LG Berlin, Az.: 512 Qs 69/13
Beschluss vom 04.03.2014
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 19. November 2013 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 22. Juli 2013 – (349 Gs) 222 Js 1201/13 (2144/13) – und – (349 Gs) 222 Js 1201/13 (2146/13) – werden aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.
Gründe
Die Angeschuldigten veröffentlichten unter den Künstlernamen „B.“ und „S.“ gemeinsam im Juli 2013 zuerst über Internet-Plattformen und sodann durch die Herstellung von CD’s und DVD’s u. a. das hier streitgegenständliche Lied „…“. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 12. September 2013 verwiesen.
Aufgrund mehrerer daraufhin erstatteter Strafanzeigen, u. a. auch durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin, K. W., nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung gegen die Angeschuldigten auf.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Tiergarten am 22. Juli 2013 einen allgemeinen Beschlagnahmebeschluss – (349 Gs) 222 Js 1201/13 (2144/13) – gem. §§ 111b, 111m, 111n StPO, einen Beschlagnahmebeschluss – (349 Gs) 222 Js 1201/13 (2146/13) – gem. §§ 94, 98 StPO sowie am 26. Juli 2013 einen Durchsuchungsbeschluss – (349 Gs) 222 Js 1201/13 (2208/13) – für die Räumlichkeiten der Firma „Bu. GmbH in der … in … Berlin.
Am 12. September 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen die Angeschuldigten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Tiergarten am 19. November 2013 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und Entschädigungsansprüche dem Grunde nach für die allgemeine Beschlagnahme und die Durchsuchungsmaßnahmen ausgesprochen.
Bezüglich des Inhaltes und der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Berlin am 22. November 2013 sofortige Beschwerde eingelegt.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 210 Abs. 2 StPO, aber in der Sache unbegründet, weshalb auch die Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. Juli 2013 aufzuheben waren.
Die Kammer lässt es dahinstehen, ob – wie von der Verteidigung vorgetragen – die Akten derzeit unvollständig sind, weil möglicherweise ein Schriftwechsel des Anzeigenerstatters und Regierenden Bürgermeisters, K. W. an den Justizsenator oder den Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Be., der – so vorgetragen – eine unrechtmäßige Beeinflussung dieser Personen auf das Ermittlungsverfahren nachweisen könnte, sich nicht in der Akte befinden, da diese Schriftstücke auch bei ihrem Vorhandensein keinen Einfluss auf die Entscheidung der Kammer nehmen könnten.
Das Amtsgericht Tiergarten hat in zutreffender Art und Weise ausführlich und rechtlich nicht zu beanstanden die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und für die belastenden Maßnahmen zu Lasten der Angeschuldigten dem Grunde nach Entschädigungsansprüche anerkannt.
Zur Begründung nimmt die Kammer nach ausgiebiger Würdigung und eigener Prüfung ausdrücklich Bezug auf den zutreffenden Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. November 2013.
Die Kammer merkt ergänzend an:
Der verfassungsrechtlich verankerte Schutz der Kunstfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG gebietet es, ein Lied bzw. den Liedtext unabhängig von dem persönlichen Geschmack des Betrachters neutral zu betrachten und einzelne Elemente nicht von dem Ganzen loszulösen und damit aus dem Zusammenhang zu reißen. Aus diesem Grund verbietet es sich auch, den Liedtext isoliert, ohne den „Sprechgesang“, Melodie etc. zu beurteilen. Danach ist die künstlerische Betätigung durch einen subjektiven schöpferischen Prozess gekennzeichnet, dessen Ergebnis vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulässt (vgl. Schemmer, in Epping/Hillgruber, GG, Art. 5 Rz. 160). Da sich die Kunst permanent fortentwickelt und immer neue Formen hervorbringt, ist der Kunstbegriff weit zu verstehen (vgl. BVerfGE 119, 1, 23 = NJW 2008, 39, 40). Dabei ist der Kunstbegriff zudem kein starrer Begriff, sondern hat sich auch der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen. Mag es auch der Kammer selbst nicht eigen sein, so darf nicht verkannt werden, dass dieses sich vornehmlich an Jugendliche und junge Erwachsene richtende Lied, sich einer Sprache bedient und bedienen muss, die vom Empfängerhorizont verstanden wird und den dementsprechenden Sprachcode verwendet (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 185, Rn. 17).
Auch wenn die Angeschuldigten sich einer jugendtypischen zum Teil auch „vulgären“ Sprache bedienen, ist auffällig, dass sie gleichzeitig versuchen, den Liedtext in historischen Formen des Vers und der Strophe zu halten. Fast krampfhaft versuchen die Angeschuldigten Reimwörter zu bilden, z. B. „Barbie-Fetisch, Grieche so wie Archie-medes“, „…, du Bastard bist jetzt vogelfrei, du wirst in deinen Arsch gefickt wie W., „Yeah, Yeah, was für Vollmacht, du Schwuchtel wirst gefoltert,“ ohne dass bei dem Empfänger bei der Wiedergabe des Liedes der Eindruck sich aufdrängt, die Bedeutung läge zwingend auf dem Vergleich („… W.“, „… gefoltert“) und nicht auf dem Reimwort. Vielmehr ist die Intention offensichtlich die Provokation des „…“ nicht jedoch eine Volksverhetzung, Beleidigung oder ähnliches.
Die Kosten des Verfahrens und die den Angeschuldigten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin, § 467 Abs. 1 S. 1 StPO.