatzhöhe begründen dies.
Die Rechtsprechung betont, wie entscheidend klare Bevollmächtigungen und die konsequente Einhaltung gerichtlicher Auflagen für die Funktionsfähigkeit der Justiz sind.
Benötigen Sie Hilfe?
Haben Sie Fragen zur Vertretungsbefugnis Ihres Betreuers in Strafsachen? Für eine fundierte erste Einschätzung Ihrer Lage stehen wir Ihnen zur Verfügung.
Experten Kommentar
Man meint, ein Betreuer kümmert sich um alles Wichtige, besonders bei „Rechtsangelegenheiten“. Doch dieses Urteil zeigt knallhart: Wenn es um Strafverfahren geht, muss das Betreuungsgericht ganz explizit „Ja“ sagen, sonst ist der Ofen aus. Die Gerichte schauen seit der neuen Betreuungsrechtsreform noch genauer hin, ob die Befugnis zur Vertretung im Strafrecht auch wirklich klar in der Bestellungsurkunde steht. Wer ohne diesen klaren Auftrag losrennt und Beschwerde einlegt, tut seinem Schützling keinen Gefallen – er bleibt im Zweifel sogar selbst auf den Kosten sitzen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was muss ich tun, um als Betreuer im Strafverfahren handeln zu dürfen?
Sie dürfen als Betreuer im Strafverfahren nur handeln, wenn die ‚Vertretung in Strafverfahren‘ explizit und präzise als Aufgabenkreis durch das Betreuungsgericht in Ihrer Bestellungsurkunde angeordnet wurde. Eine allgemeine Formulierung wie ‚Rechtsangelegenheiten‘ ist dafür nicht ausreichend und wird von Gerichten konsequent abgewiesen; diese spezifische Zuweisung ist der Schlüssel.
Die Regel lautet klar: Ohne eine namentlich genannte Befugnis in Ihrer Bestellungsurkunde existiert keine Vertretungsmacht. Juristen nennen das einen „Aufgabenkreis“. Ihr Aufgabenkreis muss die ‚Vertretung in Strafverfahren‘ wörtlich und unmissverständlich benennen. Nur eine solche explizite Anordnung durch das Betreuungsgericht schafft die nötige rechtliche Grundlage. Allgemeine Formulierungen reichen hier nicht aus. Wenn Ihre Urkunde lediglich von ‚Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten‘ spricht, fehlt Ihnen die Autorität für ein Strafverfahren. Dieser Bereich ist hochspezialisiert und bedeutet tiefe Eingriffe in die Rechte des Betroffenen. Die seit 2023 geltende Betreuungsrechtsreform zementiert dieses Prinzip zusätzlich. Sie schließt eine weite Auslegung, die aus allgemeinen Formulierungen eine Befugnis in Strafsachen ableitet, ausdrücklich aus. Das Gesetz fordert heute noch präziser benannte Aufgabenkreise für klare Verhältnisse.
Ein passender Vergleich ist der eines Spezialisten in der Medizin. Ein Hausarzt darf zwar viele Beschwerden behandeln. Für eine komplexe Herzoperation benötigen Sie jedoch zwingend einen speziell ausgebildeten Herzchirurgen. Eine allgemeine Erlaubnis für ‚medizinische Angelegenheiten‘ würde hier nicht genügen – es braucht die explizite Spezialisierung.
Überprüfen Sie daher sofort Ihre aktuelle Bestellungsurkunde auf den exakten Wortlaut Ihrer zugewiesenen Aufgabenkreise. Insbesondere gilt es zu klären, ob ‚Vertretung in Strafverfahren‘ dort explizit genannt wird und nicht nur impliziert ist. Handeln Sie nur mit dieser klaren Befugnis, um unwirksame Schritte und persönliche Kosten zu vermeiden.
Kann mein Betreuer mich im Strafverfahren auch gegen meinen Willen vertreten?
Nein, Ihr Betreuer kann Sie im Strafverfahren nur vertreten, wenn der Aufgabenkreis „Vertretung in Strafverfahren“ explizit vom Betreuungsgericht zugewiesen wurde. Ohne diese spezifische Anordnung hat er keinerlei rechtliche Vertretungsmacht, weder mit noch gegen Ihren Willen. Eine allgemeine Befugnis für „Rechtsangelegenheiten“ genügt hierfür nicht.
Juristen nennen das Prinzip der Spezialisierung. Ihr Betreuer benötigt eine ganz konkrete Befugnis, um Sie in einem Strafverfahren zu vertreten. Diese muss wörtlich in der gerichtlichen Bestellungsurkunde stehen: „Vertretung in Strafverfahren“. Allgemeine Aufgabenkreise, wie sie oft für „Rechtsangelegenheiten“ formuliert sind, reichen dafür nicht aus. Strafverfahren greifen tief in Ihre persönlichen Rechte ein. Der Gesetzgeber fordert deshalb eine besondere Präzision.
Ohne diese explizite Zuweisung handelt der Betreuer rechtlich ohne Vollmacht. Seine Handlungen sind dann von vornherein ungültig. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie damit einverstanden wären oder nicht. Die fehlende gerichtliche Ermächtigung macht seine Schritte wirkungslos.
Stellen Sie sich eine Arztpraxis vor. Ein Hausarzt kann viele Beschwerden behandeln. Für eine komplexe Herzoperation benötigt er aber einen spezialisierten Chirurgen. Ohne diese spezielle Qualifikation – oder hier: die explizite gerichtliche Anordnung – darf er den Eingriff nicht vornehmen, egal wie gut seine Absichten sind. Das Gericht legt diesen strengen Maßstab an.
Prüfen Sie unbedingt die Bestellungsurkunde. Sprechen Sie mit Ihrem Betreuer oder fragen Sie direkt beim Betreuungsgericht nach. Überprüfen Sie den genauen Wortlaut. Nur wenn „Vertretung in Strafverfahren“ explizit aufgeführt ist, besitzt Ihr Betreuer diese weitreichende Befugnis. So erhalten Sie schnell Klarheit und können gegebenenfalls handeln.
Wer vertritt meinen Schützling, wenn ich als Betreuer nicht dazu befugt bin?
Wenn Sie als Betreuer nicht explizit für die „Vertretung in Strafverfahren“ befugt sind, muss Ihr Schützling in der Regel selbst seine Interessen wahrnehmen oder dringend einen spezialisierten Rechtsanwalt beauftragen. Gerichte akzeptieren keine allgemeinen Vertretungen in diesem hochsensiblen Bereich; die explizite gerichtliche Anordnung der Befugnis ist unverzichtbar, da Ihre Handlungen sonst ohne Vollmacht erfolgen.
Die Regel ist klar: Verfügen Sie als Betreuer nicht über die explizite Befugnis „Vertretung in Strafverfahren“, liegt die Wahrnehmung der Interessen im Strafverfahren primär beim Betreuten selbst. Dieses Prinzip unterstreicht die besondere Natur strafrechtlicher Angelegenheiten. Gerichte fordern eine ausdrückliche Anordnung für diesen hochspezialisierten Aufgabenkreis. Eine allgemeine Zuweisung wie „Rechtsangelegenheiten“ genügt hier keineswegs. Weder das Betreuungsgericht kann ohne spezifische Anordnung eingreifen, noch können Ihre sonstigen, wenn auch gut gemeinten, Betreuerpflichten diese Lücke füllen. Die tiefgreifenden Auswirkungen eines Strafverfahrens erfordern eine unzweifelhafte Legitimation.
Denken Sie an die Situation eines Piloten: Er darf ein Flugzeug nur dann steuern, wenn er dafür die spezifische Lizenz besitzt. Ein allgemeiner Autoführerschein, so nützlich er auch ist, berechtigt ihn nicht zum Fliegen. Genauso verhält es sich mit der Vertretung in Strafverfahren: Nur die exakt dafür erteilte gerichtliche Befugnis ermöglicht Ihnen das Handeln.
Handeln Sie umgehend: Klären Sie mit Ihrem Schützling, ob er seine Interessen selbst wahrnehmen kann oder einen Rechtsanwalt beauftragen möchte. Bieten Sie ihm Ihre Unterstützung an, einen spezialisierten Strafverteidiger zu finden und zu beauftragen. Dies ist der sicherste Weg, um die rechtliche Vertretung in dieser kritischen Phase zu gewährleisten und Fehler zu vermeiden.
Welche weiteren persönlichen Konsequenzen drohen mir als Betreuer ohne Befugnis?
Handeln Sie als Betreuer ohne die explizit zugewiesene Befugnis zur Vertretung in Strafverfahren, droht Ihnen als primäre und direkteste Konsequenz die persönliche Haftung für sämtliche Verfahrenskosten. Das Gericht betrachtet Sie als den Beschwerdeführer, der ohne erforderliche Vollmacht agiert hat und dadurch unnötige Kosten verursacht. Diese finanzielle Last fällt direkt auf Sie zurück.
Juristen nennen das Prinzip der Kostenlast „Wer die Musik bestellt, zahlt auch“. Wenn Sie im Strafverfahren für Ihren Schützling auftreten, obwohl Ihr Aufgabenkreis die Vertretung in Strafsachen nicht explizit beinhaltet, agieren Sie rechtlich betrachtet ohne Vollmacht. Das bedeutet, Ihre Handlungen sind von Anfang an unzulässig und entfalten keine Rechtswirkung für den Betreuten.
Folglich werden die durch Ihr unbefugtes Engagement entstandenen Verfahrenskosten direkt Ihnen als handelnde Person angelastet. Dies ist ein wichtiger Punkt. Selbst gute Absichten ändern nichts an dieser klaren rechtlichen Zuordnung. Die Kostenentscheidung belastet Sie persönlich, nicht den Betreuten oder das Budget der Betreuung.
Denken Sie an eine Situation im Alltag: Wenn Sie ohne die Schlüssel und die Erlaubnis des Eigentümers ein fremdes Auto starten und damit fahren, sind Sie für eventuelle Schäden oder verursachte Kosten allein verantwortlich – unabhängig davon, wie gut Ihre Absicht war, zum Beispiel jemandem zu helfen. Ähnlich ist es hier im juristischen Kontext: Keine Befugnis, keine Vertretungswirkung, aber volle Haftung für die Folgen.
Legen Sie deshalb keine weiteren rechtlichen Schritte im Strafverfahren Ihres Schützlings ein. Überprüfen Sie sofort Ihre Bestellungsurkunde auf den exakten Wortlaut der Aufgabenkreise. Klären Sie Ihre Befugnisse zweifelsfrei, bevor Sie handeln. So vermeiden Sie persönliche Haftung und unnötige finanzielle Belastungen.
Wie sorge ich dafür, dass mein Aufgabenkreis zukünftig präzise genug ist?
Als Betreuer stellen Sie sicher, dass Ihr Aufgabenkreis zukünftig präzise genug ist, indem Sie beim Betreuungsgericht aktiv eine explizite Anordnung für jeden benötigten, spezifischen Bereich beantragen. Besonders bei hochsensiblen und rechtlich tiefgreifenden Feldern wie der Vertretung in Strafverfahren sind allgemeine Formulierungen kategorisch unzureichend. Die seit 2023 geltende Betreuungsrechtsreform verlangt hier unmissverständliche Klarheit in Ihrer Bestellungsurkunde.
Die Regel lautet: Ihr Betreuungsauftrag muss wortwörtlich in Ihrer gerichtlichen Bestellungsurkunde stehen. Juristen nennen das das Prinzip der Spezialität. Es bedeutet, dass das Gericht Ihnen nur jene Befugnisse zuspricht, die explizit aufgeführt sind. Eine bloße Formulierung wie „Rechtsangelegenheiten“ ist für so gravierende Eingriffe in die Rechte des Betroffenen, wie sie ein Strafverfahren darstellt, schlichtweg nicht ausreichend. Der Grund: Solche Mandate erfordern spezialisiertes Wissen und eine klare Ermächtigung.
Seit der Betreuungsrechtsreform 2023 hat sich dieses Prinzip sogar noch verschärft. Der Gesetzgeber fordert nun noch deutlicher die einzelne und präzise Benennung der Aufgabenkreise. Eine weite Auslegung, die aus allgemeinen Sätzen Befugnisse in Strafsachen ableitet, ist seitdem ausdrücklich ausgeschlossen. Was nicht konkret genannt ist, dürfen Sie als Betreuer nicht tun.
Ein passender Vergleich ist ein Spezialwerkzeugkasten: Wenn Sie einen bestimmten Schraubenschlüssel brauchen, reicht es nicht, einen allgemeinen Werkzeugkasten zu haben. Der spezifische Schraubenschlüssel muss explizit darin liegen. Genauso müssen Ihre spezifischen Befugnisse für ein Strafverfahren konkret in Ihrer Betreuungsurkunde aufgeführt sein.
Um auf der sicheren Seite zu sein, kontaktieren Sie proaktiv das zuständige Betreuungsgericht. Beantragen Sie eine Überprüfung und gegebenenfalls Ergänzung Ihrer Bestellungsurkunde. Stellen Sie sicher, dass alle spezifischen Aufgabenkreise, die Sie für die umfassende Betreuung als notwendig erachten – insbesondere in rechtlichen Angelegenheiten wie Strafverfahren –, explizit und wörtlich genannt werden. Handeln Sie jetzt, um später keine Überraschungen zu erleben.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Aufgabenkreise
Aufgabenkreise legen fest, für welche konkreten Bereiche ein gesetzlicher Betreuer rechtlich handeln darf und sind damit der Rahmen seiner Befugnisse. Das Betreuungsgericht teilt diese Bereiche individuell zu, um sicherzustellen, dass die Hilfe des Betreuers zielgerichtet ist und die Selbstbestimmung des Betreuten so wenig wie möglich einschränkt. Das Gesetz schützt so die Rechte der betreuten Person.
Beispiel: Im vorliegenden Fall scheiterte die Beschwerde des Betreuers, weil seine Bestellungsurkunde keinen Aufgabenkreis für die Vertretung in Strafverfahren enthielt.
Bestellungsurkunde
Eine Bestellungsurkunde ist das offizielle gerichtliche Dokument, das einen gesetzlichen Betreuer ernennt und detailliert seine zugewiesenen Aufgabenkreise auflistet. Dieses Schriftstück dient als Nachweis der Vertretungsbefugnis und schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Es sorgt dafür, dass klar ersichtlich ist, welche Handlungen der Betreuer im Namen seines Schützlings vornehmen darf.
Beispiel: Ohne eine ausdrückliche Nennung der Vertretung in Strafverfahren in der Bestellungsurkunde besaß der Betreuer im vorliegenden Fall keine rechtliche Befugnis, Beschwerde einzulegen.
Betreuungsrechtsreform
Die Betreuungsrechtsreform ist eine seit 2023 geltende umfassende Neuerung des deutschen Betreuungsrechts, die insbesondere die Rechte der betreuten Person stärkt und die Präzision der Aufgabenkreise fordert. Mit dieser Reform wollte der Gesetzgeber die Selbstbestimmung der Betreuten noch stärker in den Vordergrund stellen und die Qualität der rechtlichen Betreuung verbessern. Die Reform verlangt klarere Abgrenzungen der Befugnisse, um unnötige Einschränkungen zu vermeiden.
Beispiel: Das Gericht betonte, dass die seit 2023 geltende Betreuungsrechtsreform das Prinzip der präzisen Aufgabenkreise zementiert hat und eine weite Auslegung, die die Vertretung in Strafverfahren einschließen würde, ausschließt.
Strafbefehl
Ein Strafbefehl ist ein vereinfachtes Verfahren im Strafrecht, bei dem das Gericht eine Geldstrafe oder eine geringe Freiheitsstrafe ohne eine mündliche Hauptverhandlung verhängen kann. Dieses Instrument entlastet die Gerichte und ermöglicht eine schnelle Abwicklung weniger schwerwiegender Delikte, vorausgesetzt, der Beschuldigte akzeptiert die Strafe oder legt keinen Einspruch ein.
Beispiel: Überraschenderweise können auch Straftaten, die „nur“ mit einem Strafbefehl geahndet wurden, einen Widerruf der Bewährung auslösen, wie der vorliegende Fall verdeutlichte.
Tagessätze
Tagessätze sind die Berechnungsgrundlage für Geldstrafen in Deutschland, wobei die Gesamtzahl der Tagessätze die Schwere der Tat und die Höhe jedes einzelnen Tagessatzes die finanziellen Verhältnisse des Täters widerspiegeln. Dieses System sorgt für eine gerechte Bemessung der Geldstrafe, da es sowohl die Schuld als auch die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Jeder soll die Strafe gleich hart spüren.
Beispiel: Eine der neuen Verurteilungen des Mannes summierte sich allein auf 180 Tagessätze, was im Kontext des Bewährungswiderrufs keineswegs als Bagatelle galt.
Widerruf der Bewährung
Der Widerruf der Bewährung bedeutet, dass eine ursprünglich zur Bewährung ausgesetzte Reststrafe doch noch vollstreckt werden muss, weil der Verurteilte sich nicht an die gerichtlichen Auflagen gehalten hat oder erneut straffällig wurde. Das Gericht zieht damit die gewährte zweite Chance zurück, wenn der Verurteilte das Vertrauen nicht erfüllt. Dieser Mechanismus sichert die Einhaltung gerichtlicher Entscheidungen und die Resozialisierung.
Beispiel: Der Widerruf der Bewährung erfolgte im Fall des Mannes, weil er innerhalb der Bewährungszeit dreimal wegen neuer Straftaten verurteilt wurde, was die positive Prognose zunichtemachte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Aufgabenkreis Vertretung in Strafsachen (§ 1815 Abs. 3 BGB)
Ein Betreuer darf im Strafverfahren für seinen Schützling nur handeln, wenn das Betreuungsgericht ihm diese Befugnis ausdrücklich und gesondert zugewiesen hat.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da dem Betreuer die Vertretung in Strafverfahren nicht explizit als Aufgabenkreis übertragen wurde, war er nicht berechtigt, Beschwerde gegen die Gerichtsentscheidung einzulegen, was zur sofortigen Abweisung führte.
Präzisionsgebot bei Aufgabenkreisen des Betreuers (§ 1815 Abs. 2 BGB)
Aufgabenkreise eines Betreuers müssen klar und einzeln benannt werden; eine pauschale Formulierung wie „Rechtsangelegenheiten“ reicht für spezialisierte Bereiche wie Strafverfahren nicht aus.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die im Fall vorhandene allgemeine Formulierung „Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten“ reichte dem Gericht nicht aus, um die hochspezialisierte Vertretung in einem Strafverfahren zu umfassen, ein Prinzip, das durch die seit 2023 geltende Betreuungsrechtsreform noch verstärkt wurde.
Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB)
Eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe wird widerrufen, wenn die verurteilte Person während der Bewährungszeit neue Straftaten begeht, die zeigen, dass die Erwartung auf Besserung enttäuscht wurde.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Beschwerde formal abgewiesen wurde, hätte sie in der Sache keinen Erfolg gehabt, da der Schützling durch mehrfache neue Verurteilungen während der Bewährungszeit die in ihn gesetzte Erwartung auf ein straffreies Leben enttäuscht hatte.
Strafbefehl als Grundlage für Bewährungswiderruf (Anwendung von § 56f Abs. 1 StGB)
Auch eine Verurteilung per Strafbefehl kann ausreichen, um eine Bewährung zu widerrufen, wenn die Tat erheblich genug ist und zeigt, dass die verurteilte Person die Erwartungen an ihre Führung nicht erfüllt hat.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Tatsache, dass eine der neuen Straftaten „nur“ per Strafbefehl mit einer Geldstrafe geahndet wurde, änderte nichts an ihrer Eignung als Begründung für den Bewährungswiderruf, da die Höhe der Tagessätze die Schwere der Tat zeigte.
Kostentragung bei unberechtigtem Vorgehen (Allgemeines Prozessprinzip)
Wer ein gerichtliches Verfahren ohne die notwendige Vertretungsbefugnis einleitet und damit Kosten verursacht, muss diese in der Regel selbst tragen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Betreuer die Beschwerde ohne die erforderliche Vertretungsbefugnis einlegte und damit das Verfahren unzulässig war, wurden ihm persönlich die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Celle – Az.: 2 Ws 178/25 – Beschluss vom 18.07.2025
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